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Gefährliche Körperverletzung mit Messer: Bewährung trotz fast tödlichem Stich?

Am Amtsgericht Dortmund wurde ein Mann wegen gefährlicher Körperverletzung mit Messer verurteilt, nachdem sein Stich die tödliche Verletzung um nur zwei Zentimeter verfehlte. Obwohl das Urteil eine zweijährige Freiheitsstrafe vorsieht, bleibt offen, ob der Verurteilte diese tatsächlich antreten muss.

Zum vorliegenden Urteil 767 Ls-400 Js 193/23-37/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Dortmund
  • Datum: 31.08.2023
  • Aktenzeichen: 767 Ls-400 Js 193/23-37/23
  • Verfahren: Strafverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Körperverletzung, Bewährungsstrafe

  • Das Problem: Ein Mann stach nach einem Streit einem anderen Mann mit einem Messer in die Brust.
  • Die Rechtsfrage: War der Messerstich eine Gefährliche Körperverletzung und konnte der Täter trotz der Tat eine Bewährungsstrafe erhalten?
  • Die Antwort: Ja, das Gericht sah eine gefährliche Körperverletzung als erwiesen an. Es verurteilte den Täter zu zwei Jahren Haft, setzte diese Strafe jedoch zur Bewährung aus, da er unter anderem geständig war und Reue zeigte.
  • Die Bedeutung: Das Urteil zeigt, dass selbst bei einer ernsten Tat mit einem Messer eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn der Täter erstmalig straffällig wurde und sich kooperativ zeigt.

Der Fall vor Gericht


Warum war ein Messerstich hier mehr als nur eine einfache Körperverletzung?

Ein Streit um schlechtes Cannabis, ein Messer in der Hand und ein Stich in die Brust. Für das Opfer endete der Abend mit einer Notoperation. Für den Täter hätte er im Gefängnis enden können. Am Ende hing alles an einer winzigen Distanz: zwei Zentimeter. Es war der Abstand zwischen einer Wunde, die heilte, und einer, die getötet hätte. Und es war der Abstand, der vor dem Amtsgericht Dortmund über die Frage von Gefängnis oder Bewährung entschied.

Nach gefährlicher Körperverletzung mit Stichwaffe bedroht der Täter sein lebensgefährlich verletztes Opfer. Es droht eine hohe Freiheitsstrafe.
Das Gericht wertet den Bruststich mit Einhandmesser als gefährliche Körperverletzung und verhängt zwei Jahre Haft zur Bewährung | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Gesetz unterscheidet präzise zwischen einer einfachen und einer gefährlichen Körperverletzung. Eine einfache Körperverletzung ist zum Beispiel ein Faustschlag. Der Angriff mit einem Messer spielt in einer anderen Liga. Das Gericht sah hier gleich zwei Merkmale erfüllt, die den Vorfall zu einer gefährlichen Körperverletzung machten.

Das erste Merkmal war der Einsatz eines „gefährlichen Werkzeugs“. Ein Einhandmesser mit einer fast neun Zentimeter langen Klinge ist unzweifelhaft ein solches Werkzeug. Seine Beschaffenheit und die Art seines Einsatzes – ein gezielter Stich – sind objektiv geeignet, schwere Verletzungen zu verursachen. Woher der Täter das Messer hatte oder ob er es zur Verteidigung bei sich trug, war für diese Einstufung ohne Belang. Der Moment des Zustechens zählte.

Das zweite, juristisch anspruchsvollere Merkmal war die „Das Leben gefährdende Behandlung„. Hier liegt der Kern der richterlichen Analyse. Der Stich traf den Brustmuskel und durchbohrte Blutgefäße, was zu starken Blutungen führte. Er verfehlte die Lunge nur um Haaresbreite. Das Gericht argumentierte, dass es nicht darauf ankommt, ob das Opfer am Ende überlebt. Entscheidend ist die Handlung selbst. Ein kräftiger Messerstich in den Oberkörper birgt immer die unmittelbare Gefahr, tödlich zu sein. Diese abstrakte Gefahr, die in der Aktion selbst steckt, genügt dem Gesetz. Der glückliche Umstand, dass die Klinge zwei Zentimeter weiter links oder rechts einschlug, rettete das Leben des Opfers, aber nicht den Täter vor dem Vorwurf der schweren Straftat.

