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Die Beleidigung von Richtern durch Meinungsfreiheit: Was ist noch zulässig?

Weil er Justizmitarbeiter per E-Mail scharf kritisierte und von „Betrug“ sprach, wurde ein Angeklagter wegen Beleidigung von Richtern angeklagt. Doch die Justiz sah in den harten Worten keine Schmähkritik, sondern ein geschütztes Werturteil im „Kampf ums Recht“.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 ORs 4 SRs 74/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
  • Datum: 25.03.2025
  • Aktenzeichen: 6 ORs 4 SRs 74/24
  • Verfahren: Revision im Strafverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Grundrechte

  • Das Problem: Ein Angeklagter versandte während laufender Verfahren E-Mails an Justizmitarbeiter mit sehr scharfen Vorwürfen wie Rechtsbeugung und Betrug. Er wurde in den Vorinstanzen wegen Beleidigung verurteilt.
  • Die Rechtsfrage: Überschreiten derart scharfe Vorwürfe gegen Justizmitarbeiter die Grenze zur strafbaren Beleidigung, oder sind sie noch von der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt?
  • Die Antwort: Nein, der Angeklagte wurde freigesprochen. Die Äußerungen gelten im Kontext des Rechtsstreits als subjektive Werturteile und Systemkritik, weshalb die Meinungsfreiheit den Ehrenschutz überwiegt.
  • Die Bedeutung: Sehr scharfe und verletzende Kritik gegenüber Justiz und Behörden ist im Rahmen eines Rechtsstreits strafrechtlich nicht zwingend verfolgbar, solange die Äußerungen einen erkennbaren Bezug zum Verfahren haben.

Richter als „Betrüger“ und „Nazis“ bezeichnet: Warum schützt die Meinungsfreiheit selbst solch extreme Kritik?

Ein Mann bezeichnet eine Richterin als „Rechtsbeugerin“ und „Betrügerin“, wirft Justizmitarbeitern vor, Teil eines „Nazi Vereins“ zu sein und Kriegsverbrechen zu begehen. Zweimal wird er dafür wegen Beleidigung verurteilt.

Wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung in dieser Schmähkritik muss das Revisionsgericht die Grenzen der Meinungsfreiheit neu ziehen.
Meinungsfreiheit schützt selbst harsche Kritik an Richtern, entschied das OLG Koblenz. | Symbolbild: KI

Doch dann folgt die Wende: Die höchste Instanz spricht ihn frei. In einem aufsehenerregenden Urteil vom 25. März 2025 hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz (Az. 6 ORs 4 SRs 74/24) die Grenzen der Kritik an der Justiz ausgelotet und damit eine grundlegende Frage beantwortet: Wie weit darf der „Kampf ums Recht“ gehen, bevor er zur strafbaren Handlung wird? Die Entscheidung zeigt eindrücklich, wie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit selbst harsche und in der Sache haltlose Angriffe auf den Staat und seine Vertreter schützen kann.

Was war der Auslöser für die scharfen E-Mails?

Der Fall entsprang nicht aus dem Nichts, sondern war das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung des Mannes mit der Justiz. Er befand sich bereits in mehreren Straf- und Bewährungsverfahren. In diesem Kontext verfasste er eine Reihe von E-Mails, die er an das Amtsgericht Trier, das Polizeipräsidium und seine eigene Pflichtverteidigerin schickte.

In den ersten E-Mails vom Oktober 2022, die sich auf ein laufendes Strafverfahren bezogen, griff er die zuständige Richterin und andere „Scheinbeamte“ scharf an. Er warf ihnen „Betrug“ und „Landesverrat“ vor und drohte: „Ich werde Sie alle dafür bluten lassen, egal wie lange es dauert und was es mich kosten wird.“ Er kündigte an, die Richterin werde ihn einsperren, „um ihren Betrug zu verdecken“. Seine Argumentation stützte er auf eine umfassende Systemkritik, in der er die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland infrage stellte.

Eine weitere E-Mail folgte im Dezember 2022 im Rahmen eines Bewährungsverfahrens. Adressiert an eine namentlich genannte Geschäftsstellenmitarbeiterin des Amtsgerichts, trug die Nachricht den Betreff „fortgeführtes Nazi Deutschland“. Darin behauptete der Mann, die Bundesrepublik sei die Rechtsnachfolgerin des Dritten Reichs, wende Nazi-Gesetze an und verstoße gegen das Völkerrecht. Er schloss mit der Aussage: „Ich habe mit Ihrem Nazi Verein nichts zu tun“.

