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Verletzung des Dienst- und Privatgeheimnisses

Unberechtigte Datenabfragen eines Polizeibeamten

LG Freiburg (Breisgau) – Urteil vom 03.12.2018 – Az.: 21/18 – 17 Ns 230 Js 24749/16 (2)

1. Auf die Berufung des Angeklagten (…) wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 30.11.2015 (35 Cs 230 Js 24749/12) aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

a) Der Angeklagte wird wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht in 5 Fällen und wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Munition zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 45 € verurteilt.

b) Der Angeklagte ist schuldig der Verletzung von Privatgeheimnissen. Er wird deshalb zu einer Geldbuße von 400 € verurteilt.

c) Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.

2. Die weitergehende Berufung des Angeklagten wird verworfen.

3. Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gelten 20 Tagessätze der Geldstrafe als vollstreckt.

4. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, trägt er die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens, allerdings wird die Gebühr im Berufungsverfahren um ein Drittel ermäßigt; ein Drittel der im Berufungsverfahren entstandenen Auslagen der Staatskasse und notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der Staatskasse auferlegt.

Soweit der Angeklagte freigesprochen wurde, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Angewendete Vorschriften: §§ 203 Abs. 1 u. 2 S. 1 Nr. 1 u. S. 2, 205 Abs. 1, 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 4, 53 StGB, 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 30.11.2015 wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht in 9 Fällen (Einzelstrafen: jeweils 70 Tagessätze zu 30 €) und vorsätzlichen Besitzes unerlaubter Munition (Einzelstrafe: 50 Tagessätze zu 30 €) zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu jeweils 30 € verurteilt. Außerdem wurde er wegen des unbefugten Verarbeitens oder sonstigen Verwendens personenbezogener Daten gemäß § 40 Abs. 1 LDSG in 23 Fällen jeweils zu einer Geldbuße von 400 € verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

II.

Persönliche Feststellungen

Der Angeklagte (…) entschied (…) sich 1995, in den Polizeidienst des Landes Baden-Württemberg einzutreten. Der Angeklagte war zuletzt als Polizeiobermeister tätig, im November 2012 wurde er (…) versetzt. Nach Bekanntwerden der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe wurde er (…) suspendiert. Seitdem bezieht er gekürzte Bezüge (…).

Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

III.

Tatsächliche Feststellungen bzgl. Verurteilung

Taten Nr. 1. – 5.

Verletzung des Dienst- und Privatgeheimnisses
(Symbolfoto: Von Kzenon/Shutterstock.com)

Der Angeklagte war als Streifen- und Ermittlungsbeamter zunächst beim Polizeirevier F. und ab November 2012 bis zu seiner Suspendierung am 07.03.2013 beim Polizeiposten (…) eingesetzt und hatte in dieser Eigenschaft Zugriffsberechtigungen zu den polizeilichen Anwendungen POLAS-BW (Polizeiliches Auskunftssystem u.a. mit Personalien, Anschriften, Personenbeschreibungen, besonderen Hinweises z.B. auf Betäubungsmittelkonsum, Vorstrafen, ED-Behandlungen), ZEVIS (Zentrales Verkehrsinformationssystem), Meldit (= Meldedaten) und ComVor (Vorgangsbearbeitungssystem). Außerdem bestand für ihn eine Zugangsberechtigung zu den Lagebildeinträgen des Polizeireviers F. Wie der Angeklagte wusste, unterlag er als Beamter der Verschwiegenheitspflicht aus § 37 BeamtStG.

Die Ehefrau des Angeklagten E. betrieb (…) ein Nagelstudio, das wirtschaftlich nicht den gewünschten Erfolg erzielte. E. war daher auf der Suche nach einer anderen beruflichen Tätigkeit. Über eine Zeitungsannonce fand sie eine Anstellung in dem (…) [im Folgenden nur: Bordell], das von (…) betrieben wird. Der Angeklagte holte seine Ehefrau häufig nach Arbeitsende am Bordell ab und lernte dabei auch ihre Mitarbeiter kennen. So feierte er den Jahreswechsel 2011/2012 im Bordell gemeinsam mit den Betreibern und weiteren Mitarbeitern in geselliger Runde.

Der Angeklagte ging mit der neuen beruflichen Tätigkeit seiner Ehefrau offen um, so dass diese auch an seiner Dienstelle von Anfang an bekannt war. Kurz nach Eröffnung des Bordells führte daher der damalige Dienstgruppenleiter des Angeklagten (…) mehrere Gespräche mit dem Angeklagten, in denen er ihn auf die problematische Vereinbarkeit zwischen Polizei und Rotlichtmilieu hinwies. Nachdem (…) den Eindruck gewonnen hatte, dass diese Gespräche nicht die erforderliche Wirkung beim Angeklagten gezeigt hatten, informierte er den Leiter des Polizeireviers F., (…), der am 04.11.2011 ein Kritikgespräch mit dem Angeklagten führte. In diesem Gespräch wurde dem Angeklagten im Hinblick auf die Berufstätigkeit seiner Ehefrau der deutliche Hinweis auf die dienstliche Verschwiegenheitspflicht gegeben.

