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Gebrauch eines gefälschten Impfpasses

AG Landstuhl – Az.: 2 Cs 4106 Js 15848/21 – Urteil vom 25.01.2022

1. Der Angeklagte wird wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt.

2. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 267 Abs. 1, 47, 56 StGB

Gründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)

1.

1.1

Der Angeklagte wurde … in Mun. Oradea Jud. Bihor (Rumänien) geboren, ist deutscher und rumänischer Staatsangehöriger und von Beruf Klimatechniker, arbeitet derzeit aber als Paketzusteller bei der Fa. …. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder im Alter zwischen 11 und 18 Jahren. Zurzeit erzielt er ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. rund 1.500 €, wovon er mit 600 € monatlich einen Hauskredit bedient. Seine Frau erhält Arbeitslosengeld i.H.v. rund 600 €. Da die Eheleute gemeinsame Kassen führen, stehen ihnen ihre jeweiligen Einkommen gemeinsam zur Verfügung.

1.2

Strafrechtlich ist der Angeklagte wie folgt in Erscheinung getreten:

Im Jahr 2014 wurde er durch das Amtsgericht Bad Kreuznach wegen Urkundenfälschung, begangen im Jahr 2014, rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Im Jahr 2018 wurde er durch dasselbe Gericht wegen Betruges, begangen im Jahr 2018, rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

1.3

Der verfahrensgegenständliche gefälschte Impfpass wurde durch die Polizei am 14.12.2021 sichergestellt. Der Angeklagte hat auf dessen Herausgabe in der Hauptverhandlung verzichtet.

2.

Am 14.12.2021 begab sich der Angeklagte gegen 10:00 Uhr zu der …Apotheke in der … Straße in … und legte dort einen auf seinen Namen und sein Geburtsdatum lautenden Impfpass mit dem Titel „Internationale Bescheinigungen über Impfungen und Impfbuch“ vor, den er zuvor zum Preis von 200 € von einer Vermittlerin gekauft hatte.

In der Rubrik „Schutzimpfungen gegen COVID-19“ befanden sich zwei Einträge, die auf den 28.05.2021 sowie auf den 29.11.2021 lauteten. Daneben befanden sich jeweils Aufkleber mit der Aufschrift „COMIRNATY ®“ und „Ch.-B.: EX …“ sowie „Ch.-B.: EX …“. Hierneben waren zwei Stempelaufdrucke der Gemeinschaftspraxis Dr. med. … aus … sowie darüber aufgebrachte Unterschriften vorhanden. Die in dem Impfpass eingetragenen Schutzimpfungen haben tatsächlich nicht stattgefunden. Sonstige Eintragungen enthielt der Impfpass nicht.

Durch die Vorlage des Impfpasses wollte der Angeklagte die Mitarbeiter der Apotheke dazu veranlassen, ihm ein digitales COVID-Zertifikat der EU mit QR-Code auszustellen. Zur Ausstellung des Zertifikats kam es indes nicht mehr, da eine Überprüfung der aus den in den Impfpass eingeklebten Aufklebern ersichtlichen Chargennummern durch die Apothekenmitarbeiter ergab, dass diese bereits am 31.08.2021 abgelaufen waren und somit zumindest die Impfung am 29.11.2021 nicht plausibel war, woraufhin die Polizei verständigt wurde.

3.

Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zur Person und seiner geständigen Einlassung zur Sache, an deren Richtigkeit zu zweifeln das Gericht keinen Anlass hatte. Im Übrigen beruhen sie auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, in der auch das Geständnis eine Bestätigung erfahren hat.

4.

Der Angeklagte hat sich daher wegen Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

4.1

In dem Vorlegen des Impfpasses mit dem Ziel des Erhalts eines digitalen Impfzertifikats mit QR-Code liegt ein Gebrauchen einer unechten Urkunde im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB. Der Impfpass mit enthaltenem Stempel der Arztpraxis und Unterschrift stellt zusammen mit den eingeklebten „COMIRNATY ®“-Aufklebern eine unechte (zusammengesetzte) Urkunde im Sinne der Vorschrift dar, die der Angeklagte durch deren Vorlage in der Apotheke auch gebraucht hat. Dies erfolgte auch zur Täuschung im Rechtsverkehr.

