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Versuch der Urkundenfälschung: Gefälschte Prüfplakette oder Wahndelikt?

Ein Autofahrer mit litauischem Wagen in Bayern klebte eine gefälschte deutsche Prüfplakette auf sein Kennzeichen und wurde wegen Versuch der Urkundenfälschung angeklagt. Das Bayerische Oberste Landesgericht musste nun entscheiden, ob die vermeintliche Fälschung rechtlich nur ein strafloses Wahndelikt war.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 207 StRR 2737/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 20.01.2020
  • Aktenzeichen: 207 StRR 2737/19
  • Verfahren: Strafverfahren (Revision)
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Straßenverkehrsrecht

  • Das Problem: Ein Autofahrer nutzte ein Fahrzeug mit litauischen Kennzeichen, an denen gefälschte deutsche Prüfplaketten angebracht waren. Er wurde von der Staatsanwaltschaft wegen versuchter Urkundenfälschung angeklagt.
  • Die Rechtsfrage: Macht sich jemand strafbar, der gefälschte Prüfplaketten benutzt, wenn er gleichzeitig die zugehörigen Fahrzeugpapiere nicht gefälscht hat?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht sprach den Angeklagten frei, da die Prüfplakette ohne gefälschte Papiere keine Urkunde darstellt. Der Angeklagte unterlag einem rechtlichen Irrtum, der nicht als strafbarer Versuch gilt (Wahndelikt).
  • Die Bedeutung: Allein das Anbringen gefälschter Prüfplaketten auf ausländischen Kennzeichen ist keine versuchte Urkundenfälschung, wenn die Fahrzeugpapiere nicht gefälscht wurden. Das Urteil klärt die Unterscheidung zwischen einem strafbaren Versuch und einem strafrechtlich irrelevanten Rechtsirrtum.

Ist eine gefälschte Prüfplakette strafbar?

Ein Autofahrer mit litauischen Kennzeichen und einer gefälschten deutschen TÜV-Plakette wird in Bayern kontrolliert. Der Fall scheint klar: Urkundenfälschung. Doch nach einem langen Weg durch die Instanzen sprach das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) den Mann am 20. Januar 2020 überraschend frei (Az. 207 StRR 2737/19). Die Entscheidung offenbart eine feine, aber entscheidende juristische Grenze – die zwischen einem strafbaren Versuch und einem straflosen Irrtum über das Gesetz selbst.

Was passiert bei einer Polizeikontrolle mit gefälschter Plakette?

Ein uniformierter Polizist prüft misstrauisch eine gefälschte Prüfplakette auf einem ausländischen Kennzeichen.
Gefälschte TÜV-Plakette: Bayerisches Gericht entschied über versuchte Urkundenfälschung. | Symbolbild: KI

Am 7. November 2016 erwarb der spätere Angeklagte einen Mercedes mit litauischer Zulassung. An beiden Kennzeichen prangten deutsche Prüfplaketten, die eine bestandene Hauptuntersuchung vortäuschen sollten. Sie waren Fälschungen, und der Mann wusste das. Sein Ziel war es, bei einer Kontrolle den Anschein zu erwecken, das Fahrzeug sei ordnungsgemäß in Deutschland geprüft worden, mutmaßlich vom TÜV Rheinland.

Am 14. Juni 2017 war es so weit. Der Mann wurde mit seinem Fahrzeug auf einer Bundesstraße bei Lindau von der Polizei angehalten. Die Beamten erkannten die Fälschung. Ein entscheidendes Detail fiel ihnen jedoch auf: Während die Plaketten auf den Kennzeichen klebten, fehlte jede korrespondierende Eintragung in der litauischen Zulassungsbescheinigung Teil I. Das Papier war sauber.