Obwohl der Angeklagte mehrfach auf seine Verschwiegenheitspflicht hingewiesen worden war, tätigte er in den nachfolgend aufgeführten Fällen ohne dienstlichen Anlass und zu rein privaten Zwecken Abfragen in den polizeilichen Informationssystemen und gab die hieraus erlangten Informationen an andere Personen weiter. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Taten:

Nr. 1. (= Tat I. Nr. 1 des amtsgerichtlichen Urteils)

Am 29.10.2011 hielt sich (…) als Gast im Bordell auf und lernte die Prostituierte (…) kennen, die gemeinsam mit einem Cousin den (…) am 08.11.2011 zu Hause besuchte. Wenige Tage nach diesem Besuch erstattete (…) Anzeige gegen (…) wegen des Verdachts, dass diese aus seiner Wohnung ein Laptop und ein Mobiltelefon entwendet habe. Aufgrund dieser Strafanzeige führte der Polizeiposten (…) am 22.11.2011 Ermittlungen im Bordell hinsichtlich (…) durch, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt im Bordell bekannt war, dass die Polizei gegen (…) ermittelte. Der Angeklagte erhielt vermutlich durch seine Ehefrau Kenntnis von diesen Vorgängen und tätigte am 30.11.2011 zwischen 0.00 Uhr und 01.00 Uhr von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. folgende Abfragen in den polizeilichen Informationssystemen und fertigte jeweils Papierausdrucke:

  • eine Lagebildabfrage zu dem mutmaßlichen Diebstahl durch (…) vom (…) (2 Seiten),
  • eine Lagebildabfrage zum Einsatz einer psychisch auffälligen Person am (…) bei der BAB-Tank- und Rastanlage F. mit den beteiligten Personen (…) und (…) (2 Seiten),
  • eine Anschlussinhaberfeststellung (SARS-Anfragen) zu einem auf (…) bestehenden Telefonanschluss (1 Seite),
  • Meldedatenanfrage zu (…) (2 Seiten),
  • POLAS-Abfrage zu (…) (15 Seiten) mit einer umfangreichen Kriminalhistorie und Hinweisen auf eine Geisteserkrankung.

Die Papierausdrucke nahm der Angeklagte mit nach Hause und gab die Erkenntnisse an seine Ehefrau weiter. Anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am 07.03.2013 wurden die Ausdrucke im ehelichen Schlafzimmer in einem auf dem Kleiderschrank befindlichen Karton aufgefunden. Wie der Angeklagte wusste und billigend in Kauf nahm, bestand die naheliegende Möglichkeit, dass seine Ehefrau die Erkenntnisse an ihrem Arbeitsplatz weiterverbreitete und insbesondere auch die Betreiber des Bordells in Kenntnis setzte.

Nr. 2. (= Tat I. Nr. 2 des amtsgerichtlichen Urteils)

Am 03.12.2011 um 13.45 Uhr und um 18.14 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus POLAS-Abfragen zu S. S hatte seit Mitte 2011 Kontakt zu B, dem Inhaber des Bordells. Noch während der Bauphase hatte S als Sicherheitsmitarbeiter für B den Rohbau bewacht und zeitweilig im Bordell übernachtet. Mit der Eröffnung des Bordells im Oktober 2011 wurde S als Security-Mitarbeiter eingestellt. S ist in der Vergangenheit wegen zahlreicher Straftaten in Erscheinung getreten, unter anderem auch wegen Betäubungsmitteldelikten. Im POLAS ist er zudem als Betäubungsmittelkonsument registriert. Diese Erkenntnisse gab der Angeklagte mündlich an seine Ehefrau E. weiter, die, wie der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm, diese Erkenntnisse an ihrem Arbeitsplatz gegenüber ihren Mitarbeiterinnen in Form weiterverbreitete, indem sie äußerte, dass S „eine dicke Akte“ habe. Gegenüber ihrer Arbeitskollegin T erklärte E., dass sie die polizeiliche Akte von S gelesen habe. Unter den Mitarbeitern des Bordells und insbesondere bei S sorgte es für erheblichen Unmut und Verunsicherung, dass E. Zugang zu polizeilichen Erkenntnissen über die Mitarbeiter hatte. S wurde Ende 2011 von B gekündigt. Ob die Erkenntnisse über seine Vorstrafen und seine frühere Betäubungsmittelabhängigkeit hierfür eine Rolle spielten, konnte nicht geklärt werden.