Wie kam das Gericht auf eine Strafe von genau zwei Jahren?

Der Strafrahmen für eine gefährliche Körperverletzung reicht von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Die Aufgabe des Gerichts ist es, innerhalb dieses Rahmens eine gerechte Strafe zu finden. Dafür wirft es alle Umstände des Falls in zwei Waagschalen: eine für strafschärfende, eine für strafmildernde Aspekte.

In die Schale der strafschärfenden Umstände fiel die massive Gewalt. Ein Messer in einem Streit einzusetzen, zeugt von einer hohen kriminellen Energie und einer erschreckenden Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben eines anderen. Die Verletzung war erheblich und erforderte eine Notoperation. Ohne schnelles medizinisches Eingreifen wären die Folgen kaum absehbar gewesen.

Die andere Waagschale wog jedoch schwerer. Der Angeklagte legte ein umfassendes Geständnis ab. Für das Gericht ist das wertvoll. Es spart Zeit, klärt den Sachverhalt lückenlos auf und ist das erste Zeichen von Verantwortungsübernahme. Zudem hatte der Mann keine Vorstrafen. Er war juristisch ein unbeschriebenes Blatt. Die Tat schien keinem gefestigten Muster von Gewalt zu entsprechen, sondern ein einmaliger, katastrophaler Ausbruch zu sein.

Der Täter entschuldigte sich beim Opfer und zeigte im Prozess eine Haltung, die das Gericht als aufrichtige Reue wertete. Er wirkte emotional stark von seiner eigenen Tat betroffen. Schließlich floss auch der Ausgang der Verletzung in die Abwägung ein. Das Opfer konnte das Krankenhaus nur wenige Stunden nach der Operation wieder verlassen. Das mindert nicht die Schwere der Tat selbst, aber das Ausmaß des eingetretenen Schadens. Nach sorgfältiger Abwägung all dieser Punkte setzte das Gericht eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren fest – die exakte Obergrenze für eine mögliche Bewährung.

Trotz Messerstich keine Haft: Weshalb gab das Gericht eine zweite Chance?

Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren muss nicht zwangsläufig im Gefängnis angetreten werden. Das Gesetz erlaubt dem Gericht, die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Das ist aber kein Automatismus, sondern eine Prognoseentscheidung. Das Gericht muss die Frage beantworten: Dient die Inhaftierung dieses speziellen Täters der Sicherheit der Allgemeinheit oder reicht die Verurteilung selbst als Warnschuss aus?

Für eine Positive Prognose braucht es handfeste Anhaltspunkte. Hier fand das Gericht sie im Verhalten und in der Person des Angeklagten. Seine Vorstrafenlosigkeit signalisierte, dass die Tat ein einmaliger Ausrutscher in einer ansonsten straffreien Lebensführung war. Sein Geständnis und seine Reue untermauerten den Eindruck, dass er das Unrecht seiner Tat verstanden hatte.

Das Gericht sah einen Mann, dessen Leben von Brüchen geprägt war – abgebrochene Ausbildungen, eine Drogenvergangenheit, Arbeitslosigkeit. Es sah aber auch einen Mann, der sich von harten Drogen gelöst hatte und versuchte, beruflich wieder Fuß zu fassen. Die Richter waren überzeugt, dass die Erfahrung des Strafverfahrens und die drohende Haftstrafe einen so tiefen Eindruck hinterlassen hatten, dass von ihm keine weiteren Straftaten zu erwarten sind. Im Klartext: Das Gericht glaubte, dieser Mann hat seine Lektion gelernt. Die Verurteilung selbst wurde als ausreichender Denkzettel angesehen, um ihn künftig von ähnlichen Taten abzuhalten.

Die Urteilslogik

Das Recht bewertet eine Gewalttat nicht nur nach ihrem konkreten Ergebnis, sondern auch nach ihrem abstrakten Gefahrenpotenzial und den persönlichen Umständen des Täters.

