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Verbotene Kraftfahrzeugrennen – Geschicklichkeitsdemonstrationen eines Einzelfahrers

Demonstrationen der Geschicklichkeit im Straßenverkehr: Grenzen zwischen Autorennen und Fahrtechniken

In diesem Urteil geht es um einen Autofahrer, der vor Gericht stand, weil er in der Öffentlichkeit eine Reihe von riskanten Fahrmanövern durchgeführt hat. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe einer Menschenmenge und geparkter Fahrzeuge, und es wird behauptet, dass der Fahrer zeitweise die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat. Der Hauptpunkt des Falles besteht darin, ob das Verhalten des Fahrers als verbotenes Kraftfahrzeugrennen klassifiziert werden kann, was erhebliche rechtliche Folgen haben könnte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Qs 60/20 >>>

Klassifizierung des Fahrverhaltens

Das Amtsgericht Koblenz hatte den Fall zuerst verhandelt und in seinem Urteil vom 2. September 2020 festgestellt, dass das Verhalten des Fahrers als Kraftfahrzeugrennen eingestuft werden könnte. Das Gericht argumentierte, dass ein Kraftfahrzeugrennen nicht nur auf Geschwindigkeitsrennen beschränkt sei, sondern auch Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten einschließen könne. Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die Gefährlichkeit illegaler Straßenrennen nicht nur durch hohe Geschwindigkeiten, sondern auch durch rücksichtsloses und riskantes Fahren im innerstädtischen Bereich bestimmt würde.

Fahrtechniken versus Geschwindigkeitsrennen

Die Verteidigung legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, mit dem Argument, dass der Beschuldigte nicht versucht habe, eine hohe Geschwindigkeit zu erreichen, sondern bestimmte in der Motorsportszene bekannte Fahrtechniken angewandt habe. Diese Techniken erfordern eine vollständige Beherrschung des Fahrzeugs und eine hohe Geschicklichkeit des Fahrers. Nach Ansicht der Verteidigung sollte der Tatbestand des Kraftfahrzeugrennens nicht gegeben sein, wenn das Hauptziel des Fahrers nicht darin besteht, eine maximale Geschwindigkeit zu erreichen.

Bewertung des Fahrverhaltens und Gerichtsentscheid

Das Gericht prüfte die Argumente der Verteidigung und stellte fest, dass der Beschuldigte zwar die öffentlichen Straßen missbraucht und eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dargestellt hatte, sein Verhalten jedoch nicht die spezifische Absicht zeigte, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Es wurde auch betont, dass der Fahrer seine Fahrfähigkeiten durch Geschicklichkeitsdemonstrationen und nicht durch hohe Geschwindigkeiten unter Beweis stellen wollte.

Obwohl das Gericht die riskante Fahrweise des Beschuldigten und das daraus resultierende hohe Gefährdungspotential anerkannte, fand es keine ausreichenden Beweise dafür, dass der Fahrer eine Schädigung von Personen oder Sachen in Kauf genommen hätte. Aus diesem Grund wurde entschieden, dass die Beschwerde des Fahrers erfolgreich war und sein Führerschein ihm unverzüglich zurückgegeben werden sollte.


Das vorliegende Urteil

LG Koblenz – Az.: 4 Qs 60/20 – Beschluss vom 14.10.2020

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten C. G. G. wird der Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 02.09.2020 – Az. 30 Gs 6920/20 – aufgehoben.

2. Der Führerschein ist dem Beschuldigten C. G. G. unverzüglich herauszugeben.

3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Kraftfahrzeugrennen
(Symbolfoto: Dmitry Dven/Shutterstock.com)

