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Einziehung Tatertrag: Muss Gericht 100 Euro Betrug trotz geringem Wert erzwingen?

In einem Betrugsfall mit 100 Euro Beute wollte die Staatsanwaltschaft aus pragmatischen Gründen auf deren Einziehung verzichten. Doch das Gericht verlangte die Rückforderung des Geldes, um ein wichtiges Prinzip durchzusetzen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Cs 505 Js 17762/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Käufer verlor 100 Euro durch einen Internetbetrug. Die Anklagebehörde wollte dieses Geld nicht vom Täter einziehen lassen, weil der Betrag gering war.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Staat die Beute aus einer Straftat einziehen, auch wenn der Wert der Beute gering ist?
  • Die Antwort: Ja, das Gericht entschied, dass das Geld eingezogen werden muss. Es ging um ein wichtiges Prinzip: Kriminalität darf sich nicht lohnen.
  • Die Bedeutung: Ein neues Gesetz soll sicherstellen, dass Straftäter ihre Beute nicht behalten dürfen. Opfern soll damit geholfen werden, ihr Geld direkt im Gerichtsverfahren zurückzuerhalten.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Amtsgericht Kehl
  • Datum: 08.03.2018
  • Aktenzeichen: 2 Cs 505 Js 17762/17
  • Verfahren: Strafbefehlsverfahren (Beschluss)
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Staatsanwaltschaft. Sie wollte eine Geldstrafe verhängen, sah aber von der Rückforderung der 100 Euro ab.
  • Beklagte: Der Angeschuldigte. Er wurde des Betruges beschuldigt; der Beschluss enthält keine eigenen Argumente von ihm zur Rückforderung des Geldes.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Ein Beschuldigter soll durch einen Online-Betrug 100 Euro erlangt haben. Die Staatsanwaltschaft sah wegen des geringen Betrags von einer Rückforderung des Geldes ab.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Durfte das Gericht anordnen, dass die 100 Euro aus dem Betrug eingezogen werden, obwohl die Staatsanwaltschaft dies wegen des geringen Betrags nicht wollte?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Das Gericht ordnete an, dass die Rückforderung des illegal erlangten Geldes doch im Verfahren behandelt wird.
  • Zentrale Begründung: Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die neue Rechtslage eine Wiedergutmachung des Schadens im Strafverfahren fördern soll, auch wenn es sich um einen Betrag handelt, der für das Opfer nicht unerheblich ist.
  • Konsequenzen für die Parteien: Das bedeutet, dass der Angeklagte die 100 Euro voraussichtlich zurückzahlen muss und das Opfer sein Geld leichter über das Strafverfahren zurückerhält.

Der Fall vor Gericht


Muss der Staat die Beute aus einem Betrug auch bei nur 100 Euro einziehen?

Ein verlockendes Angebot für ein Mobiltelefon im Internet, eine schnelle Überweisung und dann die große Enttäuschung: Das erhoffte Smartphone kam nie an, die 100 Euro waren weg. Für die geprellte Käuferin ein ärgerlicher Verlust, für die Justiz zunächst ein klarer Fall von Betrug.

Ein Richter studiert am Laptop konzentriert den gerichtlichen Beschluss zur Einziehung des geringen Tatertrags von 100 Euro, der im Strafverfahren ein wichtiges Prinzip der Vermögensabschöpfung durchsetzt.
Amtsgericht ordnet entgegen der Staatsanwaltschaft die Einziehung der 100-Euro-Beute an. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf und identifizierte einen Tatverdächtigen. Sie beantragte beim Amtsgericht Kehl einen Strafbefehl, eine Art schriftliches Urteil ohne mündliche Verhandlung, um den Beschuldigten für den Betrug mit einer Geldstrafe zu belegen. Doch in einem entscheidenden Punkt traf die Staatsanwaltschaft eine bemerkenswerte Entscheidung: Die erschlichenen 100 Euro sollten nicht zurückgefordert werden. Genau hier schaltete sich das Gericht ein und sorgte für eine überraschende Wende.