  • Lebensgefahr durch Handlungsgefährlichkeit: Die Qualifizierung einer Körperverletzung als lebensgefährdend bestimmt sich nach der Handlung selbst und deren objektiver Todesgefahr, nicht nach dem letztendlichen Überleben des Opfers.
  • Strafhöhe durch Gesamtbetrachtung: Die Gerichte ermitteln die gerechte Strafe, indem sie die Schwere der Tat und strafschärfende Elemente gegen die persönlichen Umstände und das Verhalten des Täters nach der Tat abwägen.
  • Zweite Chance durch positive Prognose: Eine Freiheitsstrafe zur Bewährung setzt voraus, dass das Gericht eine positive Prognose über die künftige Straffreiheit des Täters stellt, wobei persönliche Entwicklung, Reue und ein erstmaliger Rechtsbruch entscheidend ins Gewicht fallen.

Die Rechtsprechung unterstreicht damit die Komplexität der Straffindung, die zwischen der objektiven Schwere einer Tat und der subjektiven Verantwortung des Einzelnen abwägt.


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Experten Kommentar

Ein Messerstich in die Brust – das klingt nach einer klaren Ansage des Gerichts, meist in Richtung Gefängnis. Doch dieses Urteil zeigt: Selbst bei einer gefährlichen Körperverletzung mit einer Stichwaffe spielen Geständnis, Reue und Vorstrafenfreiheit eine überraschend große Rolle. Die Entscheidung für zwei Jahre auf Bewährung macht deutlich, dass die Gerichte genau abwägen, ob eine Haftstrafe wirklich nötig ist oder ob der „Denkzettel“ ausreicht, um weitere Taten zu verhindern. Es ist eine individuelle Prognose, die dem Täter trotz der Schwere der Tat eine echte zweite Chance einräumt, wenn die Zeichen auf Besserung stehen.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was passiert, wenn ich meine Bewährungsauflagen verletze?

Eine Verletzung Ihrer Bewährungsauflagen ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine ernste Angelegenheit. Sie kann unmittelbar die Aufhebung der Bewährung und den Antritt Ihrer ursprünglich ausgesetzten Haftstrafe zur Folge haben. Das Gericht sieht dann seine ‚positive Prognose‘ widerlegt, denn der ursprüngliche ‚Warnschuss‘ hat offensichtlich nicht gewirkt. Ihre Freiheit steht auf dem Spiel.

Die Bewährung ist Vertrauenssache. Juristen nennen das eine ‚Prognoseentscheidung‘ des Gerichts. Es glaubt, dass Sie sich bewähren werden und ein ‚Warnschuss‘ ausreicht. Ein Verstoß gegen die Auflagen erschüttert diese Grundlage zutiefst. Er deutet darauf hin, dass dieser ‚Warnschuss‘ nicht gewirkt hat.

Das Gericht prüft den Fall genau. Zunächst versucht es oft, mit Auflagenänderungen oder einer Verwarnung zu reagieren. Manchmal wird auch die Bewährungszeit verlängert. Doch bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen ist Vorsicht geboten: die definitive Aufhebung der Bewährung droht. Der Artikel fragt: „Dient die Inhaftierung dieses speziellen Täters der Sicherheit der Allgemeinheit oder reicht die Verurteilung selbst als Warnschuss aus?“ Wenn der Warnschuss nicht mehr ausreicht, ist die Antwort klar.

Ein passender Vergleich ist der Führerschein auf Probe. Begeht man in dieser Zeit schwere Verkehrsverstöße, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Ähnlich verhält es sich mit Ihrer Bewährung. Sie ist eine letzte Chance, die an klare Bedingungen geknüpft ist.

Ihre Freiheit ist kostbar. Kontaktieren Sie umgehend Ihren Bewährungshelfer oder einen auf Strafrecht spezialisierten Anwalt. Schildern Sie die Situation proaktiv und ehrlich. Gemeinsam entwickeln Sie eine Strategie, bevor das Gericht durch Dritte von einem möglichen Verstoß Kenntnis erhält. Dies kann oft den entscheidenden Unterschied ausmachen.


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Kann ich als Opfer einer gefährlichen Körperverletzung Schmerzensgeld fordern?

