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Täter-Opfer-Ausgleich – Wiedergutmachungserfolg

Ein ruhiger Schlaf wurde zum Schauplatz eines grausamen Vertrauensbruchs, als ein Mann seine Partnerin im Schlaf vergewaltigte. Die Tat, ein Übergriff innerhalb einer vermeintlich sicheren Beziehung, erschütterte nicht nur das Opfer, sondern auch die Rechtswelt. Obwohl der Täter wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, entging er dem Gefängnis. Dies rückt die entscheidende Bedeutung der Wiedergutmachung im Strafrecht in den Fokus.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 203 StRR 613/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: BayObLG
  • Datum: 17.03.2025
  • Aktenzeichen: 203 StRR 613/24
  • Verfahrensart: Revisionsverfahren in einer Strafsache
  • Rechtsbereiche: Strafrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, die eine Revision gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt hatte.
  • Beklagte: Der Angeklagte, der wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, sowie die Nebenklägerin (die Geschädigte des Falls).

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Angeklagte, der eine sexuelle Beziehung zur Geschädigten hatte, drang im August 2022 in die Scheide der schlafenden Geschädigten ein und vollzog Geschlechtsverkehr, obwohl er wusste, dass sie dies nicht wollte. Er wurde wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Strafzumessung und die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung durch das Landgericht rechtlich korrekt waren. Insbesondere wurde geprüft, ob eine frühere sexuelle Beziehung und ein Täter-Opfer-Ausgleich strafmildernd berücksichtigt werden durften.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth wurde als unbegründet abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht sah keine Rechtsfehler in der Strafzumessung und der Bewährungsentscheidung des Landgerichts. Die Berücksichtigung der früheren Beziehung als strafmildernd war zulässig, da sie individuell und nicht schematisch erfolgte. Auch die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs sowie die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung wurden als korrekt befunden.
  • Folgen: Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenklägerin.

Der Fall vor Gericht


Vertrauen missbraucht: Ein Gerichtsurteil zur Vergewaltigung in einer Beziehung und die Folgen

In Beziehungen bauen Menschen auf Vertrauen und gegenseitigen Respekt. Doch was passiert, wenn dieses Vertrauen auf so grundlegende Weise gebrochen wird, dass Gerichte darüber entscheiden müssen, wie eine solche Tat zu bestrafen ist? Ein Fall vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht beleuchtet genau diese schwierigen Fragen und zeigt, wie Juristen versuchen, eine gerechte Strafe zu finden, wenn es um sexuelle Übergriffe innerhalb einer Partnerschaft geht.

Der Vorfall und die ersten Urteile: Was war geschehen?

Frau erwacht schockiert im Schlafzimmer, Mann beugt sich drohend über sie, Kind schläft.
Schlafendes Paar im Schlafzimmer: Mann zieht das Nachthemd der Frau hoch, wird abgewiesen – sensibler Konflikt. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Herr A., der Angeklagte in diesem Fall, führte seit dem Jahr 2021 eine sexuelle Beziehung mit Frau G., der Geschädigten. Er hielt sich öfters in ihrer Wohnung auf. Am 1. August 2022 kam es zu dem Vorfall, der die Gerichte beschäftigen sollte. Herr A., der durch Alkohol enthemmt war, legte sich zu Frau G. ins Bett. Sie schlief bereits neben ihrem fünfjährigen Sohn. Er zog ihr Nachthemd hoch, drang mit seinem Penis in ihre Scheide ein und vollzog den Geschlechtsverkehr mit mehreren Stoßbewegungen.

Was macht diese Situation rechtlich so brisant? Herr A. wusste, dass Frau G. fest schlief. Er nahm dabei billigend in Kauf – das bedeutet, er rechnete damit und fand sich damit ab –, dass sie den Geschlechtsverkehr nicht wollte. Er nutzte ihren schlafenden Zustand bewusst aus, um die Tat zu begehen. Als Frau G. erwachte und ihn von sich wegstieß, ließ Herr A. von ihr ab, ohne dass es zu einem Samenerguss gekommen war.

Das Amtsgericht Schwabach – das ist das Gericht, das sich zuerst mit dem Fall befasste – verurteilte Herrn A. am 8. Februar 2024 wegen Vergewaltigung. Die Strafe: eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Diese Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das bedeutet, Herr A. musste nicht sofort ins Gefängnis, sondern bekam die Chance, sich in einer Bewährungszeit zu bewähren.

Doch damit war die Sache nicht erledigt. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth – das ist die Behörde, die im Namen des Staates Straftaten verfolgt – war mit diesem Urteil nicht einverstanden. Sie legte Berufung ein. Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem ein Urteil von einer höheren Instanz überprüft werden kann. Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihre Berufung aber auf den sogenannten Rechtsfolgenausspruch. Das heißt, sie stellte nicht in Frage, DASS Herr A. schuldig war, sondern sie war mit der Höhe der Strafe und der Aussetzung zur Bewährung nicht einverstanden.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth, als nächsthöhere Instanz, prüfte den Fall erneut und wies die Berufung der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 8. Juli 2024 als unbegründet zurück. Das Landgericht hatte bei seiner Entscheidung über die Strafe zugunsten von Herrn A. berücksichtigt, dass die Tat innerhalb einer über ein Jahr andauernden Beziehung stattfand. Zudem sah es die Voraussetzungen für einen sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) – einer Vorschrift, die eine Strafmilderung ermöglichen kann, wenn der Täter sich um Wiedergutmachung bemüht – als erfüllt an.

