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Cannabis: Muss Eigenkonsum-Menge bei Handel-Besitz berücksichtigt werden?

Der Cannabis-Besitz für Eigenkonsum und Handel zugleich stellt Gerichte vor eine komplexe Frage. Ein Mann führte eine Menge mit sich, die teils für den persönlichen Gebrauch bestimmt war und teils zum gewinnbringenden Verkauf. Die rechtliche Grauzone: Wie wird eine solche Mischmenge bewertet, wenn ein Teil davon gemäß neuem Gesetz eigentlich erlaubt wäre? Muss die erlaubte Eigenkonsum-Menge bei der Strafbarkeit oder der Einziehung überhaupt berücksichtigt werden, wenn zugleich Handel vorliegt?

Übersicht

Polizei zeigt gefundenes Cannabis, dessen Menge für Eigenkonsum oder Handel relevant ist.
Polizeikontrolle: Mann mit Cannabis-Beuteln auf Stadtstraße erwischt. Drogenfund und Streit um die Menge. Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Angeklagte führte am 2. August 2023 Cannabis teils zur gewinnbringenden Veräußerung und teils zum Eigenkonsum mit sich.
  • Die zentrale Rechtsfrage war, ob die Gesamtmenge Cannabis oder nur der Eigenkonsumanteil für die Strafbarkeit des Besitzes maßgeblich ist und ob erlaubte Mengen von der Einziehung ausgenommen werden müssen.
  • Das Gericht entschied, dass ein Schuldspruch wegen Besitzes von Cannabis neben dem Handeltreiben entfällt, wenn die Eigenkonsummenge für sich keine der die Strafbarkeit regelnden Grenzen überschreitet.
  • Es wurde ebenfalls entschieden, dass eine dem Eigenkonsum dienende und die erlaubten Grenzen wahrende Cannabismenge bei der Einziehung als Tatobjekt nicht ausgenommen werden muss.
  • Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) erlaubt volljährigen Personen den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit und bis zu 50 Gramm am Wohnsitz für den Eigenkonsum.

Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.03.2025, Az.: GSSt 1/24

Cannabis für Handel und Eigenkonsum: Zählt die Gesamtmenge? Der BGH klärt eine zentrale Streitfrage des neuen Rechts

Mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis durch das Konsumcannabisgesetz (KCanG) im Jahr 2024 hat der deutsche Gesetzgeber juristisches Neuland betreten. Zahlreiche Fragen der praktischen Anwendung, die zuvor unter dem strengen Betäubungsmittelgesetz (BtMG) klar schienen, mussten neu bewertet werden. Eine der drängendsten und praxisrelevantesten Fragen landete schnell vor dem höchsten deutschen Strafgericht, dem Bundesgerichtshof (BGH).

In einer Grundsatzentscheidung musste der Große Senat für Strafsachen klären, wie der gleichzeitige Besitz von Cannabis für den eigenen Konsum und für den gewinnbringenden Verkauf rechtlich zu bewerten ist.

Die Kernfrage, die weit über den konkreten Einzelfall hinausreicht, lautet: Wenn eine Person eine größere Menge Cannabis besitzt, von der ein Teil zum Verkauf und ein anderer Teil zum Eigenkonsum bestimmt ist, wie wird die Strafbarkeit des reinen Besitzes bemessen? Zählt die gesamte mitgeführte Menge, oder wird der für den Eigenkonsum gedachte, potenziell legale Anteil herausgerechnet? Eng damit verknüpft ist die Frage der Einziehung: Darf der Staat die gesamte Menge beschlagnahmen, oder muss er den Teil, den der Täter für sich selbst legal hätte besitzen dürfen, wieder herausgeben?

Die Entscheidung des BGH vom 3. Februar 2025 (Aktenzeichen: GSSt 1/24) liefert hierzu wegweisende Antworten. Sie schafft nicht nur Rechtssicherheit für Gerichte und Staatsanwaltschaften, sondern definiert auch die Grenzen zwischen strafbarem Handeln und legalem Verhalten im neuen Cannabisrecht präziser. Dieser Artikel bereitet die komplexe juristische Argumentation des Gerichts auf, erklärt die zugrundeliegenden Prinzipien und beleuchtet die direkten praktischen Konsequenzen für alle, die mit dem KCanG in Berührung kommen.

