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Wohnungsdurchsuchung aufgrund einer anonymen Anzeige

Rechtswidrige Wohnungsdurchsuchung auf Basis anonymer Anzeige: Kein hinreichender Verdacht und Grundrechtseingriff festgestellt

Das Landgericht Bad Kreuznach hat in seinem Beschluss Az.: 2 Qs 134/14 vom 10.12.2014 entschieden, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts rechtswidrig war. Der Beschluss basierte hauptsächlich auf einer anonymen Anzeige und unzureichenden Ermittlungen, die keinen hinreichenden Verdacht für eine Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten begründeten. Folglich wurden die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse auferlegt, und der Eingriff in die Grundrechte des Beschuldigten wurde als unrechtmäßig festgestellt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Qs 134/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Das Landgericht Bad Kreuznach hat den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts für rechtswidrig erklärt.
  2. Der Beschluss basierte maßgeblich auf einer anonymen Anzeige.
  3. Die Ermittlungsergebnisse waren zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht ausreichend, um eine Wohnungsdurchsuchung zu rechtfertigen.
  4. Es mangelte an einem hinreichenden Anfangsverdacht für die Annahme einer Straftat.
  5. Grundrechtseingriffe durch Wohnungsdurchsuchungen erfordern eine solide Beweislage.
  6. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last.
  7. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die Grundrechte des Beschuldigten wurde anerkannt.
  8. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs mit anonymen Hinweisen in Ermittlungsverfahren.

Wohnungsdurchsuchung aufgrund einer anonymen Anzeige: Rechtliche Herausforderungen und Voraussetzungen

Eine Wohnungsdurchsuchung aufgrund einer anonymen Anzeige ist ein sensibles Thema, das sowohl die Rechte des Beschuldigten als auch die Aufklärung von Straftaten betrifft. Gemäß § 102 der Strafprozessordnung (StPO) ist eine Durchsuchung nur zulässig, wenn die anonyme Anzeige von beträchtlicher sachlicher Qualität ist oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt wurde. Dies bedeutet, dass die anonyme Anzeige genügend belastbare Informationen enthalten muss, um einen Anfangsverdacht zu begründen.

Die anonyme Anzeige muss im Einklang mit den Grundrechten des Beschuldigten stehen, insbesondere mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Voraussetzungen des § 102 StPO im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten erfüllt sein müssen. Andernfalls ist eine Durchsuchung unzulässig.

In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob eine anonyme Anzeige ausreichend belastbare Informationen enthält, um einen Anfangsverdacht zu begründen. In einigen Fällen wurde die Beschwerde gegen eine Durchsuchungsanordnung abgewiesen, da das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt worden wäre. Umgekehrt kann eine Durchsuchung aufgrund einer anonymen Anzeige auch gerechtfertigt sein, wenn die Informationen ausreichend belastbar sind und die Voraussetzungen des § 102 StPO erfüllt sind.

Ein detaillierterer Einblick in ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dazu beitragen, die rechtlichen Herausforderungen und Voraussetzungen einer Wohnungsdurchsuchung aufgrund einer anonymen Anzeige besser zu verstehen.

Anonyme Anzeige führt zu rechtswidriger Wohnungsdurchsuchung

Im Zentrum des Falles stand eine Wohnungsdurchsuchung, die aufgrund einer anonymen Anzeige gegen einen Beschuldigten durchgeführt wurde. Diese Anzeige, eingegangen bei der Kriminalinspektion, behauptete, der Beschuldigte habe Marihuana im Kilobereich aus den Niederlanden eingeführt und dafür Fahrzeuge einer bestimmten Autovermietung genutzt. Interessanterweise waren die Angaben des Anrufers teilweise korrekt, insbesondere bezüglich der Fahrzeuganmietungen durch den Beschuldigten, was die Ermittler zu weiteren Untersuchungen veranlasste.