Warum wollte die Staatsanwaltschaft auf die Einziehung der 100 Euro verzichten?

Die Staatsanwaltschaft handelte aus einem pragmatischen Grund, der in der Justiz als Verfahrensökonomie bekannt ist. In ihrer Abschlussverfügung vermerkte sie, dass sie bewusst davon absehe, die Einziehung des Tatertrags zu beantragen. Ihre Logik war einfach: Der Aufwand, 100 Euro beim Täter einzutreiben, stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis. Der Betrag sei zu gering, um ein separates Einziehungsverfahren oder die Erweiterung des Strafbefehls zu rechtfertigen.

Diese Entscheidung wurzelt in der Praxis, Ressourcen dort zu bündeln, wo sie am dringendsten benötigt werden. Ein Verfahren zur Einziehung von Vermögenswerten bedeutet zusätzlichen administrativen Aufwand für die Behörden – von der Anordnung über die Vollstreckung bis zur Auszahlung an das Opfer. Bei einem Betrag von 100 Euro, so die Argumentation, sei dieser Aufwand unverhältnismäßig. Die Strafverfolgung des Betrugs an sich sei die primäre Aufgabe, die finanzielle Wiedergutmachung könne das Opfer auf dem zivilrechtlichen Weg verfolgen. Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Entscheidung auf eine gesetzliche Möglichkeit, bei Taten von geringem Wert von der Einziehung abzusehen (§ 421 StPO). Damit schien der Fall für sie klar: Strafe für den Täter ja, staatliche Hilfe bei der Rückholung des Geldes nein.

Wieso entschied das Gericht, die Einziehung trotzdem durchzusetzen?

Das Amtsgericht Kehl war mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft nicht einverstanden. Der zuständige Richter widersprach der Entscheidung und aktivierte eine spezielle Regelung der Strafprozessordnung. Gemäß § 421 Abs. 2 Satz 1 StPO kann das Gericht die Frage der Einziehung von Amts wegen wieder in das Verfahren einbeziehen, selbst wenn die Staatsanwaltschaft darauf verzichten wollte. Genau das tat der Richter mit einem klaren Beschluss: Die Einziehung der 100 Euro wird wieder Teil des Strafverfahrens.

Das Gericht stellte sich damit bewusst gegen die pragmatische Sicht der Anklagebehörde. Es sah sich nicht nur als Instanz zur Bestrafung des Täters, sondern auch als Anwalt der Interessen des Opfers. Diese Haltung begründete es nicht mit einer persönlichen Meinung, sondern mit einem fundamentalen Wandel im Gesetz, der erst kurz zuvor in Kraft getreten war. Für das Gericht war die Frage größer als nur 100 Euro – es ging um ein juristisches Prinzip.

Welcher Grundsatz stand im Mittelpunkt der gerichtlichen Entscheidung?

Das Herzstück der Argumentation des Amtsgerichts war die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, die am 1. Juli 2017 in Kraft trat. Der Gesetzgeber hatte mit dieser Reform ein klares Ziel verfolgt: Kriminelle sollen ihre Beute nicht behalten dürfen, und Opfer sollen leichter an ihr Geld kommen. Der Grundsatz lautet: Verbrechen darf sich nicht lohnen.

Das Gericht zitierte direkt aus der Begründung des Gesetzentwurfs (Bundestagsdrucksache 18/9525). Darin steht, dass die Schadenswiedergutmachung für Opfer ein zentrales Anliegen ist. Der Staat soll aktiv dabei helfen, dass Opfer ihr verlorenes Geld oder Eigentum zurückerhalten, und zwar direkt im Strafverfahren. Dieser Weg ist für Geschädigte oft einfacher, schneller und kostengünstiger als eine separate Zivilklage. Wer zivilrechtlich klagt, muss in der Regel Gerichtskosten vorschießen und trägt das Risiko, am Ende trotz eines gewonnenen Urteils auf den Kosten sitzen zu bleiben, wenn beim Täter nichts zu holen ist.