Das Amtsgericht Trier und in der Berufung auch das Landgericht Trier sahen darin eine klare Grenzüberschreitung. Sie verurteilten den Mann wegen Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch) zu einer Freiheitsstrafe. Aus ihrer Sicht handelte es sich um schwere Ehrverletzungen, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Der Mann legte gegen diese Entscheidung Revision ein – und bekam vor dem Oberlandesgericht Koblenz überraschend Recht.

Welches Spannungsfeld mussten die Richter hier auflösen?

Im Zentrum dieses Falles stehen zwei mächtige Rechtsprinzipien, die in einen direkten Konflikt geraten sind. Auf der einen Seite steht der Schutz der persönlichen Ehre, verankert im Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB). Dieses Gesetz schützt Personen davor, durch herabwürdigende Äußerungen in ihrem Ansehen geschädigt zu werden. Gerade Richter und Justizmitarbeiter sind auf den Schutz ihrer Integrität angewiesen, um ihre Aufgaben ohne Furcht vor persönlichen Angriffen erfüllen zu können.

Auf der anderen Seite steht eines der wichtigsten Grundrechte unserer Verfassung: die Meinungsfreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Sie erlaubt es jedem, seine Meinung frei zu äußern, auch wenn diese scharf, polemisch oder in der Sache falsch ist. Dieses Recht ist fundamental für eine offene demokratische Debatte, insbesondere wenn es um Kritik an staatlichem Handeln geht.

Die Aufgabe des Gerichts war es, zwischen diesen beiden Prinzipien abzuwägen. Es musste klären, ob die Äußerungen des Mannes eine strafbare Verletzung der Ehre darstellten oder ob sie als – wenn auch extreme – Meinungsäußerung im „Kampf ums Recht“ vom Grundgesetz geschützt waren.

Warum hob das Oberlandesgericht die Verurteilungen auf?

Die Richter des OLG Koblenz hoben die Urteile der Vorinstanzen nicht auf, weil sie die Wortwahl des Angeklagten guthießen, sondern weil sie nach einer tiefgehenden verfassungsrechtlichen Prüfung zu einem anderen Ergebnis kamen. Ihre Argumentation folgte einer klaren, dreistufigen Logik.

Schritt 1: Warum handelte es sich um Werturteile und nicht um Tatsachenbehauptungen?

Zuerst musste das Gericht die Äußerungen einordnen. Im Presserecht und Strafrecht wird streng zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden.

  • Eine Tatsachenbehauptung ist dem Beweis zugänglich. Die Aussage „Person X hat Geld gestohlen“ ist entweder wahr oder falsch.
  • Ein Werturteil hingegen ist eine subjektive Meinung oder Stellungnahme. Die Aussage „Person X ist ein schlechter Mensch“ kann man nicht beweisen, sondern nur teilen oder ablehnen.

Werturteile genießen einen weitreichenderen Schutz durch die Meinungsfreiheit als Tatsachenbehauptungen. Die Vorwürfe des Mannes – „Betrüger“, „Rechtsbeugerin“, „Nazi Verein“ – klingen zunächst wie harte Fakten. Das OLG Koblenz argumentierte jedoch, dass diese Begriffe im Gesamtkontext der E-Mails zu sehen seien. Der Mann habe keine konkreten, nachprüfbaren Fakten für seine Vorwürfe geliefert. Stattdessen bettete er sie in eine allgemeine, substanzarme Systemkritik an der Bundesrepublik ein. Daher stufte das Gericht die Äußerungen als überwiegend subjektive Werturteile ein, die grundsätzlich vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst sind.

Schritt 2: Lag eine der Ausnahmen wie Schmähkritik vor?

Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht grenzenlos. Selbst Werturteile können strafbar sein, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten. Die wichtigste Ausnahme ist die sogenannte Schmähkritik. Von Schmähkritik spricht man, wenn eine Äußerung keinen sachlichen Bezug mehr hat und es dem Sprecher einzig und allein darum geht, eine Person zu diffamieren und verächtlich zu machen.