Ermittlungen und Observation ohne konkrete Beweise

Die daraufhin durchgeführten Ermittlungen und eine längerfristige Observation, einschließlich des Einsatzes von GPS an den vom Beschuldigten genutzten Fahrzeugen, brachten jedoch keine stichhaltigen Beweise für den Verdacht der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln. Trotz der intensiven Überwachung und Nachforschungen konnte kein direkter Nachweis für die behaupteten illegalen Aktivitäten erbracht werden. Interessanterweise zeigte die Observation, dass der Beschuldigte innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein Fahrzeug angemietet hatte und damit über 3.600 Kilometer zurücklegte, was jedoch nicht ausreichte, um die Vorwürfe zu untermauern.

Rechtsprechung zur Durchsuchung auf Grundlage anonymer Hinweise

Die rechtliche Kernfrage in diesem Fall war, ob die Wohnungsdurchsuchung auf der Basis der vorliegenden Beweislage gerechtfertigt war. Das Landgericht Bad Kreuznach entschied, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, da die anonyme Anzeige und die daraus resultierenden Ermittlungsergebnisse keinen hinreichenden Anfangsverdacht begründeten. Es wurde betont, dass für eine solch gravierende Maßnahme wie eine Wohnungsdurchsuchung, die einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte darstellt, eine solide Beweislage erforderlich ist. Das Gericht stellte klar, dass vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen nicht ausreichen, um einen derart tiefgreifenden Eingriff zu rechtfertigen.

Kosten des Verfahrens und Feststellung der Rechtswidrigkeit

Entscheidend war auch die Frage der Kosten des Verfahrens. Das Gericht entschied, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die daraus entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten von der Staatskasse zu tragen sind. Dies unterstreicht die Bedeutung der richterlichen Überprüfung von Durchsuchungsbeschlüssen und die Notwendigkeit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die Grundrechte des Beschuldigten war ein wichtiger Aspekt des Urteils, der die Bedeutung des Schutzes individueller Freiheitsrechte in einem Rechtsstaat hervorhebt.

Fazit: Das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach stellt einen wichtigen Fall in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Wohnungsdurchsuchungen dar, insbesondere wenn diese auf anonymen Anzeigen basieren. Es betont die Notwendigkeit starker Beweise und eines fundierten Verdachts, bevor solche eingriffsintensiven Maßnahmen ergriffen werden dürfen.

Das vollständige Urteil des LG Bad Kreuznach, Az.: 2 Qs 134/14, kann weiter unten nachgelesen werden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung erfüllt sein?

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in Deutschland sind vielfältig und müssen streng beachtet werden, da sie einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung darstellen, das in Artikel 13 des Grundgesetzes verankert ist.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist ein richterlicher Beschluss. In der Regel ist eine Hausdurchsuchung nur aufgrund eines solchen Beschlusses zulässig, der von einem unabhängigen Richter des zuständigen Amtsgerichts ausgestellt wird. Lediglich in dringenden Fällen, bei Gefahr im Verzug, darf die Staatsanwaltschaft oder die Polizei die Durchsuchung anordnen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der hinreichende Tatverdacht. Es muss ein konkreter Anfangsverdacht bestehen, dass eine Straftat begangen wurde. Typische Gründe für eine Hausdurchsuchung sind der Verdacht auf eine Straftat wie Mord, Totschlag, Diebstahl oder der Besitz bzw. Handel mit Drogen.

Ein Durchsuchungsbeschluss muss bestimmte Angaben enthalten, darunter die Bezeichnung der zur Last gelegten Straftat, den Inhalt des Strafvorwurfs, die Beschreibung von Ziel, Ausmaß und Zweck der Durchsuchung sowie eine möglichst konkrete Bezeichnung der gesuchten Beweismittel und der zu durchsuchenden Räume.

Es ist auch zu beachten, dass ein Durchsuchungsbeschluss seine rechtfertigende Kraft nach einem bestimmten Zeitraum verliert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Durchsuchungsanordnung höchstens sechs Monate gültig.