Das Gericht argumentierte, dass ein Verzicht auf die Einziehung der 100 Euro genau diesem neuen gesetzgeberischen Willen widersprechen würde. Es sei die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, den vom Gesetzgeber gewollten Opferschutz konsequent umzusetzen. Der Hinweis der Staatsanwaltschaft auf den geringen Betrag und den Aufwand lief ins Leere. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber diesen zusätzlichen Aufwand für die Justiz bei der Reform bewusst in Kauf genommen habe, um die Position der Opfer zu stärken.

Wie bewertete das Gericht das Argument des „geringen Werts“?

Die Staatsanwaltschaft hatte ihren Verzicht auf die Einziehung mit dem geringen Wert der Beute begründet. Das Gericht umging eine grundsätzliche Definition, ab wann ein Wert als „gering“ gilt. Es ließ bewusst offen, ob man sich dabei an der Grenze für den Diebstahl geringwertiger Sachen orientieren sollte, wie es in der juristischen Literatur teilweise diskutiert wird. Stattdessen wählte es einen anderen, fallbezogenen Ansatz.

Für das Gericht war nicht ein abstrakter Schwellenwert entscheidend, sondern die konkrete Bedeutung des Betrags für die geschädigte Person. Ein Verlust von 100 Euro, so das Gericht, sei für die meisten Menschen keineswegs unerheblich oder banal. Für das Opfer stellt dieser Betrag einen spürbaren finanziellen Schaden dar. Ihn allein auf den teuren und unsicheren Zivilweg zu verweisen, würde die Intention der Gesetzesreform untergraben.

Das Argument des unverhältnismäßigen Vollstreckungsaufwands wies das Gericht ebenfalls zurück. Es stellte klar, dass die Einziehung eines Geldbetrages nach den bereits bestehenden und bewährten Regeln für die Vollstreckung von Geldstrafen erfolgen könne. Ein außergewöhnlicher oder nicht zu bewältigender Mehraufwand sei im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Die Feststellungen, die für eine Verurteilung wegen Betrugs im Strafbefehl notwendig waren, reichten laut Gericht „ohne Weiteres“ aus, um auch die Einziehung des Geldes anzuordnen. Es waren keine zusätzlichen, aufwendigen Ermittlungen erforderlich.

Mit seinem Beschluss machte das Amtsgericht Kehl unmissverständlich klar: Der Schutz des Opfers und die konsequente Abschöpfung von Taterträgen haben seit der Reform ein so hohes Gewicht, dass auch bei kleineren Beträgen die Verfahrensökonomie dahinter zurücktreten muss. Die 100 Euro mussten also doch vom Staat eingezogen werden.

Die Urteilslogik

Gerichte setzen konsequent durch, dass Straftäter ihren illegalen Gewinn abgeben müssen, um Opfern zu helfen und das Prinzip „Verbrechen lohnt sich nicht“ zu wahren.

  • Verbrechen zahlt sich nicht aus: Das Strafrecht zieht kriminelle Gewinne konsequent ein, um zu verhindern, dass sich Straftaten finanziell lohnen.
  • Vorrang des Opferschutzes: Der Schutz von Opfern und die Rückführung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte stehen über der reinen Verfahrensökonomie der Strafverfolgungsbehörden.
  • Bedeutung des individuellen Schadens: Bei der Beurteilung eines „geringen Werts“ zählt die konkrete finanzielle Bedeutung für das Opfer, nicht ein allgemeiner abstrakter Schwellenwert.

Die konsequente Umsetzung dieser Grundsätze stärkt das Vertrauen in die Rechtsordnung und gewährleistet, dass der Staat aktiv für Gerechtigkeit eintritt.


