AG Koblenz, Az.: 2050 Js 56362/08.26 Ds, Urteil vom 06.09.2011
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Mit der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht in Koblenz vom 11.08.2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, vom 21.04.2008 bis zum 29.09.2008 in Mayen durch drei selbständige Handlungen aus Eigennutz und gewerbsmäßig ein Geschäftsgeheimnis, das er durch Anwendung technischer Mittel erlangt hatte, unbefugt verwertet zu haben.
Der nicht vorbestrafte Angeklagte ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma R. GmbH mit Sitz in M., wobei Gegenstand des Unternehmens u. a. der Handel und Vertrieb von Waren jeder Art ist, insbesondere aber von Mineralölprodukten. Darüber hinaus ist er auch geschäftsführender Gesellschafter der Firma M. mbH mit Sitz in M.. Gegenstand dieses Unternehmens ist u. a. die Verwaltungstätigkeit.
Bis zum 30.11.2005 sei dann die gesamte Finanzbuchhaltung der Firma O. GmbH – der jetzigen Nebenklägerin – im Buchhaltungszentrum der M.-Gruppe in M. verarbeitet worden. Deshalb seien sämtliche Belege und Verträge der Firma O. tech, die ihren Sitz in D. hat, in den Büroräumen der M.-Gruppe in M. abgelegt gewesen. Zum 31.11.2005 sei dann dieser Dienstleistungsauftrag zwischen den beiden vorgenannten Firmen beendet worden. Der Angeklagte S. habe dann ohne Wissen und gegen den erkennbaren Willen der Geschäftsführung der Firma O. GmbH veranlasst, dass sämtliche Kundendaten gespeichert wurden, um sie für eigene Zwecke zu verwerten. Dabei habe es sich um insgesamt 1.500 Kundendatensätze gehandelt. Im Jahre 2008 – und damit über drei Jahre später – habe dann der Angeklagte als Geschäftsführer der Firma R. GmbH insgesamt drei Werbeaktionen mittels Infobriefen und E-Mails im gesamten Bundesgebiet durchgeführt. Dabei habe er die aus den abgespeicherten Daten der Firma O. GmbH erlangten Kundenanschriften verwandt. Dies sei mit dem Ziel geschehen, die Kunden gezielt abzuwerben. Diese Werbeaktionen hätten dann am 21.04.2008, am 19.06.2008 und am 29.09.2008 stattgefunden.
Der Angeklagte hat die Tatbegehung in Abrede gestellt und dazu ausgeführt:
Die Liste mit eventuellen Kunden der Firma O. habe er bei Durchführung der Werbeaktionen nicht gebraucht. Sämtliche dort aufgeführten Firmen seien über Branchendienste zu ermitteln. Im Übrigen habe er die Werbeaktionen zwar als Geschäftsführer veranlasst, die Ausführung jedoch nachgeordneten Mitarbeitern überlassen.
1.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 17 UWG ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht gegeben. Bei einer eventuell vorhandenen Kundenliste könnte es sich allenfalls um ein Geschäftsgeheimnis handeln, weil es dem kaufmännischen Bereich zuzuordnen ist (im Gegensatz zum Betriebsgeheimnis). Ein Geheimnis im vorgenannten Sinne besteht, solange sein Gegenstand nicht offenkundig ist. Offenkundigkeit tritt ein, wenn die Kenntnis der betreffenden Tatsache auf normalem Wege allgemein erlangt werden kann, der Gegenstand also beliebigem Zugriff preisgegeben ist (vgl. Hart-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 17, Rdnr. 3 n. w. N.). Was in seiner konkreten Erscheinungsform von jedem Interessenten ohne größere Schwierigkeiten und Aufwände in Erfahrung gebracht werden kann, ist nicht geheim. Maßgeblich sind dabei die Kenntnisse und Fähigkeiten der jeweiligen Fachkreise.
