Diebstahl oder die Unterschlagung von Nahrungs- oder Genussmitteln
Wer sich einmal das deutsche Strafgesetzbuch in seiner heutigen Form betrachtet und es mit dem Originalstrafgesetzbuch vergleicht wird dabei feststellen, dass etliche Straftatbestände aus der Originalfassung in der heutigen Version des Strafgesetzbuches nicht mehr vorhanden sind. Dies rührt daher, dass die Gesellschaft sich im Laufe der Zeit verändert. Nun ist jedoch ein Faktum, dass ein derartiger Vergleich lediglich von Fachjuristen hin und wieder einmal vollzogen wird. Für die durchschnittliche Gesellschaft ist ein derartiger Vergleich jedoch in der Regel uninteressant, obgleich durch den fehlenden Vergleich gelegentlich im Hinblick auf die Strafbarkeit einer Handlung durchaus Fragen offen bleiben. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Mundraub.
Bis zur Mitte der 1970er Jahre war der Mundraub an sich eine strafbare Handlung. Der § 370 Nr. 5 Strafgesetzbuch (Kurzform StGB) war hierfür maßgeblich. Gesprochen wurde in dem Paragrafen jedoch von der Verbrauchsmittelentwendung. Der Begriff Mundraub ist daher eher eine landläufig verwendete Bezeichnung. Die Verbrauchsmittelentwendung sah jedoch eher eine geringe Strafe vor.
In dem Originalstrafgesetzbuch aus dem Jahr 1851 wurde von der Entwendung von Genuss- und Nahrungsmitteln gesprochen und überdies auch die Einschränkung vorgenommen, dass diese Entwendung lediglich in sehr geringen Mengen sowie für den alsbaldigen Verzehr angedacht gewesen ist. Überdies wurde auch der Wert der Nahrungs- und Genussmittel in dem Paragrafen aufgenommen, um den Mundraub als solchen definieren und eine Abgrenzung zu strafrechtlich schlimmeren Taten wie Diebstahl vornehmen zu können. Der Mundraub lag vor, wenn die Nahrungs- und Genussmittel lediglich in einem Rahmen von unbedeutendem Wert entwendet wurden.
Die praktischen Beispiele eines Mundraubes
Von einem Mundraub wurde ausgegangen, wenn eine Person
- von einem Baum des Nachbarn die Früchte gepflückt hat, um sie direkt vor Ort zu verzehren
- in einem Supermarkt oder Einkaufsladen das dort zum Verkauf angebotene Obst in kleinen Mengen probiert hat, um einen Eindruck von der Frische oder des Geschmacks zu bekommen
Der Mundraub war nicht nur auf Obst oder Gemüse bezogen. Auch für Viehfutter oder Zigaretten galt der § 370 StGB ausdrücklich!
Wie ist es heutzutage gesetzlich geregelt?
Mit dem 01.01.1875 wurde der Straftatbestand der Verbrauchsmittelentwendung abgeschafft. Dieser Schritt hatte jedoch nicht zur Folge, dass der Mundraub an sich keine Strafe nach sich ziehen kann. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn es wurde eine Verschärfung der Strafbarkeit durchgeführt. Mundraub wird heutzutage auf der Grundlage des § 242 Strafgesetzbuch als Diebstahl gewertet. Ein Diebstahl kann mit einer Geldstrafe oder auch einer Freiheitsstrafe von maximal fünf Jahren bestraft werden.
Der Diebstahl definiert sich als Wegnahme von fremden beweglichen Sachen mit der Absicht der Aneignung zu den eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter. Früchte, welche sich am Wegesrand befinden, sind das Eigentum einer anderen Person. Wer derartige Früchte wegnimmt erfüllt somit den Straftatbestand des Diebstahls.
Wird in der heutigen Zeit der Mundraub überhaupt verfolgt?
Nimmt man den Mundraub aus der damaligen Sicht und überträgt ihn in die heutige Zeit als Diebstahl, so stellt sich natürlich die Frage, ob es für eine derartige Handlung überhaupt eine Strafverfolgung gibt. Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn der Ermittlungsaufwand seitens der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft wäre im Vergleich zu der zu erwartenden Strafe immens hoch. Aus diesem Grund hat der § 248a Strafgesetzbuch die Einschränkung gegeben, dass ein Diebstahl von sogenannten geringwertigen Sachen als Antragsdelikt zu behandeln ist. Antragsdelikte unterliegen dem juristischen Grundsatz „nullo actore, nullus judex“. Dies bedeutet „wo sich kein Kläger findet, da wird auch kein Richter aktiv“.
