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Betäubungsmittel – unerlaubte Einfuhr in Mittäterschaft und Beihilfe zum Handeltreiben

AG Rudolstadt – Az.: 771 Js 32122/11 1 Ls jug. – Urteil vom 21.02.2012

Der Angeklagte ist der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln und zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in drei Fällen schuldig.

Ihm wird auferlegt, einen Geldbetrag in Höhe von 500,00 Euro in monatlichen Raten von 100,00 Euro beginnend am 01.04.2012 an die Kindergewaltpräventionsprojekte Gera zu zahlen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

§§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG; §§ 25 Abs. 2, 27 Abs. 1, 52, 53 StGB; §§ 1, 105 JGG.

Gründe

I.

Der heute 22 Jahre alte Angeklagte, der noch zwei jüngere Schwestern hat, wuchs nach der Trennung seiner Eltern im Haushalt der Mutter auf. Weil er sich jedoch mit dem neuen Lebenspartner der Mutter nicht verstand, suchte er wieder Kontakt zu seinem Vater, welcher zwischenzeitlich abgebrochen war, und lebt jetzt seit Februar 2011 in dessen Haushalt.

Die frühkindliche Entwicklung des Angeklagten verlief unauffällig. Nach dem Besuch des Kindergartens wurde er im Jahre 1996 altersgerecht in die Grundschule in O. eingeschult. Im Jahre 2006 verließ er die Regelschule in . mit dem Realschulabschluß. Anschließend absolvierte er vom 01.09. bis zum 28.02.2010 eine Lehre als Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Weil ihn sein Lehrbetrieb nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung nicht übernahm, war er bis zum 30.06.2010 arbeitslos. Vom 01.07. bis zum 21.12.2010 leistete er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr in Berlin ab. Nach erneuter Arbeitslosigkeit ist er seit dem 19.09.2011 bei einer Dachdeckerfirma in . beschäftigt, wo er einen monatlichen Nettolohn von 1.100,00 Euro erhält.

Zur Zeit bemüht sich der Angeklagte um die Wiedererlangung eines Führerscheins für Personenkraftwagen, weil ihm die Fahrerlaubnis im Juli 2010 von der Fahrerlaubnisbehörde wegen Drogenmißbrauchs entzogen worden war.

Der Angeklagte ist wie folgt vorbestraft:

Betäubungsmittel - unerlaubte Einfuhr in Mittäterschaft und Beihilfe zum Handeltreiben
Symbolfoto: Von PRESSLAB/Shutterstock.com

Durch seit dem 29.06.2011 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts – Strafrichter – Tiergarten vom 07.06.2011 wurde der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 25.11.2010 gegen 09.00 Uhr schlug der Angeklagte in einem Toilettenraum auf dem Kasernengelände des 4. Wachbataillons in der Julius-Leber-Kaserne am Kurt-Schumacher-Damm 41 in Berlin dem Gefreiten F. H. mit dem Endstück eines Schrubbers auf seine die Toilettentür umklammernde Hand, wodurch der Geschädigte Schmerzen und eine Schwellung an einem Finger der getroffenen Hand erlitt.

II.

Im Zeitraum von Februar bis Juni 2010 fuhren der junge Volljährige S. N., der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, und auf dessen Initiative der Angeklagte als Chauffeur mit seinem Personenkraftwagen Renault Clio, der ihm von seinem Großvater zur dauerhaften Nutzung überlassen worden war, in drei Fällen zum Einkauf von Methamphetamin (Crystalspeed) nach Asch in der Tschechischen Republik. S. N. kaufte dort an einem Stand auf dem Vietnamesenmarkt jeweils 10 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 60 % Methamphetamin-Base zum Preis von 30,00 Euro pro Gramm. Auf der Rückfahrt wurde das Rauschgift in dem von dem Angeklagten gesteuerten Personenkraftwagen in die Bundesrepublik Deutschland gebracht. S. N. erwarb das Methamphetamin zur Hälfte für den Eigenbedarf, im übrigen wurde es von ihm gewinnbringend zum Preis von 70,00 Euro pro Gramm weiterverkauft. Neben Benzinkostenerstattung erhielt der Angeklagte für diese Fahrten jeweils 1 Gramm Methamphetamin zum Eigenverbrauch.

III.

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf seinen eigenen Angaben in der Hauptverhandlung und dem von ihm als richtig anerkannten Bericht der Jugendgerichtshilfe über seinen bisherigen Werdegang.

Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten in vollem Umfang eingestanden. Sein Geständnis ist auch glaubhaft, weil es mit den Angaben des Zeugen S. N. übereinstimmte. Den Wirkstoffgehalt des eingeführten Methamphetamins hat das Gericht mangels sichergestellter Betäubungsmittel unter Beachtung des Zweifelssatzes geschätzt (vgl. BGH, NStZ-RR 2008, 319).