Die Revision: Eine letzte Überprüfung durch das höchste bayerische Gericht

Die Staatsanwaltschaft gab sich auch mit der Entscheidung des Landgerichts nicht zufrieden. Sie legte Revision ein, diesmal beim Bayerischen Obersten Landesgericht. Eine Revision ist ein weiteres Rechtsmittel, das sich aber meist nur noch mit der Frage beschäftigt, ob das vorherige Gericht das Recht richtig angewendet hat. Die Staatsanwaltschaft machte geltend, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Strafe das materielle Recht – also die Gesetze, die den Inhalt von Rechten und Pflichten bestimmen – verletzt habe. Sie wollte erreichen, dass Herr A. härter bestraft wird. Was waren nun die Kernfragen, mit denen sich das Bayerische Oberste Landesgericht auseinandersetzen musste?

Das Gericht musste prüfen, ob die Strafzumessung – also die Festlegung der konkreten Strafe – durch das Landgericht und die Entscheidung, die Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, juristisch korrekt waren. Insbesondere ging es um drei Punkte:

  1. Durfte die vorangegangene sexuelle Beziehung strafmildernd berücksichtigt werden?
  2. Waren die Voraussetzungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich tatsächlich gegeben?
  3. War die Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach § 56 StGB – der gesetzlichen Regelung hierfür – gerechtfertigt?

Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts: Keine Fehler gefunden

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) fällte sein Urteil am 17. März 2025: Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde als unbegründet verworfen. Das bedeutet, das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth blieb bestehen. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die notwendigen Auslagen, die Herrn A. und auch Frau G. als Nebenklägerin (die Geschädigte, die sich dem Verfahren als zusätzliche Klägerin angeschlossen hatte, um ihre Interessen zu vertreten) entstanden waren, musste die Staatskasse tragen. Doch warum kam das Gericht zu dieser Entscheidung?

Die Begründung im Detail: Warum diese Entscheidung?

Das BayObLG erklärte, dass seine Überprüfung des Urteils des Landgerichts keine Rechtsfehler ergeben habe, weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Herrn A. Schauen wir uns die Argumente des Gerichts genauer an.

Die Rolle der früheren Beziehung bei der Strafzumessung

Ein zentraler Streitpunkt war, ob die Tatsache, dass Täter und Opfer vor der Tat eine sexuelle Beziehung hatten, bei der Strafzumessung mildernd wirken darf. Ist eine Vergewaltigung in einer Beziehung weniger schlimm?

Das BayObLG stellte klar, dass Gerichte bei Sexualstraftaten nicht einfach pauschal annehmen dürfen, wie sich vorherige sexuelle Handlungen auf das Erleben der Tat durch das Opfer auswirken. Es verwies dabei auf frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), des höchsten deutschen Strafgerichts, und auf die sogenannte Istanbul-Konvention, ein internationales Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Eine Entscheidung dürfe nicht auf bloßen Vermutungen darüber beruhen, wie sich Opfer typischerweise in solchen Situationen verhalten. Stattdessen muss das Gericht in jedem Einzelfall genau prüfen, welches Leid das individuelle Opfer durch die Tat erfahren hat. Eine verallgemeinernde Betrachtung einer früheren intimen Beziehung ist also verboten.

Das Landgericht hatte im Fall von Frau G. zwar erkannt, dass ein immenser Vertrauensbruch stattgefunden hatte. Es sah auch, dass Frau G. zum bloßen Sexualobjekt herabgewürdigt wurde und monatelang unter psychischen Beeinträchtigungen litt. Trotzdem bewertete das Landgericht die Vertrautheit von Täter und Opfer im konkreten Fall als entlastend für Herrn A. Widerspricht das nicht dem gerade Gesagten?

Das BayObLG meinte: Nein, nicht unbedingt. Die Entscheidung des Landgerichts hielt der rechtlichen Überprüfung stand. Warum? Weil die Erwägung des Landgerichts nicht auf einer schematischen, vom Einzelfall losgelösten Bewertung beruhte. Vielmehr habe das Landgericht die Auswirkungen der Tat auf Frau G. nach § 46 Absatz 2 des Strafgesetzbuches – einer Vorschrift, die die Grundsätze für die Strafzumessung festlegt – beurteilt, und das sei zulässig gewesen. Es ging also nicht darum, dass eine Beziehung die Tat an sich weniger schlimm macht, sondern wie sich die konkrete Tat im Kontext dieser spezifischen Beziehung auf das Opfer auswirkte, und das muss das Gericht individuell bewerten.

Die Frage des Täter-Opfer-Ausgleichs

Ein weiterer wichtiger Punkt war der Täter-Opfer-Ausgleich. Nach § 46a Nr. 1 StGB kann eine Strafe gemildert werden, wenn der Täter sich ernsthaft um einen Ausgleich mit dem Opfer bemüht und die Tat ganz oder überwiegend wiedergutgemacht hat oder dies zumindest ernsthaft erstrebt. Hatte das Landgericht hier richtig entschieden?

