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Tagessatzhöhe bei Geldstrafe – Herabsetzung bei Empfängern von Arbeitslosengeld II

Bemessung von Geldstrafen: OLG Braunschweig klärt Tagessatzhöhe für ALG II-Empfänger

Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in seinem Urteil Az.: 1 Ss 30/15 vom 26. Juni 2015 die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig bezüglich der Höhe der Tagessätze bei einer Geldstrafe für einen Empfänger von Arbeitslosengeld II aufgehoben. Die Revision der Staatsanwaltschaft führte zur erneuten Verhandlung über die Tagessatzhöhe, da die ursprüngliche Bemessung auf 12,- € pro Tagessatz für den zu Arbeitslosengeld II lebenden Angeklagten nicht mit dem Nettoeinkommensprinzip übereinstimmte und als zu niedrig erachtet wurde. Das Gericht erklärte, dass die Höhe der Tagessätze in der Regel vom Nettoeinkommen des Verurteilten abhängen sollte, wobei Abweichungen klar begründet werden müssen. Die fehlerhafte Berechnung der Tagessatzhöhe wurde daher aufgehoben und zur Neubewertung zurückverwiesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ss 30/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Braunschweig hob die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig zur Tagessatzhöhe einer Geldstrafe aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft auf.
  • Der Angeklagte, ein Empfänger von Arbeitslosengeld II, sollte ursprünglich eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 12,- € erhalten.
  • Das Gericht betonte, dass die Tagessatzhöhe normalerweise vom Nettoeinkommen abhängt, und Abweichungen müssen gut begründet sein.
  • Die Bemessung der Tagessatzhöhe auf 12,- € wurde als rechtsfehlerhaft erachtet, da sie nicht angemessen das Nettoeinkommen des Angeklagten widerspiegelte.
  • Die Sache wurde zur Neubewertung der Tagessatzhöhe unter Berücksichtigung des Nettoeinkommensprinzips an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  • Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer gerechten Strafzumessung, die die finanzielle Situation des Verurteilten berücksichtigt.

Tagessatzhöhe bei Geldstrafe

Die Festsetzung der Tagessatzhöhe bei einer Geldstrafe richtet sich in der Regel nach dem Nettoeinkommen des Verurteilten. Je höher das Einkommen, desto höher fällt grundsätzlich auch die Summe pro Tagessatz aus. Dieser Grundsatz, bekannt als Nettoeinkommensprinzip, soll eine verhältnismäßige und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen angemessene Strafzumessung gewährleisten.

Allerdings kann mitunter eine Herabsetzung der Tagessatzhöhe erforderlich sein, etwa wenn der Verurteilte Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) bezieht. Hier erlaubt das Gesetz eine Abweichung vom Nettoeinkommensprinzip, da die Empfänger solcher Sozialleistungen häufig nur über ein geringes verfügbares Einkommen verfügen.

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Rechtliche Neubewertung der Tagessatzhöhe für ALG II-Empfänger

In einem bemerkenswerten Fall hat das Oberlandesgericht Braunschweig unter dem Aktenzeichen 1 Ss 30/15 ein Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17. Februar 2015 aufgehoben, das die Höhe der Tagessätze einer Geldstrafe für einen Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) betraf.

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Tagessatzhöhe bei Geldstrafe
(Symbolfoto: Gorodenkoff /Shutterstock.com)

Der Fall dreht sich um einen Angeklagten, der ursprünglich vom Amtsgericht Braunschweig wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt wurde. In der Berufung änderte das Landgericht Braunschweig die Strafe auf 50 Tagessätze zu je 12 € ab, basierend auf der finanziellen Situation des Angeklagten, der ALG II bezog.

Die finanzielle Situation des Angeklagten unter der Lupe

Die finanzielle Lage des Angeklagten war zentral für die ursprüngliche Entscheidung des Landgerichts. Der Angeklagte, ein geschiedener Dachdecker ohne Kinder, der an Kehlkopfkrebs leidet, war zum Zeitpunkt des Urteils arbeitslos und bezog Leistungen nach dem SGB II. Er erhielt monatlich 392 € für seinen Lebensunterhalt, während der Sozialleistungsträger zusätzlich 250 € für die Unterkunft und 90 € für Heizkosten übernahm, was ein Gesamteinkommen von 732 € pro Monat ergab. Das Landgericht setzte die Tagessatzhöhe auf 12 € fest und argumentierte, dass Personen, die nahe am Existenzminimum leben, durch das Nettoeinkommensprinzip härter getroffen werden als Personen mit durchschnittlichem Einkommen.

