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Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung wegen Verdachts einer Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

Vorübergehende Entziehung der Fahrerlaubnis infolge Verdacht auf Alkoholfahrt mit E-Scooter

Im vorliegenden Fall wurde einem Beschuldigten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Trunkenheit im Verkehr die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen vorläufig entzogen. Wichtige Schlüsselbegriffe in diesem Fall sind „Fahrerlaubnisentziehung“, „Trunkenheitsfahrt“, „E-Scooter“, „Verdachtsfall“, „Ermittlungsverfahren“ und „Alkoholkonzentration“.

Das Hauptproblem des Falls liegt in der Frage, ob das Fahren mit einem E-Scooter im angetrunkenen Zustand genauso zu bewerten ist wie das Fahren eines PKW oder LKW unter Alkoholeinfluss.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 510 Qs 68/20 >>>

Die Alkoholfahrt und ihre Folgen

Der Beschuldigte soll gegen 00:40 Uhr mit einem E-Scooter auf einer öffentlichen Straße gefahren sein, während er eine Blutalkoholkonzentration von 1,35 Promille aufwies und dabei auf dem Straßenverkehr teilgenommen haben. Es wurde argumentiert, dass er zu diesem Zeitpunkt absolut fahruntüchtig gewesen sein soll. Bezüglich dieser Angelegenheit wurde gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und seine Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

Der Widerspruch des Beschuldigten

Im Weiteren legte der Beschuldigte Beschwerde gegen diesen Beschluss ein. In seiner Begründung führte er an, dass bei alkoholbedingten Fahrten mit E-Scootern aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zu PKW und LKW und der Fahrerlaubnisfreiheit für Personen ab 14 Jahren nicht notwendigerweise eine Entziehung der Fahrerlaubnis erforderlich sei. Er argumentierte, dass in Betracht ziehen eines Fahrverbots nach § 44 StGB angemessen wäre.

Die Beurteilung durch das Gericht

Trotz dieser Argumentation wurde die Beschwerde als unbegründet verworfen. Das Gericht vertrat den Standpunkt, dass die vorübergehende Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt und proportional war, da dringende Gründe für die Annahme vorlagen, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis entzogen werden würde. Dies liegt daran, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit eine rechtswidrige Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen hat, aus der sich ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehen ist.

Vergleich von E-Scootern mit anderen Verkehrsmitteln

Das Gericht betonte in seiner Entscheidung, dass E-Scooter Kraftfahrzeuge im Sinne des Gesetzes sind und daher unter die gleichen Gesetze und Regeln fallen wie andere Kraftfahrzeuge. Zudem wurde festgestellt, dass E-Scooter ein vergleichbar hohes Gefahrenpotential aufweisen wie Mofas und daher keine Ausnahme von der Regelwirkung des § 69 StGB geboten ist.

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die Hürden für die Nutzung eines E-Scooters relativ gering sind und daher von dem Nutzer eines E-Scooters zu erwarten ist, dass er sich vor einer Nutzung über die speziellen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des benutzten Fahrzeugs informiert.


Das vorliegende Urteil

LG Berlin – Az.: 510 Qs 68/20 – Beschluss vom 05.08.2020

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Juni 2020 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung wegen Verdachts einer Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter
(Symbolfoto: YURII MASLAK /Shutterstock.com)

Die Amtsanwaltschaft Berlin führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Trunkenheit im Verkehr. Hiernach soll er am 7. Juni 2020 gegen 0:40 Uhr mit einem E-Scooter der xxxx GmbH mit dem Versicherungskennzeichen xxxxx am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen und dabei unter anderem abwechselnd den linken und den mittleren Fahrstreifen der Straße des 17. Juni in Richtung Großer Stern in 10785 Berlin befahren haben, obwohl er bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,35 Promille zur Zeit der Blutentnahme umn 2:00 Uhr absolut fahruntüchtig gewesen sein soll.

Das Amtsgericht Tiergarten hat dem Beschuldigten auf Antrag der Amtsanwaltschaft mit Beschluss vom 23. Juni 2020 gemäß § 111 a StPO die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen vorläufig entzogen.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte am 8. Juli 2020 über seinen Verteidiger Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass bei Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit zu PKW und LKW, der Entstehunggeschichte des § 69 StGB sowie der Fahrerlaubnisfreiheit für Personen ab 14 Jahren nicht zwingend eine Entziehung der Fahrerlaubnis geboten sei. Vielmehr sei ein Fahrverbot nach § 44 StGB in Betracht zu ziehen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aus den weiter zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 111a StPO gerechtfertigt. Es liegen dringende Gründe fur die Annahme vor, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB entzogen werden wird. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er eine rechtswidrige Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen (§ 316 StGB), aus der sich ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehen ist, § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB.