Die Vorinstanzen hatten die E-Mails des Mannes in diese Richtung interpretiert. Das OLG Koblenz widersprach jedoch. Zwar seien die Formulierungen scharf und verletzend. Sie standen aber in einem erkennbaren Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren, in denen sich der Angeklagte befand. Seine Kritik, so abwegig sie auch sein mochte, war sein Versuch, sich juristisch zur Wehr zu setzen. Da ein Sachbezug vorhanden war, lag laut OLG keine reine Schmähkritik vor, bei der die persönliche Herabwürdigung im Vordergrund steht. Auch andere Ausnahmen wie ein Angriff auf die Menschenwürde oder eine reine Formalbeleidigung (z.B. die Verwendung von Fäkalbegriffen) verneinte das Gericht.

Schritt 3: Wie fiel die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz aus?

Da keine der klaren Ausnahmen griff, musste das Gericht den entscheidenden Schritt vollziehen: die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Mannes und dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Justizmitarbeiter. Dabei legte es folgende Aspekte in die Waagschalen:

Was sprach für die Meinungsfreiheit?

  • Der Kontext: Die Äußerungen fielen im Rahmen eines laufenden Rechtsstreits. Im „Kampf ums Recht“ sind auch scharfe und polemische Angriffe erlaubt, um die eigene Position zu verteidigen.
  • Die Adressaten: Die E-Mails gingen an einen kleinen, justizinternen Kreis (Gericht, Polizei, Anwälte). Es fand keine öffentliche Anprangerung statt, die die Wirkung massiv verstärkt hätte.
  • Das Motiv: Die Kritik richtete sich erkennbar gegen die staatliche Gewalt und das Justizsystem als Ganzes, nicht nur gegen die Privatpersonen.

Was sprach für den Schutz der Ehre?

  • Die Härte der Vorwürfe: Begriffe wie „Rechtsbeugung“, „Betrug“ oder der Nazi-Vergleich wiegen für Amtsträger besonders schwer, da sie deren berufliche und persönliche Integrität im Kern treffen.

Im Ergebnis dieser Abwägung kam der Senat zu dem Schluss, dass die Meinungsfreiheit des Angeklagten überwiegen musste. Der Schutz der Meinungsfreiheit sei gerade für Kritik an der öffentlichen Gewalt von fundamentaler Bedeutung. Auch wenn die Äußerungen objektiv den Tatbestand der Beleidigung erfüllten, waren sie durch Artikel 5 des Grundgesetzes gerechtfertigt. Der Angeklagte war daher freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO).

Warum folgten die Richter nicht der Argumentation der Vorinstanzen?

Das OLG kritisierte die Vorgehensweise des Landgerichts. Dieses habe einzelne Äußerungen isoliert betrachtet, anstatt sie in den Gesamtkontext der E-Mails und der umfassenden Systemkritik des Mannes einzuordnen. Eine solche isolierte Betrachtung könne das Ergebnis verzerren. Indem das OLG den Gesamtzusammenhang in den Fokus rückte, gelangte es zur Einstufung als zulässige, wenn auch extreme Meinungsäußerung.

Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?

Das Urteil ist kein Freibrief für wüste Beschimpfungen von Richtern oder Beamten. Das OLG Koblenz betonte ausdrücklich, dass der Freispruch keine Billigung der Wortwahl sei und solche Angriffe die sachliche Atmosphäre vergiften. Strafbar waren sie in diesem konkreten Fall aber nicht. Die Entscheidung liefert jedoch wichtige Anhaltspunkte dafür, wo die Grenze zwischen zulässiger Kritik und strafbarer Beleidigung verläuft.