Juristische Bedenken gegen die Herabsetzung der Tagessatzhöhe

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision ein, insbesondere gegen die Herabsetzung der Tagessatzhöhe. Die Revision war erfolgreich, da das OLG Braunschweig feststellte, dass die Herabsetzung der Tagessatzhöhe auf 12 € nicht ausreichend begründet war. Nach geltendem Recht sollte die Tagessatzhöhe grundsätzlich vom Nettoeinkommen des Angeklagten abhängen. Im vorliegenden Fall hätte das Nettoeinkommen von 732 € eine Tagessatzhöhe von 24 € gerechtfertigt. Das Gericht monierte, dass eine abweichende Bemessung der Tagessatzhöhe sorgfältig und nachvollziehbar begründet werden muss, was hier nicht der Fall war.

Die Zukunft der Tagessatzbemessung und soziale Gerechtigkeit

Das Urteil wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese muss nun die Tagessatzhöhe unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten neu festsetzen. Dabei ist auch der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts, der zum Zeitpunkt des letzten Urteils 399 € betrug, zu beachten. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Interaktion zwischen sozialer Gerechtigkeit und strafrechtlicher Sanktionierung, insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Belastung von Personen, die Sozialleistungen beziehen.

Zusammengefasst stellt das Urteil des OLG Braunschweig eine wichtige Klärung im Umgang mit der Tagessatzhöhe bei Geldstrafen für ALG II-Empfänger dar. Es betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen und individuellen Prüfung der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten, um eine gerechte Strafzumessung zu gewährleisten.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Höhe eines Tagessatzes bei einer Geldstrafe bestimmt?

Die Höhe eines Tagessatzes bei einer Geldstrafe in Deutschland wird auf der Grundlage des monatlichen Nettoeinkommens des Verurteilten berechnet. Die Formel hierfür lautet: Monatsgehalt (netto) geteilt durch 30 ergibt die Höhe des Tagessatzes. Das Strafgesetzbuch (StGB) legt fest, dass die Geldstrafe in Tagessätzen verhängt wird, wobei ein Tagessatz mindestens 1 Euro und höchstens 30.000 Euro betragen kann. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich nach der Schwere der Straftat und der Schuld des Täters und kann zwischen 5 und 360 Tagessätzen liegen.

Das Gericht berücksichtigt bei der Festlegung der Tagessatzhöhe die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei wird in der Regel vom Nettoeinkommen ausgegangen, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Sollte der Verurteilte keine Angaben zu seinem Einkommen machen, kann das Gericht das Einkommen schätzen.

Die Gesamtgeldstrafe ergibt sich aus der Multiplikation der Anzahl der Tagessätze mit der Höhe eines Tagessatzes. Wenn der Verurteilte die Geldstrafe nicht zahlen kann, besteht die Möglichkeit einer Ersatzfreiheitsstrafe, bei der je ein Tagessatz je im Gefängnis abgesessenen Tag von der Gesamtstrafe abgezogen wird. Alternativ kann das Gericht auch die Ableistung von gemeinnütziger Arbeit anstelle der Geldstrafe gestatten. Bis zu 90 Tagessätze werden in der Regel nicht im Führungszeugnis eingetragen, was darüber liegt, wird eingetragen.

Unter welchen Umständen kann die Höhe eines Tagessatzes herabgesetzt werden?

Die Höhe eines Tagessatzes bei einer Geldstrafe kann unter bestimmten Umständen herabgesetzt werden, um den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten gerecht zu werden. Die wesentlichen Faktoren, die zu einer Herabsetzung führen können, umfassen:

  • Geringes Einkommen oder Arbeitslosigkeit: Wenn der Verurteilte ein geringes Einkommen hat oder arbeitslos ist, kann der Tagessatz auf ein Minimum reduziert werden. Bei Personen, die nahe am Existenzminimum leben, wie Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, darf der unerlässliche Lebensbedarf nicht genommen werden. In solchen Fällen sollte der Tagessatz nicht mehr als 5 Euro betragen.
  • Unterhaltspflichten: Unterhaltspflichten des Angeklagten können zu einer deutlichen Reduzierung des bei der Tagessatzbemessung heranzuziehenden Nettoeinkommens führen. Dies berücksichtigt die finanzielle Verantwortung des Verurteilten gegenüber Unterhaltsberechtigten und kann die Höhe des Tagessatzes entsprechend verringern.
  • Sonstige Verbindlichkeiten: In besonderen Fällen können sonstige Verbindlichkeiten des Verurteilten bei der Festlegung der Tagessatzhöhe berücksichtigt werden. Gewöhnliche Belastungen wie Miete, Nahrungsmittel oder Kleidung sind dabei in der Regel nicht relevant. Jedoch können Verbindlichkeiten, die aus einer angemessenen und vorausschauenden Lebensführung resultieren, teilweise berücksichtigt werden. Dazu gehören beispielsweise Zinsaufwendungen für Wohnungs- oder Hauseigentum, soweit sie eine sonst zu zahlende Miete übersteigen.
  • Strafmilderung gemäß § 49 StGB: Bei der Würdigung von Strafmilderungsgründen können Strafen herabgesetzt werden. Dies betrifft auch Geldstrafen, bei denen die Höchstzahl an Tagessätzen um bis zu 3/4 reduziert werden kann.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Entscheidung über die Höhe eines Tagessatzes im Ermessen des Gerichts liegt, das die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten umfassend berücksichtigt. Die genannten Umstände dienen als Leitlinien, um eine gerechte und verhältnismäßige Strafe zu gewährleisten, die den individuellen Gegebenheiten des Verurteilten Rechnung trägt.