Für die Staatsanwaltschaft war der Fall dennoch ein klarer Versuch der Urkundenfälschung. Die unteren Instanzen sahen das ähnlich. Das Amtsgericht Lindau und später das Landgericht Kempten verurteilten den Fahrer. Nach einer Aufhebung durch das Oberlandesgericht München und Zurückverweisung landete der Fall erneut beim Landgericht Kempten, das am 8. August 2019 an der Verurteilung wegen versuchter Urkundenfälschung festhielt. Der Angeklagte ging in Revision – und brachte den Fall vor das höchste bayerische Gericht für Strafsachen.

Wann gilt eine TÜV-Plakette als Urkunde?

Um die Entscheidung des Gerichts zu verstehen, muss man den juristischen Begriff der Urkunde im Sinne des § 267 Strafgesetzbuch (StGB) beleuchten. Eine Urkunde ist nicht einfach nur ein Stück Papier. Sie ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lässt.

Eine Prüfplakette für die Hauptuntersuchung ist für sich allein genommen noch keine vollständige Urkunde. Sie ist vielmehr Teil einer sogenannten zusammengesetzten Urkunde. Das bedeutet, sie entfaltet ihre volle Beweiskraft erst in untrennbarer Verbindung mit einem anderen Objekt – in diesem Fall dem Kennzeichen und vor allem der Zulassungsbescheinigung Teil I. Die Plakette auf dem Kennzeichen erklärt: „Dieses Fahrzeug hat die Hauptuntersuchung bestanden.“ Wer diese Erklärung abgegeben hat, also der „Aussteller“ wie TÜV, DEKRA oder GTÜ, ergibt sich jedoch erst aus dem entsprechenden Stempel und der Unterschrift in den Fahrzeugpapieren, wie es § 29 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vorsieht. Erst dieses Gesamtpaket – Plakette, Kennzeichen und Papiereintrag – bildet die rechtlich relevante Urkunde.

Warum ist ein Wahndelikt nicht strafbar?

Das Bayerische Oberste Landesgericht hob das Urteil des Landgerichts auf und sprach den Angeklagten frei. Die Richter vollzogen eine präzise dogmatische Analyse, die den Kern des Strafrechts berührt: die Abgrenzung zwischen dem, was ein Täter tun will, und dem, was das Gesetz tatsächlich unter Strafe stellt.

Fehlte die gefälschte Eintragung im Fahrzeugschein?

Zuerst prüfte das Gericht, ob eine vollendete Urkundenfälschung vorlag. Dies verneinte es schnell und schloss sich damit der Ansicht der Vorinstanzen an. Da in der Zulassungsbescheinigung Teil I jegliche gefälschte Eintragung fehlte, war die Zusammengesetzte Urkunde nie vollständig hergestellt worden. Die Plakette allein konnte keinen Aussteller erkennen lassen und war somit rechtlich unvollständig. Eine vollendete Tat schied damit aus.

Ein Irrtum über das Gesetz, nicht über die Tatsachen

Der entscheidende Punkt war die Frage des Versuchs. Ein Versuch ist nach §§ 22, 23 StGB strafbar, wenn ein Täter nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes ansetzt. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, genau das sei hier passiert. Der Angeklagte wollte eine Urkunde fälschen und hat mit dem Anbringen der Plakette alles aus seiner Sicht Erforderliche getan.

Das BayObLG sah hier jedoch einen fundamentalen Denkfehler. Es unterschied akribisch zwischen einem strafbaren untauglichen Versuch und einem straflosen Wahndelikt. Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn ein Täter über Tatsachen irrt. Ein klassisches Beispiel: Jemand schießt auf eine Person, die er für lebendig hält, die aber bereits tot ist. Er irrt über den Umstand „lebendig“, sein Tötungsversuch ist aber strafbar.

Ein Wahndelikt liegt hingegen vor, wenn der Täter über die rechtliche Reichweite einer Norm irrt. Er glaubt, sein Handeln sei verboten, obwohl es das Gesetz gar nicht erfasst. Er irrt nicht über Fakten, sondern über die rechtliche Bewertung seines Tuns. Wer zum Beispiel glaubt, das Betreten von öffentlichem Rasen sei eine Straftat und dies absichtlich tut, um das „Gesetz zu brechen“, begeht ein strafloses Wahndelikt.