Checkliste: So üben Sie zulässige Kritik an Gerichten und Behörden

  • Bleiben Sie bei der Sache: Solange Ihre Kritik einen erkennbaren Bezug zu einem konkreten Vorgang (z. B. einem Verfahren, einem Bescheid) hat, ist sie eher geschützt. Vermeiden Sie Angriffe, die sich ausschließlich auf die Person des Amtsträgers beziehen und keinen Sachbezug mehr erkennen lassen.
  • Vorsicht bei Tatsachenbehauptungen: Wenn Sie überprüfbare Fakten behaupten (z. B. „Der Beamte hat das Dokument XY verschwinden lassen“), müssen Sie diese im Zweifel auch beweisen können. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.
  • Erkennen Sie den Unterschied zur Schmähkritik: Fragen Sie sich: Dient meine Kritik der Auseinandersetzung in der Sache oder will ich die Person nur noch persönlich herabwürdigen? Sobald die Diffamierung das einzige Ziel ist, bewegen Sie sich im Bereich der strafbaren Schmähkritik.
  • Der Kontext ist entscheidend: Eine scharfe Äußerung in einem vertraulichen Schreiben an eine Behörde wird anders bewertet als die gleiche Äußerung auf einem öffentlichen Plakat oder in den sozialen Medien. Die Reichweite und der Adressatenkreis spielen bei der Abwägung eine große Rolle.
  • Freispruch bedeutet keine Zustimmung: Selbst wenn eine Äußerung rechtlich noch zulässig ist, kann sie sozial und politisch inakzeptabel sein. Der Freispruch des OLG bedeutet lediglich, dass die Schwelle zur Strafbarkeit hier noch nicht überschritten war – nicht, dass die Kritik angemessen oder berechtigt gewesen wäre.

Die Urteilslogik

Die Meinungsfreiheit schützt selbst extremste Kritik an der Justiz, solange die Äußerungen einen erkennbaren Bezug zu einem Rechtsstreit aufweisen.

  • Der Schutz subjektiver Systemkritik: Beschuldigungen, die schwere Straftaten implizieren (wie Rechtsbeugung oder Betrug), gelten als geschützte Werturteile, wenn sie substanzarm und in eine allgemeine Kritik am staatlichen System eingebettet sind.
  • Die hohe Schwelle der Schmähkritik: Kritik an Amtsträgern verliert ihren grundrechtlichen Schutz erst, wenn die persönliche Diffamierung das alleinige Ziel darstellt und jeglicher sachliche Zusammenhang mit dem juristischen Vorgang fehlt.
  • Priorität im Rechtskampf: Im Rahmen eines laufenden Rechtsstreits wiegt die Meinungsfreiheit besonders schwer, weil der Bürger auch scharfe und polemische Mittel zur Verteidigung seiner Rechtsposition einsetzen darf, sofern die Äußerung nicht massiv öffentlich verbreitet wird.

Für die Beurteilung der Strafbarkeit muss das Gericht Äußerungen stets im gesamten Kontext der zugrundeliegenden Auseinandersetzung würdigen und isolierte Betrachtungen vermeiden.


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Experten Kommentar

Viele denken, wer Richter als „Nazi“ oder „Betrüger“ tituliert, handelt sich automatisch eine Verurteilung ein. Dieses Urteil liefert die strategische Erkenntnis, dass der Schutz der Meinungsfreiheit im „Kampf ums Recht“ verfassungsgemäß extrem hoch hängt. Entscheidend war, dass die Wut-Mails noch einen Bezug zu den laufenden Verfahren hatten und nicht nur der reinen, grundlosen Diffamierung dienten. Das OLG Koblenz bestätigt konsequent: Bei Kritik an der Staatsgewalt muss das Recht viel aushalten, bevor die Schwelle zur strafbaren Schmähkritik überschritten ist.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann ist Kritik an Richtern und Beamten durch die Meinungsfreiheit noch gedeckt?

Die Meinungsfreiheit schützt Kritik an Amtsträgern selbst dann, wenn die Formulierungen extrem polemisch oder verletzend sind. Entscheidend ist, dass Ihre Äußerung einen erkennbaren Sachbezug zu einem konkreten Verfahren oder staatlichen Handeln aufweist. Der Schutz endet erst, wenn die Kritik in reine, sachfremde Diffamierung, die sogenannte Schmähkritik, umschlägt. Das Grundgesetz toleriert scharfe Worte, solange sie im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung stehen.

Der Gesetzgeber erlaubt scharfe Angriffe, weil die Meinungsfreiheit Kritik an der öffentlichen Gewalt besonders schützen muss. Im sogenannten Kampf ums Recht dürfen Bürger ihre Positionen auch mit harten Bandagen verteidigen, selbst wenn die Vorwürfe in der Sache haltlos erscheinen. Gerichte prüfen, ob die Äußerung das Justizsystem oder die Amtsführung des Beamten infrage stellt und nicht nur die Privatperson beleidigt. Diese juristische Abwägung sichert die Offenheit der demokratischen Debatte.