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Das Urteil in der Praxis

Was auf den ersten Blick wie ein Bagatellfall wirkt, entpuppt sich als juristisches Schwergewicht mit Sprengkraft für die Praxis. Das Amtsgericht Kehl erteilt der oft bemühten „Verfahrensökonomie“ der Staatsanwaltschaft eine klare Absage und unterstreicht damit die revolutionäre Bedeutung der Vermögensabschöpfungsreform von 2017. Für Betrüger bedeutet dies eine harte Botschaft: Selbst minimale Taterträge sind nicht mehr sicher. Für Opfer hingegen manifestiert sich ein starker staatlicher Beistand, der den oft steinigen Zivilrechtsweg obsolet macht und die Strafverfolgungsbehörden zwingt, ihre Prioritäten neu zu justieren.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet die staatliche Einziehung von meinem Betrugsertrag?

Die Einziehung des Tatertrags ist die staatliche Maßnahme, Ihnen kriminell erlangtes Geld oder Gut zu entziehen und es oft direkt an das Opfer zurückzugeben. Der Staat „kassiert“ also die Beute, die Sie durch eine Straftat wie Betrug erzielt haben, um Kriminalität unwirtschaftlich zu machen und Geschädigte zu schützen. Das ist keine Strafe, sondern die Entziehung des unrechtmäßigen Gewinns.

Warum aber greift der Staat so konsequent durch? Kriminelle sollen ihre Beute nicht behalten dürfen. Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung von 2017 verstärkte diesen Grundsatz erheblich: Verbrechen darf sich schlichtweg nicht lohnen. Gleichzeitig soll das Opfer leichter an sein Geld kommen. Dieser Weg im Strafverfahren ist für Geschädigte oft einfacher und schneller als eine separate Zivilklage, die Zeit und Geld kostet.

Gerichte setzen dieses Prinzip rigoros um. So wollte die Staatsanwaltschaft im Fall eines 100-Euro-Betrugs aus pragmatischen Gründen auf die Einziehung verzichten – der Aufwand schien zu hoch. Doch das Amtsgericht Kehl entschied anders. Es stellte klar: Ein Verlust von 100 Euro ist für viele keineswegs unerheblich. Der Gesetzgeber habe diesen „Mehraufwand“ für die Justiz bewusst in Kauf genommen, um den Opferschutz zu stärken. Die bloße Höhe des Betrags spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Rechnen Sie immer damit: Der Staat holt sich, was unrechtmäßig den Besitzer wechselte.


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Kann ich als Betrugsopfer mein verlorenes Geld zurückbekommen?

Ja, als Betrugsopfer haben Sie nach der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung deutlich bessere Chancen, Ihr verlorenes Geld direkt über den Staat zurückzuerhalten. Das Gesetz stärkt Ihre Position massiv, indem es die Rückführung des Tatertrags an Geschädigte im Strafverfahren vereinfacht, oft ohne eine separate Zivilklage. Der Staat agiert dabei als Mittelsmann.

Früher war das komplizierter, doch seit Juli 2017 gilt ein klarer Grundsatz: Verbrechen darf sich nicht lohnen. Der Gesetzgeber wollte Kriminellen ihre Beute entziehen und gleichzeitig Opfern den Weg zum Geld ebnen. Der Staat zieht das Geld vom Täter ein und leitet es direkt an Sie weiter. Das macht den Prozess für Sie einfacher, schneller und kostengünstiger.

Ein 100-Euro-Betrugsfall vor dem Amtsgericht Kehl zeigte das eindrücklich. Obwohl die Staatsanwaltschaft den Betrag wegen vermeintlich geringen Aufwands nicht einziehen wollte, griff das Gericht ein. Es widersetzte sich der Verfahrensökonomie und betonte: Für ein Opfer sind auch 100 Euro kein Pappenstiel. Der Staat muss helfen, unabhängig von der Höhe des Schadens.