Zwar ermitteln die Strafverfolgungsbehörden auch bei Diebstahldelikten von geringwertigen Sachen, jedoch muss hierfür eine Grenze von 50 Euro als Gegenstandswert erreicht sein. Überdies erfolgt die Ermittlung auch nur dann, wenn die geschädigte Person auch einen Strafantrag stellt. Dies gilt jedoch nicht, wenn das besondere öffentliche Interesse bei der Strafverfolgung vorliegt. Für gewöhnlich ist dies bei einem Mundraub nicht gegeben.
Die genauen Tatumstände müssen jedoch bei einem Diebstahl gem. § 244 Strafgesetzbuch beachtet werden. So muss beispielsweise auch berücksichtigt werden, ob eine Person bei einem Diebstahl auch bewusst eine Waffe mitführt. Die Waffe an sich ist dabei nicht genau definiert, sodass bereits ein kleines Taschenmesser als Waffe vollends ausreichend ist. Ob der Täter die Waffe auch tatsächlich zum Einsatz bringt oder nicht ist für die Tat unerheblich. Es ist ausreichend, dass die Waffe bei dem Täter vorhanden ist. Wird die Tat als Diebstahl definiert, so liegt keine einfache Deliktsbegehung mehr vor. Dementsprechend kommt als Strafe auch keine Geldstrafe mehr in Betracht. Ein Diebstahl kann mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis maximal zehn Jahren bestraft werden. Sollte es sich bei dem Täter um keinen sogenannten Berufswaffenträger, als Beispiel Polizist, handeln, so dürfte die bewusste Mitführung der Waffe in der gängigen Praxis nur sehr schwer beweisbar sein.
Es gibt sogenannte tatbestandsausschließende Umstände wie beispielsweise ein Einverständnis der geschädigten Person, welche den Diebstahl als Handlung ausscheiden lassen. Die Wegnahme ist lediglich dann gegeben, wenn sie ohne oder gegen den ausdrücklichen Willen des Eigentümers erfolgt.
In Verbindung mit dem Mundraub können auch noch andere Straftatbestände in Betracht kommen. Betritt diejenige Person, die eine andere bewegliche Sache ohne oder gegen den Willen des Eigentümers entwendet, hierfür einen eingezäunten Bereich, so kann auch der Hausfriedensbruch auf der Grundlage des § 123 Strafgesetzbuch als Straftatbestand in Betracht kommen.
Im Zivilrecht gilt das Eigentum einer Person als besonders geschützt. Dementsprechend stehen der geschädigten Person gem. § 823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch bzw. § 823 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit dem § 242 Strafgesetzbuch Schadensersatzansprüche zu. Bei einem klassischen Mundraub dürfte die Höhe des Schadensersatzanspruches jedoch als überaus geringwertig anzusehen sein, sodass in der Regel von einer praktischen Umsetzung des Schadensersatzanspruches abgesehen wird.
Als Fazit kann in also auch in der heutigen Zeit noch gesagt werden, dass der Mundraub sowohl verboten als auch strafbar ist. Zwar kennt das Strafgesetzbuch heutzutage den Mundraub als eigenständigen Straftatbestand nicht mehr, allerdings ist die Grenze zu dem Diebstahl als fließend anzusehen. Diebstahl im Sinne des § 242 Strafgesetzbuch ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann mit einer Freiheitsstrafe bis maximal fünf Jahre oder alternativ dazu auch mit einer Geldstrafe bestraft werden. Die Grenze zu der Geringwertigkeit der Sache liegt in der Regel bei 50 Euro, sodass bei der reinen Entwendung von Früchten eines Baumes bei dem Nachbarn kein Verfahren zu befürchten ist. In der gängigen Praxis erfolgt daher bei dem Mundraub keine Strafverfolgung. Trotz dieses Umstandes führt der klassische Mundraub in seinem Ursprungssinne heutzutage immer noch zu Streitigkeiten auch unter Nachbarn, die nicht selten ein juristisches Nachspiel nach sich ziehen. Wenn Sie sich mit einer derartigen Problematik konfrontiert sehen sollten Sie sich dementsprechend auch an einen erfahrenen Rechtsanwalt wenden. Wir als langjährig erfahrene Rechtsanwaltskanzlei stehen für Sie mit unserer juristischen Kompetenz sehr gern zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns über unsere Internetpräsenz oder fernmündlich bzw. per E-Mail.