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Nötigung im Straßenverkehr bei Flucht vor der Polizei: Fahrverbot, Geldstrafe

Ein rücksichtsloser Fahrer erzwang auf der Flucht vor der Polizei eine abrupte Vollbremsung eines Verfolgers und wurde wegen Nötigung im Straßenverkehr angeklagt. Obwohl es zu keiner Kollision kam, sah das Gericht die Definition der Gewalt erfüllt, was drastische Konsequenzen für den Führerschein des Rasers bedeuten könnte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Ds-263 Js 250/24-93/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Schmallenberg
  • Datum: 19.02.2025
  • Aktenzeichen: 5 Ds-263 Js 250/24-93/24
  • Verfahren: Strafverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Verkehrsrecht, Nötigung

  • Das Problem: Ein Autofahrer versuchte, einer Polizeikontrolle durch überhöhte Geschwindigkeit und riskantes Fahren zu entkommen. Bei einem schnellen Abbiegemanöver schnitt er einen anderen Autofahrer, der deswegen abrupt bremsen musste.
  • Die Rechtsfrage: Kann ein rücksichtsloses Fahrmanöver, das einen anderen Fahrer zur Notbremsung zwingt, rechtlich als Nötigung durch Anwendung von „Gewalt“ gewertet werden?
  • Die Antwort: Ja. Das rücksichtslose Fahren mit dem Pkw erzeugte eine Zwangswirkung auf den anderen Fahrer und stellt damit strafbare Gewalt dar. Der Fahrer handelte vorsätzlich, um sich der polizeilichen Verfolgung zu entziehen.
  • Die Bedeutung: Fluchtmanöver vor der Polizei, bei denen Dritte gefährdet werden, gelten als schwere Nötigung und sind verwerflich. Solche Taten ziehen neben einer Geldstrafe regelmäßig auch ein mehrmonatiges Fahrverbot nach sich.

Der Fall vor Gericht


Wann wird ein Auto zur Waffe, ohne sein Ziel zu berühren?

Ein Auto ist eine Tonne Stahl, die mit hoher Geschwindigkeit bewegt wird. Die meisten denken bei Gewalt an einen direkten Stoß, einen Aufprall. Ein 24-jähriger Fahrer musste vor dem Amtsgericht Schmallenberg lernen, dass Gewalt im Straßenverkehr viel subtiler wirken kann. Er berührte niemanden.

Der Fahrer, der Nötigung im Straßenverkehr beging, kollidiert auf der Flucht vor der Polizei; Fahrverbot droht.
Riskantes Manöver zwang Autofahrer zur Vollbremsung; Gericht wertete dies als Nötigung. | Symbolbild: KI

Trotzdem zwang er einen anderen Autofahrer zu einer Vollbremsung – und fand sich wegen Nötigung auf der Anklagebank wieder. Seine Flucht vor der Polizei endete mit einer entscheidenden Frage: Wie kann ein riskantes Fahrmanöver eine strafbare Gewalttat sein?

Was genau warf die Staatsanwaltschaft dem Fahrer vor?

Der junge Mann war am Abend des 2. März 2024 zu schnell unterwegs. Polizeibeamte bemerkten ihn, nahmen die Verfolgung auf und schalteten Blaulicht und Anhaltesignal ein. Der Fahrer beschleunigte. Er überholte riskant, zwang die Polizei aus Sicherheitsgründen zum Abbruch der Verfolgung. Kurz darauf bog er mit quietschenden Reifen und ohne zu blinken scharf links in eine Nebenstraße ab. Genau in diesem Moment wollte ein anderer Autofahrer aus dieser Straße auf die Kreuzung fahren. Um einen Zusammenstoß zu verhindern, musste dieser Zeuge eine Vollbremsung hinlegen. Die Anklage lautete auf Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB). Der Vorwurf: Der Fahrer habe den anderen Verkehrsteilnehmer durch sein Manöver gezielt zu einer Handlung – dem abrupten Bremsen – gezwungen. Er nutzte sein Fahrzeug als Mittel der Gewalt.