Die Durchsuchung selbst muss verhältnismäßig sein. Das bedeutet, dass die Eingriffshandlung im Verhältnis zum Gegenstand der Untersuchung gerechtfertigt sein muss. In bestimmten Fällen kann eine Wohnungsdurchsuchung als unverhältnismäßig angesehen werden, wie das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen festgestellt hat.

Schließlich dürfen bei einer Wohnungsdurchsuchung nur die Räume und Gegenstände durchsucht werden, die im Durchsuchungsbeschluss genannt sind.

Inwiefern kann eine anonyme Anzeige als Grundlage für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung dienen?

Eine anonyme Anzeige kann als Grundlage für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung dienen, allerdings sind hierbei bestimmte Voraussetzungen zu beachten. Gemäß § 102 der Strafprozessordnung (StPO) ist eine Durchsuchung bei Verdacht einer Straftat zulässig. Anonyme Hinweise können als Verdachtsquelle zur Aufnahme weiterer Ermittlungen dienen, allerdings müssen sie von beträchtlicher sachlicher Qualität sein.

Die Anzeige muss konkrete und glaubwürdige Informationen enthalten, vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Die Prüfung der Voraussetzungen für eine Durchsuchung muss besonders sorgfältig erfolgen, insbesondere im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten.

Die Durchsuchung muss zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat stehen und die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen berücksichtigen. Bei der Prüfung des Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeitsabwägung sind insbesondere der Gehalt der anonymen Aussage sowie etwaige Gründe für die Nichtoffenlegung der Identität des Anzeigenden zu berücksichtigen.

Es ist jedoch zu betonen, dass eine anonyme Anzeige allein in der Regel nicht ausreicht, um eine Durchsuchung zu rechtfertigen. Sie muss durch entsprechende Tatsachen untermauert sein. In einigen Fällen wurde entschieden, dass eine anonyme Anzeige grundsätzlich keinen Anfangsverdacht begründet, wenn sich aus ihr keine Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Anzeige ziehen lassen.

Es ist daher wichtig, dass die Ermittlungsbehörden sorgfältig prüfen, ob die in der anonymen Anzeige enthaltenen Informationen ausreichend sind, um einen Anfangsverdacht zu begründen und ob eine Durchsuchung verhältnismäßig ist.

Was versteht man unter einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff im Kontext einer Wohnungsdurchsuchung?

Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff im Kontext einer Wohnungsdurchsuchung bezieht sich auf die erhebliche Beeinträchtigung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung, das durch Artikel 13 des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet wird.

Eine Wohnungsdurchsuchung stellt einen tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre dar und erfordert daher eine besondere Rechtfertigung und strenge formelle Anforderungen. Der Schutzbereich von Artikel 13 GG umfasst nicht nur Wohnungen im engeren Sinne, sondern auch Nebenräume, Hotelzimmer, Krankenhauszimmer, Häftlingszellen, Vereins- und Clubheime, Wohnmobile, Hausboote und nach überwiegender Auffassung auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, sofern sie nicht der Allgemeinheit zugänglich sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass eine Wohnungsdurchsuchung einen besonders tiefgreifenden und folgenschweren Grundrechtseingriff darstellt. Dies gilt insbesondere, wenn die Durchsuchung ohne richterliche Anordnung oder unter Umgehung grundrechtlicher Sicherungen erfolgt. In solchen Fällen kann ein Beweisverwertungsverbot gelten, insbesondere bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen.

Es ist zu betonen, dass die Durchsuchung auch beruflich genutzter Räume in schwerwiegender Weise in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG eingreift. Daher müssen die Gerichte eine Abwägung der berührten Grundrechte mit der Schwere des Tatvorwurfs vornehmen.