Dem Beschuldigten wird im Ermittlungsverfahren 2030 Js 51502/20 ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB) zur Last gelegt. Er soll am 23.08.2020 in der Zeit zwischen 00:00 Uhr und 02:43 Uhr auf dem R.-Parkplatz in der I. X, … M.-K., als Teilnehmer eines dort stattfindenden Tuning-Treffens mit seinem Fahrzeug, einem A. XX, amtliches Kennzeichen ..-.. …, beschlossen haben, ein paar „Donuts“ auf dem Parkplatz zu hinterlassen. Zu diesem Zweck soll er in Begleitung eines derzeit noch unbekannten Beifahrers das Fahrzeug auf kurzer Strecke erheblich beschleunigt haben, um dann das Fahrzeug unter Einsatz der Handbremse vor den Zuschauern auf dem rege besuchten Parkplatz im technischen Grenzbereich zu bewegen und zu „driften“. Hierbei soll der Beschuldigte in einem Abstand von wenigen Metern an den Zuschauern sowie den geparkten Fahrzeugen vorbei gedriftet sein, wobei er sein Fahrzeug zeitweilig nicht unter Kontrolle gehabt haben und es nur dem Zufall zu verdanken gewesen sein soll, dass der Beschuldigte nicht die vollständige Kontrolle über das Fahrzeug verloren habe und es zu Sach- oder Personenschäden gekommen sei.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 02.09.2020 (Az. 30 Gs 6920/20) wurde dem Beschuldigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen (Bl. 25 f. d.A.). Zur Begründung wird angeführt, dass der Begriff des „Kraftfahrzeugrennens“ nicht nur Geschwindigkeitsrennen erfasse, sondern auch Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten. Das erhöhte Gefahrenpotential bei der Vornahme eines illegalen Straßenrennens sei nicht nur durch die erzielte Höchstgeschwindigkeit geprägt, sondern im innerstädtischen Bereich auch durch eine möglichst rücksichtslose, riskante und risikoreiche Fahrweise. Der Beschluss wurde dem Beschuldigten am 05.09.2020 zugestellt.

Bereits mit Schriftsatz vom 03.09.2020 vertrat der Verteidiger des Beschuldigten die Auffassung, dass § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB tatbestandlich bereits ausscheide. Das Handeln des Täters müsse von der Absicht getragen sein, eine „höchstmögliche Geschwindigkeit“ zu erreichen. Es sei dem Beschuldigten jedoch erkennbar nicht um das Erreichen einer Maximalgeschwindigkeit, sondern nur um in der Motorsportszene bekannte Fahrtechniken gegangen, die die volle Beherrschung des Fahrzeugs und Geschicklichkeit des Fahrers voraussetzten.

Mit Schriftsatz vom 11.09.2020, eingegangen beim Amtsgericht Koblenz am selben Tage, legte der Verteidiger des Beschuldigten Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 02.09.2020 ein.

Die Staatsanwaltschaft Koblenz beantragte, der Beschwerde nicht abzuhelfen unter Hinweis auf die empfohlene Ergänzung der Begründung des § 315d StGB in der Drucksache des Bundesrates 362/1/16. Es habe zudem bereits eine konkrete Gefahr vorgelegen.

Das Amtsgericht Koblenz hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23.09.2020 nicht abgeholfen.

Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Der Verteidiger des Beschuldigten trägt in seiner Beschwerdebegründungsschrift vom 24.09.2020 vor, dass eine Gefährdung von Personen oder des Beifahrers auf dem Parkplatz nicht gegeben gewesen sei.

II.

Die Beschwerde des Angeschuldigten C. G. G. ist zulässig (§§ 304 Abs. 1, 306 StPO) und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a Abs. 1 S. 1 StPO liegen nicht vor. Eine solche setzt voraus, dass dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Fahrerlaubnis dem Beschuldigten gemäß § 69 StGB entzogen wird. Gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wird, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 1a StGB ist in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wer ein Vergehen des verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d StGB begeht. Erforderlich ist der dringende Tatverdacht, dass der Beschuldigte eine rechtswidrige Tat i.S.d. § 69 StGB begangen hat (Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 111a Rn. 2).

Zwar lässt das Verhalten des Beschuldigten am 23.08.2020 ernsthaft bezweifeln, dass er über die charakterliche Eignung verfügt, ein Kraftfahrzeug zu führen. Das Tatgeschehen dürfte indes zumindest keinen Straftatbestand erfüllen.

