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Versuchsbeginn beim Diebstahl

KG Berlin – Az.: (2) 121 Ss 157/12 (33/12) – Beschluss vom 03.09.2012

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. April 2012 insoweit aufgehoben, als er darin verurteilt worden ist.

2. Der Angeklagte wird freigesprochen.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten jeweils entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

4. Dem Angeklagten steht eine Entschädigung für die in diesem Verfahren erlittene vorläufige Festnahme vom 30. zum 31. August 2011 und die Wohnungsdurchsuchung am 30. August 2011 nicht zu.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen (nach einem rechtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO) wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts kamen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte N zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 22. August 2011 überein, sich durch die Begehung so genannter Wash-Wash-Taten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen. Nach dem gemeinsamen Tatplan wollten sie wie folgt vorgehen:

Versuchsbeginn beim Diebstahl
Symbolfoto: Von Thomas Andre Fure /Shutterstock.com

Der Angeklagte sollte zunächst den Kontakt zu den späteren Geschädigten herstellen und mit ihnen ein weiteres Treffen vereinbaren. Bei diesem Treffen sollte dann der – als Chemiker bzw. Chef des Angeklagten auftretende – gesonderte Verfolgte seine angebliche Fähigkeit demonstrieren, mittels verschiedener Hilfsmittel echte Geldscheine zu vervielfältigen. Auf diese Weise sollten die späteren Geschädigten dazu veranlasst werden, zu einem weiteren Treffen echte Geldscheine „zur Vervielfältigung“ mitzubringen. Tatsächlich wollten der Angeklagte und gesondert Verfolgte während der vermeintlich chemischen Prozedur – von den Geschädigten unbemerkt – die echten Geldscheine gegen präpariertes wertloses Papier austauschen. Anschließend wollten sie mit dem Geld der Geschädigten, das sie für sich behalten wollten, den Tatort unter Hinweis darauf, dass die chemische Reaktion noch eine Zeitlang in Anspruch nehme, verlassen, während die zurückbleibenden Geschädigten weiter davon ausgingen, noch im Besitz ihres Geldes zu sein.

Entsprechend dieser Abrede suchte der Angeklagte am 22. August 2011 den Zeugen S. in dessen Geschäft auf und überreichte ihm einen 50 €-Schein. Er erklärte, diesen zu 7,5 % des Nennwertes verkaufen zu wollen und „von diesem Geld“ noch Millionen beschaffen zu können, worauf der Zeuge zum Schein einging. Am 23. August 2011 suchten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte den Zeugen, der die Polizei noch am 22. August 2011 informiert hatte, in dessen Geschäftsräumen auf. Hier erklärte der gesondert Verfolgte, dass er mittels speziellen Papiers, Chemikalien und Aluminiumfolie Geldscheine vervielfältigen könne, deren Fälschung Banken nicht erkennen würden. Er demonstrierte mit verbaler Unterstützung des Angeklagten anhand eines eigenen 50 €-Scheines unter Verwendung der mitgeführten Hilfsmittel die vermeintliche Vermehrung und zeigte dem Geschädigten nach Beendigung der Vorführung drei beidseitig bedruckte 50 €-Scheine. Der Angeklagte erklärte, dass der Zeuge nur das Geld beschaffen müsse, sie (er und der gesondert Verfolgte) würden es dann vermehren. Der Zeuge gab vor, das Geld bei einem Freund zu besorgen und vereinbarte mit dem Angeklagten ein weiteres Treffen in seinen Geschäftsräumen zur Vermehrung des zwischenzeitlich beschafften Geldes.