Das BayObLG erläuterte zunächst die allgemeinen Voraussetzungen. Das Gericht muss in einer wertenden Betrachtung – also nicht nur schematisch, sondern unter Abwägung aller Umstände – entscheiden, ob die Bedingungen für einen Täter-Opfer-Ausgleich erfüllt sind. Dafür muss es feststellen, welche Schäden das Opfer erlitten hat und welche Folgen noch bestehen. Ein solcher Ausgleich erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer. Der Täter muss dabei Verantwortung übernehmen, und das Opfer muss die Leistung des Täters als einen friedensstiftenden Ausgleich anerkennen können. Bloß einseitige Bemühungen des Täters, ohne den Versuch, das Opfer einzubinden, reichen nicht aus. Interessanterweise muss dieser kommunikative Prozess aber nicht zwingend eine persönliche Begegnung bedeuten. Eine Verständigung über Dritte, wie Anwälte, kann genügen, besonders bei Sexualdelikten, um traumatisierte Opfer zu schonen.

Und was ist, wenn das Opfer sich nicht äußert oder die Wiedergutmachung nicht vollständig gelingt? Das BayObLG betonte, dass ein „Wiedergutmachungserfolg“ keine zwingende Voraussetzung ist. Die Möglichkeit der Strafmilderung soll nicht allein vom Willen des Opfers abhängen. Der Gesetzgeber wollte dem Täter eine realistische Chance auf Milderung geben, auch wenn das Opfer nicht mitwirkt. Entscheidend ist, dass der Täter ernsthaft bestrebt ist, einen friedensstiftenden Ausgleich zu erreichen und das Opfer „zufriedenzustellen“, ohne dass andere Motive im Vordergrund stehen.

Wie sah das im konkreten Fall von Herrn A. und Frau G. aus? Das Landgericht durfte laut BayObLG einen Täter-Opfer-Ausgleich annehmen. Herr A. war von Anfang an geständig. Er hatte sich bei Frau G. bereits in der ersten Gerichtsverhandlung entschuldigt. Durch sein Geständnis ersparte er Frau G. eine möglicherweise belastende Aussage vor Gericht, obwohl die Beweislage vielleicht schwierig gewesen wäre. Obwohl er in beschränkten finanziellen Verhältnissen lebte, verpflichtete er sich zu einer Entschädigungszahlung von 3.500 Euro und hatte davon bereits 1.000 Euro bezahlt.

Besonders wichtig war auch die Haltung von Frau G. Sie hatte bei ihrer gerichtlichen Befragung die ursprüngliche Strafe von zwei Jahren auf Bewährung als gerechten Schuldausgleich bezeichnet und gesagt, sie habe kein darüber hinausgehendes Interesse an einer Strafverfolgung. Aus diesen Umständen konnte das BayObLG schließen, dass das Landgericht die notwendige wertende Entscheidung getroffen hatte und dass Frau G. die finanzielle Entschädigung und die Vereinbarung als eine friedensstiftende Regelung des Konflikts innerlich akzeptiert hatte.

Die Aussetzung der Strafe zur Bewährung

Zuletzt musste das BayObLG die Entscheidung des Landgerichts überprüfen, die zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Ist es vertretbar, jemanden, der eine Vergewaltigung begangen hat, nicht ins Gefängnis zu schicken?

Das Gericht stellte fest, dass die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung dem Tatrichter – also dem Gericht, das die Fakten feststellt und die Strafe ausspricht – einen weiten Beurteilungsspielraum lässt. Das Landgericht hatte die Umstände, die für und gegen eine Bewährung sprachen, gesehen und gewürdigt.
Für eine positive sogenannte Sozialprognose nach § 56 Absatz 1 StGB – das ist die Einschätzung, ob zu erwarten ist, dass der Verurteilte künftig keine Straftaten mehr begehen wird – hatte das Landgericht auf die stabilen Lebensbedingungen von Herrn A. und eine positive Entwicklung, die von seinem Bewährungshelfer geschildert wurde, abgestellt.
Zusätzlich müssen für eine Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr sogenannte besondere Umstände nach § 56 Absatz 2 StGB vorliegen. Hier wertete das Landgericht das Verhalten von Herrn A. nach der Tat, einschließlich des Täter-Opfer-Ausgleichs, als solche besonderen Umstände.

Die Staatsanwaltschaft hatte befürchtet, dass das Landgericht nicht ausreichend geprüft habe, ob die Aussetzung der Strafe zur Bewährung die sogenannte Verteidigung der Rechtsordnung gefährden würde (§ 56 Absatz 3 StGB). Dieser Paragraph besagt, dass eine Bewährung auch dann versagt werden kann, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich wäre und das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit erschüttern könnte. Das BayObLG sah hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. Ein wichtiger Grund dafür war, dass Frau G. selbst die vom Amtsgericht verhängte Bewährungsstrafe als gerechten Schuldausgleich empfunden hatte. Wenn das Opfer selbst die Strafe als angemessen ansieht, ist es weniger wahrscheinlich, dass die Allgemeinheit die Entscheidung als ungerecht empfindet.