Ja, als Opfer einer gefährlichen Körperverletzung haben Sie selbstverständlich das Recht, Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz zu fordern. Die erhebliche Verletzung, die vielleicht sogar eine Notoperation erforderte, bildet eine klare zivilrechtliche Grundlage für Ihre Entschädigung. Obwohl das „Ausmaß des eingetretenen Schadens“ für den Täter im Strafverfahren mildernd wirken kann, ist es für Sie der Schlüssel zur Wiederherstellung Ihrer Gerechtigkeit.

Schmerzensgeld dient dazu, immaterielle Schäden auszugleichen. Denken Sie an die physischen Schmerzen, die psychische Belastung und die Ängste, die eine solche Gewalttat mit sich bringt. Diese Aspekte werden von Gerichten detailliert bewertet und monetär entschädigt. Eine schwere Verletzung, wie im beschriebenen Fall, die eine Notoperation erforderlich macht, ist hierfür eine eindeutige Basis. Darüber hinaus stehen Ihnen auch materielle Schadensersatzansprüche zu. Das umfasst sämtliche Kosten, die Ihnen durch die Tat entstehen: von Heilbehandlungskosten und Medikamenten über Verdienstausfall bis hin zu beschädigten persönlichen Gegenständen. Ihre Forderungen können Sie entweder direkt im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Täter, dem sogenannten Adhäsionsverfahren, geltend machen oder in einem separaten Zivilprozess. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung stärkt Ihre Position im Zivilverfahren ungemein, da die Schuld des Täters dann bereits festgestellt ist.

Ein passender Vergleich ist, wenn Ihr Auto bei einem Unfall beschädigt wird. Sie erwarten selbstverständlich Reparaturkosten und vielleicht einen Mietwagen. Bei einer Körperverletzung ist Ihr eigener Körper das „beschädigte Gut“. Hier geht es nicht nur um die „Reparaturkosten“ wie Heilbehandlung, sondern auch um den immateriellen „Wertverlust“ und die Schmerzen, die über eine reine Behebung hinausgehen.

Zögern Sie nicht: Suchen Sie umgehend einen Fachanwalt für Opferrecht auf. Dieser Experte kann Sie umfassend beraten und unterstützen, alle notwendigen Beweismittel zu sichern. Machen Sie Fotos Ihrer Verletzungen, sammeln Sie alle medizinischen Unterlagen und Krankenhausberichte. Eine frühzeitige, lückenlose Dokumentation ist entscheidend für die erfolgreiche Durchsetzung Ihrer Ansprüche. So stellen Sie sicher, dass Ihre Rechte optimal gewahrt bleiben.


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Was sollte ich tun, wenn mir gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird?

Wenn Ihnen gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird, bewahren Sie unbedingt Ruhe und konsultieren Sie umgehend einen spezialisierten Rechtsanwalt. Eine fundierte Verteidigungsstrategie ist entscheidend. Denn während ein umfassendes Geständnis und aufrichtige Reue strafmildernd wirken können, erfordert deren wirksame Präsentation stets professionelle juristische Begleitung.

Ein Vorwurf dieser Schwere kann existenzbedrohend sein und zu langjährigen Haftstrafen führen. Machen Sie niemals Angaben zur Sache gegenüber der Polizei, bevor Ihr Anwalt die Aktenlage geprüft hat. Jedes unüberlegte Wort kann später als Belastung herangezogen werden. Ihr Rechtsbeistand wird zunächst untersuchen, ob die objektiven Merkmale der gefährlichen Körperverletzung – etwa der Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs oder eine lebensgefährdende Behandlung – in Ihrem Fall tatsächlich gegeben sind. Auch mildernde Umstände wie eine mögliche Notwehrlage werden detailliert geprüft. Gleichzeitig helfen Sie Ihrem Anwalt, alle strafmildernden Aspekte zu identifizieren, wie fehlende Vorstrafen, ein umfassendes Geständnis oder aufrichtige Reue, die maßgeblich zur Bewährungsstrafe beitragen können. Die juristische Einordnung und Kommunikation dieser Punkte ist für den Verfahrensausgang entscheidend.

Denken Sie an einen komplexen chirurgischen Eingriff: Niemand würde ihn ohne Spezialisten durchführen lassen. Genauso ist ein Strafverfahren. Die ersten Schritte und Entscheidungen sind prägend. Ein Anwalt ist Ihr strategischer Berater, der Ihre Rechte schützt und die bestmögliche Verteidigung aufbaut.