Nr. 3. (= Tat Nr. I. Nr. 3 des amtsgerichtlichen Urteils)

T war ebenfalls wie die Ehefrau des Angeklagten Servicemitarbeiterin im Bordell. Da der Angeklagte seine Ehefrau öfters nach der Arbeit im Bordell abgeholt hatte, hatte T ihn kennen gelernt. T hatte spätestens im Zusammenhang mit den Gesprächen über polizeiliche Erkenntnisse bzgl. S mitbekommen, dass E. über ihren Ehemann Zugang zu polizeilichen Erkenntnissen hat. T war im Frühjahr 2012 mit R befreundet, der gemeinsam mit seinem Bruder M in der Nacht des 12.02.2012 in eine Schlägerei mit Türstehern der Diskothek (…) verwickelt war. R berichtete T von der Schlägerei und von einem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren. T wollte überprüfen, ob die Angaben ihres Freundes zutreffend waren. Sie schilderte den Vorfall dem Angeklagten und bat ihn, in den polizeilichen Erkenntnissen nachzuschauen, ob ihre Schilderung zutreffend sei. Am 11.04.2012 um 14.07 Uhr und 14.10 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus zwei Abfragen in POLAS zu M und R. Außerdem war zu diesem Zeitpunkt ein Lagebildeintrag des Polizeireviers F. zu der Schlägerei vom 12.02.2012 eingestellt, auf den der Angeklagte Zugriff hatte und den er recherchierte. Gegenüber T bestätigte der Angeklagte anschließend mündlich, dass gegen R ein Verfahren anhängig ist und dass sich der Vorfall so zugetragen hat, wie T ihn geschildert hatte, ohne jedoch auf Einzelheiten einzugehen. Er riet ihr abzuwarten, wie sich alles Weitere entwickeln wird. Zu einer zugesagten Übergabe einer Fotokopie der polizeilichen Unterlagen kam es nicht mehr.

Nr. 4. (= Taten I. Nr. 4 bis 8 des amtsgerichtlichen Urteils)

E. lernte über ihre Tätigkeit im Bordell den Gast K kennen, zu dem sie im Frühjahr 2013 ein freundschaftliches und in der Folge auch intimes Verhältnis entwickelte, was dem Angeklagten bekannt war. Der Angeklagte tätigte von seiner Dienststelle beim Polizeiposten (…) aus zu K insgesamt 5 Abfragen im POLAS am 05.02.2013, 06.02.2013, 13.02.2013, 21.02.2013 und am 04.03.2013. Über K gab es im POLAS einen Eintrag wegen Sachbeschädigung. Außerdem tätigte der Angeklagte im genannten Zeitraum 6 Meldedatenanfragen zu K. Die Erkenntnisse gab der Angeklagte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt an seine Ehefrau weiter, obwohl er die Gefahr einer Weitergabe der Erkenntnisse durch seine Ehefrau erkannte. E. teilte bei einem Treffen teilte K mit, dass ihr Ehemann mal über ihn nachgeschaut hätte, zu seiner Person gäbe es nichts Besonderes. K war über die Abfrage verärgert, stellte jedoch keinen Strafantrag.

Nr. 5. (= Tat I. Nr. 9 des amtsgerichtlichen Urteils).

Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt – vermutlich im Frühjahr 2013 – kam es im Bordell zu einem nicht näher konkretisierbaren Vorfall, bei dem N eine Rolle gespielt hat. Bei N handelt es sich um eine Person aus dem (…) Rotlicht- und Zuhältermilieu, der unter anderem als Bordellbetreiber in Erscheinung getreten ist. Über ihn existieren umfangreiche polizeiliche Erkenntnisse, gegen ihn wurden zahlreiche Strafanzeigen erhoben. Aus Anlass des nicht näher bekannten Vorfalls bat E. den Angeklagten, N in den polizeilichen Systemen zu überprüfen. Hierauf fragte der Angeklagte die betroffene Person am 14.02.2013 um 12.33 Uhr von der Dienststelle beim Polizeiposten (…) im POLAS ab und fertigte folgende Papierausdrucke:

  • erste Seite eines insgesamt 15-seitigen POLAS-Ausdruck mit den Grunddaten von N,
  • 4 Seiten Falldaten zu einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (…) mit einer Sachverhaltsschilderung und den Personendaten weiterer Tatbeteiligter (u.a. Hinweise auf Drogenkonsum, kriminalpolizeiliche Erkenntnisse),
  • Seite 2 eines Lagebildeintrags vom 19.06.2012, in dem die Daten eines auf N zugelassenen Fahrzeugs mitgeteilt werden.

Die Ausdrucke nahm der Angeklagte mit nach Hause und gab sie an seine Ehefrau E. weiter. Ob diese Erkenntnisse von E. an dritte Personen weitergegeben wurden, konnte nicht festgestellt werden. Wie der Angeklagte wusste und billigend in Kauf nahm, bestand jedoch im Hinblick auf den nicht näher feststellbaren konkreten Vorfall mit N im Bordell die naheliegende Möglichkeit, dass seine Ehefrau die Erkenntnisse an ihrem Arbeitsplatz weiterverbreitete und insbesondere die Betreiber des Bordells in Kenntnis setzte. Anlässlich der Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten wurden die Unterlagen am 07.03.2013 im ehelichen Schlafzimmer in einer Schublade mit Unterwäsche von E. gefunden.