Da das Bayerische Oberste Landesgericht in keinem dieser Punkte einen Rechtsfehler des Landgerichts erkennen konnte, wurde die Revision der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts – zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung – ist somit rechtskräftig.


Die Schlüsselerkenntnisse

Gerichte müssen bei Vergewaltigungen in Partnerschaften jeden Einzelfall genau prüfen und dürfen nicht pauschal annehmen, dass eine vorherige Beziehung die Tat weniger schwerwiegend macht – entscheidend ist allein, wie das konkrete Opfer betroffen wurde. Ein Täter-Opfer-Ausgleich mit Strafmilderung ist auch bei schweren Sexualdelikten möglich, wenn der Täter echte Reue zeigt, sich entschuldigt, Schadenersatz zahlt und das Opfer dies als friedensstiftende Lösung akzeptiert. Selbst bei Vergewaltigung kann eine Bewährungsstrafe statt Gefängnis gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände wie ein glaubhafter Täter-Opfer-Ausgleich vorliegen und das Opfer selbst die Strafe als gerecht empfindet. Das Urteil zeigt, dass das Rechtssystem individuelle Lösungen sucht, die sowohl die Schwere der Tat würdigen als auch echte Wiedergutmachung honorieren können.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was versteht man unter einem Täter-Opfer-Ausgleich und welche Ziele verfolgt er?

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist ein Verfahren, das darauf abzielt, einen durch eine Straftat entstandenen Konflikt zwischen Täter und Opfer außergerichtlich zu lösen. Es handelt sich um eine Alternative zum traditionellen Gerichtsverfahren, bei der die Beteiligten die Möglichkeit erhalten, die Folgen der Tat direkt miteinander zu besprechen und eine Wiedergutmachung zu finden. Dieser Prozess wird von einer neutralen dritten Person, einem sogenannten Mediator, begleitet und ist für beide Seiten stets freiwillig.

Ziele des Täter-Opfer-Ausgleichs

Der Täter-Opfer-Ausgleich verfolgt verschiedene wichtige Ziele, die sowohl den Betroffenen als auch der Gesellschaft zugutekommen:

  • Wiederherstellung des Rechtsfriedens und Wiedergutmachung für das Opfer: Für das Opfer steht im Mittelpunkt, das durch die Straftat erlittene Unrecht wieder auszugleichen. Das kann eine finanzielle Entschädigung für entstandene Schäden sein, aber auch die Reparatur beschädigter Gegenstände oder eine persönliche Entschuldigung. Es geht oft nicht nur um Geld, sondern auch um die Anerkennung des Leids und die Möglichkeit, die Geschehnisse aus der eigenen Perspektive darzustellen. Das Opfer erhält die Chance, aktiv am Prozess teilzunehmen und zu einer Lösung beizutragen, was oft zur emotionalen Bewältigung der Tat beiträgt.
  • Verantwortungsübernahme durch den Täter: Der Täter soll sich aktiv mit den Folgen seiner Tat auseinandersetzen und die Verantwortung für das verursachte Leid übernehmen. Durch den direkten Kontakt zum Opfer kann der Täter besser verstehen, welche Auswirkungen sein Handeln hatte. Diese Einsicht und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung sind entscheidend. Eine erfolgreiche Teilnahme am Täter-Opfer-Ausgleich kann im Strafverfahren positiv berücksichtigt werden und beispielsweise zu einer milderen Strafe oder sogar zur Einstellung des Verfahrens führen. Der Täter erhält so die Möglichkeit, aktiv zur Beilegung des Konflikts beizutragen und sich kooperativ zu zeigen.
  • Vermeidung weiterer Konflikte und Entlastung der Justiz: Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, den durch die Straftat gestörten Frieden zwischen den Beteiligten wiederherzustellen und zukünftige Konflikte zu vermeiden. Wenn Täter und Opfer eine gemeinsame Lösung finden, stärkt dies oft den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zudem trägt der Täter-Opfer-Ausgleich dazu bei, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten, da nicht jede Straftat bis zu einem Urteil vor Gericht verhandelt werden muss. Er ist eine in der deutschen Strafprozessordnung (StPO) und im Jugendgerichtsgesetz (JGG) ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, Straftaten auch auf diesem Weg zu bearbeiten.

Zusammenfassend ist der Täter-Opfer-Ausgleich ein umfassender Ansatz, der über die bloße Bestrafung hinausgeht. Er fördert die Kommunikation, die eigenverantwortliche Konfliktlösung und die Wiederherstellung von Gerechtigkeit und Frieden für alle Beteiligten.


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Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Täter-Opfer-Ausgleich von einem Gericht berücksichtigt werden kann?

Damit ein Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) von einem Gericht bei der Entscheidung über eine Straftat berücksichtigt werden kann, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Der TOA ist ein Versuch, die Folgen einer Straftat direkt zwischen Täter und Opfer zu regeln und einen Ausgleich herbeizuführen. Das Gericht sieht darin ein Zeichen der Verantwortungsübernahme und Wiedergutmachung des Täters.