Ein Fall aus Frankfurt: Der Auslöser für eine Grundsatzentscheidung

Wie so oft in der Rechtsgeschichte war es ein alltäglicher Vorfall, der eine juristische Lawine auslöste. Am 2. August 2023 geriet ein Mann in Frankfurt am Main in eine Polizeikontrolle. Die Beamten fanden bei ihm eine nicht unerhebliche Menge Cannabis: 27,48 Gramm Marihuana und 19,8 Gramm Haschisch. Die Gesamtmenge belief sich damit auf 47,28 Gramm, mit einem reinen THC-Wirkstoffgehalt von insgesamt 6,05 Gramm.

In der späteren Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main stellte sich heraus, dass der Angeklagte eine gemischte Absicht verfolgte. Er gab an, dass er die Hälfte der Drogen – also rund 23,6 Gramm – gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Die andere Hälfte war für seinen persönlichen Konsum bestimmt. Das Landgericht verurteilte ihn daraufhin unter anderem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und ordnete an, dass das gesamte sichergestellte Cannabis eingezogen wird.

Der Fall ging in die nächste Instanz, die Revision vor dem Bundesgerichtshof. Zuständig war der 2. Strafsenat des BGH. Bei der Prüfung des Urteils kamen den Richtern in Karlsruhe jedoch Zweifel an der korrekten rechtlichen Würdigung. Der Senat beabsichtigte, den Schuldspruch zu ändern. Nach seiner Auffassung sollte der Angeklagte nicht nur wegen Handeltreibens verurteilt werden, sondern wegen Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit dem Besitz von Cannabis. Die Begründung des Senats war auf den ersten Blick schlüssig: Für die Strafbarkeit des Besitzes komme es nicht auf die Absicht des Täters an, sondern allein auf die faktisch besessene Gesamtmenge von über 47 Gramm. Da diese Menge die erlaubten Grenzen deutlich überschritt, sei auch der Besitz als solcher eine Straftat.

Das Problem: Andere Senate des Bundesgerichtshofs hatten in der Vergangenheit ähnliche Fälle anders bewertet. Um eine uneinheitliche Rechtsprechung an Deutschlands oberstem Strafgericht zu vermeiden – ein Zustand, der die Rechtssicherheit erheblich gefährden würde –, sah sich der 2. Strafsenat gezwungen, das Verfahren auszusetzen und die strittigen Rechtsfragen dem Großen Senat für Strafsachen vorzulegen. Dieses Gremium, besetzt mit Richtern aus allen Strafsenaten, hat die Aufgabe, solche grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten verbindlich zu klären. Auch der Generalbundesanwalt, quasi die oberste Staatsanwaltschaft Deutschlands, schaltete sich ein und vertrat eine Gegenposition zur Ansicht des 2. Strafsenats, was die grundlegende Bedeutung des Falles unterstrich.

Das juristische Rüstzeug: Eine verständliche Einführung in das neue Cannabisrecht

Um die Entscheidung des BGH und die Argumente der verschiedenen Parteien nachvollziehen zu können, ist ein grundlegendes Verständnis der relevanten Gesetze und Begriffe unerlässlich. Das KCanG hat eine differenzierte Regelungslandschaft geschaffen, die sich fundamental vom alten Recht unterscheidet.

Das Konsumcannabisgesetz (KCanG): Eine neue Rechtslage

Das KCanG hat Cannabis aus dem Anwendungsbereich des strengen Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) herausgelöst. Die zentrale Philosophie des neuen Gesetzes ist es, den Eigenkonsum von Erwachsenen in einem klar definierten Rahmen zu entkriminalisieren und gleichzeitig den illegalen Handel und den Jugendschutz weiterhin konsequent zu verfolgen. Herzstück dieser Neuregelung sind die § 2 und § 3 KCanG, die den Umgang mit Cannabis regeln. Grundsätzlich bleibt der Umgang, wie etwa der Erwerb, der Besitz oder die Abgabe, verboten (§ 2 Abs. 1 KCanG). Das Gesetz sieht jedoch wichtige Ausnahmen für volljährige Personen vor.