IV.

Der Angeklagte hat sich somit wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln und zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in drei Fällen strafbar gemacht.

Der Angeklagte hat in seiner Person alle Tatbestandsmerkmale der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln verwirklicht, indem er als Fahrer seines Personenkraftwagens mit Wissen und Wollen, rechtswidrig und schuldhaft das in dem Wagen befindliche Rauschgift über die deutsche Hoheitsgrenze in die Bundesrepublik verbracht hat. Er hatte Tatherrschaft, weil es von ihm abhing, ob das Rauschgift mit seinem Personenkraftwagen über die Grenze gebracht wurde oder nicht. Für die Mittäterschaft des Angeklagten ohne rechtliche Bedeutung ist, daß allein der Mittäter die Initiative zu den Fahrten ergriffen, den Fahrtablauf genau bestimmt und den Angeklagten begleitet hat. Wer Betäubungsmittel durch Führen des Fahrzeugs selbst über die Grenze verbringt, ist vielmehr grundsätzlich auch dann Täter der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln, wenn er nur unter dem Einfluß und in Gegenwart des Mittäters in dessen Interesse handelt (BGHSt 38, 315, 318; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 29). Der Grenzwert der nicht geringen Menge für Methamphetamin beträgt 5 g Methamphetamin-Base (BGHSt 53, 89, 95; K/P/V-Patzak, BtMG, 7. Aufl., § 29 a Rn. 83), so daß der Angeklagte jeweils das Tatbestandsmerkmal der nicht geringen Menge im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erfüllt hat.

Die Chauffeurdienste des Angeklagten waren, was unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anbelangt, lediglich als Beihilfe zum Handeltreiben zu bewerten. Die Frage, ob die Beteiligung an der Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch bei dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Strafbar ist nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nicht – isoliert – das Transportieren derselben. Daher kommt es für die Annahme täterschaftlicher Verwirklichung dieses Tatbestandes jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 77). Danach sind die Chauffeurdienste des Angeklagten, die sich im bloßen Transport von Betäubungsmitteln erschöpften, lediglich als Beihilfe zum Handeltreiben zu werten, weil der Angeklagte, der mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts nichts zu tun und keinen Einfluß auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden Rauschgifts hatte, keine über den reinen Transport hinausgehenden Tätigkeiten entfaltet und somit als Chauffeur bezogen auf das Gesamtgeschehen nur eine untergeordnete Rolle in dem Drogenabsatzgeschäft gespielt hat (vgl. BGH, NStZ 2006, 577). Da die zum Verkauf bestimmten Mengen nicht die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten, richtete sich die Strafbarkeit insoweit nicht nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, sondern nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Durch die Beschaffung der Teilmengen für den Eigenkonsum hat sich der Haupttäter S. N. tateinheitlich wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln strafbar gemacht (vgl. BGH, NStZ 2003, 90, 92), wozu der Angeklagte ebenfalls vorsätzlich Hilfe geleistet hat.

V.

Der Angeklagte war zur Zeit der Taten 20 Jahre alt, also Heranwachsender im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG.

Auf den Angeklagten ist gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden, weil sowohl Art und Umstände der Taten eine jugendtümliche Verhaltensweise zeigen als auch die Beweggründe der Taten und ihre Veranlassung solche Merkmale erkennen lassen, die charakteristisch für einen jungen Menschen sind, der sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet.

Ob eine Straftat als Jugendverfehlung zu beurteilen ist, ist im wesentlichen Tatfrage. Im Zweifel ist Jugendstrafrecht anzuwenden (BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 2 Jugendverfehlung 1). Selbst Delikte im Bereich schwerer und schwerster Kriminalität, namentlich auch Verbrechen, können von der Tatbegehung und der Motivation her Jugendverfehlungen sein. Daß auch Erwachsene solche Taten begehen, schließt die Annahme einer Jugendverfehlung nicht aus (vgl. BGH, NStZ 2001, 102; LG Gera, StV 1998, 346; HK JGG-Sonnen, 6. Aufl., § 105 Rn. 28; Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 105 Rn. 14). Ob eine Jugendverfehlung vorliegt, richtet sich vielmehr unabhängig vom generellen Reifegrad des Täters danach, ob die konkrete Tat auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückgeht (vgl. BGH, NStZ-RR 1999, 26, 27). Maßgebend ist mithin, ob die Tatumstände und die Beweggründe der Tat diese als eine jugendtümliche Lebensäußerung erscheinen lassen oder nicht. In der Existenz des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG kommt das Bestreben des Gesetzgebers zum Ausdruck, im Interesse des Heranwachsenden alles das dem Jugendstrafrecht zu unterstellen, was durch jugendliches Verhalten und Erscheinungsbild gekennzeichnet ist. Entscheidend sind also Tatausführung, Tatumstände und Täterpersönlichkeit.