Das vorliegende Urteil

LG Bad Kreuznach – Az.: 2 Qs 134/14 – Beschluss vom 10.12.2014

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 14. Oktober 2014 wird festgestellt, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts … vom 12. Mai 2014, Az. 43 Gs 665/14 rechtswidrig war.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft … vom 11. April 2014 (Bl. 15 ff.) hat das Amtsgericht … mit Beschluss vom 12. Mai 2014, Az. 43 Gs 665/14 die Durchsuchung u.a. der Wohnung und anderer Räume des Beschuldigten angeordnet (Bl. 24 f.). Das Gericht hat die Anordnung damit begründet, dass nach den bisherigen Ermittlungen gegen den Beschuldigten der Verdacht der Einfuhr von Marihuana m Kilobereich von den Niederlanden nach … unter Zuhilfenahme von gemieteten Fahrzeugen der … bestehe. Der Tatverdacht ergebe sich aus den bisherigen Ermittlungen, insbesondere einer anonymen Anzeige vom 18. März 2014 und den Ermittlungen bei der Autovermietung. Der anonymen Anzeige lag ein Anruf bei der Kriminalinspektion … zugrunde, bei welchem die Nummer des Anrufers unterdrückt und die Angabe des Namens verweigert worden waren. Eine männliche Person teilte mit, dass ein sogenannter … in der Woche vor dem Anruf in den … gewesen sei und dort 4 kg Marihuana erworben habe. Hierfür verwende er von … gemietete Autos mit … Kennzeichen … wohne in … und nutze eine näher bestimmte Mobilfunknummer. Ermittlungen ergaben, dass die Rufnummer auf die Ehefrau des Beschuldigten eingetragen ist. Recherchen bei der … GmbH bestätigten, dass seitens des Beschuldigten des Öfteren Fahrzeuge angemietet wurden, so etwa auch im betreffenden Tatzeitraum. Bei der Miete wurde dabei die vom anonymen Anrufer genannte Mobilfunknummer hinterlegt (Bl. 2 ff. d.A.).

Zudem hat das Amtsgericht … mit Beschluss vom selben Tage antragsgemäß die längerfristige Observation des Beschuldigten über den 15.04.2014 hinaus bis zum 14.07.2014 einschließlich unter Verwendung von GPS an vom Beschuldigten genutzten Kraftfahrzeugen angeordnet (Bl. 26 f.). Die Observation ergab, dass seitens des Beschuldigten bei der Autovermietung … im Zeitraum vom 22. April bis 06. Mai 2014 ein Fahrzeug gemietet wurde, mit Welchem 3.652 km zurückgelegt wurden. Das Fahrzeug konnte durch die Observationseinheit jedoch nicht aufgenommen werden. Hinweise auf einen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln ergaben sich nicht (Bl. 31 d.A.).

Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 13. Oktober 2014 durch die Kriminalinspektion … vollzogen. In der Wohnung des Beschuldigten konnten weder Betäubungsmittel, noch entsprechende Utensilien aufgefunden werden (Bl. 28 ff.).

Gegen den Beschuldigten ist ein weiteres Ermittlungsverfahren anhängig. Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom 23. Oktober 2014 zu obigem, führenden Verfahren verbunden (Bl. 44 ff. d.A.). In diesem Rahmen ergaben sich Hinweise auf den Erwerb von Marihuana durch den Beschuldigten, die aus der Überwachung und Aufzeichnung zweier durch einen weiteren Beschuldigten genutzten Mobilfunkanschlüsse resultierten, gegen den der Verdacht von unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge besteht.

Mit der Beschwerde vom 14. Oktober 2014 beantragt der Beschuldigte durch seinen Verteidiger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses (Bl. 36 f. d.A.). Zur Begründung der Beschwerde macht der Verteidiger geltend, dass der schwerwiegende Grundrechtseingriff einer Wohnungsdurchsuchung allenfalls dann auf eine anonyme Anzeige gestützt werden könne, wenn die Anzeige entweder von beträchtlicher sachlicher Qualität oder mit ihr zusammen schlüssiges Tatsachenmaterial vorgelegt worden sei, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe (Bl. 53 ff. d.A.). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit sei aufgrund des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs einer Wohnungsdurchsuchung auch geboten.