Der erlaubte, der unerlaubte und der strafbare Besitz: Die entscheidenden Mengengrenzen

Der Schlüssel zum Verständnis des neuen Rechts liegt in der exakten Unterscheidung verschiedener Mengen- und Sanktionsstufen für den Besitz von Cannabis. Man kann grob drei Zonen unterscheiden:

  1. Die erlaubte Zone (§ 3 KCanG): Volljährigen ist der Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum innerhalb klarer Grenzen gestattet.
    • In der Öffentlichkeit: Bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis.
    • Am eigenen Wohnsitz: Bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis sowie der Anbau von bis zu drei weiblichen Pflanzen. Besitz innerhalb dieser Grenzen ist vollständig legal und sanktionsfrei.
  2. Die Ordnungswidrigkeiten-Zone (§ 36 KCanG): Wer die erlaubten Grenzen geringfügig überschreitet, begeht noch keine Straftat, aber eine Ordnungswidrigkeit.
    • In der Öffentlichkeit: Besitz von mehr als 25 Gramm bis zu 30 Gramm.
    • Am eigenen Wohnsitz: Besitz von mehr als 50 Gramm bis zu 60 Gramm. Ein solcher Verstoß wird mit einem Bußgeld geahndet, führt aber nicht zu einer Eintragung ins Führungszeugnis.
  3. Die Strafbarkeits-Zone (§ 34 KCanG): Erst wer diese Toleranzgrenzen überschreitet, macht sich strafbar.
    • Besitz von mehr als 30 Gramm an einem Ort, der nicht der eigene Wohnsitz ist.
    • Besitz von mehr als 60 Gramm insgesamt. Hier droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Diese Staffelung zeigt: Der Gesetzgeber wollte eine klare Abstufung des Unrechtsgehalts schaffen. Nicht jeder unerlaubte Besitz ist sofort eine Straftat.

Handeltreiben und Tateinheit

Während der Eigenkonsum in Grenzen erlaubt ist, bleibt das Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) strikt verboten und wird konsequent bestraft. Unter Handeltreiben versteht die Rechtsprechung jede eigennützige, auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit. Es muss kein großes Geschäft sein; bereits das einmalige Verkaufen einer kleinen Menge mit Gewinnabsicht erfüllt den Tatbestand.

Wenn nun eine Person – wie im Frankfurter Fall – eine einzige Handlung begeht (den Besitz einer bestimmten Menge Cannabis), diese Handlung aber mehrere Straftatbestände berühren könnte (Handeltreiben und strafbarer Besitz), kommt der Rechtsbegriff der Tateinheit (§ 52 StGB) ins Spiel. Tateinheit bedeutet, dass die verschiedenen Gesetzesverstöße rechtlich als eine einzige Tat gewertet und mit einer Gesamtstrafe geahndet werden. Oftmals „verdrängt“ dabei der speziellere oder schwerwiegendere Straftatbestand den allgemeineren. Juristen sprechen hier von Subsidiarität oder Spezialität. Eine zentrale Frage im vorliegenden Fall war, ob das Handeltreiben den Besitz der Eigenkonsummenge verdrängt oder ob beide nebeneinander bestehen bleiben.

Die Einziehung: Wenn der Staat das Tatobjekt beschlagnahmt

Die Einziehung ist eine Maßnahme, die neben der eigentlichen Strafe steht. Gemäß § 37 KCanG und § 74 StGB können Gegenstände, die sich auf eine Straftat beziehen (sogenannte Tatobjekte), vom Staat endgültig eingezogen werden. Dies dient primär der Gefahrenabwehr – der gefährliche Gegenstand soll aus dem Verkehr gezogen werden – und soll verhindern, dass der Täter weiterhin über das Objekt seiner Straftat verfügen kann. Im Fall von Cannabis war zu klären, ob sich die Einziehung nur auf die „strafbare Mehrmenge“ oder auf das gesamte vorgefundene Cannabis bezieht.