Ein dringender Tatverdacht hinsichtlich der Teilnahme an einem Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB scheidet aus. Hierfür wäre ein Wettbewerb mindestens zweier Verkehrsteilnehmer erforderlich (BeckOK StGB/Kulhanek, 47. Ed. 1.8.2020, StGB § 315d Rn. 13; Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 315d StGB, Rn. 5). Ein solcher ist nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen nicht ersichtlich. Den der Akte beigefügten Videoaufzeichnungen lassen sich lediglich die Fahrmanöver des Beschuldigten entnehmen. Zwar hat der Zeuge A. bekundet, dass es gelegentlich vorkäme, dass Teilnehmer der Tuning-Treffen auf diesen ihre Fahrzeuge präsentierten und auch mal Donuts drehen bzw. driften würden, und auch der Beschuldigte hat gegenüber den Polizeibeamten vor Ort angegeben, dass er diverse andere Fahrzeuge beim Driften gesehen hätte, worauf er sich gedacht habe, dass er dies auch könne.

Es bestehen jedoch keinerlei Erkenntnisse dazu, ob diese anderen driftenden Fahrzeuge in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem vermeintlichen Tatgeschehen stehen.

Der Beschuldigte ist zudem nicht dringend verdächtig, ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen i.S.d. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB durchgeführt zu haben. Es fehlt insoweit an der hierfür erforderlichen Absicht der Erzielung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit.

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Sinne eines abstrakten Gefährdungsdelikts diejenigen Fälle erfassen, in denen ein einzelner Fahrer objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt (BT-Drs. 18/12964, S. 5). Entgegengewirkt werden soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers den besonderen Gefahren, die dadurch entstehen, dass der Fahrer durch den (nachgestellten) Wettbewerbscharakter Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht lässt und für einen Zuwachs an Geschwindigkeit den Verlust der Kontrolle über sein Fahrzeug in Kauf nimmt (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.5.2020 – 1 OLG 2 Ss 34/20, BeckRS 2020, 10847, Rn. 7, beck-online; KG Berlin, Beschluss vom 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19, BeckRs 2019, 35362, Rn. 12). In subjektiver Hinsicht hinzukommen muss, dass der Täter das Erreichen einer unter Berücksichtigung der fahrzeugspezifischen Beschleunigung, dem subjektiven Geschwindigkeitsempfinden und der konkreten Verkehrssituation möglichst hohen „relativen“ Geschwindigkeit beabsichtigt hat; der Begriff der „höchstmöglichen“ Geschwindigkeit stellt dabei die Wortlautgrenze der Norm dar (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.5.2020 – 1 OLG 2 Ss 34/20, BeckRS 2020, 10847, Rn. 7, beck-online; Pegel, in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 315d, Rn. 26; Kulhanek, in BeckOK-StGB, 45. Ed., Stand 01.02.2020, § 315d, Rn. 41 f.; vgl. a.: OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.07.2019 – 4 Rv 28 Ss 103/19, juris, Rn. 10 [zur Polizeiflucht]). Nicht erforderlich ist zwar, dass der Täter tatsächlich mit der fahrzeugspezifisch und nach den sonstigen Umständen höchstmöglichen Geschwindigkeit gefahren ist (KG Berlin, Beschluss vom 14.04.2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19), juris). Hierauf muss es dem Täter aber zumindest angekommen sein (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.5.2020 – 1 OLG 2 Ss 34/20, BeckRS 2020, 10847, Rn. 7, beck-online; Preuß, NZV 2018, 537, 539).

Entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts reicht es insoweit nicht aus, dass der Beschuldigte auf kurzer Strecke erheblich beschleunigte, um dann unter Einsatz der Handbremse zu „driften“. Der Beschuldigte hat sich gegenüber den Polizeibeamten dahingehend eingelassen, dass er diverse andere Fahrzeuge beim Driften gesehen hätte und sich dann gedacht habe, dass er dies auch könne. Auch der Verteidiger hat darauf hingewiesen, dass es sich bei einem „Donuts“-Fahrmanöver um eine in der Motorsportszene bekannte Fahrtechnik handele, die die volle Beherrschung des Fahrzeugs und die Geschicklichkeit des Fahrers voraussetzen. Zwar kommt es beim Driften auch auf die erreichte Geschwindigkeit an, darüber hinaus maßgeblich sind jedoch auch Driftwinkel, Linienwahl und Stil (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Driftsport). Es kann daher nach dem jetzigen Ermittlungsstand nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte die Absicht hegte, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Der Beschuldigte hat mit dem Fahren von so genannten „Donuts“ zwar in erheblicher Weise zu Selbstdarstellungszwecken und unter Inkaufnahme der Gefährdung anderer den öffentlichen Straßenraum missbraucht. Der Beschuldigte ist allerdings nicht im Sinne eines Vorwärtskommens eine überhöhte oder gar Höchstgeschwindigkeit gefahren, sondern er hat sein Fahrzeug beschleunigt, um es dadurch im Sinne einer Geschicklichkeitsvorführung zu beherrschen. Zwar wird vertreten, dass unter den vom Gesetz nicht näher definierten Begriff des „Rennens“ auch sog. Geschicklichkeitswettbewerbe fallen, bei denen die Erzielung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit nicht im Vordergrund stehen (OLG Hamm, Beschluss vom 05.03.2013 – III-1 RBs 24/13, 1 RBs 24/13, juris, Rn. 9 [zu § 29 StVO a.F.]; so auch die empfohlene Ergänzung des Bundesrates Drucksache 362/1/16). Im Hinblick auf die von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zusätzlich vorausgesetzte subjektive Komponente der Absicht der Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit reicht ein Fahrverhalten, das darauf abzielt, das fahrerische Können mittels Geschicklichkeitsdemonstrationen und nicht durch ein möglichst schnelles Fortkommen unter Beweis zu stellen (vgl. zu dieser Variante: KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19), juris, Rn. 3), zur Erfüllung des Tatbestandes allerdings nicht aus (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.5.2020 – 1 OLG 2 Ss 34/20, BeckRS 2020, 10847, Rn. 17, beck-online; AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 6.5.2020 – 303 Gs 50/20, BeckRS 2020, 14536, Rn. 2, beck-online; BeckOK StGB/Kulhanek, 47. Ed., 1.8.2020, StGB, § 315d, Rn. 41.3; siehe auch Blanke-Roeser, JuS 2018, 18), insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG eine zurückhaltende Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB angezeigt ist (KG Berlin, Beschluss vom 14.04.2019 – (3) 161 Ss 36/19 (25/19), juris; AG Berlin-Tiergarten Beschl. v. 6.5.2020 – 303 Gs 50/20, BeckRS 2020, 14536 Rn. 2). Als eine Geschicklichkeitsdemonstration in diesem Sinne sind auch „Donuts“ anzusehen (AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 6.5.2020 – 303 Gs 50/20, BeckRS 2020, 14536, Rn. 2, beck-online; BeckOK StGB/Kulhanek, 47. Ed. 1.8.2020, StGB, § 315d, Rn. 41.3).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Staatsanwaltschaft angeführten Drucksache des Bundesrats. Sofern die Empfehlung der Ausschüsse an den Bundesrat vom 09.09.2016 (Bundesrats-Drucksache 362/1/16) vorsah, in die Einzelbegründung einzufügen, dass als Kraftfahrzeugrennen nicht nur Geschwindigkeitsrennen erfasst werden, sondern auch Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten, wobei hervorzuheben sei, dass das erhöhte Gefahrenpotential bei der Vornahme eines illegalen Straßenrennens nicht nur durch die erzielte Höchstgeschwindigkeit geprägt ist, sondern – insbesondere im innerstädtischen Bereich – auch durch eine möglichst rücksichtslose, riskante und risikoreiche Fahrweise (zum Beispiel sogenannte „Burnout“, „Wheelies“, „Stoppies“ oder „Donuts“) dieser weiteren Arten von Kraftfahrzeugrennen, hat diese vorgeschlagene Einzelbegründung weder Eingang in die Bundestags-Drucksache 18/10145 vom 26.10.2016 noch in die Bundestags-Drucksache 18/12964 vom 28.06.2017 gefunden, sodass nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber den Begriff des Kraftfahrzeugrennens so verstanden wissen wollte. Zudem ist in der Bundesrats-Drucksache 362/1/16 § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in seiner heute geltenden Fassung noch nicht enthalten, sodass sich die dort empfohlene Ergänzung nicht unmittelbar auf den § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bezieht, der seinerseits gerade auf die beabsichtigte Erzielung höchstmöglicher Geschwindigkeiten abzielt.