Warum wertete das Gericht das Manöver als „Gewalt“?

Hier liegt der juristische Kern des Falles. Der Angeklagte hatte den anderen Wagen nicht berührt. Es gab keinen physischen Kontakt. Das Gericht folgte aber einer etablierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Gewalt im Sinne des § 240 StGB meint nicht nur die direkte Einwirkung von Körperkraft. Sie liegt auch dann vor, wenn eine Handlung eine Physisch wirkende Zwangswirkung entfaltet. Im Klartext: Das rücksichtslose Abbiegen bei hoher Geschwindigkeit erzeugte beim anderen Fahrer eine massive Schreckreaktion. Diese Furcht vor einer Kollision zwang ihn reflexartig und körperlich zu einer Reaktion – dem Tritt auf die Bremse. Die Einwirkung des Fahrzeugs auf das Nervensystem des Zeugen genügte dem Gericht, um den Tatbestand der Gewalt zu bejahen. Der Fahrer nahm diese Zwangswirkung billigend in Kauf, um seine Flucht vor der Polizei fortzusetzen. Damit handelte er vorsätzlich.

Wieso war die Tat nicht nur rücksichtslos, sondern auch „verwerflich“?

Eine Nötigung ist nur strafbar, wenn die Tat als „verwerflich“ gilt (§ 240 Abs. 2 StGB). Das Gericht prüfte das Verhältnis zwischen dem Zweck des Fahrers und dem eingesetzten Mittel. Der Zweck war die Flucht vor einer rechtmäßigen Polizeikontrolle. Das Mittel war ein hochriskantes Fahrmanöver, das andere Verkehrsteilnehmer gefährdete. Das Gericht stellte klar: Auch ein mögliches Vorfahrtsrecht hebt die allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht auf. Niemand darf sein Recht rücksichtslos erzwingen. Die Motivation des Fahrers – das Entziehen vor staatlicher Kontrolle – verschärfte die Bewertung. Ein solches Verhalten, das die Sicherheit anderer für den eigenen Vorteil aufs Spiel setzt, ist mit den Grundregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens unvereinbar. Das Gericht stufte die Tat als sozial unerträglich und damit als verwerflich ein.

Wie kam das Gericht zu Geldstrafe und Fahrverbot?

Das Gericht verurteilte den 24-Jährigen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro, insgesamt 3.600 Euro. Zusätzlich verhängte es ein Fahrverbot von sechs Monaten nach § 44 StGB. Bei der Strafzumessung wog es verschiedene Faktoren ab. Mildernd wirkte, dass der Mann bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war und niemand verletzt oder geschädigt wurde. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die hohe abstrakte Gefahr der Tat. Die Polizei musste die Verfolgung abbrechen, weil sie zu gefährlich wurde. Das Fahrverbot diente einem klaren Zweck: Es sollte dem Fahrer als erzieherische Maßnahme die Konsequenzen seines Handelns verdeutlichen und die Rechtsordnung verteidigen. Die Kosten des Verfahrens musste der Verurteilte ebenfalls tragen.

Die Urteilslogik

Das rücksichtslose Fahrmanöver wandelt das Fahrzeug in ein Zwangsmittel, das den Tatbestand der Nötigung erfüllt, selbst wenn es zu keinem physischen Kontakt kommt.