Die konkret begangenen Taten erweisen sich als Ausdruck einer unreifen Persönlichkeit. Sie offenbaren einen Mangel an Besonnenheit und Hemmungsvermögen, wobei falsch verstandene Kameradschaft und Abenteuerlust als Hauptmotive erscheinen. Aus Ausführungsart und Vordergrundmotivation ergibt sich, daß das Verhalten des Angeklagten auf entwicklungsbedingte Unüberlegtheit und soziale Unreife zurückzuführen ist, was auf jugendtypischen Charakter der Taten hindeutet. Es handelt sich bei den von dem Angeklagten verübten Delikten nach den gesamten Umständen um jugendtypische Verhaltensweisen, die den Antriebskräften der Entwicklung entsprangen, und den Verfehlungen des Heranwachsenden, die auf jugendlicher Unbekümmertheit sowie dem Leben im Augenblick unter Mißachtung möglicher Folgen beruhten, ein jugendtümliches Gepräge verleihen.

Bei der Auswahl und Bemessung der jugendstrafrechtlichen Rechtsfolgen hat sich das Gericht im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Trotz der nicht unerheblichen Tatschuld lagen die Voraussetzungen der Verhängung von Jugendstrafe hier nicht vor. Nach § 17 Abs. 2 JGG verhängt der Richter Jugendstrafe, wenn wegen schädlicher Neigungen des dem Jugendlichen gleichgestellten Heranwachsenden, die in den Taten hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Verwarnung, Erteilung von Auflagen und Jugendarrest zur Erziehung nicht ausreichen oder wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe erforderlich ist.

Schädliche Neigungen zeigt ein Heranwachsender, bei dem erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel die Gefahr begründen, daß er ohne längere Gesamterziehung durch weitere Straftaten die Gemeinschaftsordnung stören wird (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 7; Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 11). Diese Befürchtung bezieht sich auf die konkrete Erwartung wiederholter schwerer Straftaten. Schädliche Neigungen eines Jugendlichen oder Heranwachsenden, die in bestimmten Taten hervorgetreten sein sollen, sind regelmäßig nur dann gegeben, wenn sie schon vorher in seinem Charakter angelegt waren. Es muß sich mindestens um, sei es anlagebedingte, sei es durch unzulängliche Erziehung oder ungünstige Umwelteinflüsse bedingte Mängel der Charakterbildung handeln, die den angeklagten Heranwachsenden in seiner Entwicklung zu einem brauchbaren Glied der sozialen Gemeinschaft gefährdet erscheinen und namentlich befürchten lassen, daß der Angeklagte weitere, erhebliche Straftaten begehen wird (vgl. BGH, StV 1985, 419; M/R/T/W-Laue, JGG, § 17 Rn. 11). Daß bei dem umfassend geständigen, reuigen und einsichtigen sowie bislang strafrechtlich noch nicht einschlägig in Erscheinung getretenen Angeklagten diese Voraussetzungen vorgelegen hätten, ist nicht erkennbar.

Der der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zugrundeliegende Sachverhalt rechtfertigt entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft auch nicht die Annahme der Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG. Die Schwere der Schuld als Voraussetzung von Jugendstrafe meint ein besonders gravierendes Ausmaß von Strafzumessungsschuld. Dabei ist im Jugendstrafrecht ein vom allgemeinen Strafrecht erheblich abweichender Maßstab anzuwenden und das Schwergewicht mehr auf die subjektiven und persönlichkeitsbegründeten Beziehungen des Täters zu seiner Tat als auf deren äußere Schwere zu legen (OLG Köln, StV 1991, 426, 427). Schon das Gesetz spricht nicht von Schwere der Tat oder des Unrechts, sondern von Schwere der Schuld (OLG Zweibrücken, NStE Nr. 7 zu § 17 JGG).