Gerichte sehen sich nun stärker als Anwalt der Opfer. Sie stellen sicher, dass die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse direkt für die Rückführung Ihres Geldes genutzt werden. Erkundigen Sie sich deshalb umgehend bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder Ihrem Rechtsanwalt über die Einziehung des Betrags zu Ihren Gunsten.


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Muss der Staat meinen geringen Betrugsertrag zwingend einziehen?

Ja, seit der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung muss der Staat Beute aus Straftaten konsequent einziehen, selbst bei geringen Beträgen. Das Prinzip „Verbrechen darf sich nicht lohnen“ hat Vorrang vor rein wirtschaftlichen Überlegungen der Justiz, um den Opferschutz zu stärken und Geschädigten die Rückführung ihrer Gelder direkt im Strafverfahren zu erleichtern. Dieser Wandel markiert eine klare Abkehr von früheren Praktiken.

Früher dachten Staatsanwaltschaften oft pragmatisch: Ein paar Euro einziehen? Der Aufwand lohnt nicht. Opfer mussten dann selbst zivilrechtlich klagen – ein teurer, langwieriger Weg mit ungewissem Ausgang. Doch der Gesetzgeber zog 2017 eine rote Linie. Eine klare Botschaft: Kriminelle sollen keinen Cent aus ihren Taten behalten. Die Justiz hat die Aufgabe, dies durchzusetzen.

Das Amtsgericht Kehl hat dies unmissverständlich klargemacht. Eine Staatsanwaltschaft wollte 100 Euro Betrugsertrag nicht einziehen – zu gering, zu viel Aufwand. Das Gericht? Es pfefferte diese Argumentation vom Tisch. Für das Gericht zählte nicht der ‚geringe Wert‘, sondern das konkrete Opfer. Hundert Euro sind für viele Menschen eben keine Bagatelle. Die Einziehung funktioniert zudem unkompliziert nach den Regeln für Geldstrafen.

Verstehen Sie: Der Wert der Beute ist nicht länger das entscheidende Kriterium für die Einziehung von Taterträgen.


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Wie läuft die gerichtliche Einziehung von meinem Tatertrag ab?

Die gerichtliche Einziehung des Tatertrags erfolgt direkt im Strafverfahren, oft als Bestandteil des Urteils oder eines schriftlichen Strafbefehls – ein fester Bestandteil der Sanktion, der zeitgleich mit der eigentlichen Strafe angeordnet wird. Das Gericht kann diese Vermögensabschöpfung von Amts wegen in das Verfahren einbeziehen und durchsetzen, selbst wenn die Staatsanwaltschaft aus Pragmatismus oder geringem Wert darauf verzichten wollte. Verbrechen darf sich einfach nicht lohnen.

Warum ist das so? Eine Gesetzesreform im Juli 2017 hat die Position der Opfer massiv gestärkt. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass Kriminelle ihre Beute nicht behalten dürfen und Geschädigte ihr Geld einfacher zurückerhalten. Gerichte sehen sich als Hüter dieses Prinzips, aktiv helfend.

Das Amtsgericht Kehl demonstrierte das eindringlich: Es fügte die Einziehung von 100 Euro einem Strafbefehl hinzu, obwohl die Staatsanwaltschaft den Aufwand scheute. Das Gericht entschied, dass der Staat auch kleine Beträge konsequent einziehen muss; die Feststellungen für den Betrug reichten dafür völlig aus.

Erhält man einen Strafbefehl, unbedingt genau prüfen, ob die Einziehung des Tatertrags mitaufgeführt ist.


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Was tun, wenn die Staatsanwaltschaft meinen Tatertrag nicht einziehen will?

Wenn die Staatsanwaltschaft den Tatertrag nicht einziehen will, bedeutet das für Sie nicht das Aus: Gerichte können die Einziehung auch gegen den Willen der Behörde anordnen. Sie prüfen, ob der Verzicht auf die Vermögensabschöpfung dem Opferschutz und dem Gesetz entspricht, wie ein Fall vor dem Amtsgericht Kehl eindrucksvoll zeigte.