  • [Definition der Nötigungsgewalt]: Gewalt im Sinne des Strafrechts liegt bereits vor, wenn ein rücksichtsloses Fahrmanöver eine massive Schreckreaktion erzeugt, die den anderen Verkehrsteilnehmer reflexartig und körperlich zu einer Abwehrhandlung zwingt.
  • [Prüfung der Verwerflichkeit]: Ein Verhalten gilt als verwerflich, wenn der Täter die Sicherheit anderer rücksichtslos aufs Spiel setzt, um sich staatlicher Kontrolle zu entziehen oder einen eigenen Vorteil zu erzielen.
  • [Konsequenz bei Zweckentfremdung]: Wer sein Fahrzeug gezielt als Mittel zur Erzwingung oder Nötigung einsetzt, verliert temporär die Fahrerlaubnis, da die Rechtsordnung die Verteidigung der allgemeinen Verkehrssicherheit durch ein Fahrverbot erzwingt.

Die Verfolgung des eigenen Vorteils rechtfertigt niemals die billigende Inkaufnahme der extremen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.


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Experten Kommentar

Ein Täter muss das Opfer im Straßenverkehr nicht einmal berühren, um den Tatbestand der Nötigung zu erfüllen. Dieses Urteil unterstreicht, dass juristisch die massive Schreckreaktion des Gegners ausreicht, wenn diese eine reflexartige Zwangshandlung – hier die Vollbremsung – auslöst. Wer bei der Flucht vor der Polizei die Sicherheit anderer für den eigenen Vorteil aufs Spiel setzt, nutzt sein Fahrzeug damit bewusst als Nötigungsmittel. Das Ergebnis ist eine klare rote Linie: Wer so handelt, riskiert neben einer empfindlichen Geldstrafe die strafrechtliche Verurteilung und den Verlust des Führerscheins.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann wird mein rücksichtsloses Fahrmanöver im Straßenverkehr zur strafbaren Nötigung?

Ein Fahrfehler wird erst dann zur strafbaren Nötigung nach § 240 StGB, wenn Sie einen anderen Verkehrsteilnehmer durch die Anwendung von Zwang gezielt zu einer Reaktion nötigen. Entscheidend ist, dass das Manöver eine so große Furcht vor einer Kollision erzeugt, dass das Opfer körperlich reflexartig handeln muss. Dieses Verhalten unterscheidet sich klar von einer bloßen Ordnungswidrigkeit.

Der Zwang entsteht im juristischen Sinne durch die physisch wirkende Zwangswirkung, die von Ihrem Fahrzeug ausgeht. Weil das Auto eine hohe Masse und Geschwindigkeit besitzt, führt die akute Angst vor einem Aufprall zu einer Schockreaktion. Diese Schockreaktion zwingt den anderen Fahrer körperlich zu einer Handlung, typischerweise einer abrupten Vollbremsung oder einem Ausweichmanöver. Juristisch liegt somit Gewalt vor, auch wenn kein direkter Kontakt stattfand. Die Gerichte bejahen Nötigung, wenn Sie billigend in Kauf nehmen, dass ein Zeuge zu dieser Reaktion gezwungen wird.

Die Tat muss zusätzlich als verwerflich eingestuft werden, um strafbar zu sein. Hier prüft das Gericht das Verhältnis zwischen Ihrem Zweck und dem verwendeten Mittel. Setzen Sie die Sicherheit Dritter für einen geringen Vorteil, wie Zeitgewinn oder die Fortsetzung einer Flucht, mutwillig aufs Spiel, gilt das Verhalten als sozial inakzeptabel. Ein mögliches Vorfahrtsrecht hebt dabei die elementare Pflicht zur Rücksichtnahme nicht auf. Die gezielte Ausnutzung der Fahrzeugmasse zur Willensbrechung macht das Manöver verwerflich.

Überprüfen Sie bei einem Verfahren präzise, ob die Staatsanwaltschaft Ihnen den spezifischen Zwang, also die erzwungene Handlung des Zeugen, vorwirft.


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Wie kann mein Auto ohne Berührung als Mittel der Gewalt bei einer Nötigung gelten?