Ernsthaftigkeit der Bemühungen und Verantwortungsübernahme

Für das Gericht ist entscheidend, dass der Täter die Wiedergutmachung ernsthaft und aus eigenem Antrieb anstrebt. Es geht nicht um einen bloßen Trick, um eine mildere Strafe zu erhalten. Das Gericht prüft, ob der Täter aufrichtig Reue zeigt, die Tat und ihre Folgen anerkennt und bereit ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dies kann sich in proaktiven Schritten äußern, beispielsweise indem der Täter von sich aus Kontakt aufnimmt (oft über eine neutrale Stelle) oder konkrete Vorschläge zur Wiedergutmachung macht.

Formen der Wiedergutmachung

Wiedergutmachung bedeutet nicht ausschließlich finanzielle Entschädigung. Auch andere Formen können entscheidend sein und werden vom Gericht berücksichtigt. Dazu gehören:

  • Geständnis und Entschuldigung: Die ehrliche Anerkennung der Tat und eine aufrichtige Entschuldigung können für das Opfer von großer Bedeutung sein.
  • Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands: Beispielsweise die Reparatur von Schäden oder die Rückgabe entwendeter Gegenstände.
  • Erbringung von Leistungen: Der Täter kann dem Opfer durch Arbeitsleistungen oder andere Hilfen entgegenkommen.
  • Schmerzensgeld oder Schadensersatz: Eine finanzielle Wiedergutmachung kann ebenfalls ein wichtiger Bestandteil sein, insbesondere bei materiellen Schäden oder immateriellem Leid.

Das Gericht bewertet, ob die Wiedergutmachung dem erlittenen Schaden und dem Leidensdruck des Opfers angemessen ist und ob der Täter sich umfassend um eine Lösung bemüht.

Die Bedeutung des kommunikativen Prozesses

Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist ein kommunikativer Prozess. Das bedeutet, dass ein Austausch zwischen Täter und Opfer stattfindet. Dieser muss nicht zwangsläufig eine persönliche Begegnung umfassen. Oftmals wird dieser Prozess von einer neutralen Vermittlungsstelle (Mediation) begleitet. Die Vermittler sorgen dafür, dass die Kommunikation strukturiert abläuft und die Bedürfnisse beider Seiten Gehör finden. Auch wenn das Opfer eine direkte Begegnung ablehnt, kann ein TOA-Prozess über die Vermittlungsstelle stattfinden, indem beispielsweise schriftlich oder über die Vermittler Nachrichten ausgetauscht und Lösungen erarbeitet werden. Wichtig ist, dass der Täter sich den Folgen seiner Tat stellt und die Perspektive des Opfers wahrnimmt.

Die Rolle des Opferwillens

Die Bereitschaft des Opfers, sich auf einen Täter-Opfer-Ausgleich einzulassen, ist für das Gericht ein wichtiger Faktor. Ohne die Mitwirkung des Opfers ist ein Ausgleich in der Regel nicht möglich. Allerdings bedeutet dies nicht, dass das Opfer ein Veto-Recht gegen die Würdigung der Bemühungen des Täters hat. Selbst wenn das Opfer eine direkte Kommunikation oder bestimmte Entschädigungsvorschläge ablehnt, kann das Gericht die ernsthaften und umfassenden Bemühungen des Täters um eine Wiedergutmachung positiv bewerten. Es kommt darauf an, dass der Täter alles Zumutbare unternommen hat, um den Ausgleich zu erzielen und das Leid des Opfers anzuerkennen. Ein vollständiger „Wiedergutmachungserfolg“ ist dabei keine zwingende Voraussetzung. Es zählt die aufrichtige und nachweisbare Bestrebung des Täters.


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Wie wirkt sich ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich auf die Strafhöhe oder eine mögliche Bewährungsstrafe aus?

Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) kann sich positiv auf die Strafhöhe auswirken und die Chancen auf eine Bewährungsstrafe erhöhen. Er zeigt dem Gericht, dass der Täter bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und den durch die Tat entstandenen Schaden wiedergutzumachen.

Milderung der Strafe gemäß § 46a StGB

Wenn ein Täter-Opfer-Ausgleich gelingt, sieht das Gesetz dies als eine besonders anerkennenswerte Leistung an. Das bedeutet, dass die Strafe, die das Gericht verhängen würde, milder ausfallen kann. Stellen Sie sich vor, jemand hat durch eine Tat einen Schaden verursacht. Wenn diese Person sich aktiv darum bemüht, den Schaden wiedergutzumachen, sich aufrichtig entschuldigt und zum Beispiel Reparaturen bezahlt oder einen finanziellen Ausgleich leistet, kann das Gericht dies bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigen. Es ist ein Zeichen dafür, dass der Täter sich mit der Tat auseinandergesetzt hat und zur Besserung bereit ist.

Berücksichtigung bei der Bewährungsentscheidung gemäß § 56 Abs. 2 StGB

Eine Bewährungsstrafe bedeutet, dass eine verhängte Freiheitsstrafe nicht sofort vollstreckt wird, sondern der Verurteilte unter bestimmten Auflagen und Weisungen auf freiem Fuß bleiben kann. Das Gericht prüft hierfür, ob zu erwarten ist, dass der Täter sich auch ohne Haftstrafe bewähren wird. Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich kann hierbei eine entscheidende Rolle spielen. Er wird oft als ein „besonderer Umstand“ gewertet. Dies zeigt dem Gericht, dass der Täter bereits vor dem Urteil aktiv Wiedergutmachung geleistet hat und eine positive Entwicklung erkennbar ist. Solche Umstände können dazu führen, dass eine Freiheitsstrafe, die an sich zur Bewährung nicht mehr in Frage käme (zum Beispiel bei einer Dauer von mehr als sechs Monaten), dennoch zur Bewährung ausgesetzt wird, weil durch den TOA besondere positive Aspekte vorliegen.

