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Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – Strafklageverbrauch

Unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln: Freiheitsstrafe auf Bewährung und Einstellung des Verfahrens

In einem Fall, der die deutsche Rechtslandschaft beschäftigte, ging es um den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in erheblicher Menge. Der Beschuldigte fand sich im Zentrum eines komplizierten juristischen Vorgangs, bei dem eine Verurteilung durch das Amtsgericht Bergheim aufgehoben wurde und das Verfahren eingestellt. Diese Angelegenheit bietet einen Einblick in die Vorgehensweise der Justiz bei Straftaten, die mit dem illegalen Handel mit Betäubungsmitteln zusammenhängen.

Direkt zum Urteil Az: III-1 RVs 123/21 springen.

Erhebliche Menge an Betäubungsmitteln

Die Rechtslage war geprägt durch die sichergestellten Betäubungsmittel bei einer polizeilichen Kontrolle des Angeklagten. Es wurden über 50 Gramm Marihuana, knapp 2 Gramm Haschisch und eine Menge Kokain gefunden. Die aufgefundenen Betäubungsmittel hatten einen hohen Wirkstoffgehalt, was auf die erhebliche Menge hinweist. Es wurde deutlich, dass die Stoffe für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren.

Verurteilung und Berufung

Der Angeklagte wurde wegen des unerlaubten Handeltreibens mit diesen Betäubungsmitteln von dem Amtsgericht Bergheim zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde jedoch zur Bewährung ausgesetzt. Nach der Verurteilung legte der Angeklagte mit Unterstützung seines Verteidigers Berufung gegen das Urteil ein.

Urteil des OLG Köln und Einstellung des Verfahrens

Nach der Berufung prüfte das OLG Köln den Fall und kam zu einer anderslautenden Entscheidung. Das ursprüngliche Urteil wurde aufgehoben und das Verfahren eingestellt. Zusätzlich wurden die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Dieses Urteil zeigt den fortwährenden Prozess des Rechtssystems und seine Fähigkeit, Entscheidungen neu zu bewerten und anzupassen.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: III-1 RVs 123/21 – Beschluss vom 20.07.2021

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Sachverhalt in ihrer Vorlageverfügung vom 22. Juni 2021 wie folgt zusammengefasst:

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - Strafklageverbrauch
(Symbolfoto: Ground Picture/Shutterstock.com)

„Das Amtsgericht Bergheim hat den Angeklagten am 15.03.2021 (42 Ls-186 Js 934/19-1/20) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt (Bl. 220 ff. d. A.).

Der Entscheidung liegt folgende Sachverhaltsdarstellung des Amtsgerichts zugrunde:

„Am 16.06.2019 fand gegen 13:50 Uhr eine polizeilichen Kontrolle der Person des Angeklagten in der A-Straße 36, B in der 1. Etage statt. In deren Verlauf wurden beim Angeklagten in einer schwarzen Umhängetasche insgesamt 50,83 g netto Marihuana in zwei Klarsichttüten und in 23 verkaufsfertigen Druckverschlusstütchen aufgefunden und sichergestellt. Zudem wurden zwei Druckverschlusstütchen mit 1,2 g Kokain aufgefunden und sichergestellt. Weiterhin wurden in der Tasche eine Packung Marlboro, OCB Longpaper und ein Mobiltelefon der Marke „Samsung“ aufgefunden und sichergestellt.

Die sichergestellten 50,83 g Marihuana wiesen eine Wirkstoffgehalt von 15,4 % mit einer Wirkstoffmenge von 7,85 g THC auf. Die sichergestellten 1,9 g Haschisch wiesen einen Wirkstoffgehalt von 33,3% mit einer Wirkstoffmenge von 0,64 g THC auf. Insgesamt befasste der Angeklagte sich mit 8,49 g THC.

Die sichergestellten 1,2 g Kokain wiesen einen Wirkstoffgehalt von 87,4 % mit einer Wirkstoffmenge von 1,08 g Kokainhydrochlorid auf.

Die unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Stoffe waren zum Gewinn bringenden Weiterverkauf bestimmt.