Erklären Sie unverzüglich gegenüber den Ermittlungsbehörden, dass Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Bitten Sie um die Aktenzeichennummer. Kontaktieren Sie anschließend umgehend einen Fachanwalt für Strafrecht. Dies sichert Ihre Rechte von Beginn an und verhindert kostspielige Fehler.


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Wie unterscheidet das Gericht Notwehr von gefährlicher Körperverletzung?

Das Gericht trennt Notwehr scharf von der gefährlichen Körperverletzung, indem es zunächst objektiv die Tatmerkmale prüft. Dazu zählen der Einsatz eines ‚gefährlichen Werkzeugs‘ und eine ‚das Leben gefährdende Behandlung‘. Erst danach berücksichtigt es die Frage der Rechtfertigung, wie Notwehr, als entlastenden Faktor. Die Absicht der Selbstverteidigung spielt bei der Einstufung der Tat zunächst keine Rolle.

Juristen nennen das eine zweistufige Prüfung. Zuerst betrachtet das Gericht die Handlung selbst: Erfüllt diese die objektiven Kriterien einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB? Hier geht es um Fakten, beispielsweise ob ein Messer als gefährliches Werkzeug eingesetzt wurde und die Aktion eine potenzielle Lebensgefahr barg, wie ein Stich in den Oberkörper. Die Absicht des Handelnden ist in diesem ersten Schritt irrelevant; es zählt allein, was passiert ist und welche Folgen es objektiv hätte haben können.

Erst im zweiten Schritt kommt die Notwehr ins Spiel. Dies ist ein Rechtfertigungsgrund nach § 32 StGB, der eine an sich strafbare Handlung ausnahmsweise legalisiert. Eine Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff voraus. Ihre Abwehrhandlung muss dabei erforderlich und geboten sein – sie darf also nicht über das notwendige Maß hinausgehen. Das Gericht im Fallbeispiel betonte, dass die Frage, ob das Messer zur Verteidigung getragen wurde, für die Einstufung der Tat als gefährliche Körperverletzung keine Rolle spielte. Notwehr würde die Rechtswidrigkeit der Tat als Ganzes aufheben, nicht aber die objektive Feststellung der gefährlichen Körperverletzung an sich.

Denken Sie an die Situation eines Polizisten: Das Ziehen der Dienstwaffe und ein Schuss sind objektiv gefährliche Handlungen. Sie könnten als gefährliche Körperverletzung eingestuft werden. Jedoch ist diese Handlung nicht rechtswidrig, wenn der Polizist in Notwehr einen Angreifer abwehrt. Die Tat bleibt gefährlich, ihre Rechtmäßigkeit wird durch die Notwehr begründet.

Dokumentieren Sie sofort nach einem Vorfall, bei dem Sie sich auf Notwehr berufen, detailliert alle Umstände. Notieren Sie genau den Angriff, die Bedrohung und jede Ihrer Abwehrhandlungen. Sichern Sie zudem Zeugenaussagen und jegliche Beweise. Diese präzisen Angaben helfen Ihrem Anwalt, die bestmöglichen Argumente für eine Notwehrlage vor Gericht vorzutragen.


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Welche langfristigen Folgen hat eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung?

Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zieht weitreichende, oft lebenslange Folgen nach sich, die weit über die reine Strafe hinausgehen. Sie manifestiert sich als Eintrag im Führungszeugnis und prägt die Erfahrung des Strafverfahrens, was die soziale und berufliche Reintegration erheblich erschweren kann. Dies beeinflusst Jobchancen, Reisefreiheit und das persönliche Ansehen nachhaltig.

Juristen nennen das eine Dokumentation gravierender Vergehen, um die Allgemeinheit zu schützen und die Ernsthaftigkeit der Tat zu spiegeln. Ein solcher Eintrag im Führungszeugnis bleibt je nach Strafhöhe – oft über Jahre – sichtbar. Dies bedeutet konkret, dass bei Bewerbungen für bestimmte Berufe, der Beantragung von Genehmigungen wie einem Waffenschein oder bei der Einreise in manche Länder erhebliche Hürden entstehen können.