Genau einen solchen Rechtsirrtum sah das Gericht beim Angeklagten. Er irrte nicht über Tatsachen – er wusste ja, dass in seinen Papieren kein Eintrag war. Sein Irrtum war rein juristischer Natur: Er glaubte fälschlicherweise, allein das Anbringen der Plakette auf dem Kennzeichen sei bereits der Beginn einer strafbaren Urkundenfälschung. Nach deutschem Recht beginnt die Fälschung der zusammengesetzten Urkunde „Prüfnachweis“ aber erst mit dem Fälschen des Eintrags in der Zulassungsbescheinigung. Da der Angeklagte nach den Feststellungen nie vorhatte oder dazu ansetzte, die Papiere zu fälschen, konnte sein Plan, selbst wenn er perfekt aufgegangen wäre, den Tatbestand der Urkundenfälschung nie erfüllen. Sein Vorhaben war von Anfang an auf ein Ziel gerichtet, das das Strafgesetzbuch so nicht kennt.

Was argumentierte die Staatsanwaltschaft?

Die Anklage und das Landgericht sahen in dem Verhalten des Mannes einen strafbaren Versuch. Ihre Logik war, dass der Tätervorsatz eindeutig auf die Täuschung im Rechtsverkehr gerichtet war. Er wollte den Eindruck einer gültigen Prüfung erwecken und setzte mit der Anbringung der Plakette den aus seiner Sicht entscheidenden Schritt um. Aus dieser Perspektive schien es nur gerecht, ihn für diesen Täuschungswillen zu bestrafen, auch wenn das „Tatmittel“ – die Plakette ohne Papiereintrag – ungeeignet war, die Tat zu vollenden.

Warum das Gericht dem nicht folgte

Das BayObLG widersprach dieser Sichtweise entschieden. Der Wille zur Täuschung allein reicht nicht aus. Das Strafrecht knüpft an konkrete Handlungen an, die einen gesetzlichen Tatbestand erfüllen. Der Angeklagte hatte jedoch nicht einmal begonnen, an dem entscheidenden Objekt – der Zulassungsbescheinigung – zu manipulieren. Seine Vorstellung von der Tat war rechtlich fehlerhaft. Er wollte ein „Phantom-Delikt“ begehen, das es so nicht gibt. Ein solcher Irrtum über die Strafbarkeit des eigenen Tuns, ein sogenannter Subsumtionsirrtum, führt nicht zur Strafbarkeit wegen Versuchs, sondern schließt sie aus.

Ist eine falsche TÜV-Plakette am ausländischen Auto legal?

Mit dem Freispruch vom Vorwurf der versuchten Urkundenfälschung stellte das Gericht klar: Das bloße Anbringen einer gefälschten deutschen Prüfplakette an einem ausländisch zugelassenen Fahrzeug ist nicht als Versuch der Urkundenfälschung nach § 267 StGB strafbar, solange keine Manipulation der Fahrzeugpapiere erfolgt oder unmittelbar bevorsteht.

Die Richter prüften auch, ob das Verhalten des Mannes auf andere Weise strafbar sein könnte. Ein Kennzeichenmissbrauch nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) schied aus, da die Plakette die Lesbarkeit des litauischen Kennzeichens nicht beeinträchtigte. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 29 Abs. 8 StVZO, der die Anbringung von verwechselbaren Zeichen verbietet, kam ebenfalls nicht in Betracht. Diese Vorschrift, so das Gericht, steht im Kontext der Prüfpflicht für in Deutschland zugelassene Fahrzeuge und ist daher auf ein Fahrzeug mit litauischen Kennzeichen nicht anwendbar.

Für den Angeklagten bedeutete dies den vollständigen Freispruch. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich seiner notwendigen Auslagen für den Anwalt, fielen gemäß § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung der Staatskasse zur Last. Der Beschluss zeigt eindrücklich, dass im Strafrecht nicht allein die böse Absicht zählt, sondern ob diese Absicht sich in einer Handlung manifestiert, die das Gesetz auch tatsächlich unter Strafe stellt.