In allen Fällen Nr. 1. bis 5. war dem Angeklagten bewusst, dass er mit der Weitergabe der internen polizeilichen Erkenntnisse gegen seine Verschwiegenheitspflichten verstieß. Dabei erkannte er und fand sich damit ab, dass in den Fällen, in denen er die Erkenntnisse an seine Ehefrau weitergab, die konkrete Gefahr bestand, dass diese Erkenntnisse am Arbeitsplatz der Ehefrau an weitere Mitarbeiter und insbesondere auch die Betreiber des Bordells unkontrolliert weitergegeben werden und dass dies unter den Mitarbeitern zu erheblicher Verunsicherung und schwindendem Vertrauen in die Polizei führen wird. Auch wusste der Angeklagte in jedem Fall, dass die Weitergabe höchstpersönlicher und sensibler interner Polizeierkenntnisse – verbunden mit der Gefahr einer Verbreitung im Rotlichtmilieu – im Fall ihres Bekanntwerdens geeignet war, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Polizei erheblich zu erschüttern, und dass hierdurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet werden, zumal wenn es sich um mehrere unbefugte Abfragen über einen längeren Zeitraum handelt. Dies gilt auch, soweit der Angeklagte im Fall Nr. 3 polizeiliche Interna aus einem Ermittlungsverfahren an die Lebensgefährtin eines Beschuldigten weitergegeben hat. Dem Angeklagten war aufgrund seiner langjährigen Berufserfahren bekannt, dass die Nähe eines Polizeibeamten zum Rotlichtmilieu, in dem erfahrungsgemäß Personen mit strafrechtlicher Vorbelastung verkehren und es zu milieubedingten Straftaten kommt, äußerst problematisch ist, zumal der Angeklagte im Oktober und November 2011 mehrfach auf diese Problematik und seine Pflicht zur Verschwiegenheit hingewiesen worden ist. Nachdem am 07.03.2013 die Privatwohnung des Angeklagten und die jeweiligen Diensträume im Polizeirevier (..) und im Polizeiposten (…) durchsucht worden waren, berichtete die (…) Zeitung am 11.03.2013 über die Suspendierung des Angeklagten und den Verdacht einer Weitergabe von Dienstgeheimnissen an das Rotlichtmilieu. Aus Anlass des vorliegenden Verfahrens luden die Staatsanwaltschaft und die Landespolizeidirektion zu einem Pressegespräch am 13.03.2013, in dem es um die Häufung von Fällen des Verrats von Dienstgeheimnissen im Bezirk der Polizeidirektion F. durch insgesamt fünf Polizeibeamte – unter ihnen der Angeklagte – ging. Unter anderem haben die (…) Zeitung („Geheimnisverrat in Serie belastet die Polizei“) und der (…) („Fünf Polizisten sollen Interna verraten haben“) hierüber kritisch berichtet.

Das Innenministerium Baden-Württemberg hat die gem. § 353b Abs. 4 StGB erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung in allen Fällen erteilt.

Tat Nr. 6 (= Tat I. Nr. 10 des amtsgerichtlichen Urteils)

Am 07.03.2013 hatte der Angeklagte in seiner Wohnung (…) 87 Schuss Patronenmunition im Kaliber 9mm in seinem Besitz. Die Patronen wurden anlässlich einer Durchsuchung bei dem Angeklagten am 07.03.2013 in einem im Keller in seinem Anwesen befindlichen Tresor aufgefunden. Wie der Angeklagte wusste, war er nicht im Besitz der für den Besitz der Patronenmunition erforderlichen Erlaubnis.

Tat Nr. 7 (= Tat II. Nr. 20 des amtsgerichtlichen Urteils)

Am 08.12.2012 hielt sich D in dem neben dem Bordell liegenden (…) Hotel in (…) auf. D hatte sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen (…) auf dem Hotelparkplatz geparkt. Im Zusammenhang mit einem Einbruch in das Bordell hegte der Betreiber des Bordells B einen Verdacht gegen einen aus dem Raum (…) stammenden rumänischen Staatsangehöriger (…), mit dem B nach eigenen Angaben „noch eine Rechnung offen hatte“. Das auf dem Hotelparkplatz abgestellte Fahrzeug mit einem (…) Kennzeichen kam ihm deshalb suspekt vor. B nahm daher entweder selbst oder über einen seiner Mitarbeiter mit dem Angeklagten Kontakt auf und bat ihn, das (…) Kennzeichen in den polizeilichen Systemen abzufragen und Erkenntnisse zu dem Halter mitzuteilen. Der Angeklagte tätigte daher am 10.12.2012 um 07:59 Uhr und um 08:01 Uhr von seiner Dienststelle beim Polizeiposten (…) aus Halteranfragen zu den amtl. Kennzeichen (…) sowie um 08:01 Uhr eine POLAS-Anfrage zu dem durch die Halterfeststellung bekannt gewordenen Halter D, über den keine polizeilichen Erkenntnisse vorlagen. Zumindest das Ergebnis der Halteranfragen teilte der Angeklagte anschließend B entweder selbst oder über dritte Personen mit. D hat form- und fristgerecht Strafantrag wegen Verletzung von Privatgeheimnissen gestellt.