Welche Rolle spielt das Nettoeinkommen bei der Festsetzung von Tagessätzen?

Das Nettoeinkommen spielt eine zentrale Rolle bei der Festsetzung von Tagessätzen, da es als Grundlage für die Berechnung der Höhe eines Tagessatzes dient. Das Gericht ermittelt die Tagessatzhöhe, indem es das monatliche Nettoeinkommen des Verurteilten durch 30 teilt. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass die Geldstrafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angepasst ist und eine gerechte Strafe darstellt.

Das Nettoeinkommen umfasst dabei das tatsächlich erzielte Einkommen sowie potentielle Einkünfte. Sollte der Verurteilte keine genauen Angaben zu seinem Einkommen machen, kann das Gericht das Einkommen schätzen. Bei der Festlegung des Tagessatzes können auch Abzüge und Zuschläge vom Nettoeinkommen vorgenommen werden, je nach den wirtschaftlichen Verpflichtungen des Täters und besonderen Vermögenspositionen.

Es ist jedoch zu beachten, dass das Gericht bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe einen Ermessensspielraum hat. Über die reine Rechenaufgabe hinaus steht die Freiheit des tatrichterlichen Ermessens, was bedeutet, dass das Gericht die individuellen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und von der reinen Berechnungsformel abweichen kann.

Wie beeinflusst der Bezug von Arbeitslosengeld II die Tagessatzhöhe?

Der Bezug von Arbeitslosengeld II (ALG II), auch bekannt als Hartz IV, beeinflusst die Höhe eines Tagessatzes bei einer Geldstrafe insofern, als dass die Gerichte die besondere finanzielle Situation von ALG II-Empfängern berücksichtigen müssen. Da ALG II-Empfänger finanziell am Existenzminimum leben, kann eine schematische Berechnung der Tagessatzhöhe basierend auf dem Nettoeinkommen zu unverhältnismäßig hohen Geldstrafen führen, die die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betroffenen übersteigen.

Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe für ALG II-Empfänger eine Anpassung erforderlich ist, um eine gerechte und verhältnismäßige Strafe zu gewährleisten. So hat beispielsweise das Oberlandesgericht Braunschweig hervorgehoben, dass dem Täter mindestens 70 % des Regelbedarfs als Existenzminimum verbleiben sollte. In der Praxis bedeutet dies, dass die Tagessatzhöhe für ALG II-Empfänger oft niedriger angesetzt wird, um sicherzustellen, dass die Geldstrafe die finanzielle Situation des Betroffenen nicht unangemessen verschärft. In einigen Fällen wurde eine Tagessatzhöhe von nur 10 EUR als angemessen erachtet.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Berechnung der Tagessatzhöhe bei ALG II-Empfängern individuell erfolgen muss und nicht schematisch nach dem Nettoeinkommen vorgenommen werden darf. Dies berücksichtigt die Tatsache, dass ALG II-Leistungen lediglich auf die Sicherung des Existenzminimums ausgerichtet sind und kaum finanziellen Spielraum lassen. Die Anpassung der Tagessatzhöhe soll verhindern, dass ALG II-Empfänger durch die Zahlung einer Geldstrafe in eine noch prekärere finanzielle Lage geraten.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 40 StGB (Tagessatzhöhe): Dieser Paragraph regelt die Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes bei Geldstrafen in Deutschland. Die Höhe des Tagessatzes basiert grundsätzlich auf dem Nettoeinkommen des Verurteilten, was im vorliegenden Fall besonders relevant ist, da eine Anpassung der Tagessatzhöhe für Empfänger von Arbeitslosengeld II diskutiert wurde.
  • SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende): Dieses Sozialgesetzbuch bezieht sich auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, einschließlich Arbeitslosengeld II. Es ist relevant für die Ermittlung des Einkommens des Angeklagten und somit für die Festsetzung der Tagessatzhöhe bei der Geldstrafe.
  • § 352 StPO (Statthaftigkeit der Revision): Bestimmt die Zulässigkeit einer Revision im Strafverfahren. Im analysierten Fall wurde die Revision gegen das Urteil zur Tagessatzhöhe eingelegt, was zu einer erneuten Prüfung und letztlich zur Aufhebung des ursprünglichen Urteils führte.
  • Nettoeinkommensprinzip: Kein spezifischer Gesetzestext, sondern ein allgemeiner Grundsatz im Strafrecht, der besagt, dass die Tagessatzhöhe bei Geldstrafen vom Nettoeinkommen des Verurteilten abhängig ist. Dieses Prinzip ist zentral für die Rechtsprechung im vorliegenden Fall, da es um die Anpassung der Tagessatzhöhe für einen Empfänger von Sozialleistungen geht.
  • Rechtsprechung zu § 40 StGB und sozialer Gerechtigkeit: Der Fall illustriert, wie Gerichte soziale Gerechtigkeit bei der Festlegung der Geldstrafe berücksichtigen, insbesondere für Personen, die finanziell benachteiligt sind oder Sozialleistungen beziehen.
  • Revision im Strafrecht (allgemeines Prozessrecht): Der Prozess der Revision ermöglicht die Überprüfung von Gerichtsentscheidungen durch ein höheres Gericht. Im Kontext des vorgegebenen Themas zeigt dies den Weg, den Parteien einschlagen können, wenn sie die Entscheidung eines Gerichts bezüglich der Festsetzung der Tagessatzhöhe anfechten möchten.


Das vorliegende Urteil

OLG Braunschweig – Az.: 1 Ss 30/15 – Urteil vom 26.06.2015

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17. Februar 2015 im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Angeklagte ist durch das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 8. Januar 2015 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln mit einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 € belegt worden. Durch das angefochtene Urteil vom 17. Februar 2015 hat das Landgericht Braunschweig die Berufung der Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel zuvor auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte und damit die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe erreichen wollte, mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 12,- € verurteilt worden ist.

In den Urteilsgründen hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte geschieden sei, keine Kinder habe und an Kehlkopfkrebs leide. Der Angeklagte habe – so die weiteren Feststellungen – den Beruf des Dachdeckers erlernt, sei jedoch derzeit arbeitslos und beziehe Leistungen nach dem SGB II. Für seinen Lebensunterhalt erhalte er monatlich 392,- €. Außerdem übernehme der Sozialleistungsträger die Kosten für die Unterkunft in Höhe von 250 € monatlich und Heizkosten in Höhe von 90 € monatlich. Insgesamt erhalte der Angeklagte staatliche Zuwendungen von 732 € pro Monat. Die Tagessatzhöhe sei vor diesem Hintergrund auf 12,- € festzusetzen. Bei der Bemessung des Nettoeinkommens seien zwar grundsätzlich neben dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Kosten für Unterkunft und Heizung einzubeziehen. Die Kammer habe die Höhe des Tagessatzes im konkreten Fall jedoch abgesenkt, weil nahe am Existenzminimum Lebende durch das Nettoeinkommensprinzip „systembedingt härter getroffen werden als Normalverdienende“. Eine weitere Begründung zur Absenkung der Tagessatzhöhe enthält das Urteil nicht.

Die Staatsanwaltschaft hat am 17. Februar 2015 Revision eingelegt und diese nach Zustellung des Urteils (am 23. Februar 2015) am 18 März 2015 (Eingang bei Gericht) mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. In ihrer Stellungnahme vom 27. April 2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft die Revision auf den Ausspruch über die Höhe des einzelnen Tagessatzes beschränkt und das weitergehende Rechtsmittel zurückgenommen. Die Höhe des Tagessatzes sei zu beanstanden, weil die Kammer die vom Nettoeinkommensprinzip abweichende Herabsenkung des Tagessatzes rechtsfehlerhaft allein mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II begründet habe.

Der Angeklagte beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen. Er verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf seine beengten Vermögensverhältnisse.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist statthaft und auch sonst zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Tagessatzhöhe.