II.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig und begründet.

Unter Zugrundelegung des im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestehenden Ermittlungsergebnisses war eine Durchsuchungsanordnung gemäß § 102 StPO nicht gerechtfertigt. Nach § 102 StPO kann bei dem, welcher als Täter einer Straftat verdächtigt ist, eine Durchsuchung u.a. der Wohnung und anderer Räume vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Voraussetzung ist folglich die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen wurde, wofür tatsächliche Anhaltspunkte oder durch kriminalistische Erfahrungen belegbare Vermutungen bestehen müssen (KK-StPO, 7. Auflage 2013, § 102, Rn. 3). Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen genügen nicht (BVerfG StV 10, 665; NJW 2011, 291). Vorliegend lagen im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses allein die anonyme Anzeige vom 18. März 2014 und die Feststellungen aus der Autovermietung zugrunde.

Diese Erkenntnisse allein konnten eine Wohnungsdurchsuchung und damit den als schwerwiegend einzustufenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) nicht rechtfertigen. Die anonyme Anzeige war für sich betrachtet sachlich nicht derart fundiert, dass allein hieraus ein Anfangsverdacht resultieren konnte. Zwar haben sich die Angaben des anonymen Anzeigeerstatters dahingehend als wahr herausgestellt, als der Beschuldigte tatsächlich des Öfteren Fahrzeuge bei der … anmietete; allein aus diesen Erkenntnissen konnten allerdings keine hinreichenden Rückschlüsse auf die zur Last gelegte Einfuhr von Betäubungsmitteln resultieren. Im Umgang mit anonymen Hinweisen ist ein Ermittlungsverfahren demgegenüber erst dann einzuleiten, wenn der Verdacht durch weitere Nachforschungen die Schwelle des § 152 Abs. 2 StPO erreicht bzw. der schon durch die Anzeige begründete Anfangserdacht durch andere möglichst schonende Ermittlungen eine gewisse Bestätigung gefunden at (KK-StPO, § 158, Rn. 6 a.E.; Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage 2013, § 160, Rn. 9; vgl. zu RiStBV Nr. 8). Die Ermittlungen bei Europcar waren dabei weder geeignet, einen Anfangserdacht zu rechtfertigen, noch diesen zu erhärten. Insofern haben die Ermittlungen das Stadium er bloßen Vermutung noch nicht hinlänglich überschritten. Das zurückhaltende Vorgehen im Umfang mit anonymen Anzeigen muss vor allem dann besondere Geltung beanspruchen, wenn mit Ermittlungsmaßnahmen in erheblicher Weise in grundrechtlich garantierte Positionen – wie bei er Wohnungsdurchsuchung – eingegriffen wird. Vor diesem Hintergrund wäre etwa angezeigt, Ergebnisse der zeitgleich angeordneten längerfristigen Observation abzuwarten und bei Vorliegen ich erhärtender Verdachtsmomente auf das schwerwiegende Mittel der Wohnungsdurchsuchung zurückzugreifen.

Erkenntnisse aus dem später verbundenen Ermittlungsverfahren können dabei zur Rechtfertigung des Durchsuchungsbeschlusses nicht herangezogen werden. Um der Funktion einer vorbeugenden Kontrolle der Durchsuchung gerecht zu werden, darf das Beschwerdegericht seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses (BVerfG, Beschluss vom 10.09.2010, Az. 2 BvR 2561/08, juris-Rn. 28). Zur Zeit des Erlasses des streitgegenständlichen Beschlusses lagen dem zuständigen Ermittlungsrichter Erkenntnisse aus dem weiteren Ermittlungsverfahren noch nicht vor.

Der Beschuldigte hat aufgrund des tiefgreifenden, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriffs einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1998, Az. 2 BvR 446/98).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.

 

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