Sowohl die Firma R. GmbH wie auch die Firma O. GmbH sind auf dem Markt der Mineralölprodukte tätig. Nachfrager sind zum überwiegenden Teil Tankstellen und Reparaturwerkstätten. Diese Nachfrager sind aber jederzeit über das Internet zu ermitteln und stehen daher jedermann offen. Im Ergebnis handelte es sich bei den Kundenlisten der Nebenklägerin letztlich lediglich um eine sogenannten Adressenliste, aus der sich weder Abgabe, Mengen noch der Umfang der Geschäftsbeziehungen ergibt. Warum daran ein besonderes Geheimhaltungsinteresse der Nebenklägerin bestehen sollte, ist dem Gericht derzeit nicht nachvollziehbar. Der vorliegende Fall ist jedenfalls nicht mit solchen Kundenlisten vergleichbar, in welchem z. B. Versicherungsnehmer einer Gesellschaft aufgeführt sind. Deren Daten und die Art der Versicherung sind jedenfalls nicht für jedermann nachvollziehbar. Insgesamt scheidet daher nach Auffassung des Gerichts eine Strafbarkeit gemäß § 17 UWG aus, da es sich vorliegend nicht um ein sogenanntes Geschäftsgeheimnis handelt, weil die darin enthaltenen Daten offenkundig sind.
Von daher war der Angeklagte bereits aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
2.
Selbst für den Fall, dass § 17 UWG erfüllt sein sollte, war der Angeklagte jedenfalls auch aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Bei einer bei dem Angeklagten durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme wurde auf der Computeranlage allein eine Liste „TXT“ gefunden. Diese Liste ist jedenfalls nicht illegal zunächst gespeichert worden. Die darin enthaltenen Adressen sind nicht unbefugt in den Besitz des Angeklagten gelangt, sondern sind von der Nebenklägerin höchst selbst übermittelt worden, da die Auslieferung der Mineralölprodukte über die Firmen in M. erfolgte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist kein Nachweis des Zugriffs auf diese Speicherdaten festzustellen.
So hatte der Zeuge M. B. Folgendes bekundet:
Er sei als Computerspezialist bei der Firma D. in M. beschäftigt, die auch die Computeranlage der Gesellschaften des Angeklagten betreut. Bei einer Neufigurierung habe er die Dateien am 27.11.2006 lediglich übertragen. Weitere Zugriffe danach sind nicht feststellbar. Dies hat jedenfalls der Zeuge POK J. L. bekundet, der beim Polizeipräsidium auf die Überprüfung von Computeranlage spezialisiert ist. Die Kundenliste der M. GmbH hat allein nur 43 Übereinstimmungen mit der Liste „TXT“ ergeben. Soweit die Nebenklägerin behauptet hat, dass eine Firma S. aus N. sich nicht auf der Liste „TXT“ befunden habe, allerdings durch die Firma des Angeklagten angeschrieben worden sei, spricht auch dies gegen die Verwendung der Liste. Soweit die Nebenklägerin weiterhin behauptet hat, dass die Kunden des Zeugen K. G. einem Vertreter der Firma O. GmbH, nicht angeschrieben worden seien, so zeige auch dies, dass die Liste verwandt worden sei. Dies ist aber nicht nachvollziehbar. Die Kunden des Zeugen G. sind bei der Firma O. GmbH mit dem Schlüssel 101 ausgezeichnet. Auf der Liste „TXT“ sind diese aber überhaupt nicht erkennbar. Dem Angeklagten war es daher überhaupt nicht möglich, die Kunden dieses Zeugen aus der Liste herauszufiltern.
Die Vermutung der Nebenklägerin, dass es neben der Liste „TXT“ noch weitere Kundendatenbanken geben müsste, die unter Umständen auf einem sogenannten Stick gespeichert wurden, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu verifizieren. Entsprechende Speichermedien sind jedenfalls bei der umfangreichen Durchsuchung sowohl in den Privaträumen als auch in den Geschäftsräumen als auch auf dem Rechner des Angeklagten nicht gefunden worden. Von daher war der Angeklagte auch aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, was im Übrigen auch dem Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht in Koblenz entspricht.
Die Kostenentscheidung hat daher ihre Rechtsgrundlage in § 467 StPO.