Nach wirksamer Beschränkung der Revision ist vom Senat nur die Frage der Tagessatzhöhe zu prüfen (§ 352 StPO). Die Bemessung der Höhe eines Tagessatzes ist ein abgrenzbarer Beschwerdepunkt, der in der Regel – so auch hier – losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden kann (BGH, Beschluss vom 3.11.1976, 1 StR 319/76, juris, Rn. 2, BGH, Urteil vom 10.01.1989, 1 StR 682/88 = NStZ 1989, 178; OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.05.2014, 1 Ss 18/14, juris, Rn. 5 = NdsRpfl 2014, 258; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 40 Rn. 26).

Die konkrete Festsetzung der Tagessatzhöhe auf 12,- € begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar obliegt die Bemessung der konkreten Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 S. 1 StGB) als Akt der Strafzumessung grundsätzlich der Entscheidung des Tatrichters, die das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen hat (BGHSt 27, 212, 215; BGHSt 27, 228, 230). Das angefochtene Urteil überschreitet indes diese Grenze, weil bei der Bemessung der Tagessatzhöhe „in der Regel“ vom Nettoeinkommen auszugehen ist (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB) und etwaige Abweichungen vom Nettoeinkommensprinzip nachvollziehbar zu begründen sind (BGH, Urteil vom 10.01.1989, 1 StR 682/88 = NStZ 1989, 178 [Nettoeinkommen als „Richtlinie“]; OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2006, 3 Ss 356/06, juris, Rn. 4 = wistra 2007, 191; Häger in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 40 Rn. 21, 53). Eine solche Begründung fehlt im angefochtenen Urteil, obgleich die festgesetzte Tagessatzhöhe von 12,- € nicht mit dem Nettoeinkommen korrespondiert:

Auf der Grundlage des Nettoeinkommens von 732,- € errechnet sich vielmehr eine Tagessatzhöhe von 24,- € (732,- € / 30), weil neben dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II in Verbindung mit der jeweiligen Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Höhe der Regelbedarfe) auch die Sachbezüge i.S.d. § 22 SGB II (Unterkunft und Heizung) zu berücksichtigen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.05.2014, 1 Ss 18/14, juris, Rn. 7 = NdsRpfl 2014, 258 m.w.N.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 40 Rn. 11).

Dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II als nahe am Existenzminimum Lebende durch das Nettoeinkommensprinzip „systembedingt härter getroffen werden als Normalverdienende“ ist zwar ebenfalls zutreffend und kann durchaus Anlass sein, ein Absenken der Tagessatzhöhe sorgsam zu prüfen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.05.2014, 1 Ss 18/14, juris, Rn. 9 = NdsRpfl 2014, 258; OLG Hamm, Beschluss vom 02.02.2012, III-3 RVs 4/12, juris, Rn. 18; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 40 Rn. 11 a). Der bloße Hinweis auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II, worin sich die Zumessungsentscheidung der Kammer hier erschöpft, ersetzt indes nicht die nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 10.01.1989, 1 StR 682/88 = NStZ 1989, 178; OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2006, 3 Ss 356/06, juris, Rn. 4 = wistra 2007, 191) bei einem Absenken der Tagessatzhöhe gebotene Darlegung der maßgeblichen Umstände. Denn ein Abweichen vom Nettoeinkommensprinzip kann nicht allein damit begründet werden, dass ein Angeklagter ein bestimmtes Nettoeinkommen – hier als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ein solches von 732, – € – erhält. Erforderlich ist vielmehr eine einzelfallorientierte Erörterung der Gesamtbelastung eines Angeklagten, die die konkrete Strafe mit den (vom Nettoeinkommen verschiedenen) übrigen wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten (Vermögen, Verbindlichkeiten etc.) in Beziehung setzt (Häger in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 40 Rn. 53 m.w.N.). Daran fehlt es.

Die bisherigen Feststellungen der Kammer zwingen nicht zu einer Herabsetzung der Tagessatzhöhe. Denn der Angeklagte hat nach den Urteilsfeststellungen keine Kinder und lebt nicht in einer Bedarfsgemeinschaft. Auch sind weder bestehende Verbindlichkeiten des Angeklagten noch außergewöhnliche Belastungen, die ihre Ursache beispielsweise in der Krebserkrankung haben könnten, festgestellt.

III.

Aufgrund der fehlerhaften Berechnung des einzelnen Tagessatzes ist das Urteil im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache insoweit gemäß 354 Abs. 2 StPO an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

Die neue Kammer wird für die gebotene Festsetzung der Tagessatzhöhe die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse (Nettoeinkommen, Verbindlichkeiten, außergewöhnliche Belastungen, Vermögen) aufzuklären und bei der Ermittlung des Nettoeinkommens auch zu berücksichtigen haben, dass der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts 399,- € beträgt (§ 20 SGB II in Verbindung mit der Nr. 1 der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Höhe der Regelbedarfe vom 15.10.2014).

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