IV.

Tatsächliche Feststellungen bzgl. Freispruch

Der Angeklagte tätigte in seiner Eigenschaft als Polizeibeamter in einer Vielzahl von Fällen ohne dienstliche Notwendigkeit und zu rein privaten Zwecken POLAS-Abfragen zu Personen, zu denen ein Bezug zum Bordell bestand. Zwar erscheint es naheliegend, dass der Angeklagte seine Ehefrau E. oder andere Personen aus dem Umfeld des Bordells über die Ergebnisse seiner Recherchen in Kenntnis setzte. Eine Weitergabe der erlangten Informationen an E. oder an andere Personen konnte jedoch nicht sicher nachgewiesen werden. Im Einzelnen handelt es sich um folgende unbefugte Abfragen:

1.-3. (II. Nr. 1-3 des angefochtenen Urteils)

Am 15.10.2011 um 19:53 Uhr und am 16.10.2011 um 03:24 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle im Polizeirevier F. aus und am 14.12.2012 um 15:51 Uhr von seiner Dienststelle beim Polizeiposten (…) aus jeweils Abfragen im POLAS bezüglich des Betreibers des Bordells B.

4.-6. (II. Nr. 4-6 des angefochtenen Urteils)

Am 03.11.2011 um 15:47 Uhr, am 26.02.2012 um 13:22 Uhr und am 02.05.2012 um 22:57 Uhr fragte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus Daten des (…) in dem polizeiinternen Datensystem POLAS ab. (…) war ab Oktober 2011 im Bordell in Freiburg als Securitymitarbeiter tätig.

7.-10. (II. Nr. 7-10 des angefochtenen Urteils)

Am 29.11.2012 um 11:39 Uhr, am 04.12.2012 um 15:23 Uhr, am 14.12.2012 um 15:49 Uhr und am 08.01.2013 um 15:35 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeiposten (…) aus erneut Abfragen im POLAS Datensystem bezüglich (…).

11. (II. Nr. 11 des angefochtenen Urteils)

Am 11.04.2012 um 14:01 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus eine POLAS-Abfrage zu der im Bordell in Freiburg als Prostituierte tätigen (…).

12. und 13. (II. Nr. 12-13 des angefochtenen Urteils)

Am 26.02.2012 um 14:18 Uhr bzw. 14:19 Uhr und am 23.10.2012 um 15:44 Uhr bzw. 15:45 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle im Polizeirevier F. aus im polizeiinternen Datensystem Polas Abfragen bezüglich (…). (…) arbeitete seit Februar 2012 im Bordell in Freiburg.

14. und 15. (II. Nr. 14 -15 des angefochtenen Urteils)

Am 23.01.2012 um 07:07 Uhr bzw. 07:09 Uhr sowie am 27.01.2012 um 17:37 Uhr fragte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus die POLAS-Daten des (…) ab. (…) war ein enger Vertrauter des Bordell-Betreibers B.

16 und 17. (II. Nr. 16-17 des angefochtenen Urteils)

Am 03.03.2012 um 23:24 Uhr und am 18.03.2012 um 19:25 Uhr fragte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus die POLAS-Daten von (…) ab. (…) war die damalige Freundin von (…).

18. und 19. (II. Nr. 18-19 des angefochtenen Urteils)

Am 14.09.2012 um 20:54 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus und am 08.01 .2013 um 15:15 Uhr von seiner Dienststelle beim Polizeiposten (…) aus POLAS-Anfragen zu (…), die als Bardame im Bordell in Freiburg beschäftigt war.

20. und 21. (II. Nr. 21-22 des angefochtenen Urteils)

Am 24.10.2012 um 09:31 Uhr tätigte der Angeklagte von seiner Dienststelle beim Polizeirevier F. aus und am 08.01.2013 um 10:12 Uhr von seiner Dienststelle beim Polizeiposten (…) aus POLAS-Abfragen zu (…).

22. (II. Nr. 23 des angefochtenen Urteils)

Am 08.01 .2013 rief der Angeklagte um 15:20 Uhr von Ihrer Dienststelle beim Polizeiposten in (…) aus POLAS-Daten zu der im Bordell in Freiburg als Bardame tätigen (…) ab.

V.

Beweiswürdigung

1. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten, an denen zu zweifeln kein Anlass bestand, und der aktuellen Auskunft aus dem Bundeszentralregister.

2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zunächst keine Angaben zur Sache gemacht. Er hat lediglich angegeben, dass er sich nichts habe zu Schulden kommen lassen. Im Verlauf der Hauptverhandlung wurde der Verstoß gegen das Waffengesetz von ihm eingeräumt.