Gerade bei einer Bewährungsstrafe bleibt die ursprünglich drohende Haftstrafe eine ständige, psychische Belastung. Das Gericht im Fallbeispiel sah einen Täter, dessen Leben bereits von Brüchen geprägt war und der versuchte, beruflich wieder Fuß zu fassen. Nach einer solchen Verurteilung wird dieser Neuanfang noch anspruchsvoller. Neben diesen formalen Konsequenzen treten oft psychische und soziale Folgen hinzu: Stigmatisierung durch das Umfeld, Vertrauensverlust und die zwingende Notwendigkeit, aus der Tat „seine Lektion gelernt“ zu haben, um ein straffreies Leben zu führen. Die Richter im Artikel waren davon überzeugt, dass gerade die „Erfahrung des Strafverfahrens und die drohende Haftstrafe einen so tiefen Eindruck hinterlassen hatten“, dass weitere Straftaten unwahrscheinlich waren.

Ein passender Vergleich ist ein tiefer Kratzer im Lack eines neuen Autos: Auch wenn der Motor weiterläuft, ist der Makel für jeden sichtbar und mindert den Wert langfristig. Obwohl die direkte Fahrt weitergeht, beeinflusst dieser Makel zukünftige Entscheidungen und das Ansehen erheblich.

Nehmen Sie diese langfristigen Konsequenzen ernst. Suchen Sie nach der Verurteilung proaktiv den Kontakt zu Beratungsstellen oder Bewährungshilfen. Dort erhalten Sie Unterstützung bei der Bewältigung Ihrer Auflagen, der beruflichen Wiedereingliederung und der psychologischen Aufarbeitung dieser prägenden Erfahrung. Ignorieren Sie niemals die Bedeutung einer ernsthaften Reintegration.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bewährung

Richter gewähren Bewährung, wenn die ursprünglich verhängte Haftstrafe nicht im Gefängnis angetreten werden muss, sondern für eine bestimmte Zeit ausgesetzt wird. Das Gericht gibt dem Verurteilten damit eine zweite Chance, sich außerhalb des Gefängnisses zu bewähren und zu zeigen, dass er auch ohne Haft keine weiteren Straftaten begehen wird. Diese Maßnahme zielt auf Resozialisierung und den Schutz der Allgemeinheit ab.

Beispiel: Im vorliegenden Fall setzte das Gericht die Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung aus, da es der Überzeugung war, dass der Täter seine Lektion gelernt hatte und sich bewähren würde.

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Das Leben gefährdende Behandlung

Eine das Leben gefährdende Behandlung ist ein spezifisches Merkmal der gefährlichen Körperverletzung, bei dem die Art der Tat objektiv tödliche Gefahren in sich birgt, unabhängig vom tatsächlichen Ausgang. Das Gesetz will damit die potenziell tödliche Wirkung einer Handlung bestrafen, selbst wenn das Opfer aufgrund glücklicher Umstände oder medizinischer Hilfe überlebt. Es schützt die körperliche Unversehrtheit und das Leben als höchstes Rechtsgut.

Beispiel: Der Messerstich in den Oberkörper des Opfers verfehlte die Lunge nur um Haaresbreite, stellte aber aufgrund seiner abstrakten Gefahr eine das Leben gefährdende Behandlung dar.

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Gefährliche Körperverletzung

Eine gefährliche Körperverletzung liegt vor, wenn jemand eine andere Person körperlich verletzt und dabei bestimmte, im Gesetz genannte erschwerende Umstände hinzukommen. Das Strafrecht differenziert hier bewusst von einer einfachen Körperverletzung, um besonders gravierende Angriffe, die ein höheres Gefahrenpotenzial oder eine besondere Heimtücke aufweisen, schärfer zu sanktionieren. Das Gesetz schützt so das Individuum vor besonders schwerwiegenden Übergriffen.

Beispiel: Die Richter verurteilten den Täter wegen gefährlicher Körperverletzung, weil er bei dem Streit um Cannabis ein Messer einsetzte und das Opfer in die Brust stach.

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Gefährliches Werkzeug

Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im Einzelfall erhebliche Verletzungen verursachen kann. Juristen berücksichtigen den Einsatz solcher Werkzeuge, um das besondere Gefahrenpotenzial einer Tat zu bewerten. Das Gesetz will verhindern, dass Angriffe mit Gegenständen, die eigentlich nicht als Waffen konzipiert sind, verharmlost werden.