Gerichtlich Ermessen: Keine Automatik

Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich keinen Freifahrtschein darstellt und keine automatische Garantie für eine Strafmilderung oder Bewährung ist. Das Gericht trifft immer eine Ermessensentscheidung. Das bedeutet, es wägt alle Umstände des Einzelfalls sorgfältig ab. Dazu gehören die Schwere der Tat, eventuelle Vorstrafen, die Motivation des Täters, das Verhalten im Strafverfahren und eben auch der Erfolg des Täter-Opfer-Ausgleichs. Der TOA ist ein sehr gewichtiger positiver Faktor, der die Waage zugunsten des Täters beeinflussen kann, aber er ist nur ein Teil der Gesamtbetrachtung.


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Unter welchen Bedingungen kann eine Freiheitsstrafe, insbesondere bei schwerwiegenden Straftaten wie sexuellen Übergriffen, zur Bewährung ausgesetzt werden?

Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ist eine wichtige Möglichkeit im deutschen Strafrecht, die es einem verurteilten Täter unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die Strafe nicht im Gefängnis verbüßen zu müssen. Stattdessen wird die Vollstreckung der Strafe für eine bestimmte Zeit, die sogenannte Bewährungszeit, ausgesetzt. Ziel ist hierbei die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft.

Das Gericht entscheidet über die Bewährung gemäß § 56 des Strafgesetzbuches (StGB). Die Entscheidung hängt von mehreren strengen Kriterien ab.

Grundlegende Voraussetzungen für eine Bewährungsstrafe

Für die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung gibt es zunächst eine Obergrenze:

  • Freiheitsstrafen von nicht mehr als einem Jahr: Eine solche Strafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass die Verurteilung allein – also die Tatsache, dass ein Urteil gesprochen wurde und der Täter nun als Straftäter gilt – als Warnung ausreicht. Das Gericht muss die Überzeugung gewinnen, dass der Täter zukünftig keine weiteren Straftaten begehen wird. Dies wird als positive Sozialprognose bezeichnet.
  • Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren: Bei Strafen in diesem Bereich sind die Hürden höher. Eine Aussetzung zur Bewährung ist nur möglich, wenn besondere Umstände in der Person des Täters vorliegen. Das sind oft Umstände, die deutlich machen, dass die Haft den Täter unverhältnismäßig stark treffen oder seine Resozialisierung behindern würde. Auch hier ist die positive Sozialprognose zwingende Voraussetzung.

Was bedeutet „positive Sozialprognose“?

Die positive Sozialprognose ist der zentrale Punkt. Sie bedeutet, dass das Gericht aufgrund einer umfassenden Prüfung des Täters und seiner Situation die begründete Annahme hat, er werde sich künftig „wohlverhalten“ und keine weiteren Straftaten begehen. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt:

  • Bisheriges Leben: Wie sah das Leben des Täters vor der Tat aus? Hat er eine feste soziale Einbindung, Arbeit, Familie?
  • Verhalten nach der Tat: Zeigt der Täter Reue, Wiedergutmachungsbemühungen, hat er sich professionelle Hilfe gesucht (z.B. Therapie)? Hat er sich seit der Tat nichts mehr zuschulden kommen lassen?
  • Auswirkungen der Strafe: Wie würde sich eine Haftstrafe auf sein Leben auswirken (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung, familiäre Bindungen)?
  • Umfeld: Gibt es ein stabiles soziales Umfeld, das den Täter unterstützen kann?

Stellen Sie sich vor, das Gericht versucht, in die Zukunft zu blicken und einzuschätzen, ob die Verurteilung allein eine ausreichende Lehre für den Täter war.

Die Rolle der „Verteidigung der Rechtsordnung“

Gerade bei schwerwiegenden Straftaten, wie den von Ihnen genannten sexuellen Übergriffen, kommt ein weiterer entscheidender Aspekt hinzu: die Verteidigung der Rechtsordnung. Selbst wenn alle anderen Bedingungen erfüllt wären und das Gericht eine positive Sozialprognose annehmen würde, kann eine Bewährungsstrafe versagt werden, wenn die Aussetzung der Strafe nach Ansicht des Gerichts den Eindruck erwecken würde, die Justiz würde die Schwere der Tat nicht ernst nehmen oder die Täter würden zu milde bestraft.

