Vereinfachtes Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Hauptverhandlung
I. Einleitung Strafbefehlsverfahren
Vielen Nichtjuristen ist der Unterschied zwischen einem Strafbefehl und einem Bußgeldbescheid nicht ohne weiteres geläufig. Der Strafbefehl ist KEIN Bußgeldbescheid, sondern eine strafgerichtliche Verurteilung! Bei dem sog. Strafbefehlsverfahren handelt es sich um ein Verfahren vor dem Amtsgericht (AG), in welchem das Gericht ohne das Stattfinden einer Hauptverhandlung (dazu ausführlicher unsere Beiträge unter der Rubrik Strafrecht-Infos: „Der Ablauf der Hauptverhandlung“ sowie „Verhaltenstipps Hauptverhandlung im Strafverfahren“) entscheidet. Der Verzicht auf eine Hauptverhandlung hat sowohl Vorteile als auch Nachteile. Einerseits profitiert der Beschuldigte davon, dass ihm die grundsätzlich öffentliche (§ 169 GVG) Hauptverhandlung erspart bleibt. Andererseits findet lediglich eine „summarische Prüfung“ statt, d.h. das Gericht muss nicht von der Schuld des Beschuldigten überzeugt sein, sondern es ist schon ausreichend, wenn die Schuld des Beschuldigten wahrscheinlich ist. Ein Strafbefehlsverfahren kommt nur bei Vergehen in Betracht. Vergehen sind nach § 12 Abs.2 StGB Taten, die mit Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind. Typische Anwendungsfälle sind Fälle aus dem Bereich der Bagatellkriminalität wie beispielsweise Fahren ohne Fahrerlaubnis, Sachbeschädigungen, Diebstahl, Beleidigung, Körperverletzung etc. Gegen Jugendliche kann ein Strafbefehl übrigens nicht ergehen.
II. Ablauf und Rechtsfolgen eines Strafbefehlsverfahren
Der Ablauf dieses Verfahrens gestaltet sich so, dass die zuständige Staatsanwaltschaft den Erlass des Strafbefehls beim Gericht beantragt. Nun hat das Gericht drei Möglichkeiten zu reagieren: 1.) Hat es keine Bedenken im konkreten Fall ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, so erlässt es den Strafbefehl und stellt ihn dem Angeklagten zu. 2.) Hat das Gericht Bedenken ohne Hauptverhandlung zu entscheiden (z.B. wegen der Bedeutung der Sache oder um Nebenumstände aufzuklären), so wird es eine Hauptverhandlung anberaumen. 3.) Hält der Richter den Beschuldigten nicht für hinreichend verdächtig, lehnt er den Erlass des Strafbefehls ab. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Im Wege eines Strafbefehlsverfahrens dürfen nur bestimmte, im Gesetz abschließend geregelte Rechtsfolgen festgesetzt werden. In Betracht kommen somit: Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Verfall, Einziehung, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Bekanntgabe der Verurteilung und Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung, Entziehung der Fahrerlaubnis, bei der die Sperre nicht mehr als zwei Jahre beträgt, sowie das Absehen von Strafe. Daneben kann auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Die genannten Rechtsfolgen können dabei sowohl einzeln als auch nebeneinander festgesetzt werden.
III. Rechtsbehelf und Rechtsmittel
Gegen einen vom Gericht erlassenen Strafbefehl kann der Beschuldigte Einspruch einlegen. Der Einspruch muss binnen zwei Wochen ab Zustellung des Strafbefehls beim Amtsgericht eingelegt werden. Ist der Einspruch verspätet oder aus einem anderen Grund (z.B. wegen Formmängel) unzulässig, verwirft das Gericht den Einspruch durch Beschluss. Gegen diesen Beschluss kann der Angeklagte dann nochmal durch Einlegung einer sofortigen Beschwerde eine Überprüfung durch die nächste Instanz herbeiführen.
Ist der Einspruch hingegen zulässig und insbesondere fristgemäß erfolgt, so wird das Gericht einen Termin für die Hauptverhandlung anberaumen und führt dann ein normales Hauptverfahren gegen den Angeklagten durch. Aber: bei der Entscheidung aufgrund eines zulässigen Einspruchs gilt das sog. Verbot der Schlechterstellung („reformatio in peius“) nicht, d.h. wer gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegt, geht unter Umständen das Risiko einer höheren Bestrafung ein. Gegen das Urteil des Amtsrichters kann der Verurteilte die normalen Rechtsmittel, also v.a. die Berufung, einlegen. Erscheint der Angeklagte zur Hauptverhandlung nicht (und wird auch nicht anwaltlich vertreten), verwirft der Richter seinen Einspruch durch Urteil, gegen das der Angeklagte wiederum Berufung einlegen kann. Der Strafbefehl steht, soweit gegen ihn nicht rechtzeitig Einspruch erhoben wurde, einem rechtskräftigen Urteil gleich. Es handelt sich somit um eine vollstreckbare Entscheidung. Die in der Praxis am häufigsten ausgesprochene Rechtsfolge ist die Geldstrafe, die bis zu 360 Tagessätzen, bei Tatmehrheit gemäß § 54 Abs. 2 StGB bis zu 720 Tagessätzen betragen kann. Auch wenn das Mittel der Wahl im Regelfall die Geldstrafe sein wird, so geht es doch gerade in Straßenverkehrssachen häufig um die Entziehung der Fahrerlaubnis gem. §§ 69, 69a StGB, die grundsätzlich mit der Einschränkung zulässig ist, dass die Sperre nach § 69a Abs. 1 StGB nicht mehr als zwei Jahre betragen darf (vgl. § 407 Abs. 2 StPO).
Information: Was ist ein Tagesssatz?
Die Geldstrafe im Strafbefehl wird in Tagessätzen verhängt. Die Höhe eines Tagessatzes richtet sich dabei nach dem Nettoeinkommen des Beschuldigten. Dabei wird das Nettoeinkommen durch 30 geteilt.
Bsp: Der Beschuldigte hat ein Nettoeinkommen von 1500 €. Daraus lässt sich ein Tagessatz von 50 € errechnen (Nettoeinkommen geteilt durch 30 = Tagessatz). Verurteilt der Strafbefehl beispielsweise zu 20 Tagessätzen, so wäre die Höhe des Gesamtstrafe: 20 Tagessätze multipliziert mit der Höhe des Tagessatzes (im Beispiel: 50 €) = 1000 €. Im Ergebnis beträgt die Geldstrafe also 1000 €.
Praxistipp: Es kann sich in einigen – dafür besonders geeigneten – Fällen anbieten, dass der Verteidiger von sich aus bei der Staatsanwaltschaft den Erlass eines Strafbefehls anregt. Auf diese Weise lassen sich für den Beschuldigten die Belastung und/oder öffentliche Aufmerksamkeit, die eine Hauptverhandlung nun mal mit sich bringt, unter Umständen gänzlich vermeiden. Wir beraten Sie gerne!
Dieser Artikel stellt nur einen groben Überblick über das Strafbefehlsverfahren dar. Generell empfiehlt es sich, einen Strafbefehl durch einen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Ohne Akteneinsicht lassen sich die die Erfolgsaussichten eines Einspruchs nicht seriös beurteilen. Haben Sie einen Strafbefehl erhalten und möchten Einspruch dagegen einlegen? Gerne stehen Ihnen die Strafverteidiger der Rechtsanwaltskanzlei Kotz aus Kreuztal bei Siegen dabei zur Verfügung. Sprechen Sie uns an und vereinbaren Sie noch heute einen Beratungstermin oder nutzen Sie bequem die Funktion unserer Online-Beratung.