Im Rahmen der vorgenannten polizeilichen Kontrolle wurden außerdem 420,- EUR Bargeld in szenetypischer Stückelung aufgefunden und sichergestellt. Wegen der Stückelung im Einzelnen wird auf die Anklageschrift 186 Js 934/19 StA Köln Bezug genommen.“

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.03.2021 hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt (Bl. 215 d. A.) und dieses Rechtsmittel – nach Zustellung des Urteils an den Angeklagten am 26.03.2021 (Bl. 231 d. A.) und an den Verteidiger am 06.04.2021(Bl. 233 d. A.) – mit weiterem Schriftsatz vom 07.04.2021, bei Gericht eingegangen am 08.04.2021 (Bl. 234 d. A.), in das Rechtsmittel der (Sprung-)Revision abgeändert (Bl. 235 ff. d. A.). Mit dieser rügt er die Verletzung sachlichen Rechts und strebt eine Verfahrenseinstellung an. Zur Begründung führt er aus, es habe das Verfahrenshindernis des anderweitigen Strafklagverbrauchs im Hinblick auf eine zuvor erfolgte rechtskräftige Verurteilung wegen einer nur kurze Zeit vor der Kontrolle begangenen Verkehrsunfallflucht bestanden.“

Darauf nimmt der Senat Bezug. Er hat die Akten 962 Js 5714/19 StA Köln beigezogen. In jenem Verfahren ist gegen den Angeklagten unter dem 11. Oktober 2019 ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangen. Dem Angeklagten wird darin zur Last gelegt, am 16. Juni 2019 in B als Fußgänger beim Überqueren der C Straße eine Kollision mit einem PKW verursacht und sich anschließend unter Verstoß gegen die Pflichten aus § 142 StGB vom Unfallort entfernt zu haben.

II.

Die gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthafte und Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Sprungrevision hat Erfolg. Der Fortführung des Verfahrens gegen den Angeklagten steht das Hindernis des Strafklageverbrauchs entgegen. Es ist daher gem. § 206 a StPO endgültig einzustellen.

1.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt zutreffend aus:

„Der prozessuale Tatbegriff gemäß Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 StPO verbürgt den Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung. Die Vorschrift will den Bürger davor schützen, dass er wegen einer bestimmten Tat, derentwegen er schon strafgerichtlich zur Verantwortung gezogen worden ist, nochmals in einem neuen Strafverfahren verfolgt wird (BGHSt 28, 119, 121). „Tat“ im Sinne dieser Bestimmung ist ein „konkretes Vorkommnis“, ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet. Zu diesem Vorgang gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Lebensauffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt. Zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Täters muss eine „innere Verknüpfung“ bestehen, dergestalt, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (so insgesamt SenE v. 28.06.2016 – III-1RBs 181/16; Senat NZV 2005, 210 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben geht die Rechtsprechung in den Fällen des Zusammentreffens von Betäubungsmittelbesitz und Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel vom Vorliegen zweier Taten im prozessualen Sinne dann aus, wenn beide ohne innere Beziehung zueinander stehen, der Drogenbesitz gleichsam nur „bei Gelegenheit“ der Fahrt stattfindet (BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 09.05.2014 – III-1 RVs 49/14; SenE v. 09.02.2007 – 83 Ss 1/07 -; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 154; KG NStZ-RR 2012, 155 = NZV 2012, 305; OLG Braunschweig Urt. v. 10.10.2014 – 1 Ss 52/14 bei Juris Tz. 21; zust. König/Seitz DAR 2012, 362). Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel bei gleichzeitigem Mitsichführen von Betäubungsmitteln wird indessen angenommen, wenn die Fahrt den Zweck verfolgt, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern, also dazu dient, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Maßgeblich ist demnach eine Finalbeziehung von Fahrt und Drogenbesitz (vgl. BGH NStZ 2012, 709; BGH DAR 2012, 390; BGH NStZ 2009, 705; BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 28.06.2016 – III-1 RBs 181/16; SenE v. 09.05.2014 – III-1 RVs 49/14 -). Diese Grundsätze beanspruchen gleichermaßen Geltung, wenn einem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eine Verkehrsunfallflucht anlässlich einer Polizeikontrolle nachfolgt, um den Besitz des unmittelbar zuvor unter den Augen der Polizei zum Zwecke des Handeltreibens erworbene Haschischs zu sichern und aufrechtzuerhalten; Unfall und Unfallflucht können dann nicht sachgerecht als bloßes Verkehrsgeschehen bewertet werden (vgl. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10.09.1993 – 4 Ss 133/93 -, StV 1994, 119). Diese Grundsätze dürften grundsätzlich auch dann heranzuziehen sein, wenn das – später festgestellte – Betäubungsmitteldelikt im unmittelbaren Zusammenhang mit einer zuvor erfolgten Verkehrsunfallflucht steht.“

2.