1

Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist der Beschuldigte jedenfalls der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB dringend verdächtig, wobei in einer etwaigen Hauptverhandlung zu klären sein wird, ob der Beschuldigte sogar vorsätzlich handelte. Die Kammer geht insbesondere davon aus, dass der Beschuldigte absolut fahruntüchtig war.

Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille liegt nach gefestigter Rechtsprechung für die Führer von Kraftfahrzeugen, wozu auch Krafträder, Motorroller und Mofas zählen, eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. Hierbei handelt es sich umn eine unwiderlegbare Vermutung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90 -; Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 316 Rn. 25 m.w.N.). Die gleiche Grenze wird auch bei weiteren Kraftfahrzeugen wie Segways (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 19. Dezember 2016 – 1 Rev 76/16 -) und selbst bei motorisierten Krankenfahrstühlen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. Dezember 2010- 2 St OLG Ss 230/10 -; BayObLG, Beschluss vom 13. Juli 2000 – 2 St RR 118/2000 ) angenommen.

Dieser Grenzwert gilt nach Auffassung der Kammer auch für den vom Beschuldigten verwendeten E-Scooter (so auch LG München, Beschluss vom 29. November 2019 – 26 Qs 51/19 -, LG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 3 Qs-62 Js 7713/19-61/19 -; LG Dortmund, Beschlüsse vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20 – und vom 11. Februar 2020 – 43 Qs 5/20 ). Denn bei E-Scootern handelt es sich um ausweislich der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) um Kraftfahrzeuge im Sinne von § 1 Abs.-2 StVG, worunter sämtliche Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein, zu verstehen sind (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, 26. Auflage 2020, § 1 StVG Rn. 8 ff.). Dies ist auch konsequent, da E-Scooter ohne Körperkraft durch einen Elektromotor angetrieben werden, ein Gewicht von rund 20 bis 25 kg aufweisen und Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 20 km/h erreichen.

2.

Angesichts des dringenden Verdachts der Begehung einer Straftat nach § 316 StGB mit einem Kraftfahrzeug liegt ein Regelfall für die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB vor. Die Regelvermutung ist nicht widerlegt. Denn hierfür müssten besondere Umstände objektiver oder subjektiver Art gegeben sein, welche die Vermutung mangelnder Eignung zum Zeitpunkt der Tat widerlegen oder einen Eignungsmangel jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung ausschließen. Als solche Umstände kommen in der Persönlichkeit des Täters liegende, der Tat vorausgehende, in der Tat selbst liegende sowie in einer Veränderung der maßgeblichen Umstände in der Zeit zwischen Tatbegehung und Zeitpunkt der Entscheidung begründete Aspekte in Betracht, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung Anlass zum Absehen von der Maßregelanordnung geben können (vgl. Fischer, a.a.O., § 69 Rn. 33 f.). Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.

Der Gesetzgeber hat durch die Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr den Umgang mit E-Scootern umfassend geregelt und diese als Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG eingestuft. Darüber hinaus ist die Regelung des § 69 StGB in der bisherigen Form beibehalten worden, wonach die dortige Regelwirkung ausnahmslos für sämtliche Kraftfahrzeuge mit Bezug zum Straßenverkehr gilt. Ebenso wenig wurde eine abweichende Regelung für Trunkenheitsfahrten mit Elektrokleinstfahrzeugen im Ordnungswidrigkeitenrecht (Nr. 241 des BKat – 0,5 Promille-Grenze) getroffen (vgl. LG München, a.a.O.).

Der Kammer ist bewusst, dass ein E-Scooter abstrakt grundsätzlich weniger gefährlicher sein dürfte als ein PKW, LKW oder auch Kraftrad. Dies zeigt sich nicht zuletzt dadurch, dass E-Scooter bereits von Personen im Alter von 14 Jahren und zudem ohne Helm genutzt werden dürfen. Ebenso verkennt die Kammer nicht, dass zwischen E-Scootern und Pedelecs gewisse Gemeinsamkeiten bestehen, wobei letztere schon nicht als Kraftfahrzeuge gelten. So weisen E-Scooter und Pedelecs insbesondere ähnliche Gewichtsbereiche auf und erreichen vergleichbare Geschwindigkeiten.