Für den Schutz ist die Einstufung als subjektives Werturteil unabdingbar. Dies bedeutet, dass die Äußerung lediglich eine emotionale Bewertung darstellt, wie zum Beispiel eine allgemeine Bezeichnung als „korrupt“ oder „Betrüger“. Unwahre Tatsachenbehauptungen, etwa der konkrete Vorwurf der Aktenfälschung, sind hingegen nie gedeckt und führen direkt zur Strafbarkeit wegen übler Nachrede oder Verleumdung. Fehlt der Bezug zur Amtsausübung gänzlich, liegt eine reine Formalbeleidigung vor, die fast immer strafbar ist.

Dokumentieren Sie sofort schriftlich, welche konkrete behördliche Entscheidung Ihre Kritik ausgelöst hat, um den notwendigen Sachbezug zu belegen.


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Ist der Vorwurf „Nazi“ oder „Betrüger“ an Justizmitarbeiter eine strafbare Beleidigung?

Die Verwendung extrem harter Begriffe wie „Nazi“ oder „Betrüger“ erfüllt objektiv den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB. Die Strafbarkeit entfällt aber unter bestimmten Voraussetzungen. Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte, dass diese Vorwürfe nicht zwingend verfolgt werden müssen, wenn sie im Kontext als Systemkritik geäußert werden. Entscheidend für den juristischen Ausgang ist die Einstufung der Äußerung.

Der Schutz der Meinungsfreiheit greift nur dann, wenn die Begriffe nicht als Tatsachenbehauptungen interpretiert werden. Im Fall des OLG Koblenz fehlte dem Mann der Beweis für die Anschuldigungen der Rechtsbeugung oder des Betrugs. Die Richter werteten die Vorwürfe daher nicht als nachprüfbare Fakten, sondern als subjektive, wenn auch substanzarme, Werturteile. Sie richteten sich primär gegen das Justizsystem als Ganzes und waren in eine umfassende Infragestellung eingebettet.

Wichtig ist die Abgrenzung zur Tatsachenbehauptung: Solche Begriffe sind geschützt, wenn sie in eine allgemeine Kritik staatlicher Legitimität eingebettet sind. Würden Sie jedoch spezifische, unwahre Handlungen behaupten, verlieren Sie diesen Schutz sofort. Nehmen wir an: Sie behaupten, die Richterin hätte letzte Woche Akten gefälscht. Solche präzisen Anschuldigungen sind nicht vom Grundrecht gedeckt und führen direkt zu einer Verurteilung wegen übler Nachrede oder Verleumdung.

Prüfen Sie Ihre schriftlichen Äußerungen: Handelt es sich um eine emotionale Bewertung des Systems oder um Anschuldigungen beweisbarer, spezifischer Handlungen.


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Wie unterscheide ich zwischen einem geschützten Werturteil und strafbarer Schmähkritik?

Die Abgrenzung von zulässigem Werturteil und strafbarer Schmähkritik ist in der Praxis oft schwierig. Schmähkritik liegt ausschließlich dann vor, wenn eine Äußerung jeglichen erkennbaren Sachbezug vermissen lässt. Sobald das einzige Ziel der Kommunikation die Diffamierung und Herabwürdigung des Adressaten ist, überschreiten Sie die Grenze zur Strafbarkeit. Die Schärfe oder Polemik der Worte allein reicht für diesen schweren Vorwurf der Schmähkritik nicht aus.

Der Schutz der Meinungsfreiheit fällt erst weg, wenn die Kritik zu einem reinen, inhaltsleeren Angriff verkommt. Die Rechtsprechung, wie das Oberlandesgericht Koblenz betonte, prüft stets das Motiv des Sprechers. War erkennbar, dass die Äußerungen im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit oder einer amtlichen Entscheidung stehen, wird Schmähkritik meistens verneint. Hier liegt trotz aller Schärfe noch eine Auseinandersetzung in der Sache vor, selbst wenn die Formulierungen extrem verletzend sind.

