Spätestens mit der „me too“ Bewegung wurde weltweit auf ein sehr bedeutendes gesellschaftliches Problem zwischen Männern und Frauen hingewiesen, das auch in Deutschland ein großes Thema ist. Sexuelle Übergriffe wurden jahrzehntelang mehr oder minder stillschweigend von den Opfern hingenommen, da dieses Thema auch immer sehr stark mit Scham und Angstgefühlen verbunden ist. Nunmehr jedoch ist dieses Thema glücklicherweise in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten und den Opfern werden viele Hilfestellungen angeboten.
Übersicht
- Differenzierung zwischen sexueller Belästigung und Nötigung Wichtige Abgrenzung
- Definition und Beispiele von sexueller Belästigung
- Definition und Beispiele von sexueller Nötigung
- Worin unterscheiden sich Belästigung und Nötigung?
- Rechtslage: Wie sind die beiden Straftatbestände gesetzlich geregelt?
- Erkennen von Übergriffen: Wie identifiziere ich eine Belästigung und Nötigung?
- Hilfe und Unterstützung: Was tun bei sexuellen Übergriffen?
- Fazit
Differenzierung zwischen sexueller Belästigung und Nötigung Wichtige Abgrenzung
Damit gegen derartige Taten effektiv vorgegangen werden kann, ist es jedoch wichtig zu wissen, dass eine Differenzierung zwischen der sexuellen Belästigung und der sexuellen Nötigung vorgenommen wird. Der Grund für diese Differenzierung liegt in dem Umstand, dass es sich um zwei vollständig unterschiedliche Taten handelt, die dementsprechend auch unterschiedliche strafrechtliche Konsequenzen für den Täter mit sich bringen. Diese Abgrenzung ist jedoch nicht immer leicht, aber in diesem Artikel hier wird diese klare Abgrenzung vorgenommen und erläutert. Selbstverständlich wird in diesem Artikel auch auf die rechtlichen Gesichtspunkte eingegangen und Hilfestellungen für die Opfer aufgezeigt.
Definition und Beispiele von sexueller Belästigung
Um die sexuelle Belästigung definieren zu können, muss zunächst die Definition der Belästigung an sich geklärt sein. Der Gesetzgeber definiert die Belästigung als spezialisierte Form einer diskriminierenden Benachteiligung, durch welche das Opfer mittels unerwünschter Verhaltensweisen des Täters in der Würde verletzt wird. Eine Belästigung kann gesetzlich niemals als sachlich gerechtfertigt betrachtet werden. Die sexuelle Belästigung ist ebenfalls eine spezialisierte Form, da sie stets einen sexuellen Bezug aufweist.
Eine Belästigung kann von dem Täter sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen.
Unangemessene Berührungen oder Annäherungen
Dem reinen Grundsatz nach ist jedes Verhalten eines Täters, das von dem Opfer als grenzüberschreitend aufgefasst wird, eine Belästigung. Die sexuelle Belästigung kann bereits durch aufdringliches Verhalten oder Annäherungen beginnen, bei denen der Täter dem Opfer sich auf unangemessene Art und Weise annähert. Da es sich bei dem Begriff „angemessen“ um einen rechtlich unbestimmten Begriff handelt, ist es wichtig, dass das Opfer dem Täter bereits frühzeitig die Grenzen aufzeigt und damit auch deutlich macht, welches Verhalten des Täters von dem Opfer als unangemessen aufgefasst wird.
Obszöne oder aufdringliche Kommentare und Gesten
Die sexuelle Belästigung kann sowohl nonverbal mittels körperlicher Gesten als auch verbal in Form von aufdringlichen Kommentaren erfolgen. Beide Verhaltensmuster sind strafrechtlich relevant, wenn sie die Würde des Opfers verletzen oder dazu geeignet sind, für das Opfer ein unwürdiges Umfeld zu schaffen. Kommentare wie „hey Schnuckelchen“ oder „Dich würde ich auch nicht von der Bettkannte stoßen“ können von einem Opfer bereits als sexuelle Belästigung aufgefasst werden. Gleichermaßen verhält es sich auch mit den zweideutigen Gesten. Entscheidend ist nicht, wie der Täter diese Gesten gemeint hat. Entscheidend ist, wie die Allgemeinheit die Gesten auffassen würde.
Definition und Beispiele von sexueller Nötigung
Die sexuelle Nötigung ist von der sexuellen Belästigung abzugrenzen, da es sich hierbei bereits um die nächste Stufe handelt. Der Begriff sexuelle Nötigung muss dabei als sogenannter Sammelbegriff verstanden werden, unter dem eine wahre Vielzahl von verschiedenen sexuellen Handlungen zusammengefasst werden. Diese Handlungen werden stets gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers vorgenommen.