Im Herzen der Entscheidung: Die Logik des Großen Senats für Strafsachen

Ausgestattet mit diesem wichtigsten juristischen Wissen, können wir nun tief in die Argumentation des BGH eintauchen. Der Große Senat musste zwei komplexe Fragen beantworten und tat dies mit bemerkenswerter Klarheit.

Die Kernfrage der Strafbarkeit: Addieren oder getrennt betrachten?

Die erste und entscheidende Frage war, wie der Besitzanteil für den Eigenkonsum zu bewerten ist, wenn gleichzeitig ein Handelsvorrat vorhanden ist.

  • Die Position des 2. Strafsenats (Additionsmodell): Dieser Senat argumentierte, dass der Tatbestand des Besitzes (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) nicht nach dem Zweck des Besitzes unterscheidet. Es sei irrelevant, warum jemand mehr als 30 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich führt. Fakt sei der Besitz der Gesamtmenge. Daher müsse die Handelsmenge und die Eigenkonsummenge addiert werden. Das Ergebnis (hier: über 47 Gramm) überschreitet die Strafbarkeitsgrenze, also liege neben dem Handeltreiben auch ein strafbarer Besitz vor.
  • Die Position des Generalbundesanwalts und des BGH (Getrenntes Modell): Der Große Senat folgte dieser Ansicht nicht. Er stellte klar, dass die verschiedenen Teile einer Gesamtmenge Cannabis, die für unterschiedliche Zwecke bestimmt sind, auch rechtlich getrennt bewertet werden müssen.

Die tragende Argumentation des BGH lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Das Handeltreiben mit Cannabis ist der speziellere und in der Regel schwerwiegendere Vorwurf. Wer Cannabis zum Verkauf besitzt, besitzt es zwangsläufig. Der Besitz der Handelsmenge ist also eine unselbstständige Begleittat, die vollständig im Vorwurf des Handeltreibens aufgeht. Juristisch ausgedrückt: Das Handeltreiben verdrängt den Besitz der Handelsmenge im Wege der Gesetzeskonkurrenz.

Übrig bleibt die Frage, wie die für den Eigenkonsum bestimmte Menge zu bewerten ist. Hier greift die differenzierte Regelung des KCanG. Diese Menge muss für sich allein betrachtet werden. Im Frankfurter Fall betrug die Eigenkonsummenge rund 23,6 Gramm. Dieser Wert liegt unter der Grenze von 25 Gramm für den erlaubten Besitz in der Öffentlichkeit. Damit erfüllt dieser Besitzanteil für sich genommen weder den Straftatbestand noch eine Ordnungswidrigkeit.

Die Schlussfolgerung des BGH ist daher logisch und konsequent: Ein Schuldspruch wegen Besitzes von Cannabis neben dem Handelsdelikt scheidet aus, wenn die für den Eigenkonsum bestimmte Teilmenge für sich gesehen die gesetzlichen Strafbarkeitsgrenzen nicht überschreitet. Der Unrechtsgehalt des gesamten Verhaltens wird in einem solchen Fall bereits vollständig durch die Verurteilung wegen Handeltreibens abgebildet. Eine zusätzliche Verurteilung wegen Besitzes wäre eine unzulässige doppelte Bestrafung für denselben Lebenssachverhalt und würde die gesetzgeberische Wertung, den Besitz kleinerer Mengen zu privilegieren, unterlaufen.

Die zweite große Frage: Muss der Staat erlaubte Mengen bei der Einziehung zurückgeben?

Nachdem die Frage der Strafbarkeit geklärt war, wandte sich der Senat der Einziehung zu. Hier könnte man intuitiv annehmen: Wenn der Besitz von 23,6 Gramm für den Eigenkonsum nicht strafbar ist, müsste der Staat diese Menge dem Angeklagten zurückgeben. Doch diese Annahme ist falsch.

Der BGH entschied eindeutig: Bei der Einziehung von Cannabis muss eine dem Eigenkonsum dienende Teilmenge, die für sich betrachtet die legalen Grenzen wahrt, nicht ausgenommen werden. Die gesamte sichergestellte Menge kann und soll eingezogen werden.