Konkret: Greifen Sie einen Beamten mit harschen Worten wegen eines fehlerhaften Bescheids an, liegt wahrscheinlich ein geschütztes Werturteil mit Sachbezug vor. Fehlt dieser Sachbezug komplett, zum Beispiel bei der Verwendung reiner Formalbeleidigungen wie Fäkalsprache oder bei direkten Angriffen auf die Menschenwürde, liegt fast immer eine strafbare Schmähkritik vor. Solche Äußerungen dienen ausschließlich der persönlichen Herabsetzung und sind damit nicht mehr vom Grundrecht gedeckt.

Überprüfen Sie Ihre Äußerung kritisch und entfernen Sie alle Wörter, die keinen Bezug zum Verfahrensablauf haben und nur der persönlichen Diffamierung dienen.


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Was droht mir, wenn ich über einen Richter unwahre Tatsachen behaupte?

Unwahre Tatsachenbehauptungen stellen den größten Risikofaktor in der Justizkritik dar. Sie sind im Gegensatz zu Werturteilen nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt und führen direkt zur Strafbarkeit. Können Sie Ihre Behauptung nicht beweisen, drohen empfindliche Strafen wegen Beleidigung, übler Nachrede oder im schlimmsten Fall Verleumdung.

Der Schutz des Grundgesetzes endet abrupt, sobald Sie überprüfbare, aber falsche Fakten verbreiten. Eine Tatsachenbehauptung ist eine Aussage, die objektiv wahr oder falsch sein kann – zum Beispiel: „Der Richter hat Akten gefälscht.“ Liefern Sie diesen konkreten Beweis vor Gericht nicht, gilt die Äußerung als unwahr. In diesem Moment findet keine juristische Abwägung zwischen Ihrem Recht auf Meinung und dem Ehrschutz des Richters statt.

Dies unterscheidet sich fundamental von einem subjektiven Werturteil wie „Die Entscheidung ist inkompetent.“ Bei unwahren Tatsachenbehauptungen steht die massive Schädigung des Ansehens des Amtsträgers im Vordergrund. Wenn Sie Bestechlichkeit oder Korruption unterstellen, ohne einen Beleg dafür vorzulegen, haften Sie im vollen Umfang. Der Versuch, konkrete Straftaten zu behaupten, ohne unwiderlegbare Belege zu besitzen, ist juristisch gesehen extrem gefährlich.

Sammeln und organisieren Sie sofort alle objektiven Beweismittel, welche die Wahrheit Ihrer spezifischen Anschuldigung belegen, oder formulieren Sie die Aussage in ein allgemeines, subjektives Werturteil um.


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Spielt es eine Rolle, ob ich meine Justizkritik intern oder öffentlich verbreite?

Ja, der gewählte Adressatenkreis ist juristisch von entscheidender Bedeutung. Scharfe Kritik an Beamten oder Richtern wird grundlegend anders bewertet, je nachdem, ob sie vertraulich oder öffentlich erfolgt. Eine identische Äußerung in den sozialen Medien erzeugt eine massive Diffamierungswirkung. Im Gegensatz dazu minimiert die interne Kommunikation mit einem kleinen Kreis die juristischen Folgen erheblich.

Gerichte müssen bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz immer die potenzielle Reichweite der Äußerung berücksichtigen. Richtet sich die Kritik nur an einen kleinen, justizinternen Kreis, wie beispielsweise in E-Mails an das Gericht, die Polizei oder involvierte Anwälte, besteht kein Interesse an einer öffentlichen Anprangerung. Richter und Beamte müssen im direkten Dienstverkehr eine gewisse Schärfe in der Auseinandersetzung eher hinnehmen. Im Kontext des „Kampfes ums Recht“ wiegt die Meinungsfreiheit des Kritikers in diesem Fall oft schwerer.

Wird dieselbe Äußerung jedoch öffentlich verbreitet – etwa auf einem Blog, in den Medien oder über die sozialen Medien – verschiebt sich die juristische Abwägung drastisch. Die enorme Reichweite im öffentlichen Raum verstärkt die Herabwürdigung des Amtsträgers massiv. Dies zerstört den Kontext der vertraulichen Kommunikation. Konkret führt die öffentliche Verbreitung oft dazu, dass die scharfe Kritik als strafbare Verletzung der Ehre eingestuft wird. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts überwiegt dann, weil der gewählte Kommunikationsweg eine ungezielte Schädigung ermöglicht.