Bei der – in jeder Lage des Verfahrens vorzunehmenden – Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ist das Revisionsgericht nicht auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils beschränkt. Es steht insoweit vielmehr der gesamte Akteninhalt einschließlich des Inhalts des beigezogenen Verfahrens zur Verfügung.

a)

Den Akten ist Folgendes zu entnehmen:

Der Strafanzeige im vorliegenden Verfahren zufolge beabsichtigten die Polizeibeamten D und E aufgrund eines am Tattag um 13:15 Uhr eingegangenen Hinweises, den Angeklagten im Skaterpark in F wegen des Verdachts der Begehung von Betäubungsmitteln zu überprüfen. Nach den Beobachtungen der Beamten verließ er gerade ein Grundstück, welches polizeibekannt für den Erwerb von Betäubungsmitteln aufgesucht wird. Nachdem er den Streifenwagen wahrgenommen hatte, ergriff der Angeklagte sogleich die Flucht in Richtung G Markt. Er lief um 13:34 Uhr, ohne auf den Verkehr zu achten, auf die 300 Meter entfernte C Straße, wurde dort von dem Fahrzeug der Zeugin H erfasst, setzte aber seine Flucht unbeeindruckt vom Unfallgeschehen fort (vgl. Strafanzeige Bl. 4 und Vermerk Bl. 18 in den Akten 962 Js 5714/19). Nachdem mehrere Passanten Hinweise gegeben hatten, konnten die verfolgenden Beamten den Angeklagten nur einige Minuten später in dem Haus A-straße 36 stellen. Dabei war er im Besitz einer schwarzen Umhängetasche, in der sich u.a. die vorliegend verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel (65g Marihuana brutto sowie eine kleine Menge Kokain), Dealerutensilien sowie Bargeld befanden.

b)

Bei dieser Sachlage bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Angeklagte die zum Handeltreiben bestimmten Drogen bereits bei sich führte, als die Polizeibeamten ihn im Skaterpark kontrollieren wollten. Er hatte sich offenbar zuvor entsprechend versorgt. Der Besitz der Drogen erklärt seine Flucht, bei der er sich auch von dem nicht unerheblichen Unfallgeschehen nicht aufhalten ließ. Dass der Angeklagte sich erst später – zumal in Kenntnis der Verfolgung durch die Polizeibeamten – in den Besitz der Umhängetasche mit den Drogen gebracht hat, erscheint hingegen fernliegend.

Daraus folgt ein untrennbarer innerer Zusammenhang zwischen dem dem Angeklagten angelasteten unerlaubten Entfernen vom Unfallort und dem vorliegend abgeurteilten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Bei dem durch den Strafbefehl geahndeten Geschehen handelt es sich der Sache nach nicht mehr um ein reines Verkehrsgeschehen, denn die Flucht des Angeklagten diente der Entziehung der drohenden Festnahme und dem Erhalt des Besitzes an den später sichergestellten Betäubungsmitteln. Der Sachverhalt ist im Ergebnis nicht anders zu behandeln, als die der zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde liegende Fallkonstellation, bei der sich der im Besitz von Drogen befindliche Täter die Flucht mittels eines Fahrzeugs erzwungen hat.

c)

Anders als von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt, verweist der Senat die Sache daher nicht an das Amtsgericht zurück, sondern stellt das Verfahren endgültig ein. Es ist auszuschließen, dass eine erneute Hauptverhandlung zu Erkenntnissen führen würde, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

3.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO. Von der Vorschrift des § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO macht der Senat im Rahmen seines Ermessens keinen Gebrauch. Das Verfahrenshindernis bestand vorliegend bereits vor Anklageerhebung. Die durch das Verfahren veranlassten Kosten hätten bei sachgerechter Behandlung vermieden werden können. Der Bundesgerichtshof hat zu dem Problem der doppelten Rechtshängigkeit bereits in seiner Entscheidung vom 03.05.2012 (NStZ 2012, 409) bemerkt: „Der Vorgang belegt erneut, dass die oft geübte Praxis, Verkehrsdelikte auch dann gesonderter Bearbeitung zuzuführen, wenn sie im Zusammenhang mit Delikten der allgemeinen Kriminalität begangen wurden, nicht unproblematisch ist.“ Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.

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