Die Begründung hierfür liegt im Zweck der Einziehung. Die Einziehung nach § 37 KCanG knüpft an das Tatobjekt an. Das Tatobjekt war hier das gesamte mitgeführte Cannabis, das im unmittelbaren Zusammenhang mit der Straftat des Handeltreibens stand. Der Angeklagte hatte die gesamte Menge zur Verfügung, um daraus den Verkaufsteil abzusondern. Die gesamte Menge war somit in den kriminellen Vorgang involviert. Die Einziehung dient der Gefahrenabwehr und soll sicherstellen, dass Gegenstände, die Teil einer Straftat sind, dem Rechtsverkehr entzogen werden. Der Gesetzgeber hat keine Regelung geschaffen, die eine „Herausrechnung“ von an sich legalen Teilmengen vorsieht, wenn diese mit einer Straftat kontaminiert sind. Die gesamte Menge von 47,28 Gramm war das Objekt, mit dem die Straftat (Handeltreiben) begangen wurde, und kann daher auch vollständig eingezogen werden.

Abgrenzung zum alten Recht: Warum der Vergleich mit dem BtMG nicht greift

Ein wichtiges Argument des 2. Strafsenats war der Verweis auf die frühere Rechtsprechung zum Betäubungsmittelgesetz. Dort war es üblich, einen Täter wegen Handeltreibens in Tateinheit mit dem Besitz einer „nicht geringen Menge“ zu verurteilen. Eine „nicht geringe Menge“ stellte jedoch eine Qualifikation dar, die den Besitz zu einem Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr machte, während das „einfache“ Handeltreiben oft nur ein Vergehen war. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden (das schwerere Verbrechen dürfte nicht hinter dem leichteren Vergehen zurücktreten), war eine tateinheitliche Verurteilung geboten.

Diesen Vergleich verwarf der Große Senat. Im neuen KCanG sind sowohl das Handeltreiben als auch der Besitz über den Strafbarkeitsgrenzen grundsätzlich Vergehen. Selbst die Qualifikation als besonders schwerer Fall (§ 34 Abs. 3 KCanG), die an große Mengen anknüpft, ändert nichts an der Einstufung als Vergehen, sondern erhöht nur den Strafrahmen. Der Wertungswiderspruch, der die alte Rechtsprechung prägte, existiert im neuen Recht nicht mehr. Daher kann das Handeltreiben als der speziellere Tatbestand den Besitz auch problemlos verdrängen.

Konsequenzen für die Praxis: Was das Urteil für Konsumenten und Händler bedeutet

Die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs schafft Klarheit und hat direkte, greifbare Auswirkungen. Die wichtigsten Schlussfolgerungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Getrennte Betrachtung ist der Schlüssel: Bei gemischtem Besitz von Cannabis (Handel und Eigenkonsum) wird die Strafbarkeit nicht anhand der Gesamtmenge bemessen. Der für den Handel bestimmte Teil begründet die Strafbarkeit wegen Handeltreibens. Der für den Eigenkonsum bestimmte Teil wird isoliert betrachtet und nur dann zusätzlich bestraft, wenn er für sich allein die Strafbarkeitsgrenzen (über 30g öffentlich / 60g privat) überschreitet.
  • Handel bleibt das Hauptdelikt: Das Handeltreiben ist der rechtlich dominante Vorwurf. Solange die Eigenkonsummenge im legalen oder ordnungswidrigen Bereich bleibt, wird man „nur“ wegen Handeltreibens verurteilt. Der Besitzvorwurf tritt dahinter zurück. Dies wirkt sich auf die Strafzumessung und die rechtliche Einordnung der Tat aus.
  • Die „Alles-oder-Nichts“-Regel bei der Einziehung: Dies ist die vielleicht wichtigste Warnung aus dem Urteil. Wer legale und illegale Cannabismengen vermischt und mit der illegalen Menge eine Straftat begeht, verliert alles. Der Staat ist nicht verpflichtet, die an sich legale „Freimenge“ für den Eigenkonsum auszusortieren und zurückzugeben. Die gesamte Menge gilt als Tatobjekt und wird eingezogen.
  • Kein Freifahrtschein für „Mischkalkulation“: Das Urteil darf nicht als Ermutigung verstanden werden, neben einer Handelsmenge stets eine legale Eigenkonsummenge mitzuführen. Im Gegenteil: Die Entscheidung zeigt, dass die Verstrickung in eine Straftat wie das Handeltreiben zur Folge hat, dass auch der Besitz von an sich erlaubten Mengen rechtliche Konsequenzen nach sich zieht – nämlich den endgültigen Verlust durch Einziehung.
  • Klarheit für die Strafverfolgung: Gerichte und Staatsanwaltschaften haben nun eine verbindliche Leitlinie. Dies verhindert uneinheitliche Urteile in Deutschland und sorgt für mehr Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Umgang mit dem neuen Cannabisrecht.