2.1. Beweiswürdigung zu den Taten III. Nr. 1 – 5

2.1.1. (…)

2.1.2. (…)

2.1.3. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte in den unter III. Nr. 1 – 5 festgestellten Fällen die erlangten Informationen weitergegeben und somit unbefugt offenbart hat. (…)

2.1.4. Die Weitergabe der aufgrund dienstlich nicht veranlasster Abfragen in POLAS erlangten Erkenntnisse in den Fällen III. Nr. 1 – 5 hat zu einer Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen geführt. Wie die Zeugen (…) berichteten, war es am Arbeitsplatz von E. bekannt, dass diese über ihren Ehemann Mitarbeiter des Bordells auf polizeiliche Erkenntnisse überprüfen lässt. Von E. ist die mehrfache Äußerung belegt, sie wolle schließlich wissen, mit wem sie zusammenarbeitet. Auch (…) K, mit dem E. ein Verhältnis einging, wurde von ihr mit Hilfe des Angeklagten überprüft. Dies hat unter den Mitarbeitern – wie die genannten Zeugen berichteten – zu einer erheblichen Verunsicherung und Verärgerung geführt. Die systematische Überprüfung von Personen aus dem privaten Umfeld ist schon für sich genommen geeignet, das Vertrauen in die Polizei zu erschüttern. Diese Gefahr ist umso größer, wenn – wie bei den Taten Nr. 1, 3 und 5 – detaillierte Erkenntnisse zu laufenden Ermittlungen bzw. Straftaten mit der Gefahr einer unkontrollierbaren Weitergabe im Rotlichtmilieu offenbart werden. Die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen resultiert auch daraus, dass das vorliegende Verfahren, wie (…) berichtete, Anlass für eine gemeinsame Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft und der Polizei war, um über eine Häufung von Fällen wegen Dienstvergehen suspendierter Polizeibeamter in Freiburg zu informieren. Die Pressekonferenz zog eine entsprechend kritische Berichterstattung in den Medien nach sich.

2.1.5. Der Angeklagte handelte in allen Fällen vorsätzlich bzgl. der Offenbarung von Dienstgeheimnissen und einer Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen. Der Angeklagten war, wie die Zeugen (…) und (…) angaben, mehrfach – insbesondere durch den Revierleiter (…) – darauf hingewiesen worden, dass private Kontakte eines Polizeibeamten ins Rotlichtmilieu äußerst problematisch sind. Dabei wurde er ausdrücklich um Beachtung der ihm obliegenden Schweigepflicht gebeten. Dem Angeklagten war daher bekannt, dass die Weitergabe der unbefugt erlangten Erkenntnisse an seine Ehefrau mit der Gefahr einer unkontrollierten Verbreitung im Umfeld des Bordells geeignet war, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Polizei im Fall ihres Bekanntwerdens erheblich zu beschädigen. In den Fällen III. Nr. 1 und 5 waren konkrete Vorfälle mit Bezug zum Bordell Anlass für die Recherchen des Angeklagten, insoweit muss dem Angeklagten auch bewusst gewesen sein, dass weitere Personen aus dem Umfeld des Bordells ein konkretes Interesse an den erlangten Erkenntnissen hatten und dass E. diese Erkenntnisse weiterverbreiten könnte. Dies gilt erst recht, soweit der Angeklagte wie im Fall III. Nr. 3 Erkenntnisse aus laufenden polizeilichen Ermittlungen an das Umfeld des Beschuldigten weitergegeben hat. Dass er sich über die ihm ausdrücklich erteilten Hinweise hinwegsetzte, ist für die Kammer ein ausreichendes Indiz dafür, dass er sich mit den Folgen seiner Taten – insbesondere auch einer Gefährdung der Integrität der Polizei – abfand.

2.2. Beweiswürdigung zu Tat III. Nr. 6 (…)

2.3. Beweiswürdigung zu Tat III. Nr. 7 (…)

2.4. Beweiswürdigung zu den Taten IV. Nr. 1 – 22

Zu den festgestellten Abfragen in den polizeilichen Informationssystemen, insbesondere POLAS, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. In allen Fällen wurden entsprechende Abfragen zu Personen aus dem Umfeld des Bordells, wie (…) berichtete, unter der Kennung des Angeklagten registriert. Der Angeklagte befand sich jeweils im Dienst. Eine dienstliche Notwendigkeit für die Abfragen ergab sich im Rahmen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen nicht.

Zwar erscheint es naheliegend, dass der Angeklagte diese Erkenntnisse an seine Ehefrau oder an weitere Personen aus dem Umfeld des Bordells (…) weitergegeben hat. Insoweit fehlt es jedoch an konkreten Anhaltspunkten. Die von Zeugen berichtete allgemeine Aussage von E., sie wolle wissen, mit wem sie zusammenarbeitet, ist ohne Hinzutreten weiterer tatsächlicher Hinweise nicht geeignet, in allen Fällen eine Weitergabe der vom Angeklagten abgerufenen Informationen an sie zu belegen. Auch bleibt hinsichtlich der nicht im Bordell beschäftigten Personen letztlich nicht aufklärbar, welche Verbindung zwischen dem Angeklagten und diesen bestand. Damit unterscheidet sich die Beweislage von Fällen III. Nr. 1 – 5, in denen es jeweils konkrete Hinweise auf eine Weitergabe der Erkenntnisse gab.