Wenn Sie kritische Gedanken äußern müssen, wählen Sie stets den engstmöglichen Adressatenkreis, um die Rechtsfolgen Ihrer Kommunikation zu minimieren.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Ehrschutz

Der Ehrschutz ist das juristische Prinzip, das die persönliche Integrität und das Ansehen einer Person vor Herabwürdigung durch Dritte schützt. Das Strafgesetzbuch sichert diesen Schutz in Paragrafen wie der Beleidigung (§ 185 StGB) und der Verleumdung, weil jeder Bürger das Recht hat, in seinem sozialen und beruflichen Umfeld respektiert zu werden.
Beispiel: Das Gericht musste im vorliegenden Fall den Ehrschutz der betroffenen Justizmitarbeiter mit der Meinungsfreiheit des Angeklagten abwägen, da harsche Angriffe auf die berufliche Integrität von Amtsträgern besonders schwer wiegen.

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Formalbeleidigung

Eine Formalbeleidigung liegt vor, wenn jemand eine andere Person mithilfe von Fäkalsprache oder anderen absolut unanständigen Formulierungen angreift, die keinerlei inhaltlichen Bezug mehr erkennen lassen. Juristen behandeln die Formalbeleidigung als Ausnahmefall der Schmähkritik, da die Äußerung in diesen Fällen ausschließlich der persönlichen Herabsetzung dient und somit nahezu nie durch Artikel 5 GG geschützt ist.
Beispiel: Hätte der Angeklagte in seinen E-Mails reine Formalbeleidigungen verwendet, anstatt auf die Justiz als „Nazi Verein“ zu zielen, wäre die Meinungsfreiheit nicht mehr als Rechtfertigungsgrund heranzuziehen gewesen.

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Schmähkritik

Schmähkritik ist eine strafrechtliche Ausnahme, bei der die Meinungsfreiheit endet, weil die Äußerung keinen sachlichen Bezug mehr hat und dem Sprecher nur die Diffamierung und Verächtlichmachung der Person wichtig ist. Dieses Konzept stellt sicher, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht zum Freibrief für reine Hassreden verkommt; sobald die persönliche Herabwürdigung absolut im Vordergrund steht, verliert der Kritiker seinen verfassungsrechtlichen Schutz.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Koblenz verneinte im konkreten Fall eine Schmähkritik, da die Beleidigungen in einem erkennbaren Zusammenhang mit den laufenden Gerichtsverfahren standen und somit ein Sachbezug vorhanden blieb.

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Tatsachenbehauptung

Eine Tatsachenbehauptung ist eine Aussage, die dem Beweis zugänglich ist und objektiv als wahr oder falsch überprüft werden kann. Falsche Tatsachenbehauptungen sind niemals durch die Meinungsfreiheit geschützt, weil das Gesetz verhindern will, dass Personen gezielt durch das Verbreiten nachprüfbar unwahrer Informationen in ihrer Ehre beschädigt werden.
Beispiel: Hätte der Mann behauptet, die Richterin hätte letzte Woche Akten gefälscht, wäre dies eine unwahre Tatsachenbehauptung gewesen, was zu einer Verurteilung wegen Verleumdung geführt hätte.

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Werturteil

Juristen bezeichnen ein Werturteil als eine subjektive Meinungsäußerung oder Stellungnahme, die man weder beweisen noch widerlegen kann, sondern nur teilen oder ablehnen. Werturteile genießen im deutschen Recht einen besonders weitreichenden Schutz durch Artikel 5 GG, weil die offene, demokratische Debatte gerade von der Möglichkeit lebt, eigene, oft auch scharfe, Standpunkte frei äußern zu dürfen.
Beispiel: Das OLG Koblenz stufte die Vorwürfe des Angeklagten als überwiegend subjektive Werturteile ein, da er die Begriffe „Betrüger“ und „Nazi Verein“ im Rahmen einer allgemeinen, substanzarmen Systemkritik äußerte.

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Das vorliegende Urteil


OLG Koblenz – Az.: 6 ORs 4 SRs 74/24 – Urteil vom 25.03.2025


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