Nötigung durch körperliche Gewalt
Der Gesetzgeber spricht von der sexuellen Nötigung durch körperliche Gewalt, wenn ein Täter den Geschlechtsakt an dem Opfer gegen dessen Willen vornimmt. Entscheidend ist nicht, dass der Geschlechtsakt mit dem Geschlechtsteil vorgenommen wird. Entscheidend ist vielmehr, dass gegen die sexuelle Selbstbestimmung verstoßen wird. Es kommt immer auf die genauen Rahmenumstände des Tathergangs an, da der Gesetzgeber auch den eigenständigen Straftatbestand der Vergewaltigung kennt. Die Vergewaltigung fällt jedoch unter den Sammelbegriff der sexuellen Nötigung.
Nötigung durch Drohungen oder psychischen Druck
Die Nötigung unter Einsatz von psychischem Druck oder mittels Drohungen sind sehr weitverbreitet. In der gängigen Praxis befindet sich das Opfer in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Täter, welches von dem Täter missbraucht wird. Ein regelrechtes Paradebeispiel hierfür wäre das Mietvertragsverhältnis, bei dem das Opfer auf die Mietwohnräumlichkeiten zwingend angewiesen ist und der Vermieter als Täter dieses Verhältnis ausnutzt. Formulierungen wie „ziehen Sie sich vor mir aus, sonst schmeiße ich sie aus dem Vertrag“ sind leider keine Seltenheit. Erpressungen, die nicht direkt auf das Opfer abzielen, können ebenfalls psychischen Druck erzeugen. Formulierungen wie „sie sind jetzt körperlich sehr lieb zu mir, sonst schmeiße ich ihre alte Mutter aus dem Mietvertrag“ wären hierfür ein Beispiel.
Worin unterscheiden sich Belästigung und Nötigung?
Straftatbestände im Vergleich
Der Gesetzgeber in Deutschland hat die sexuelle Belästigung nicht als eigenständigen Straftatbestand eingestuft. Dem reinen Grundsatz nach ist sie dementsprechend auch nicht strafbar. Eine strafrechtliche Verfolgung ist erst dann denkbar, wenn im Zuge der sexuellen Belästigung für das Opfer zivilrechtliche oder arbeitsrechtliche Konsequenzen entstehen.
Körperliche sexuelle Gewalt sowie auch sexueller Missbrauch werden der sexuellen Nötigung zugerechnet. Der Täter schafft durch sein Verhalten ein Umfeld, in dem das Opfer zu der Duldung der sexuellen Handlungen gezwungen ist.
Intensität und Schwere der Handlungen
Damit die Strafbarkeit des Handelns gegeben ist, hat der Gesetzgeber gewisse Mindestkriterien an die Intensität der Handlung festgelegt. Die sexuelle Nötigung muss in einem erheblichen Umfang durchgeführt werden. Ein kurzes „Begrapschen“ erfüllt nicht zwingend den Straftatbestand der sexuellen Nötigung. Die vorsätzliche längere Berührung von bedeckten Genitalbereichen jedoch kann eine Strafbarkeit des Handelns begründen.
Rechtslage: Wie sind die beiden Straftatbestände gesetzlich geregelt?
Gesetzliche Bestimmungen zur sexuellen Belästigung
Die sexuelle Belästigung kennt keine eigenständigen gesetzlichen Bestimmungen. Denkbar wäre, dass aufgrund der sexuellen Belästigung eine Diskriminierung am Arbeitsplatz des Opfers erwächst oder dass aufgrund der sexuellen Belästigung die Diskriminierung in einem anderen Rechtsbereich erfolgt. Die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Rechtsbereichs kommen dann zur Anwendung.
Gesetzliche Bestimmungen zur sexuellen Nötigung
Die sexuelle Nötigung ist in Deutschland ein eigenständiger Straftatbestand gem. § 177 StGB. Ein Täter macht sich strafbar, wenn mittels Drohung oder Gewaltausübung respektive unter der Ausnutzung von einer Situation, aus der sich das Opfer nicht entziehen kann oder schutzlos ausgeliefert ist, sexuelle Handlungen vorgenommen werden.
Erkennen von Übergriffen: Wie identifiziere ich eine Belästigung und Nötigung?
Anzeichen und Indikatoren für sexuelle Belästigung
Die sexuelle Belästigung lässt sich nicht immer leicht erkennen. Es kommt stets auf das Verhältnis zwischen dem Täter und dem Opfer sowie dem allgemeinen Umgang miteinander an. Sollte dieses Verhältnis freundschaftlich locker geprägt sein, so ist die Grenze zu der sexuellen Belästigung sehr fließend. Sollte der Täter jedoch schrittweise die vorhandenen Grenzen ausweiten oder immer wieder überschreiten, so ist dies ein Indikator für die sexuelle Belästigung.