Die Urteilslogik

Die Strafbarkeit eines Täuschungsversuchs scheitert, wenn der Täter die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen der angestrebten Urkundenfälschung grundlegend verkennt.

  • Urkundenkraft durch Verbindung: Eine Prüfplakette entwickelt ihre volle Beweiskraft im Rechtsverkehr erst als Bestandteil einer zusammengesetzten Urkunde, indem sie untrennbar mit dem Kennzeichen und dem korrespondierenden Eintrag in den amtlichen Zulassungsdokumenten verbunden wird.
  • Abgrenzung zum Wahndelikt: Ein strafbarer Versuch liegt nicht vor, wenn der Täter irrtümlich annimmt, sein geplantes Vorgehen erfülle einen gesetzlichen Straftatbestand, obwohl das Gesetz diese Handlung gar nicht unter Strafe stellt.
  • Kostentragung nach Freispruch: Wird ein Angeklagter vollumfänglich freigesprochen, muss die Staatskasse sämtliche Verfahrenskosten tragen und auch die notwendigen Auslagen des Verteidigers erstatten.

Das Strafrecht bestraft ausschließlich Handlungen, die einen existierenden gesetzlichen Tatbestand verwirklichen, und nicht allein eine böse Täuschungsabsicht.


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Experten Kommentar

Viele Arbeitgeber übersehen immer wieder einen entscheidenden Punkt: Die Absicht zu täuschen reicht im Strafrecht eben nicht immer aus. Dieses Urteil zeigt eindrücklich, dass die sogenannte „Urkunde“ bei der Hauptuntersuchung juristisch sehr präzise definiert ist. Die Richter stellten klar: Solange der Täter lediglich die Plakette anbringt, aber weder die Zulassungsbescheinigung manipuliert noch dazu ansetzt, wird die notwendige zusammengesetzte Urkunde nie hergestellt. Wer glaubt, allein der gefälschte Sticker mache ihn strafbar, unterliegt einem Irrtum über das Gesetz – und begeht damit lediglich ein strafloses Wahndelikt. Für die Praxis bedeutet das: Die Staatsanwaltschaft muss beweisen, dass die Manipulation an der gesamten Dokumentenkette vorgenommen wurde.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt das Fälschen einer TÜV-Plakette als strafbare Urkundenfälschung?

Die strafbare Urkundenfälschung (§ 267 StGB) liegt nicht bereits vor, wenn Sie eine gefälschte TÜV-Plakette am Kennzeichen anbringen. Die Plakette allein besitzt keine vollständige Beweiskraft. Die Straftat ist erst vollendet, wenn Sie zusätzlich den korrespondierenden Stempel oder Eintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) manipulieren. Erst dieses Gesamtpaket – Plakette, Kennzeichen und Papiereintrag – bildet die rechtlich relevante zusammengesetzte Urkunde.

Der Grund für diese strenge juristische Abgrenzung liegt in den Anforderungen an eine Urkunde. Die Plakette auf dem Kennzeichen verkörpert zwar die Erklärung, dass die Hauptuntersuchung bestanden wurde. Sie lässt jedoch nicht erkennen, wer diese Erklärung abgegeben hat. Nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) muss der offizielle Eintrag in den Fahrzeugpapieren den erforderlichen Aussteller (etwa TÜV oder DEKRA) klar benennen. Ohne die gefälschte Eintragung in den Papieren ist die Urkunde nie vollständig hergestellt worden.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat 2020 klargestellt, dass in solchen Fällen selbst der Versuch einer Urkundenfälschung ausscheiden kann. Der Täter irrt rein juristisch, wenn er glaubt, das Anbringen der Plakette genüge. Sein Handeln zielt auf ein „Phantom-Delikt“ ab, das im Gesetz so nicht existiert. Liegt keine Manipulation in den Papieren vor, verhindert das Fehlen des entscheidenden Beweismittels die Annahme einer vollendeten Straftat.