„Schwere der Schuld“ ist vor allem dann zu bejahen, wenn der Jugendliche oder ihm gleichgestellte Heranwachsende ein Kapitalverbrechen begeht. Daneben können zwar auch andere, besonders schwere Taten allein wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe fordern (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 2). Jedoch kommt bei der Beurteilung der Schuldschwere dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat keine selbständige Bedeutung zu (BGH, StV 1994, 598, 599; BGH, StV 1998, 336). Eine isolierte Betrachtung von Tat und Täterpersönlichkeit scheidet danach aus. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, das heißt inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Angeklagten in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und auf das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können (BGHSt 16, 261, 263; BGH, NStZ-RR 2001, 215, 216). Die Schwere des verwirklichten Tatunrechts allein kann keine Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld begründen. Für die Beurteilung der Schuld kommt es vielmehr weitgehend auf die charakterliche Haltung und das gesamte Persönlichkeitsbild des jungen Menschen an (OLG Hamm, StV 2001, 175; HK JGG-Sonnen, 6. Aufl., § 17 Rn. 22). Allgemein gilt, daß von dem Verbrechenscharakter der Tat nach Erwachsenenstrafrecht mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren nicht bereits auf eine Schwere der Schuld geschlossen werden darf (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2005, 245, 246; M/R/T/W-Laue, JGG, § 17 Rn. 25). Die von dem Angeklagten begangenen Verbrechen vermögen danach die Schwere der Schuld nicht zu begründen, da angesichts einer Vielzahl von gewichtigen Milderungsgründen das Gewicht der Taten dazu zu gering ist. Denn die Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG ist nicht abstrakt nach dem verwirklichten Tatbestand meßbar, sondern jeweils nur in Beziehung zu einer bestimmten Tat zu erfassen (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 3). Umstände, die hier aus Erziehungsgründen die Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld gebieten könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr sind die derzeitigen Lebensverhältnisse des Angeklagten, der sich ohne größere Auffälligkeiten entwickelt hatte, dadurch gekennzeichnet, daß der Angeklagte in wirtschaftlich und sozial geordneten Verhältnissen lebt, er sich mit den begangenen Straftaten auseinandergesetzt und die aus seinem früheren strafbaren Verhalten notwendigen Konsequenzen offenbar selbst gezogen hat, so daß alles für seine gelungene Einbindung in ein geordnetes Wertesystem spricht. „Erforderlich“ ist nach dem Sinn des Gesetzes die wegen Schwere der Schuld zu verhängende Jugendstrafe nur dann, wenn bei Berücksichtigung der Taten einerseits, des Entwicklungsstands des Täters andererseits, ein Absehen von Strafe zu Gunsten von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln, die auch „ahndende“ Funktion haben, in unerträglichem Widerspruch zum allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl stehen würde (vgl. Schaffstein/Beulke, Jugendstrafrecht, 14. Aufl., S. 156; M/R/S-Schöch, Jugendstrafrecht, 2. Aufl., § 11 Rn. 12). Davon kann hier jedoch keine Rede sein, zumal es sich bereits objektiv um eine vergleichsweise wenig schwere Form der Tatbegehung gehandelt hat und die Verhängung von Jugendstrafe schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil dies aus erzieherischen Gründen nicht erforderlich ist.

Zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten am geeignetsten erscheint unter den gegebenen Umständen vielmehr eine Sanktion, deren primäre erzieherische Wirkung nicht in irgendeiner Form von sozialpädagogisch motivierter Intervention, sondern in ihrer normverdeutlichenden Funktion liegt. Für das Gericht steht fest, daß gerade unter besonderer Berücksichtigung des im Jugendstrafrecht vorherrschenden Erziehungsgedankens, dessen Geltung unterdessen in § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG festgeschrieben worden ist, dem Angeklagten deutlich vor Augen geführt werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Junge Menschen müssen wissen, daß die Gesellschaft nicht Straftaten duldet, ohne nennenswert zu reagieren (vgl. Schlüchter, Plädoyer für den Erziehungsgedanken, S. 60).

Um den erforderlichen Erziehungszweck zu erreichen, nämlich die Mißbilligung seines Verhaltens seitens der staatlichen Gemeinschaft deutlich zu machen, hielt das Gericht nach alledem die Erteilung einer Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung für erforderlich, aber zur Sühne und Vergeltung auch ausreichend. Die Höhe des Geldbetrages, dessen Zahlung dem Heranwachsenden auferlegt wurde, ist in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips der Tatschuld und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten angepaßt. Dabei war auch zu bedenken, daß er von den Verfahrenskosten nicht freigestellt wurde, um insgesamt zu einer schuldangemessenen Reaktion zu gelangen. Entsprechend § 42 StGB erfolgte eine Ratenzahlungsgewährung.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.

Aus erzieherischen Gründen wurde von der Anwendung des § 74 JGG abgesehen. Es erschien vielmehr angebracht, dem Angeklagten, der über ein ausreichendes Einkommen verfügt, durch Auferlegung der Kosten des Verfahrens zu zeigen, daß er für alle Folgen seines Tuns einzustehen hat (vgl. KG, NStZ-RR 1999, 121; Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 74 Rn. 4).

 

 

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