Für das Gericht bedeutet dies eine Abwägung: Auf der einen Seite steht das Ziel der Resozialisierung des Täters, auf der anderen Seite das berechtigte Bedürfnis der Allgemeinheit und der Opfer, dass schwere Straftaten auch eine spürbare Konsequenz haben. Das Gericht muss hier das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gerechtigkeit wahren. Bei Taten von besonderer Schwere, die das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft tief erschüttern, wie etwa sexuelle Übergriffe, wird die Verteidigung der Rechtsordnung oft als vorrangig angesehen. Dies erklärt, warum bei solchen Delikten die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung sehr selten vorkommt und nur in absolut außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht gezogen wird, selbst wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt wären. Es geht darum, dass die Strafe als angemessene Reaktion auf die Tat wahrgenommen wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Bewährungsstrafe keine Selbstverständlichkeit ist, insbesondere bei schwerwiegenden Delikten. Die Gerichte wenden strenge Maßstäbe an und wägen dabei sorgfältig alle relevanten Faktoren ab, um eine gerechte Entscheidung zu treffen, die sowohl der Wiedereingliederung des Täters dient als auch das Vertrauen in die Rechtsordnung schützt.


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Welche Bedeutung hat eine bestehende oder frühere Beziehung zwischen Täter und Opfer für die Festlegung der Strafe bei sexuellen Übergriffen?

Die Tat selbst: Unabhängig von der Beziehung

Eine bestehende oder frühere Beziehung zwischen Täter und Opfer ändert nichts an der grundsätzlichen Strafbarkeit oder der Schwere eines sexuellen Übergriffs. Sexuelle Handlungen erfordern in Deutschland stets die freiwillige und eindeutige Zustimmung (Einverständnis) aller Beteiligten. Fehlt diese Zustimmung, handelt es sich um eine Straftat nach den Paragraphen zu sexuellen Übergriffen im Strafgesetzbuch (beispielsweise § 177 StGB), unabhängig davon, in welcher Art von Beziehung Täter und Opfer zueinander stehen oder standen. Es gibt keinen „Beziehungsrabatt“ für sexuelle Übergriffe.

Im Gegenteil: Eine Beziehung kann die Tat in ihrer moralischen und psychischen Dimension oft noch schwerwiegender machen. Wenn jemand, dem Vertrauen geschenkt wurde – sei es in einer Partnerschaft, Ehe, Verwandtschaft oder Freundschaft –, dieses Vertrauen für einen sexuellen Übergriff missbraucht, liegt ein immenser Vertrauensbruch vor.

Die Bedeutung der Beziehung im Rahmen der Strafzumessung

Gerichte bestimmen die konkrete Strafe (die sogenannte Strafzumessung) immer im Einzelfall. Dabei berücksichtigen sie alle Umstände der Tat und der Täterpersönlichkeit nach § 46 des Strafgesetzbuches. Die Beziehung spielt hier eine Rolle, aber nicht im Sinne einer „Milderung“ der eigentlichen Tat.

  • Erschwerende Umstände durch Vertrauensmissbrauch: Eine bestehende oder frühere Beziehung kann die Tat häufig als erschwerenden Umstand beeinflussen. Dies ist der Fall, wenn die besondere Vertrauensstellung, die aus der Beziehung resultiert, gezielt ausgenutzt wurde. Stellen Sie sich vor, das Opfer vertraut dem Täter aufgrund der Beziehung besonders oder ist von ihm abhängig. Ein Übergriff in solch einer Situation kann die Schutzlosigkeit und das Leid des Opfers erheblich verstärken. Der massive Vertrauensverrat kann als strafschärfend gewertet werden, da er das Opfer zusätzlich traumatisiert und grundlegende soziale Bindungen zerstört.
  • Individuelle Auswirkungen auf das Opfer: Das Gericht betrachtet genau, welche konkreten Auswirkungen die Tat auf das individuelle Opfer innerhalb der spezifischen Beziehung hatte. Die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist dabei immer zentral. Hinzu kommen können der Schock, die Enttäuschung und die langwierigen psychischen Folgen, die aus dem Missbrauch einer Vertrauensbeziehung resultieren können. Das Gericht muss beurteilen, wie schwer diese individuellen Folgen sind, ohne pauschale Annahmen zu treffen.

Zentrale Botschaft für Sie

Die rechtliche Bewertung eines sexuellen Übergriffs ist immer von der fehlenden Zustimmung des Opfers abhängig. Eine bestehende oder frühere Beziehung macht die Tat nicht weniger schwerwiegend. Im Gegenteil kann der Missbrauch von Vertrauen in einer Beziehung die Strafe sogar erhöhen, da er die Verletzung des Opfers in besonderem Maße verschlimmern kann.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Täter-Opfer-Ausgleich

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist ein Verfahren, bei dem Täter und Opfer einer Straftat versuchen, den entstandenen Konflikt direkt und außergerichtlich zu klären. Ziel ist es, durch Kommunikation und Wiedergutmachung die Folgen der Tat zu mildern und den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Das Verfahren ist freiwillig und wird oft durch eine neutrale Vermittlungsstelle begleitet. Im Strafverfahren kann ein erfolgreich durchgeführter TOA zu einer milderen Strafe oder Bewährung führen (§ 46a StGB). Beispiel: Ein Täter entschuldigt sich persönlich bei seinem Opfer und zahlt Schmerzensgeld, wodurch das Gericht die Strafe reduziert.