Die juristische Definition von Gewalt im Kontext der Nötigung (§ 240 StGB) verlangt keinen physischen Kontakt oder Aufprall. Gewalt liegt bereits dann vor, wenn das Fahrzeug durch seine Masse und Geschwindigkeit eine physisch wirkende Zwangswirkung auf das Opfer entfaltet. Die erzeugte Furcht vor der unmittelbar drohenden Kollision zwingt den anderen Verkehrsteilnehmer zur reflexartigen Reaktion, etwa einer Notbremsung. Dies erfüllt den Tatbestand der Nötigung.

Diese weite Auslegung folgt der etablierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der entscheidende Punkt ist die direkte Einwirkung auf das Nervensystem des Opfers. Wenn ein Fahrer durch ein extrem riskantes Manöver einen massiven Schockzustand oder akute Angst auslöst, wird der Geschädigte körperlich gezwungen. Er muss reflexartig handeln, um einen schweren Unfall zu verhindern. Dieser durch Angst ausgelöste körperliche Zwang ist der juristische Kern der Gewaltanwendung, selbst wenn das Auto nicht berührt wird.

Nehmen wir an: Ein Raser biegt ohne Rücksichtnahme bei hohem Tempo scharf vor ein kreuzendes Fahrzeug. Die Masse des herannahenden Autos erzeugt die unmittelbare Furcht vor dem Aufprall. Der Zeuge reagiert reflexartig und tritt panisch auf die Bremse. Diese erzwungene Bremsreaktion dient dem Gericht als Nachweis dafür, dass das Fahrzeug als Mittel zur Nötigung eingesetzt wurde. Es handelt sich hierbei nicht um bloßen psychischen Druck, sondern um die Erzeugung einer körperlich erzwungenen Abwehrreaktion.

Falls Sie beschuldigt werden: Dokumentieren Sie präzise, ob die Reaktion des Zeugen tatsächlich reflexartig und unmittelbar oder zeitlich verzögert und überlegt erfolgte, um die Annahme der direkten Zwangswirkung anzufechten.


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Was droht mir konkret an Strafe, wenn ich wegen Nötigung im Verkehr verurteilt werde?

Wenn Sie wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilt werden, erwarten Sie in der Regel zwei Hauptsanktionen: eine empfindliche Geldstrafe und ein mehrwöchiges oder mehrmonatiges Fahrverbot. Die Höhe der Strafe hängt stark von den Umständen der Tat sowie von Ihren persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen ab. Das Gericht bewertet dabei das Ausmaß der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und Ihren Vorsatz.

Die Geldstrafe wird in Tagessätzen festgesetzt, um Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Im Fall des rücksichtslosen Fahrers, der vor der Polizei floh, verhängte das Gericht 60 Tagessätze zu je 60 Euro, insgesamt 3.600 Euro. Die Anzahl der Tagessätze spiegelt die Schwere der Nötigung wider. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes orientiert sich präzise an Ihrem monatlichen Nettoeinkommen, geteilt durch 30 Tage.

Zusätzlich zur Geldstrafe wird in den meisten Fällen ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB verhängt, welches oft mindestens sechs Monate dauert. Bei der Strafzumessung wirkte mildernd, dass der Täter bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten war und niemand physisch verletzt wurde. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht jedoch die Flucht vor der Polizei und die daraus resultierende hohe abstrakte Gefahr für die Öffentlichkeit.

Bevor Sie sich im Verfahren äußern, berechnen Sie realistisch Ihren möglichen Tagessatz, um die drohende Geldstrafe einschätzen zu können.


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Ist dichtes Auffahren oder abruptes Bremsen vor mir bereits eine strafbare Nötigung?

Ja, in den meisten Fällen erfüllt rücksichtsloses Drängeln oder das gezielte Ausbremsen im Straßenverkehr den Tatbestand der strafbaren Nötigung. Ein solches Manöver ist mehr als nur eine Ordnungswidrigkeit, weil es gezielt dazu dient, andere Verkehrsteilnehmer durch Schock oder Angst zu einer nicht gewollten Reaktion zu zwingen. Der juristische Fokus liegt dabei auf dem zwingenden Element und dem Vorsatz des Handelnden.