Die Staatsanwaltschaft verzichtet oft aus purer Verfahrensökonomie auf die Einziehung geringerer Beträge. Ein Aufwand von über 100 Euro für die Behörde schien manchen zu viel. Doch Richter agieren als entscheidende Kontrollinstanz: Sie können eine solche Entscheidung kassieren. Das Amtsgericht Kehl machte genau das, als es die Anweisung gab, 100 Euro Tatertrag einzuziehen – obwohl die Staatsanwaltschaft davon absehen wollte.

Der Grund? Eine klare Vorgabe des Gesetzgebers. Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung von 2017 verstärkte den Opferschutz massiv. Der Staat soll aktiv helfen, dass Opfer ihr verlorenes Geld direkt im Strafverfahren zurückerhalten. Verbrechen darf sich nicht lohnen – dieses Prinzip steht über dem vermeintlichen Mehraufwand für die Behörden. Gerichte sehen sich hier in der Pflicht, diese Intention konsequent umzusetzen. Ein Betrag von 100 Euro mag für die Staatskasse klein wirken. Doch für viele Geschädigte ist das ein spürbarer Verlust, der keineswegs irrelevant ist. Das Gericht sah dies ebenso: Ein Verweis auf den umständlichen Zivilweg würde den Geist der Reform aushöhlen.

Wer betroffen ist, sollte daher einen Anwalt konsultieren und die gerichtliche Prüfung der Einziehung aktiv anregen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Einziehung des Tatertrags

Die Einziehung des Tatertrags ist eine staatliche Maßnahme, um kriminell erlangtes Geld oder Vermögenswerte vom Täter einzuziehen. Der Staat will damit Straftaten wirtschaftlich unattraktiv machen und stellt sicher, dass sich Verbrechen für Täter finanziell nicht auszahlen. Dies hilft auch dabei, Opfer schneller zu entschädigen.

Beispiel: Obwohl die Staatsanwaltschaft aus pragmatischen Gründen davon absehen wollte, ordnete das Amtsgericht Kehl die Einziehung des 100 Euro Betrugsertrags an, den der Täter erlangt hatte.

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Opferschutz

Als Opferschutz bezeichnen Juristen die Gesamtheit der Maßnahmen und Prinzipien, die darauf abzielen, geschädigte Personen vor oder nach einer Straftat zu unterstützen und ihre Interessen zu wahren. Das Gesetz stärkt mit diesem Grundsatz die Rechte der Opfer und erleichtert ihnen den Weg zur Wiedergutmachung, beispielsweise durch die direkte Rückführung von Taterträgen im Strafverfahren.

Beispiel: Für das Amtsgericht Kehl war der Opferschutz ein zentrales Anliegen der Gesetzesreform, weshalb es die Einziehung des Betrags von 100 Euro gegen den Willen der Staatsanwaltschaft durchsetzte.

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Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist eine wichtige Gesetzesänderung, die am 1. Juli 2017 in Kraft trat und die Einziehung von Gewinnen aus Straftaten deutlich vereinfacht hat. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Neuregelung Kriminellen konsequent ihre unrechtmäßige Beute entziehen und gleichzeitig Opfern den einfacheren und schnelleren Zugang zu ihrem verlorenen Geld ermöglichen. Das Prinzip „Verbrechen darf sich nicht lohnen“ wurde dadurch massiv gestärkt.

Beispiel: Dank der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung konnte das Amtsgericht Kehl die Einziehung der 100 Euro Beute im Betrugsfall anordnen, auch wenn die Staatsanwaltschaft davon absehen wollte.