Prüfen Sie Ihre Zulassungsbescheinigung Teil I: Liegt dort ein gefälschter Stempel oder Eintrag vor, entscheidet dies über die juristische Qualifikation der Tat.


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Welche Teile des Prüfnachweises muss ich fälschen, damit Urkundenfälschung vorliegt?

Die Regel: Damit eine vollendete Urkundenfälschung (§ 267 StGB) vorliegt, müssen Sie zwingend zwei voneinander abhängige Elemente fälschen. Die rechtliche Grundlage bildet die Fälschung einer sogenannten zusammengesetzten Urkunde. Es reicht nicht aus, nur die Prüfplakette zu manipulieren. Der Gesetzgeber fordert eine Manipulation an zwei Beweismitteln, die erst zusammen ihre volle juristische Wirkung entfalten.

Der Prüfnachweis ist eine zusammengesetzte Urkunde, die aus zwei untrennbaren Bestandteilen besteht. Das erste Element ist die Prüfplakette, die auf dem amtlichen Kennzeichen angebracht wird. Sie stellt die verkörperte Gedankenerklärung dar, dass die Hauptuntersuchung erfolgreich abgeschlossen wurde. Das Kennzeichen dient hierbei als körperlicher Träger dieser Erklärung, bietet aber keine Auskunft über den Verantwortlichen.

Das zweite Element muss zwingend der korrespondierende Prüfvermerk in der amtlichen Zulassungsbescheinigung Teil I sein. Nur dieser Eintrag in den Fahrzeugpapieren identifiziert den Aussteller (z.B. TÜV oder DEKRA) und verleiht der Urkunde die endgültige Beweiskraft im Rechtsverkehr. Fehlte diese Papiermanipulation im berühmten BayObLG-Fall, war die Urkunde juristisch nie vollständig hergestellt worden.

Sie müssen beide Bestandteile fälschen – Plakette und Papiereintrag – da diese im deutschen Strafrecht als untrennbar verbundene, einzige Urkunde gelten.


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Droht mir eine Strafe, wenn die gefälschte Plakette auf meinem ausländischen Kennzeichen klebt?

Die Antwort hängt maßgeblich davon ab, wo Ihr Fahrzeug zugelassen ist. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) entschied 2020, dass das bloße Anbringen einer gefälschten deutschen Prüfplakette an einem im Ausland zugelassenen Auto nicht strafbar ist. Der Fahrer eines litauischen Wagens wurde freigesprochen, da die deutschen Vorschriften zur Hauptuntersuchung in diesem Fall keine Anwendung fanden.

Der Freispruch stützte sich auf mehrere juristische Abgrenzungen. Eine versuchte Urkundenfälschung scheidet aus, solange die ausländischen Papiere nicht manipuliert werden. Nach deutschem Recht bildet der Prüfnachweis eine zusammengesetzte Urkunde, die nur vollständig ist, wenn neben der Plakette auch der korrespondierende Eintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil I gefälscht wurde.

Zudem entfiel die Ordnungswidrigkeit nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Die Vorschrift des § 29 Abs. 8 StVZO, welche das Anbringen verwechselbarer Zeichen verbietet, gilt nur für Fahrzeuge, die in Deutschland zugelassen sind. Auch Kennzeichenmissbrauch nach § 22 StVG schied aus, weil die Plakette die Lesbarkeit des litauischen Kennzeichens in keiner Weise beeinträchtigte. Die ausländische Zulassung verhinderte somit die Anwendung der deutschen Straf- und Bußgeldnormen.

Sichern Sie sofort Beweise und Fotos Ihrer ausländischen Zulassungspapiere, um deren Unversehrtheit zu dokumentieren und die Argumentation des Gerichts zu unterstützen.


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Werde ich bestraft, wenn ich dachte, mein Handeln sei verboten (Wahndelikt)?