Dichtes Auffahren, oft auch Drängeln genannt, wird zur Nötigung, wenn es über eine längere Distanz mit hohem Tempo geschieht, um den Vordermann gezielt zum Spurwechsel zu zwingen. Die Rechtsprechung sieht hierbei eine physisch wirkende Zwangswirkung, weil die Furcht vor einer Kollision eine Schockreaktion beim Betroffenen auslöst. Das Gericht wertet diese erzwungene Reaktion als Gewalt im Sinne des § 240 StGB, selbst wenn kein direkter Kontakt stattfand. Diese Art der Gewalt zielt darauf ab, den Willen des anderen Verkehrsteilnehmers zu brechen.

Konkret gilt dies auch für das unnötig abrupte Ausbremsen vor einem nachfolgenden Fahrzeug, etwa als Bestrafungsaktion oder sogenannter „Bremslicht-Test“. Hierbei zwingt der Täter den Hintermann reflexartig zur Vollbremsung, um einen Aufprall zu vermeiden. Entscheidend ist der strafbare Vorsatz: Der Fahrer handelt nicht, um den notwendigen Sicherheitsabstand einzufordern, sondern um den anderen Verkehrsteilnehmer gezielt zu schocken und ihm eine Reaktion aufzuzwingen.

Als Betroffener dokumentieren Sie solche Vorgänge sofort mit Kennzeichen und exakten Zeitpunkten, da die Dokumentation der Dauer oder des zeitlichen Ablaufs der erzwungenen Bremsung entscheidend ist.


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Was macht eine Nötigung im Straßenverkehr als ‚verwerflich‘?

Eine Nötigung wird erst strafbar, wenn sie das Merkmal der Verwerflichkeit erfüllt (§ 240 Abs. 2 StGB). Die Verwerflichkeit ist die moralisch-juristische Grenze, die ein Verhalten sozial unerträglich macht und über eine bloße Ordnungswidrigkeit hinaushebt. Gerichte prüfen dabei das Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem angewandten Mittel. Stehen diese in keinem angemessenen Verhältnis zueinander, gilt die Tat als verwerflich.

Der Gesetzgeber verlangt diese zusätzliche Prüfung, weil nicht jeder Fall von Zwang im Verkehr sofort eine Straftat darstellen soll. Das Gericht vergleicht konkret, ob der angestrebte Erfolg (der Zweck) die Art und Weise der Zwangsanwendung (das Mittel) rechtfertigt. Niemand darf sein vermeintliches Recht rücksichtslos erzwingen, selbst wenn er objektiv Vorfahrt hätte. Dieses aggressive Vorgehen verstößt gegen die elementare Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 2 StVO.

Das Gericht stuft eine Tat als verwerflich ein, wenn sie gegen die Grundregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens verstößt. Ein konkretes Beispiel: Wer durch hochriskante Fahrmanöver flieht, um eine Polizeikontrolle zu umgehen, verfolgt einen illegalen Zweck. Die eingesetzte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer steht in einem krassen Missverhältnis zum Ziel. Wenn ein Fahrer die Sicherheit Dritter mutwillig aufs Spiel setzt, wird die Tat als sozial unerträglich bewertet.

Beschuldigte sollten detailliert darlegen, welches Motiv hinter dem Zwang stand, da dies die Verwerflichkeitsprüfung entscheidend beeinflusst.


Wortanzahl: 206 Wörter
Juristische Quelle: § 240 Abs. 2 StGB, § 1 Abs. 2 StVO.
Bold Keywords: 3
Stil: Klar, direkt, aktiv.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Fahrverbot (§ 44 StGB)

Ein Fahrverbot ist eine Nebenstrafe, die dem Verurteilten für eine bestimmte Zeitdauer verbietet, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Der Gesetzgeber verhängt diese Sanktion, um dem Täter die Konsequenzen seines gefährdenden Verhaltens direkt vor Augen zu führen und die allgemeine Rechtsordnung zu verteidigen.