Anzeichen und Indikatoren für sexuelle Nötigung
Sexuelle Nötigung lässt sich sehr simpel erkennen. Der Täter nähert sich körperlich dem Opfer und will ein gewisses Ziel, die sexuellen Handlungen, durch sein Verhalten erreichen. Hierbei werden vor Drohungen oder auch Erpressungen und andere Druckmittel nicht zurückgeschreckt.
Täterprofile und Motivation
Es gibt kein einheitliches Täterprofil für sexuelle Übergriffe, da die Täter aus allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen stammen können. Es gibt jedoch einige Merkmale, die bei einigen Tätern häufiger vorkommen, wie zum Beispiel geringes Selbstwertgefühl, mangelnde Empathie, Kontrollbedürfnis und eine Geschichte von Gewalttätigkeit oder Missbrauch in der Kindheit. Die Motivationen für sexuelle Übergriffe können ebenfalls variieren, von Macht- und Kontrollbedürfnissen bis hin zu sexueller Befriedigung und dem Wunsch nach Dominanz. Einige Täter können auch von der Idee angetrieben werden, dass sie das Recht haben, andere zu kontrollieren oder zu besitzen.
Faktoren, die zu sexuellen Übergriffen führen können, sind oft komplex und können von individuellen Umständen abhängen, wie zum Beispiel Alkohol- oder Drogenmissbrauch, psychische Erkrankungen oder soziale Isolation. Kulturelle und soziale Faktoren wie Geschlechterungleichheit, gesellschaftliche Normen und die Darstellung von Gewalt und Sexualität in den Medien können ebenfalls eine Rolle spielen. Es ist wichtig, dass wir uns als Gesellschaft bewusst machen, wie diese Faktoren zu sexuellen Übergriffen beitragen können, um Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und Opfern zu helfen.
Hilfe und Unterstützung: Was tun bei sexuellen Übergriffen?
Wann und wie erstatte ich Anzeige?
Jedes Opfer sollte umgehend eine Strafanzeige erstatten. Diese Anzeige kann sowohl in einer Polizeidienststelle als auch bei einem Gericht erfolgen. Da es sich um ein Sexualdelikt handelt, hat der Gesetzgeber in Deutschland für die strafrechtliche Würdigung eine sehr lange Verjährungsfrist festgelegt. Diese Frist liegt aktuell bei 20 Jahren.
Anlaufstellen, Beratung und Unterstützung
Unterstützung kann ein Opfer an vielen Stellen erhalten. Neben der Polizei sowie den Gerichten gibt es auch Frauenberatungsstellen, bei denen zahlreiche Hilfestellungen angeboten werden.
Welche Rolle spielen Zeugen?
Zeugen spielen für die strafrechtliche Würdigung des Täterverhaltens eine wichtige Rolle. Jede Zeugenaussage sollte in schriftlicher Form eingeholt werden. Das Oper sollte darauf achten, dass die Kontaktdaten der Zeugen für ein späteres Gerichtsverfahren gegen den Täter zur Verfügung stehen.
Psychologische Auswirkungen auf Opfer
Sexuelle Übergriffe haben oft schwerwiegende Auswirkungen auf die Opfer, sowohl kurz- als auch langfristig. Viele Opfer leiden unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die durch wiederkehrende Erinnerungen an das Ereignis, Flashbacks und Albträume gekennzeichnet ist. Dies kann zu Schlafstörungen, Angstzuständen und Depressionen führen. Opfer können auch Schwierigkeiten haben, Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, da sie Schwierigkeiten haben, Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen. Ebenso können sexuelle Übergriffe das Selbstwertgefühl der Opfer beeinträchtigen und zu Schuldgefühlen und Schamgefühlen führen, die sich langfristig auf ihr Leben auswirken können. Es ist wichtig, dass Opfer von sexuellen Übergriffen Unterstützung und Therapie erhalten, um ihre psychischen Auswirkungen zu bewältigen und ihre Genesung zu fördern.
Fazit
Wichtigkeit der Unterscheidung für Betroffene und Justiz
Für die Betroffenen mag die Differenzierung zwischen der sexuellen Belästigung und der Nötigung nicht von Belang sein, da sowohl die Belästigung an sich als auch die Nötigung ehrverletzend und psychisch belastend sind. Für die Justiz hingegen ist die Differenzierung wichtig. Die Strafverfolgung eines Täters sowie auch das Strafmaß muss sich an dem Tathergang orientieren.
Sensibilisierung und Verantwortung im Umgang mit sexuellen Übergriffen
Auch wenn hierzulande bedauerlicherweise noch sehr viele Menschen dieses Thema lächerlich machen, so ist die Sensibilisierung und Verantwortung im Alltag besonders wichtig. Jedes Anzeichen von sexueller Belästigung oder auch sexueller Nötigung muss daher sehr ernst genommen werden. Es kann und darf in einem Rechtsstaat nicht sein, dass ein Täter ungestraft mit seinem Verhalten davonkommt.