Beispiel: Das Einhandmesser mit seiner fast neun Zentimeter langen Klinge wurde im vorliegenden Fall als gefährliches Werkzeug eingestuft, da es objektiv geeignet war, schwere Verletzungen zu verursachen.

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Notwehr

Notwehr ist ein Rechtfertigungsgrund, der eine an sich strafbare Handlung ausnahmsweise erlaubt, wenn sie zur Abwehr eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs erforderlich ist. Das Gesetz erkennt das Recht jedes Menschen auf Selbstverteidigung an. Es ermöglicht dem Angegriffenen, sich und seine Rechtsgüter auch mit Gewalt zu schützen, solange die Abwehr verhältnismäßig und notwendig bleibt.

Beispiel: Auch wenn der Täter im vorliegenden Streit das Messer zur Verteidigung bei sich trug, entfiel die Einstufung der Tat als gefährliche Körperverletzung nicht automatisch durch eine mögliche Notwehrlage.

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Positive Prognose

Eine positive Prognose ist die gerichtliche Einschätzung, dass der Verurteilte künftig keine weiteren Straftaten begehen wird, was oft die Voraussetzung für eine Bewährungsstrafe bildet. Gerichte müssen diese Voraussage treffen, um zu entscheiden, ob die Allgemeinheit durch eine Haftstrafe geschützt werden muss oder ob der „Warnschuss“ der Verurteilung ausreicht. Die Entscheidung dient der Resozialisierung und dem Schutz der Gesellschaft.

Beispiel: Die Richter sahen eine positive Prognose für den Angeklagten, da er Reue zeigte, keine Vorstrafen hatte und versuchte, beruflich wieder Fuß zu fassen.

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Strafzumessung

Die Strafzumessung ist der juristische Prozess, bei dem das Gericht innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens eine gerechte Strafe für die begangene Tat festlegt. Das Gericht muss dabei alle Umstände des Einzelfalls – sowohl mildernde als auch schärfende Aspekte – sorgfältig gegeneinander abwägen, um eine individuell angepasste und schuldangemessene Strafe zu finden. Dies gewährleistet die Verhältnismäßigkeit der Sanktion.

Beispiel: Bei der Strafzumessung für die gefährliche Körperverletzung berücksichtigten die Richter die massiven Verletzungen des Opfers ebenso wie das umfassende Geständnis und die Reue des Täters.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB)

    Diese Vorschrift bestraft eine Körperverletzung besonders hart, wenn sie mit gefährlichen Mitteln oder auf eine lebensbedrohliche Weise begangen wird.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Einsatz eines Messers als gefährliches Werkzeug und der Stich in den Oberkörper, der das Leben hätte gefährden können, führten dazu, dass die Tat nicht als einfache, sondern als gefährliche Körperverletzung eingestuft wurde.

  • Strafzumessung nach Schuld (§ 46 Abs. 1 und 2 StGB)

    Das Gericht muss bei der Festlegung einer Strafe alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, die für oder gegen den Täter sprechen, um eine gerechte Strafe zu finden.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wog hier die massive Gewalt und die schwere Verletzung (strafschärfend) gegen das Geständnis, die Reue und die Vorstrafenlosigkeit (strafmildernd) ab, um die Freiheitsstrafe von zwei Jahren festzulegen.

  • Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 1 StGB)

    Eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren kann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn das Gericht annimmt, dass der Verurteilte auch ohne Haft künftig keine Straftaten mehr begehen wird.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Täter zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, kam er aufgrund seiner Vorstrafenlosigkeit, seines Geständnisses, seiner Reue und der positiven Lebensprognose auf freien Fuß.

  • Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB)

    Wer einen anderen körperlich misshandelt oder dessen Gesundheit schädigt, macht sich strafbar.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Grundnorm ist die Basis für jeden Angriff auf die körperliche Unversehrtheit; der Messerstich erfüllte diese Grundvoraussetzung, wurde aber durch die Umstände des Falls zu einer gefährlicheren Form der Körperverletzung.


Das vorliegende Urteil


AG Dortmund – Az.: 767 Ls-400 Js 193/23-37/23 – Urteil vom 31.08.2023


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