Beispiel: Zusätzlich zur Geldstrafe verhängte das Gericht im vorliegenden Fall ein Fahrverbot von sechs Monaten, weil die rücksichtslose Flucht eine hohe abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellte.

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Gewalt (i.S.d. § 240 StGB)

Gewalt im juristischen Sinne der Nötigung (§ 240 StGB) meint nicht nur körperliche Misshandlung, sondern jede Einwirkung, die eine physisch wirkende Zwangswirkung auf das Opfer entfaltet. Diese weite Auslegung des Bundesgerichtshofs stellt sicher, dass auch mittelbare Handlungen, wie das gezielte Auslösen einer Schockreaktion durch ein Auto, den Tatbestand der Nötigung erfüllen.

Beispiel: Das Gericht bejahte Gewalt, weil die akute Furcht vor dem Aufprall den Zeugen körperlich reflexartig zur Vollbremsung zwang.

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Nötigung (§ 240 StGB)

Die Nötigung ist ein Straftatbestand, bei dem ein Täter einen anderen Menschen rechtswidrig durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt. Dieses Gesetz schützt die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung, um zu verhindern, dass Stärkere oder Rücksichtslosere ihre Interessen zulasten anderer durch Zwang durchsetzen.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft warf dem flüchtenden Fahrer Nötigung vor, weil er einen anderen Autofahrer durch sein riskantes Abbiegen gezielt zu einer abrupten Vollbremsung zwang.

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Physisch wirkende Zwangswirkung

Juristen sprechen von einer physisch wirkenden Zwangswirkung, wenn eine Handlung beim Opfer eine so große Angst oder Bedrängnis erzeugt, dass sie eine körperlich reflexartige Reaktion auslöst. Dieses Konzept erweitert den Begriff der Gewalt über den direkten physischen Kontakt hinaus und ermöglicht die Bestrafung von Tätern, die massive Mittel (wie ein Fahrzeug) nutzen, um körperlichen Zwang über die Psyche auszuüben.

Beispiel: Die hohe Geschwindigkeit des Täters entfaltete eine physisch wirkende Zwangswirkung auf den kreuzenden Verkehrsteilnehmer, die ihn zum sofortigen Bremsen nötigte.

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Tagessätze

Bei einer Geldstrafe wird die Strafe in Tagessätzen bemessen, wobei die Anzahl der Sätze die Schwere der Schuld festlegt und die Höhe des Satzes die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters abbildet. Dieses System stellt sicher, dass Geldstrafen alle Verurteilten finanziell gleich hart treffen, da reichere Personen höhere Tagessätze zahlen müssen als ärmere.

Beispiel: Das Gericht verurteilte den 24-Jährigen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen, wobei die Höhe jedes Tagessatzes 60 Euro betrug, basierend auf seinem geschätzten Nettoeinkommen.

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Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB)

Die Verwerflichkeit ist ein zwingendes Merkmal der Nötigung, welches die Tat als sozial unerträglich und moralisch verwerflich einstuft, indem das Gericht Zweck und Mittel der Zwangsanwendung abwägt. Der Gesetzgeber nutzt die Verwerflichkeit als Filter, damit nicht jeder geringfügige Zwang im Verkehr sofort eine Straftat darstellt, sondern nur rücksichtsloses, gesellschaftswidriges Verhalten.

Beispiel: Das Gericht sah die Tat als verwerflich an, da die Flucht vor der Polizei den Einsatz hochriskanter Fahrmanöver gegenüber unbeteiligten Verkehrsteilnehmern in keiner Weise rechtfertigte.

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Das vorliegende Urteil


Amtsgericht Schmallenberg – Az.: 5 Ds-263 Js 250/24-93/24 – Urteil vom 19.02.2025


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