Nach dem gegenwärtigen Sachstand lässt sich auch ein dringender Verdacht einer Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB) nicht feststellen. Zwar dürften hier die Tatbestandsmerkmale sowohl des grob verkehrswidrigen als auch des rücksichtlosen Verhaltens als erfüllt anzusehen sein, weil das Verhalten des Beschuldigten erheblich von einem pflichtgemäßen Verhalten abweicht und eigensüchtige Motive zum Ausdruck kommen. Einer der enumerativ aufgeführten Verstöße lässt sich jedoch nicht feststellen.

Schließlich besteht nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen auch kein dringender Verdacht eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Der Beschuldigte hat sich zwar durch die von den Zeugen geschilderten und auf den Videos ersichtlichen Fahrmanöver zur Selbstdarstellung ohne Rücksicht auf die Sicherheit des Straßenverkehrs in hohem Maße verkehrswidrig verhalten. Ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten im fließenden Verkehr wird allerdings nur dann von § 315b StGB erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren”, und es ihm darauf ankommt, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung muss weiterhin hinzukommen, dass das Fahrzeug mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht wird (BGH, Urteil vom 20. 2. 2003 – 4 StR 228/02, NJW 2003, 1613; BGH, Beschluss vom 9. 2. 2010 – 4 StR 556/09, NStZ 2010, 391; siehe auch BGH, Beschl. v. 5. 11. 2013 − 4 StR 454/13, NStZ 2014, 86). Erst dann liegt eine verkehrsatypische „Pervertierung” des Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen „Eingriff” in den Straßenverkehr i.S. des § 315b Abs. 1 StGB vor (BGH, Urteil vom 20. 2. 2003 – 4 StR 228/02, NJW 2003, 1613; BGH, Beschluss vom 9. 2. 2010 – 4 StR 556/09, NStZ 2010, 391). Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass es dem Beschuldigten darauf ankam, mit seinem Fahrzeug in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Zwar hat der Beschuldigte sein Fahrzeug nicht mehr nur als Verkehrsmittel, sondern auch als Mittel der Unterhaltung und Selbstdarstellung missbraucht (siehe zum Missbrauch als Mittel der Unterhaltung auch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 325; AG Lübeck, Beschluss vom 09.12.2011 – 61 Gs 125/11, BeckRS 2011, 29818) und zwar lässt sich den Aussagen der Zeugen A., C. und M. entnehmen, dass es bei den riskanten Fahrmanövern des Beschuldigten tatsächlich zu einer Gefährdung der umstehenden Personen und Fahrzeuge gekommen ist. Derzeit sind aber nicht genügend Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Beschuldigte über den fahrerischen Unterhaltungszweck hinaus, das Fahrzeug als Mittel der Bedrohung oder Nötigung einsetzen oder auf den öffentlichen Straßenverkehr einwirken, ihn stören oder unterbinden wollte. Eine solche beabsichtigte Zweckentfremdung ist der bisherigen Einlassung des Beschuldigten nicht zu entnehmen, nach der der Beschuldigte gedacht habe, er könne das auch. Die von den Zeugen geschilderte hoch riskante Fahrweise des Beschuldigten, wie sie auch den in der Akte befindlichen Videos zu entnehmen ist und die den Eindruck hinterlässt, dass nur durch Zufall und mit viel Glück keine tatsächlichen Personen- oder Sachschäden eingetreten sind, sprechen zwar für einen Gefährdungsvorsatz des Beschuldigten. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sind jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Beschuldigte die Schädigung von Sachen oder Personen zumindest billigend in Kauf nahm und nicht nur darauf vertraute, es werde schon nichts passieren.

Da die Beschwerde in der Sache Erfolg hat, ist dem Beschuldigten sein Führerschein unverzüglich herauszugeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.

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