Vereinbarungsgemäß suchten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte den Zeugen am 30. August 2011 in dessen Geschäft auf. Bei diesem Treffen war ein Polizeibeamter („A.“) anwesend, der sich als Freund des Zeugen S. ausgab und erklärte, das Geld für die Vermehrung beschafft zu haben. Bevor es jedoch zu weiteren Aktivitäten kam, verließ der gesondert Verfolgte das Geschäft, weil ihm die Benutzung der Toilette, in der sich zwei Polizeibeamte verbargen, mit einer Ausrede verwehrt worden war. Er kam nicht mehr zurück. Stattdessen rief er kurze Zeit später den im Geschäft zurückgebliebenen Angeklagten auf dessen Mobiltelefon an. Nach dem Telefonat wollte der Angeklagte das zur Vervielfältigung bestimmte Geld sehen und erklärte gleichzeitig, dass die Prozedur nun an einer anderen Örtlichkeit stattfinden solle. „A.“ zeigte ihm einen präparierten Umschlag, durch dessen Sichtfenster ein 500 €-Schein zu erkennen war. Der Angeklagte rief daraufhin den gesondert Verfolgten an und übergab das Telefon an „A.“. In der Folgezeit vermittelte er mehrere Gespräche zwischen ihm und dem gesondert Verfolgten, in denen es um einen neuen Tatort und abgeänderte Modalitäten der Geldübergabe ging. Schließlich brachen die Polizeibeamten das weitere Vorgehen ab und nahmen den Angeklagten noch in den Geschäftsräumen des Zeugen fest.

2. Die auf diese Feststellungen gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen eines mittäterschaftlich versuchten (Trick-) Diebstahls im besonders schweren Fall gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestands übergeht (vgl. BGH NStZ 2011, 517 mit weit. Nachweisen; std. Rspr.). Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles. Hierbei können etwa die Dichte des Tatplans oder der Grad der Rechtsgutsgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (vgl. BGH NStZ 2002, 309; BGHR StGB § 22 Ansetzen 11).

b) Gemessen hieran ist die Würdigung des Amtsgerichts, der Angeklagte hätte spätestens mit dem Betreten des Ladengeschäfts am 30. August 2011 und dem sich Vorzeigenlassen des (vermeintlich) zur Vervielfältigung bestimmten Geldes durch den Zeugen unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt, rechtlich fehlerhaft. Denn es bedurfte noch weiterer wesentlicher Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung, sodass das fremde Rechtsgut noch nicht konkret gefährdet war.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hätte die Tat dem ursprünglichen Plan folgend an diesem Tag in den Geschäftsräumen des Zeugen S. durchgeführt werden sollen. Hierzu kam es aber nicht, weil der gesondert Verfolgte, der die vermeintliche Prozedur durchführen sollte, gleich nach Betreten des Geschäfts infolge der verwehrten Toilettenbenutzung die Räumlichkeiten wieder verließ und nicht mehr zurückkehrte. In den anschließenden Telefonaten ging es – in Abänderung des ursprünglichen Plans – um einen neuen Tatort und die Modalitäten der Geldübergabe. Bei dieser Sachlage hatte der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt zur Tatbestandserfüllung unmittelbar angesetzt. Denn als er gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten das Geschäft betrat, wussten sie noch nicht, ob der Zeuge S. tatsächlich das Geld beschafft hatte und ihnen zur Tatbegehung überlassen würde. Als der Angeklagte sich – deutlich – später vom Vorhandensein des Geldes vergewisserte, standen die weiteren konkreten Modalitäten der Tatausführung nicht mehr fest.

3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen zum Tatgeschehen zu erwarten sind und spricht daher gemäß § 354 Abs. 1 StPO den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des versuchten Diebstahls frei.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 464, 467 Abs. 1 StPO.

II.

Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 30. August 2011 gemäß § 127 Abs. 2 StPO vorläufig festgenommen. Zudem wurde an diesem Tag seine Wohnung aufgrund richterlicher Anordnung gemäß § 102 StPO (erfolglos) durchsucht.

Dem Angeklagten steht eine Entschädigung für diese Strafverfolgungsmaßnahmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 und 4 StrEG) nicht zu, weil er sie grob fahrlässig verursacht hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG). Grob fahrlässig handelt, wer in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufgewendet hätte, um sich vor Schaden durch die Strafverfolgungsmaßnahme zu schützen. Hierbei kommt es nicht auf das vorliegende Ergebnis an, sondern es ist auf den Sachverhalt abzustellen, der sich den Ermittlungsbehörden im Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme dargeboten hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 5 StrEG Rdn. 10). Danach war der Angeklagte mehrfach an den Zeugen S. herangetreten, um ihn als Opfer für eine so genannte wash-wash-Tat zu gewinnen. Am 23. August 2011 hatte er an der Simulation mitgewirkt und am 30. August 2011 betrat er das Geschäft, um die Tat gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten durchzuführen. Bei dieser Sachlage hat er die Maßnahmen geradezu herausgefordert.

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