Die Kammer ist dennoch davon überzeugt, dass von E-Scootern ein vergleichsweise höheres Gefährlichkeitspotential ausgeht, welches eher mit dem eines Mofas zu vergleichen ist und gegen eine generelle Ausnahme von der Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB spricht (so auch LG München, a.a.O.; LG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2020, a.a.O.; a.A. u.a. LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020, a.a.O.). Denn Pedelecs verfügen nur über einen elektrischen Hilfsantrieb, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Geschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen von 25 km/h oder früher, wenn der Fahrer nicht mehr tritt, unterbrochen wird. E-Scooter lassen sich hingegen, nachdem sie auf äußerst einfache Weise in Betrieb genommen worden sind, ohne jeglichen Kraftaufwand benutzen. Darüber hinaus verfügen sie über deutlich kleinere Laufräder und eine zumeist schmalere Lenkerkonstruktion, was eine gesteigerte Koordinationsfähigkeit erforderlich macht. Die Konstruktion der E-Scooter führt insoweit auch dazu, dass sich Gleichgewichtsbeeinträchtigungen und plötzliche Lenkbewegungen noch stärker auswirken als bei einem Fahrrad oder Pedelec. Nicht zuletzt wegen des hierdurch bestehenden gesteigerten Verletzungsrisikos für Dritte im Falle eines Kontrollverlusts durch den Fahrer unterliegen E-Scooter auch einer Versicherungspflicht. Die ohne eigene Anstrengung abrufbare Kraft des Elektromotors erfordert es daher, dass der Fahrer sie sicher kontrolliert und nicht unter einer erhöhten Alkoholisierung steht (vgl. LG München, a.a.O.).

Die Kammer verkennt auch nicht, dass die Hürden für die Nutzung eines E-Scooters relativ gering sind, da diese gerade im innerstädtischen Bereich nahezu überall verfügbar sind, kaum effektive Zugangskontrollen aufweisen und die E-Scooter offenbar vor allem auch auf alkoholisierte Personen eine gewisse Anziehungswirkung ausstrahlen. Allerdings kann auch dies nicht zu einer Widerlegung der Regelvermutung führen. Vielmehr ist von dem Nutzer eines E-Scooter zu erwarten, dass er sich vor einer Nutzung über die speziellen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten des benutzten Fahrzeugs informiert (so auch LG Dortmund, Beschlüsse vom 7. und 11. Februar 2020, a.a.O.; LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20 -). Dies gilt umso mehr, wenn die Person im Besitz einer Fahrerlaubnis ist.

Schließlich gebieten auch die konkreten Umstände des Einzelfalls keine Abweichung von der Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB. Hierbei hatte die Kammer insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte am Sonntag gegen 0:40 Uhr die Straße des 17. Juni in Richtung Großer Stern befuhr, bei der es sich um eine auch nachts viel befahrene, dreispurige Bundesstraße handelt. Darüber hinaus fuhr der Beschuldigte nicht etwa auf dem dort vorhandenen Fahrradschutzstreifen am rechten Fahrbahnrand, sondern vielmehr abwechselnd, auf dem linken und dem mittleren Fahrstreifen. Dort dürfte er – trotz der typischerweise vorhandenen Rückleuchte – deutlich schlechter zu sehen gewesen sein als auf dem Fahrradschutzstreifen, der sich direkt unter den Straßenlaternen befindet. Ebenso wenig beendete der Beschuldigte die Fahrt etwa nach kurzer Zeit aus dem Grund, dass er die Gefährlichkeit des eigenen Handelns erkannte (vgl. LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 35 Qs 3/20 -), sondern allein deswegen, weil er von Polizeibeamten – den Zeugen POM’in xxxx und PM xxxx- zum Anhalten aufgefordert wurde. Schließlich fiel er den eingesetzten Polizeibeamten durch seine lallende Aussprache, Gleichgewichtsstörungen sowie seine zuvor gezeigte unsichere Fahrweise auf.

3.

Angesichts der oben dargelegten Umstände begegnet die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

 

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