Zusammenfassend hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung eine weise und dogmatisch saubere Trennung vorgenommen. Er würdigt die gesetzgeberische Absicht, den Eigenkonsum zu entkriminalisieren, indem er die Eigenkonsummenge bei der Strafbarkeit gesondert betrachtet. Gleichzeitig stellt er durch die umfassende Einziehung sicher, dass aus Straftaten keine Vorteile erwachsen und die damit verbundenen Gefahren effektiv eingedämmt werden.

Einschätzung des Experten: Was jetzt wichtig ist


Diese wegweisende BGH-Entscheidung markiert einen Wendepunkt im neuen Cannabisrecht und schafft endlich Klarheit in einer der umstrittensten Rechtsfragen seit Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes. Besonders bedeutsam ist die vom Gericht etablierte getrennte Betrachtungsweise: Während Handels- und Eigenkonsummengen bei der Strafbarkeit isoliert bewertet werden, gilt bei der Einziehung die kompromisslose „Alles-oder-Nichts“-Regel.

Diese Entscheidung sendet ein klares Signal an potenzielle Täter: Wer legale Eigenbedarfsmengen mit strafbaren Handelsaktivitäten vermengt, riskiert den Verlust der gesamten Menge durch staatliche Einziehung. Für die Rechtspraxis bedeutet dies eine deutliche Stärkung der Strafverfolgung bei gleichzeitiger Würdigung der gesetzgeberischen Intention, kleinere Konsummengen zu privilegieren.


Das Kernprinzip: Der BGH zur Bestimmung der strafbaren Cannabis-Besitzmenge bei Mischnutzung

Die Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist in den Fällen, in denen vorrätig gehaltenes Cannabis sowohl zum Handel als auch für den Eigenkonsum bestimmt ist, gesondert anhand der dem Eigenkonsum dienenden Teilmenge zu beurteilen. Auf die Gesamtbesitzmenge kommt es insoweit nicht an (vgl. über die Nachweise in der Vorlage hinaus BGH, Beschlüsse vom 5. September 2024 – 6 StR 422/24, juris Rn. 7; vom 3. Juli 2024 – 4 StR 93/24, juris Rn. 4; vom 26. Juni 2024 – 3 StR 40/24, juris Rn. 10 ff.; offen BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2024 – 3 StR 140/24, juris Rn. 6). Zwar besitzt der Täter das gesamte Cannabis. Das Handeltreiben mit Cannabis verdrängt aber dessen Besitz, soweit die Handelsmenge reicht. Daher richtet sich die Beurteilung, ob daneben eine – allein die Überschreitung der gesetzlichen Schwellenwerte erfassende – Strafbarkeit wegen Besitzes von Cannabis vorliegt, nach der Eigenkonsummenge. Diese ist im Ergebnis gesondert dahin zu betrachten, ob sie eine für sich genommen tatbestandsmäßige Mehrmenge über die Grenzen des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG hinaus umfasst. Im Einzelnen:

BGH, Beschluss vom 3. Februar 2025 – GSSt 1/24 – Rn. 11


Haben Sie Fragen zur strafrechtlichen Beurteilung von Besitz und Handel mit Cannabis, insbesondere wenn beides zusammentrifft? Lassen Sie Ihren individuellen Fall unverbindlich einschätzen.)

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie wird der gleichzeitige Besitz einer Substanz, die für verschiedene Zwecke (z.B. Eigenkonsum und Verkauf) bestimmt ist, rechtlich bewertet?