VI.

Rechtliche Würdigung

1. Verurteilung

Der Angeklagte hat somit aufgrund jeweils neugefassten Willensentschlusses

  • hinsichtlich der Taten III. Nr. 1. bis 5. in 5 Fällen ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet,
  • hinsichtlich der Tat III. Nr. 6 vorsätzlich ohne die erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis Munition besessen,
  • hinsichtlich der Tat III. Nr. 7 unbefugt als Amtsträger Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind, offenbart,

strafbar als Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht in 5 Fällen, vorsätzlicher unerlaubter Besitz von Munition und Verletzung von Privatgeheimnissen gem. §§ 203 Abs. 1 u. 2 S. 1 Nr. 1 u. S. 2, 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 53 StGB, 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG.

In rechtlicher Hinsicht ist folgendes anzumerken:

Bei den Daten aus dem polizeilichen Informationssystemen POLAS und auch bei dem Umstand, dass zu bestimmten Personalien in dieser Datenbank keine Erkenntnisse vorliegen, handelt es sich um Geheimnisse im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB (vgl. BGH NJW 2013, 549 zu POLIS). Wichtige öffentliche Interessen im Sinne des § 353b Abs. 1 StGB können mittelbar auch dadurch gefährdet werden, dass die Tatsache des Geheimnisbruchs aufgedeckt und allgemein bekannt wird und dass sodann als mittelbare Folge der Tat das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität, Verlässlichkeit und Verschwiegenheit der Verwaltung erschüttert wird (OLG Düsseldorf NStZ 1985, 169; BGH a.a.O.). Insoweit kann auch auf die Reaktionen in der Presse abgestellt werden (OLG Köln NJW 1988, 2489).

Halterdaten aus ZEVIS unterliegen dem Schutz des § 203 Abs. 2 S. 2 StGB (BGH a.a.O.).

2. Freispruch

Hinsichtlich der unter IV. festgestellten Taten war der Angeklagte aus rechtlichen Gründen jeweils vom Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit nach § 40 LDSG freizusprechen.

Die Bußgeldvorschrift des § 40 LDSG ist mit Ablauf des 20.06.2018 außer Kraft getreten. Die Neufassung des LDSG vom 12.06.2018, die ab dem 21.06.2018 in Kraft getreten ist, enthält gem. § 1 LDSG nur noch ergänzende Regelungen zur Durchführung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO).

Die seit 25.05.2018 unmittelbar anwendbare DS-GVO enthält in Art. 83 eine Bußgeldvorschrift, die an die an die in Art. 4 Nr. 7 u. 8 definierten Begriffe des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters anknüpft (vgl. hierzu BeckOK DatenschutzR/Holländer, 25. Ed. 1.8.2018, DS-GVO Art. 83 Rn. 8). Danach ist Verantwortlicher die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Damit wird auf die natürliche Person, die juristische Person (GmbH, AG, Genossenschaft usw.) oder Behörde als solche abgestellt. Es kommt also dem jeweiligen Rechtsträger Verantwortlichenstellung zu, nicht aber dem Leitungsorgan einer konkreten Abteilung oder den einzelnen Mitarbeiter der jeweiligen Stelle oder Einrichtung (vgl. Raschauer in Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl., Art. 4 Rn. 129; BeckOK DatenschutzR/Schild DS-GVO Art. 4 Rn. 88).

Zwar wird man bei der unbefugten, zu rein privaten Zwecken erfolgten Nutzung von Daten, die unter Verstoß gegen dienstliche und datenschutzrechtliche Vorschriften am Arbeitsplatz erlangt wurden, davon ausgehen können, dass hierdurch der Beschäftigte selbst zum Verantwortlichen wird (vgl. Hartung in Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 2. Aufl., Art. 4 Nr. 7, Rn. 10; Schantz in Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, 1. Aufl., Rn. 360). Voraussetzung ist jedoch stets, dass die unbefugt erlangten Daten iSd Art. 4 Nr. 2 DS-GVO verarbeitet wurden, wobei bereits eine mündliche Weitergabe für eine Offenlegung durch Übermittlung ausreichend ist (vgl. Schild in BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 25. Edition, Stand: 01.02.2018, Art. 4 Rn. 50; Paal/Pauly/Ernst, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 4 Rn. 30).

Im Unterschied zu § 40 LDSG a.F. ist damit das (bloß) unbefugte Abrufen von geschützten Daten (ohne anschließende Weitergabe) nicht mehr ordnungswidrig. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die Landesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf den Einwand des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, es bestehe eine Sanktionslücke, wenn gegen Behördenmitarbeiter keine Geldbußen verhängt werden können, die Auffassung vertreten hat, die DS-GVO lasse keinen Spielraum, auch für Verstöße von Mitarbeitern Bußgelder zu ermöglichen, da Art. 83 DS-GVO eine abschließende Regelung enthalte (Landtag von Baden-Württemberg, Drs 16/3930 S. 76).