Die kurze Antwort lautet: Nein. Ein sogenanntes Wahndelikt ist in Deutschland straflos, weil der Irrtum des Täters die Strafbarkeit des Handelns betrifft. Das deutsche Strafrecht bestraft nicht den bösen Willen oder die bloße Absicht zu täuschen. Es werden ausschließlich Handlungen geahndet, die das Gesetz tatsächlich als Straftat definiert. Wenn ein Täter irrig glaubt, eine Norm zu verletzen, die real nicht existiert oder sein Verhalten nicht erfasst, liegt keine Straftat vor.

Beim Wahndelikt irren Täter über die rechtliche Reichweite oder die Existenz einer Strafnorm. Sie wissen zwar genau, was sie tun (die Fakten), ordnen diese Fakten aber falsch unter das Gesetz ein (Subsumtionsirrtum). Dies ist entscheidend anders als beim strafbaren untauglichen Versuch. Hier liegt ein Irrtum über Tatsachen vor. Ein Beispiel: Ein Täter versucht jemanden zu vergiften, nutzt aber unwissentlich ein wirkungsloses Pulver. Er irrt über das Tatmittel, sein Versuch bleibt jedoch strafbar.

Der Fall der gefälschten TÜV-Plakette belegt diesen Unterschied eindrücklich. Der Angeklagte glaubte fälschlicherweise, allein das Anbringen der Plakette sei bereits der Beginn einer strafbaren Urkundenfälschung. Da das Gesetz aber zusätzlich den Eintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil I als notwendigen Bestandteil der Urkunde voraussetzt, war sein Vorhaben von Anfang an auf ein „Phantom-Delikt“ gerichtet. Der Irrtum war rein juristischer Natur, sodass keine Strafbarkeit eintrat.

Falls Sie vor Gericht stehen, machen Sie klar, dass Sie über die gesetzliche Definition der Tat irrten, nicht aber über die Fakten Ihrer Handlung.


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Welche anderen Straftaten oder Bußgelder drohen mir bei einer falschen TÜV-Plakette?

Neben der Urkundenfälschung prüfen Ermittler stets zwei weitere Tatbestände: den Kennzeichenmissbrauch und die strafrechtlich weniger relevante Ordnungswidrigkeit. Im bekannten Fall des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) schieden beide Alternativvorwürfe aus. Die Beurteilung hängt primär davon ab, ob die gefälschte Plakette die Lesbarkeit Ihres Kennzeichens beeinträchtigt.

Der Straftatbestand des Kennzeichenmissbrauchs (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG) kann relevant werden, wenn die falsche Plakette die Lesbarkeit des Kennzeichens stört. Dies betrifft minimale Überdeckungen von Zahlen, Buchstaben oder der Länderkennung. Liegt keine solche Beeinträchtigung vor, entfällt dieser schwere Vorwurf. Juristen prüfen zusätzlich die mögliche Verletzung der Ordnungswidrigkeit des Anbringens verwechselbarer Zeichen nach § 29 Abs. 8 StVZO.

Die Anwendung dieser Ordnungswidrigkeit scheidet jedoch oft bei ausländischen Fahrzeugen aus. Die Richter des BayObLG stellten klar, dass diese Vorschrift im Kontext der Prüfpflicht nur für Fahrzeuge gilt, die nach deutschem Recht zugelassen sind. Wäre Ihr Fahrzeug hingegen in Deutschland zugelassen, könnte Ihnen das Bußgeld für das Fahren ohne gültige Hauptuntersuchung drohen, selbst wenn der Tatbestand der Urkundenfälschung nicht erfüllt ist.