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Strafzumessung

Strafzumessung ist die gerichtliche Festlegung der konkreten Strafe in einem Strafverfahren, nachdem die Schuld des Täters festgestellt wurde. Dabei bewertet das Gericht sämtliche Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Täters nach § 46 StGB, um eine angemessene Strafe zu bestimmen. Die Strafzumessung kann sowohl erschwerende als auch mildernde Faktoren berücksichtigen, zum Beispiel eine vorherige Beziehung zwischen Täter und Opfer oder Bemühungen des Täters zur Wiedergutmachung. Beispiel: Das Gericht berücksichtigt bei einem Diebstahl, dass der Täter zum ersten Mal straffällig wurde, und verhängt deshalb eine mildere Strafe.


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Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

Die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung bedeutet, dass ein verurteilter Straftäter seine Haftstrafe nicht sofort im Gefängnis antreten muss, sondern unter Auflagen und für eine bestimmte Zeit frei lebt (§ 56 StGB). Voraussetzung ist eine positive Sozialprognose, also die begründete Annahme, dass der Täter künftig keine weiteren Straftaten begehen wird. Bei Strafen zwischen einem und zwei Jahren sind außerdem besondere Umstände erforderlich. Zudem darf die Aussetzung die Verteidigung der Rechtsordnung nicht gefährden. Beispiel: Ein Ersttäter mit fester Arbeit und entschuldigtem Verhalten erhält Haftstrafe auf Bewährung, um seine Wiedereingliederung zu ermöglichen.


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positive Sozialprognose

Die positive Sozialprognose ist eine gerichtliche Einschätzung, dass der Verurteilte sich in Zukunft rechtskonform verhalten wird und kein weiteres Straftatenrisiko besteht. Sie ist eine zentrale Voraussetzung für die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 56 Abs. 1 StGB). Das Gericht beurteilt dabei Faktoren wie das bisherige Verhalten, soziale Bindungen, Reue und Bemühungen um Wiedergutmachung. Beispiel: Ein Täter, der nach der Tat eine Therapie begonnen hat und stabile familiäre Verhältnisse vorweist, erhält eine positive Sozialprognose.


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Verteidigung der Rechtsordnung

Die Verteidigung der Rechtsordnung ist ein Rechtsprinzip, wonach die Strafjustiz sicherstellen muss, dass Strafen so verhängt werden, dass die Gesellschaft das Rechtssystem als gerecht und wirksam anerkennt. Insbesondere bei schweren Straftaten kann eine Bewährungsstrafe versagt werden, wenn deren Aussetzung das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit untergraben würde (§ 56 Abs. 3 StGB). Dieses Prinzip schützt das öffentliche Interesse daran, dass schwere Vergehen auch angemessen sanktioniert werden. Beispiel: Bei einem besonders brutalen Verbrechen lehnt das Gericht eine Bewährung ab, um zu zeigen, dass solche Taten ernsthaft bestraft werden.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 177 StGB (Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung): Dieser Paragraph definiert die Strafbarkeit der Vergewaltigung und regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Sexualdelikt vorliegt, insbesondere das „gegen den erkennbaren Willen“ oder „unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage“ erfolgende Eindringen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr A. wurde wegen Vergewaltigung verurteilt, da er den sexuellen Akt im Wissen um das schutzlose und schlafende Opfer gegen deren Willen vollzog.
  • § 46 StGB (Strafzumessung): Regelt die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung, wonach insbesondere die Schwere der Tat und die Schuld des Täters berücksichtigt werden müssen, sowie die individuelle Lage des Täters und des Opfers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht und das BayObLG haben nachvollziehbar bewertet, wie sich die Tat auf Frau G. auswirkte, und geprüft, ob die frühere Beziehung strafmildernd berücksichtigt werden kann, ohne verallgemeinernd zu urteilen.
  • § 46a Nr. 1 StGB (Täter-Opfer-Ausgleich): Gibt die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen bei ernsthaften Bemühungen des Täters um Wiedergutmachung die Strafe zu mildern, auch wenn der volle Ausgleich nicht erreicht wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr A. gestand, entschuldigte sich, leistete bereits Entschädigungszahlungen und bewies ernsthaftes Bemühen um Wiedergutmachung, was das Landgericht als strafmildernd anerkannte.
  • § 56 StGB (Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung): Regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, insbesondere bei zu erwartender positiver Sozialprognose und Vorliegen besonderer Umstände, sowie den Schutz der Rechtsordnung gegen unverständliche Bewährungsentscheidungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht sah eine positive Sozialprognose und besondere Umstände durch das Täterverhalten und den Täter-Opfer-Ausgleich gegeben, weshalb die zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und das BayObLG diese Entscheidung bestätigte.
  • Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen): Dieses internationale Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen und Schutzmaßnahmen zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich der individuellen Bewertung von Gewaltopfern. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das BayObLG betonte die Bedeutung der individuellen Prüfung des Leids der Geschädigten und wies auf die Istanbul-Konvention hin, um pauschale Strafmilderungen wegen der vorangegangenen Beziehung abzulehnen.
  • § 338 StPO (Revision in Strafsachen): Bestimmt, dass beim Revisionsverfahren geprüft wird, ob das Recht fehlerfrei angewendet wurde, insbesondere bei der Strafzumessung und der Verfahrensführung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein, die das BayObLG als unbegründet zurückwies, weil keine materiellen Rechtsfehler bei Strafzumessung und Bewährungsentscheidung vorlagen.

Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 203 StRR 613/24 – Urteil vom 17.03.2025


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