Da das dem Angeklagten in den Fällen IV. Nr. 1 – 22 zur Last gelegte Verhalten daher nach nunmehr geltender Rechtslage nicht mehr ordnungswidrig ist, kommt jeweils gem. § 4 Abs. 3 OWiG das mildere Gesetz mit der Folge eines Freispruchs zur Anwendung.

VII.

Strafzumessung

1. Taten III. Nr. 1 – 6

Bezüglich der Taten III. Nr. 1 – 5 kam jeweils der Strafrahmen des § 353b Abs. 1 S. 1 StGB zur Anwendung, der Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe androht, bzgl. der Tat Nr. III Nr. 6 kam der Strafrahmen des § 52 Abs. 3 WaffG zur Anwendung, der Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe androht.

Zu Gunsten des Angeklagten war insoweit jeweils zu sehen, dass die Vorwürfe deutlich über fünf Jahre zurückliegen und dass die lange Verfahrensdauer den Angeklagten im Hinblick auf die Ungewissheit seiner beruflichen Zukunft besonders belastet hat. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und lebt in gesicherten Verhältnissen. Aus Anlass des vorliegenden Verfahrens wurde der Angeklagte bei reduzierten Bezügen vorläufig suspendiert. Gegen ihn ist noch ein Disziplinarverfahren anhängig, in dem ihm als Folge der strafrechtlichen Verurteilung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis mit entsprechenden finanziellen Nachteilen droht.

Bzgl. der Taten III. Nr. 1 und 5 war erschwerend zu berücksichtigen, dass die erlangten Erkenntnisse nicht nur mündlich, sondern in schriftlicher Form mit sehr detaillierten Informationen weitergegeben wurden. Bei Tat III Nr. 3 war einzustellen, dass die Weitergabe interner polizeilicher Informationen an das Umfeld eines Beschuldigten in einem laufenden Ermittlungsverfahren ein besonderes Gewicht hat. Im Vergleich hierzu erscheint die Weitergabe von Informationen bei den Taten III Nr. 2 und 4 als etwas weniger schwerwiegend.

Bzgl. der Tat III. Nr. 6 wurde zu Gunsten des Angeklagten gesehen, dass die Munition sicher in einem Tresor verwahrt wurde.

Bei Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:

Taten III. Nr. 1, 3 und 5

jeweils 50 Tagessätze Geldstrafe

Taten III. Nr. 2 und 4

jeweils 40 Tagessätze Geldstrafe

Tat III Nr. 6

30 Tagessätze Geldstrafe

Hieraus hat die Kammer bei nochmaliger Abwägung der genannten Aspekte und unter besonderer Berücksichtigung, dass es sich bzgl. der Taten III Nr. 1 – 5 um ein wiederholtes Fehlverhalten über einen langen Zeitraum von über einem Jahr gehandelt hat, eine tat- und schuldangemessene Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen gebildet.

Bei der Höhe des einzelnen Tagessatzes ist die Kammer von einem derzeitigen Nettoeinkommen des Angeklagten von (…) ausgegangen. (…) Da sich somit die Einkommensverhältnisse im Vergleich zum amtsgerichtlichen Urteil deutlich besser darstellen, war sowohl hinsichtlich der Einzelstrafen als auch der Gesamtgeldstrafe das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO zu beachten. § 331 StPO steht einer Erhöhung des Tagessatzes nicht entgegen, wenn zugleich die Anzahl der Tagessätze herabgesetzt und die Endsumme nicht erhöht wird (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 331 Rn. 16).

Unter Berücksichtigung der vom Amtsgericht für die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe jeweils verhängten Endsummen als Obergrenzen musste die Höhe des jeweiligen Tagessatzes unterschiedlich festgesetzt werden, um dem Verschlechterungsverbot Rechnung zu tragen:

Taten III Nr. 1, 3 und 5

jeweils 50 Tagessätze zu je 42 €

Taten III Nr. 2 und 4

jeweils 40 Tagessätze zu je 50 €

Tat III Nr. 6

30 Tagessätze zu je 50 €

Gesamtgeldstrafe

120 Tagessätze zu je 45 €

2. Tat III Nr. 7

Hinsichtlich der Tat III. Nr. 7, für die vom Amtsgericht als Ordnungswidrigkeit nach § 40 LDSG a.F. eine Geldbuße von 400 € verhängt wurde, kam lediglich eine Änderung des Schuldspruchs in eine Verletzung von Privatgeheimnissen in Betracht. Aufgrund des Verschlechterungsverbots war die Verhängung einer Geldstrafe nicht möglich, da dies eine unzulässige Verschärfung der Strafart bedeuten würde. Eine Reduzierung der Geldbuße von 400 € kam im Hinblick auf das gesteigerte Unrecht des verwirklichten Straftatbestands nicht in Betracht.

VIII.

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung

Es liegt eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor. (…)

IX.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1, 473 Abs. 1 und 4 StPO.

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