Überprüfen Sie sofort, ob die Plakette auch nur minimale Teile des Kennzeichens verdeckt, um eine mögliche Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs zu verhindern.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Aussteller (einer Urkunde)

Der Aussteller einer Urkunde ist die Person oder Institution, deren Erklärung oder Garantie durch die Urkunde verkörpert und bezeugt wird.
Erst wenn der Aussteller klar erkennbar ist, etwa durch einen Stempel oder eine Unterschrift, entfaltet die Urkunde ihre volle Beweiskraft im Rechtsverkehr.
Beispiel: Ohne einen gefälschten Stempel in der litauischen Zulassungsbescheinigung Teil I ließ die TÜV-Plakette keinen Aussteller erkennen, weshalb das Gericht die zusammengesetzte Urkunde als unvollständig ansah.

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Kennzeichenmissbrauch (§ 22 StVG)

Kennzeichenmissbrauch ist eine Straftat, die eintritt, wenn man ein amtliches Kennzeichen manipuliert, fälscht oder dessen Lesbarkeit in unzulässiger Weise beeinträchtigt.
Das Gesetz schützt die öffentliche Sicherheit, indem es sicherstellt, dass die Identifizierbarkeit aller am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeuge jederzeit gewährleistet ist.
Beispiel: Ein Kennzeichenmissbrauch schied im Fall des litauischen Fahrers aus, weil die gefälschte Prüfplakette die Buchstaben und Ziffern des ausländischen Kennzeichens in keiner Weise verdeckte.

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Subsumtionsirrtum

Einen Subsumtionsirrtum begeht der Täter, wenn er die Fakten seines Handelns zwar richtig erkennt, diese Fakten aber juristisch falsch unter eine Strafnorm einordnet.
Dieser Irrtum betrifft die rechtliche Bewertung des Tuns und führt zur Straflosigkeit, wenn der Täter irrig die Reichweite einer Norm überschätzt, die sein Handeln gar nicht erfasst.
Beispiel: Der Angeklagte beging einen Subsumtionsirrtum, weil er glaubte, die alleinige Anbringung der Plakette genüge für den Beginn der strafbaren Urkundenfälschung, obwohl der Gesetzgeber zusätzlich den Papiereintrag voraussetzt.

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Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Juristen definieren die Urkundenfälschung als die Straftat, bei der jemand eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte Urkunde im Rechtsverkehr zur Täuschung gebraucht.
Mit dieser Norm schützt der Gesetzgeber das Vertrauen in die Echtheit und Beweiskraft von Dokumenten, Stempeln und Zeichen, die rechtliche Tatsachen bezeugen sollen.
Beispiel: Eine vollendete Urkundenfälschung lag erst dann vor, wenn der Fahrer nicht nur die TÜV-Plakette fälschte, sondern auch den entsprechenden Eintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil I manipulierte.

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Wahndelikt

Ein Wahndelikt liegt vor, wenn der Täter fest davon überzeugt ist, eine Straftat zu begehen, obwohl sein Handeln nach geltendem Gesetz überhaupt nicht verboten ist oder vom Tatbestand nicht erfasst wird.
Das Strafrecht ahndet keine bösen Absichten, sondern ausschließlich konkret normierte Handlungen; irrt der Täter über die Existenz oder die Reichweite der Strafnorm, bleibt er straflos.
Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht sprach den Fahrer wegen eines Wahndelikts frei, da er juristisch falsch annahm, das Anbringen der unvollständigen Prüfplakette sei der Beginn einer strafbaren Urkundenfälschung.

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Zusammengesetzte Urkunde

Eine Zusammengesetzte Urkunde entsteht immer dann, wenn eine verkörperte Gedankenerklärung (wie eine Prüfplakette) untrennbar mit einem körperlichen Bezugsobjekt (wie dem Kennzeichen oder der Zulassungsbescheinigung) verbunden wird.
Die Urkunde funktioniert nur als Einheit; das Strafrecht verlangt diesen körperlichen Verbund, um sicherzustellen, dass sowohl der Inhalt der Erklärung als auch ihr Aussteller beweisbar sind.
Beispiel: Da die Plakette und die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I als eine einzige zusammengesetzte Urkunde gelten, genügte das bloße Anbringen der Plakette nicht für einen vollendeten Versuch.

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Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 207 StRR 2737/19 – Beschluss vom 20.01.2020


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