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Strafbefehl

Ein Strafbefehl ist ein schriftliches Urteil, das ein Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen kann, um kleinere Straftaten schnell und ohne mündliche Hauptverhandlung zu ahnden. Er spart Zeit und Gerichtskosten, bietet dem Beschuldigten aber trotzdem die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen Einspruch einzulegen, woraufhin es doch zu einer Verhandlung kommt. Damit sollen unkomplizierte Fälle effizient erledigt werden, ohne das Recht auf Verteidigung zu beschneiden.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Strafbefehl gegen den Tatverdächtigen, um den Betrugsfall ohne Gerichtsverhandlung zu einem schnellen Abschluss zu bringen und eine Geldstrafe zu verhängen.

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Verfahrensökonomie

Verfahrensökonomie beschreibt das Prinzip in der Justiz, Ressourcen effizient einzusetzen und unnötigen Aufwand zu vermeiden, indem man beispielsweise bei geringfügigen Delikten auf zeitraubende Maßnahmen verzichtet. Das Ziel ist es, die Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand für geringe Ergebnisse zu überlasten, damit sie sich auf wichtigere Fälle konzentrieren können.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft wollte aus Gründen der Verfahrensökonomie die 100 Euro nicht einziehen, da der Aufwand ihrer Meinung nach in keinem Verhältnis zum geringen Betrag stand.

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Von Amts wegen

Wenn ein Gericht oder eine Behörde von Amts wegen handelt, bedeutet das, dass sie eine Maßnahme oder Entscheidung aus eigenem Antrieb trifft, ohne dass ein Antrag oder eine ausdrückliche Anregung einer Partei nötig ist. Diese Befugnis ermöglicht es der Justiz, auch gegen den Willen einer Partei, hier der Staatsanwaltschaft, im Interesse der Gerechtigkeit oder eines Gesetzeszwecks zu intervenieren.

Beispiel: Das Amtsgericht Kehl handelte von Amts wegen und nahm die Einziehung der 100 Euro wieder in das Verfahren auf, obwohl die Staatsanwaltschaft darauf verzichten wollte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Verbrechen darf sich nicht lohnen (Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung)

    Dieser Grundsatz besagt, dass Kriminelle keine finanziellen Vorteile aus ihren Straftaten ziehen dürfen und Opfer ihr verlorenes Geld leichter zurückerhalten sollen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser zentrale Grundsatz war die treibende Kraft hinter der gerichtlichen Entscheidung, die 100 Euro Betrugsbeute einzuziehen, selbst wenn die Staatsanwaltschaft darauf verzichten wollte.

  • § 73 StGB, § 73c StGB Einziehung des Wertes von Taterträgen

    Diese Regelung erlaubt es dem Staat, Gewinne oder den Wert von Gegenständen, die Täter durch Straftaten erlangt haben, einzuziehen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die eingezogenen 100 Euro für das nie gelieferte Smartphone stellten den finanziellen Vorteil dar, den der Täter aus dem Betrug gezogen hatte, und fielen somit unter diese Regelung.

  • § 421 Abs. 1 StPO Absehen von der Einziehung bei geringem Wert

    Diese Vorschrift erlaubt der Staatsanwaltschaft, unter bestimmten Umständen von der Einziehung kleinerer Vermögenswerte abzusehen, wenn der Aufwand unverhältnismäßig wäre.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Staatsanwaltschaft wollte diese Regelung nutzen, um die Einziehung der 100 Euro aufgrund des geringen Betrags und des angenommenen hohen Aufwands zu vermeiden.

  • § 421 Abs. 2 Satz 1 StPO Wiederaufnahme der Einziehung durch das Gericht

    Diese Regelung ermöglicht es dem Gericht, die Einziehung von Amts wegen anzuordnen, selbst wenn die Staatsanwaltschaft dies nicht beantragt oder darauf verzichtet hat.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht Kehl nutzte genau diese Vorschrift, um die Einziehung der 100 Euro gegen den Willen der Staatsanwaltschaft doch noch durchzusetzen.


Das vorliegende Urteil


AG Kehl, Az.: 2 Cs 505 Js 17762/17, Beschluss vom 08.03.2018


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