Wie wird der gleichzeitige Besitz einer Substanz, die für verschiedene Zwecke (z.B. Eigenkonsum und Verkauf) bestimmt ist, rechtlich bewertet?

Wird eine Substanz gleichzeitig für Handel und Eigenkonsum besessen, bewertet das Gesetz die Mengen für diese unterschiedlichen Zwecke getrennt. Die Gesamtmenge wird dabei nicht einfach addiert, um die Strafbarkeit des Besitzes zu bestimmen.

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass der Besitz der für den Verkauf bestimmten Menge als untrennbarer Teil des Handeltreibens gilt. Da Handeltreiben ein schwerwiegenderes Delikt ist, „geht“ der Besitz dieser Handelsmenge rechtlich in den Vorwurf des Handeltreibens „auf“. Juristen sprechen hier davon, dass das Handeltreiben den Besitz verdrängt.

Die für den Eigenkonsum vorgesehene Menge wird hingegen vollkommen separat betrachtet. Nur diese Teilmenge wird allein daraufhin überprüft, ob sie die gesetzlichen Grenzen für erlaubten Besitz, eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat überschreitet. Beispielsweise sind in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm und am eigenen Wohnsitz bis zu 50 Gramm zum Eigenkonsum erlaubt. Liegt die für den Eigenkonsum bestimmte Menge für sich genommen innerhalb dieser gesetzlich erlaubten oder der lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndeten Grenzen, scheidet ein zusätzlicher Schuldspruch wegen strafbaren Besitzes aus.

Die Absicht, die hinter dem Besitz der jeweiligen Mengen steht, ist somit entscheidend für die rechtliche Einordnung, nicht die pauschale Addition aller vorgefundenen Mengen.


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Gegenstände, die im Zusammenhang mit einer Straftat stehen, können vollständig eingezogen werden, auch wenn Teile davon an sich legal wären. Dies geschieht, wenn die gesamte Menge als „Tatobjekt“ in die kriminelle Handlung einbezogen oder mit illegalen Bestandteilen vermischt wurde.

Der Hauptzweck dieser Einziehung ist die Gefahrenabwehr. Sie soll verhindern, dass eine Person weiterhin über Dinge verfügt, die mit einer Straftat in Verbindung stehen oder als deren Werkzeug dienten. Die Einziehung bezieht sich dabei auf das gesamte „Tatobjekt“, also alle Gegenstände, die Teil der kriminellen Handlung waren oder damit eng verbunden sind.

Selbst wenn eine Teilmenge der gefundenen Gegenstände für sich genommen legal gewesen wäre, kommt es zur vollständigen Einziehung. Sobald diese legale Teilmenge mit einer illegalen Handlung (wie unerlaubtem Handel) „kontaminiert“ wird – also beide Mengen vermischt wurden oder die gesamte Menge zur Begehung der Straftat zur Verfügung stand –, wird keine „Herausrechnung“ oder Rückgabe des an sich legalen Teils vorgenommen. Die gesamte Menge gilt dann als Werkzeug der Straftat.

Diese „Alles-oder-Nichts“-Regel bei der Einziehung bedeutet, dass die Verstrickung in eine Straftat zum vollständigen Verlust der gesamten Menge führen kann.


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Welche rechtlichen Kriterien werden herangezogen, um den strafbaren Besitz einer Substanz von deren Handel zu unterscheiden?

Die rechtliche Unterscheidung zwischen dem strafbaren Besitz einer Substanz und deren Handel basiert hauptsächlich auf der Absicht, die eine Person mit der Substanz verfolgt. Es wird geprüft, ob die Substanz für den persönlichen Gebrauch vorgesehen ist oder ob damit kommerziell gehandelt werden soll.

Unter „Besitz“ versteht man das tatsächliche Innehaben oder die Verfügungsgewalt über eine Substanz. Für Cannabis gibt es klare Mengengrenzen, innerhalb derer der Besitz erlaubt ist (z.B. bis zu 25 Gramm in der Öffentlichkeit oder 50 Gramm am eigenen Wohnsitz). Überschreitungen dieser Mengen können zu einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat führen.

