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Alkoholfahrt – vorläufige Fahrerlaubnisentziehung – Belehrungsfehler

LG Köln – Az.: 101 Qs 26/20 – Beschluss vom 16.04.2020

Auf die Beschwerde der Beschuldigten vom 23.03.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 26.02.2020 (716 Gs 36/20) wird dieser aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft Köln vom 19.02.2020 auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis abgelehnt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Die gemäß § 304 StPO statthafte und zulässige Beschwerde der Beschuldigten hat in der Sache Erfolg, denn es sind keine dringenden Gründe i.S.d. § 111a Abs. 1 StPO für die Annahme vorhanden, dass der Beschuldigten gemäß §§ 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2, 316 StGB die Fahrerlaubnis entzogen werden wird.

Alkoholfahrt – vorläufige Fahrerlaubnisentziehung - Belehrungsfehler
(Symbolfoto: Von Viacheslav Nikolaenko/Shutterstock.com)

Die Beschuldigte ist nicht dringend verdächtig, am 24.11.2019 gegen 02:30 Uhr im Bereich A, Höhe Hausnummer 64, in B im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben (§ 316 StGB). Zwar ergibt sich aus den aus den Angaben des C in der Strafanzeige vom 24.11.2019 sowie aus den Alkohol-Befunden des rechtsmedizinischen Instituts der Uniklinik Köln vom 26.11.2019, dass die Beschuldigte zu dieser Zeit erheblich alkoholisiert war. Die vorgenannten Alkohol-Befunde belegen für den Entnahmezeitpunkt um 03:15 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 2,09 Promille und für den Entnahmezeitpunkt 03:46 Uhr von 1,99 Promille. Der Grenzwert sog. absoluter Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB (1,1 Promille) war damit weit überschritten.

Es besteht aber kein dringender Tatverdacht dahingehend, dass die Beschuldigte im alkoholisierten Zustand ein Kraftfahrzeug geführt hat. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand sind dies belegende Beweismittel, etwa Augenzeugen, nicht vorhanden. Der Tatverdacht stützt sich allein auf die von der Beschuldigten auf Befragen der Polizeibeamten hin erfolgte Äußerung, sie habe das Fahrzeug kurz vor Eintreffen der Polizeibeamten, nämlich gegen 02:30 Uhr, zuletzt geführt.

Diese Erstangaben der Beschuldigten sind allerdings aufgrund eines Belehrungsfehlers nicht verwertbar; ein entsprechender Widerspruch gegen die Verwertbarkeit der Angaben ist von der Verteidigung auch bereits erhoben worden. Im Zeitpunkt der polizeilichen Befragung, wann sie das Fahrzeug zuletzt geführt hatte, bestand gegen die Beschuldigte bereits ein hinreichend starker Anfangsverdacht einer Trunkenheit im Verkehr, der eine (hier nicht erfolgte) vorherige Belehrung als Beschuldigte gemäß § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 StPO erfordert hätte.

Grundsätzlich obliegt es der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde, ob sie einen derart hinreichend starken Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten vernimmt. Im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls kommt es dabei darauf an, inwieweit der Tatverdacht auf hinreichend gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich Tat und Täter oder lediglich auf kriminalistischer Erfahrung beruht. Falls der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde andernfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn sie dennoch nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergeht. Dieser Willkürmaßstab ist dabei objektiv zu bestimmen. Ein auch subjektiv auf Umgehung der Beschuldigtenrechte gerichtetes, bewusst missbräuchliches Verhalten des Vernehmenden ist nicht erforderlich. In diesem Sinne ist die Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums als (objektiv) willkürlich zu beurteilen, wenn es sich als sachlich unvertretbar erweist, einen die Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 S. 2 StPO auslösenden starken Tatverdacht zu verneinen.

Vorliegend begründet bereits der Umstand, dass das in die Fahrbahn hineinragende Fahrzeug auf die Beschuldigte zugelassen war und diese von ihrer unmittelbar in der Nähe gelegenen Wohnung wahrnehmbar alkoholisiert an der Unfallstelle erschien, einen Verdacht dahingehend, dass sie das Fahrzeug kurz zuvor selbst bewegt hatte. Dafür, dass eine andere Person das Fahrzeug dort abgestellt haben könnte, sprach nichts. Ebenso wenig bestand konkreter Anlass zu der Annahme, dass das Fahrzeug dort schon deutlich vor 2:30 Uhr von der Beschuldigten in noch nicht alkoholisiertem Zustand abgestellt worden war, denn es war (mangels Betätigens der Handbremse und Einlegens eines Ganges) aus der abschüssig gelegenen Parklücke gerollt und versperrte anderen Fahrzeugen die Durchfahrt. Hätte ein solch verkehrswidriges Hindernis schon längere Zeit bestanden, wäre eine frühere Meldung bei der Polizei zu erwarten gewesen. Zudem haben die ermittelnden Polizeibeamten mit der Beschuldigten noch vor der Nachfrage, wann sie zuletzt das Fahrzeug bewegt habe, einen Atemalkoholtest durchgeführt. Einer solchen Ermittlungsmaßnahme hätte es nicht bedurft, wenn nicht schon ein Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung bestanden hätte. Ein ausreichend starker Tatverdacht, der eine Belehrung der Beschuldigten gemäß § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 StPO erforderlich machte, entstand somit vorliegend nicht erst, als die Beschuldigte auf Befragen konkrete Zeitangaben zur letzten Fahrt mit dem Pkw machte, sondern bereits bei Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen wie der Bestimmung des Alkoholgehaltes in der Atemluft der Beschuldigten.

Dieser Belehrungsfehler führt auch zur Unverwertbarkeit der später nach Belehrung getätigten Angaben der Beschuldigten gegenüber den Polizeibeamten, denn sie hätte in dieser Konstellation qualifiziert dahingehend belehrt werden müssen, dass ihre bisherigen Angaben nicht verwertbar sind, um sie in die Lage zu versetzen, frei darüber zu entscheiden, ob sie sich gleichwohl weiter belasten wolle. Dies ist hier nicht erfolgt. Der Einwand der Verteidigung, die Beschuldigte mag sich zu diesem Zeitpunkt bereits aufgrund ihrer Erstangaben als „überführt“ gefühlt und sich deshalb weiter (relativierend) zur Sache eingelassen haben, ist nicht von der Hand zu weisen.

Der Beschuldigten ist der sichergestellte Führerschein umgehend herauszugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

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