Der Rückgriff auf § 267 Abs. 1 StGB ist im vorliegenden Fall auch nicht (mehr) durch die Vorschriften der §§ 277 ff. StGB n.F. gesperrt. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. nach alter Rechtslage bestand (in diesem Sinne OLG Bamberg, BeckRS 2022, 320 Rn. 10 f. m.w.N.), da die vorliegende Tat am 14.12.2021, und somit nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 24.11.2021, begangen wurde. Eine Sperrwirkung besteht jedenfalls nach neuer Rechtslage unzweifelhaft nicht mehr.

4.2

Soweit das Gericht seine Überzeugungsbildung neben dem Geständnis des Angeklagten auch auf die durchgeführte Beweisaufnahme gestützt hat, war es an der Verwertung der Beweismittel, die aus der Offenlegung der Erkenntnisse der Apothekenmitarbeiter gewonnen wurden, aus Rechtsgründen nicht gehindert.

Ungeachtet der Frage, ob eine Schweigepflichtverletzung in der vorliegenden Konstellation überhaupt ein Beweisverwertungsverbot begründen könnte, wogegen nach Ansicht des Gerichts gewichtige Argumente sprechen, waren die Apothekenmitarbeiter zur Einschaltung der Polizei und zur Offenbarung ihrer Erkenntnisse jedenfalls berechtigt. Die tatbestandliche Verwirklichung von § 203 StGB ist gerechtfertigt.

Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass gefälschte Impfpässe in Apotheken vorgelegt werden, um mit dem Erhalt des COVID-Zertifikats am öffentlichen Leben teilzunehmen. Angesichts des Umstands, dass in allen Bundesländern mehr oder weniger einheitliche Regelungen zum Schutz des Gesundheitssystems vor einer durch zu viele schwere Verläufe der Erkrankung verursachten Überlastung sowie zum Schutz von Individuen vor den Gesundheitsgefahren, die mit einer solchen Erkrankung einhergehen, geschaffen wurden, die an den Impfstatus anknüpfen, stellt eine Umgehung des zur Teilnahme am öffentlichen Leben in vielen Bereichen erforderlichen Impfnachweises eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar. Selbst für den Fall der Verweigerung der Ausstellung des Impfzertifikats durch die Apothekenmitarbeiter wäre naheliegend davon auszugehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht auffällt, sodass in der Folge eine Realisierung der Gefahr konkret zu besorgen war. Da die entsprechenden Gefahren jederzeit in einen Erfolg umschlagen können, wenn nicht konsequent gegen den Gebrauch des gefälschten Impfausweises eingeschritten wird, sind Apothekenmitarbeiter in solchen Fällen regelmäßig aus § 34 StGB zur Offenbarung der Tatsache, dass der Verdacht einer Urkundenfälschung besteht, berechtigt.

5.

Gebrauch eines gefälschten Impfpasses
(Symbolfoto: MB.Photostock/Shutterstock.com)

In Ausfüllung des Strafrahmens des § 267 Abs. 1 StGB hat das Gericht maßgeblich zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Tat umfassend eingeräumt sowie den Namen der Vermittlerin, von der er den Impfpass erworben hat, genannt und damit weitere Ermittlungsansätze für die Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung der gewerblichen Impfpassfälschung gegeben hat.

Zu seinem Nachteil hat sich indes ausgewirkt, dass er bereits in zwei Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei es sich in einem Fall um eine einschlägige Vorverurteilung handelt und im anderen Fall jedenfalls ein mit der vorliegenden Tat vergleichbarer Unrechtsgehalt vorliegt.

Zudem war bei der Strafzumessung ausnahmsweise auch der generalpräventive Gesichtspunkt der Abschreckung strafschärfend zu berücksichtigen. Bei der Generalprävention handelt es sich auch bei der Strafhöhenbemessung um einen legitimen Strafzweck, dessen Ziel es ist, durch die Härte des Strafausspruchs bei möglichen künftigen Tätern ein Gegengewicht zu der Versuchung oder Neigung zu schaffen, Gleiches oder Ähnliches wie der Angeklagte zu tun (Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 839 m.w.N.).

Dabei hat das Gericht insbesondere bedacht, dass sich die Strafe auch bei Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte noch im Rahmen des Schuldangemessenen halten muss (BGHSt 28, 318 (326); BGH, NStZ 1983, 501; 1984, 409; 1986, 358) und der Strafhöhenbestimmung diesen Rahmen zugrunde gelegt.

Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung geeignet. Ungeeignet ist sie regelmäßig bei Ausnahmesituationen, Konflikttaten oder bei Taten eines vermindert schuldfähigen Täters (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 841 m.w.N.), was vorliegend indes nicht der Fall ist. Straftaten im Zusammenhang mit der derzeit vorherrschenden Pandemielage, hierbei insbesondere Straftaten im Zusammenhang mit Impfpassfälschungen, sind Gegenstand erschöpfender medialer Berichterstattung und erregen regelmäßig erhebliches Aufsehen. Wie sich aus den in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Presseberichten ergibt, reagiert die Presse bereits auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Impfpassfälschung zum Teil mit ausführlichen Berichterstattungen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass insbesondere auch Verurteilungen im Zusammenhang mit der Fälschung von Impfpässen, die zum Urteilszeitpunkt wenn überhaupt nur vereinzelt festzustellen waren, medial aufgegriffen werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Berichterstattung über die zeitnahe Verhängung einer empfindlichen Strafe anlässlich einer solchen Straftat ebenfalls eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter ausüben und sie von der Begehung vergleichbarer Taten abschrecken kann.

Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist schließlich zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung auch erforderlich. Erforderlichkeit liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn bei der abzuurteilenden Tat die Gefahr der Nachahmung besteht (BGH, BeckRS 2011, 428 Rn. 4 m.w.N.) oder weil bereits eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten festzustellen ist (BGH, NStZ 1986, 358; 2007, 702; NStZ-RR 2013, 240). Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn eine offenkundige Zunahme bestimmter Kriminalität vorliegt (BGH, NStZ-RR 2013, 169 (170); Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 844). So liegt der Fall hier. Das Gericht hat in der Beweisaufnahme verschiedene Presseartikel auszugsweise verlesen, die von einem starken Anstieg der Zahl gefälschter Impfpässe in der Bundesrepublik Deutschland, sowie insbesondere auch in Rheinland-Pfalz, berichten. So berichtet beispielsweise „die Zeit“ online darüber, dass bundesweit mehr als 11.000 Ermittlungsverfahren wegen gefälschter Impfpässe geführt werden. Auch die Tagesschau berichtet auf ihrer Internetseite von 12.000 Verfahren. Nach Angaben des SWR seien vom LKA Rheinland-Pfalz bereits zu Beginn des Monats Dezember 2021 483 Ermittlungsverfahren gezählt worden; Anfang Januar 2022 seien es bereits 924 Ermittlungsverfahren gewesen. Aus diesen Zahlen wird ein linearer Anstieg entsprechender Straftaten erkennbar, sodass es aus Sicht des Gerichts der Ergreifung von Gegenmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der entsprechenden Kriminalität und zur Abschreckung von Nachahmungstätern dringend bedarf.

Unter Berücksichtigung sämtlicher, insbesondere der vorstehend dargestellten, Strafzumessungsgesichtspunkte hat das Gericht für die Tat eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe war nach Maßgabe von § 47 Abs. 1 StGB angesichts des Umstands, dass der Angeklagte bereits in 2 Fällen wegen Delikten mit vergleichbarem Unrechtsgehalt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, zur Einwirkung auf diesen sowie aus den vorstehend dargestellten Gründen zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich.

Die Vollstreckung der Strafe war gem. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, da nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnen hat, zu erwarten ist, dass dieser sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Der persönliche Eindruck des Gerichts hat zudem eine Bestätigung darin gefunden, dass der Angeklagte die Tat vorbehaltlos eingeräumt, das Unrecht seiner Tat eingesehen und glaubhaft beteuert hat, so etwas passiere ihm nie wieder. Ebenso ist aus dem Umstand, dass er trotz anfänglichen Zögerns schließlich bereit war, die Mittelsperson zu benennen, von der er den gefälschten Impfpass erhalten hat, erkennbar, dass der Angeklagte sich von der Tat distanziert hat.

Eine Einziehung des gefälschten Impfpasses nach §§ 74 ff. StGB war aufgrund des Verzichts des Angeklagten auf dessen Herausgabe nicht anzuordnen.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.

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