„Handeltreiben“ ist jede eigennützige Tätigkeit, die darauf abzielt, eine Substanz wie Cannabis weiterzugeben oder damit Einnahmen zu erzielen. Dies umfasst bereits Handlungen wie den Ankauf, Verkauf, die Vermittlung oder sogar die Vorbereitung solcher Geschäfte, und zwar unabhängig davon, welche Menge dabei umgesetzt wird oder ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wurde.

Das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung ist somit der Zweck des Besitzes: Dient die Substanz ausschließlich dem eigenen Konsum, wird die Strafbarkeit anhand der spezifischen Mengengrenzen für den Besitz beurteilt. Ist die Absicht jedoch die Weitergabe oder das Erzielen von Gewinn, liegt Handeltreiben vor. Handeltreiben wird als der schwerwiegendere Vorwurf konsequent bestraft und zieht in der Regel deutlich ernstere Konsequenzen nach sich als der bloße strafbare Besitz.


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Welche allgemeinen Mengen- und Verhaltensgrenzen legen Gesetze fest, um den legalen Umgang mit bestimmten Substanzen vom unerlaubten oder strafbaren zu unterscheiden?

Gesetze legen für den Umgang mit bestimmten Substanzen gestaffelte Mengen- und Verhaltensgrenzen fest, um zwischen erlaubtem, als Ordnungswidrigkeit geahndetem und strafbarem Handeln zu unterscheiden. Diese Abstufung hängt maßgeblich von der gefundenen Menge und dem Ort des Besitzes ab.

So ist beispielsweise nach dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) für Erwachsene der Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum bis zu 25 Gramm in der Öffentlichkeit oder bis zu 50 Gramm am eigenen Wohnsitz vollständig erlaubt und sanktionsfrei. Dies bildet die „erlaubte Zone“.

Eine geringfügige Überschreitung dieser Mengen, etwa der Besitz von mehr als 25 bis zu 30 Gramm in der Öffentlichkeit oder von mehr als 50 bis zu 60 Gramm zu Hause, wird als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Dies fällt in die „Ordnungswidrigkeiten-Zone“ und führt in der Regel zu einem Bußgeld, aber nicht zu einer Eintragung ins Führungszeugnis.

Erst bei einem Besitz von mehr als 30 Gramm an einem Ort, der nicht der eigene Wohnsitz ist, oder von insgesamt mehr als 60 Gramm wird der Umgang mit der Substanz zu einer Straftat. Dies ist die „Strafbarkeits-Zone“, in der deutlich strengere Konsequenzen wie Geld- oder sogar Freiheitsstrafen drohen. Diese detaillierte Staffelung erlaubt es dem Gesetzgeber, den Unrechtsgehalt des Handelns genau abzubilden und eine klare Abgrenzung zwischen den verschiedenen Vergehen zu ziehen.


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Welche Konsequenzen hat es generell, wenn legale und illegale Handlungen im Umgang mit einer Substanz miteinander vermischt werden?

Wenn legale und illegale Handlungen im Umgang mit einer Substanz vermischt werden, riskieren Betroffene den vollständigen Verlust der gesamten Menge, auch des eigentlich erlaubten Teils. Dies liegt daran, dass der Staat die gesamte Substanz als Objekt einer Straftat einziehen kann, wenn ein Teil davon illegal verwendet wird.

Im Bereich des Cannabisrechts bedeutet dies, dass selbst wenn ein Teil der Menge für den Eigenkonsum unterhalb der erlaubten Grenzwerte liegt, der gesamte Vorrat als „Tatobjekt“ betrachtet wird, sobald eine Straftat wie das Handeltreiben vorliegt. Der Zweck der Einziehung ist es, die Gefahren abzuwehren, die von solchen Objekten ausgehen, und zu verhindern, dass Straftäter von ihrer Tat profitieren können.

Es gibt daher keinen juristischen „Freifahrtschein“ für eine Mischkalkulation, bei der man eine an sich legale Menge neben einem illegalen Vorrat mitführen kann, um deren Einziehung zu verhindern. Die Verstrickung in eine Straftat führt zum umfassenden Einzug aller involvierten Substanzen.


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