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Urteilsformel – spätere Anordnung einer Maßregel nach §§ 69, 69a StGB

Anordnung einer Maßregel nach Gesetzesgrundlage: Analyse eines Urteils

Das BayObLG hat in seinem Beschluss vom 06.09.2023 die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth als unbegründet verworfen. Wesentlich ist hierbei, dass die Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis aufgehoben wurde. Der Fall beinhaltet eine detaillierte juristische Auseinandersetzung mit den Grundsätzen der Urteilsverkündung und deren Rechtsfolgen, insbesondere im Kontext der Anordnung von Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 203 StRR 342/23 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Revision verworfen: Das BayObLG hat die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückgewiesen.
  2. Aufhebung der Sperrfrist: Eine wichtige Entscheidung war die Aufhebung der Anordnung einer Sperrfrist für die Fahrerlaubnis.
  3. Kosten des Revisionsverfahrens: Der Beschwerdeführer muss die Kosten der Revision tragen, mit einer Ermäßigung der Gebühren um ein Viertel.
  4. Verurteilung des Angeklagten: Ursprünglich wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Fahrens trotz Fahrverbots verurteilt.
  5. Keine Verkündung einer Sperrfrist: Das Amtsgericht hat in seiner Urteilsverkündung keine Sperrfrist ausgesprochen, was später relevant wurde.
  6. Bedeutung der Urteilsformel: Die verkündete Urteilsformel ist für die Bestimmung der Rechtsfolgen maßgeblich und war in diesem Fall entscheidend.
  7. Kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot: Das Landgericht durfte aufgrund des Verschlechterungsverbots keine neue Entscheidung zur Sperrfrist treffen.
  8. Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls: Das Protokoll hatte entscheidende Beweiskraft bezüglich der nicht verkündeten Sperrfrist.

Die Urteilsformel in Verbindung mit der Anordnung einer Maßregel gemäß §§ 69, 69a StGB betreffend den Entzug der Fahrerlaubnis und die damit einhergehende Neuerteilungssperre ist ein besonders komplexes und heikles juristisches Feld. Es sind strenge Kriterien und Standards zu erfüllen, einschließlich der Berücksichtigung von § 265 Abs. 2 StGB, welcher einen rechtlichen Hinweis vorsieht.

Trotz zahlreicher strittiger Punkte hat die Rechtsprechung die Notwendigkeit einer umfassenden Begründung hervorgehoben. In der diskursiven Landschaft der jüngsten Gerichtsentscheidungen und Beschlüsse, insbesondere des BayObLG, zeichnen sich jedoch Wege ab, wie die Vorschriften der §§ 69, 69a StGB umgesetzt werden können. Im Folgenden wird ein diesbezüglich relevantes Urteil genauer beleuchtet und diskutiert.

Der Weg zur Revision: Eine Analyse des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) verhandelt wurde, stand die Revision eines Angeklagten im Mittelpunkt, die gegen ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth eingelegt worden war. Ursprünglich wurde der Angeklagte am 1. März 2023 vom Amtsgericht Nürnberg wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren trotz Fahrverbots zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie einem Fahrverbot von fünf Monaten verurteilt. Interessant dabei ist, dass das Amtsgericht keine Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis festgelegt hatte.

Sperrfrist und ihre rechtlichen Tücken

Die zentrale Problematik in diesem Fall lag in der Anordnung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Obwohl das Amtsgericht ursprünglich keine solche Sperre verhängt hatte, führte das Landgericht Nürnberg-Fürth in der Berufung eine Sperrfrist von einem Jahr ein, reduzierte diese jedoch auf neun Monate. Diese Entscheidung wurde vom Angeklagten angefochten, was zur Revision beim BayObLG führte. Der Knackpunkt war, dass das Landgericht mit dieser Entscheidung möglicherweise das Verbot der Schlechterstellung und die Grundsätze der Teilrechtskraft, wie sie vom Bundesgerichtshof (BGH) definiert sind, missachtet haben könnte.

Juristische Feinheiten im Fokus des BayObLG

Das BayObLG hatte die heikle Aufgabe, diese juristischen Feinheiten zu bewerten. Es stellte fest, dass für die Bestimmung des Umfangs der Bestrafungsgrenze die ursprünglich verkündete Urteilsformel maßgeblich ist. In diesem Kontext ist die Tatsache entscheidend, dass das Amtsgericht in seiner Urteilsverkündung keine isolierte Sperrfrist ausgesprochen hatte. Daher konnte das Landgericht in der Berufung keine solche Sperre nachträglich einführen, ohne gegen das Verbot der Schlechterstellung zu verstoßen. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer korrekten und vollständigen Urteilsverkündung sowie die Tragweite des Protokolls einer Hauptverhandlung.

Schlussfolgerungen und Korrekturen des BayObLG

Das BayObLG kam zu dem Schluss, dass die Revision teilweise begründet ist und korrigierte das angefochtene Urteil entsprechend. Es wies darauf hin, dass ein offensichtliches Verkündungs- oder Fassungsversehen, welches eine nachträgliche Berichtigung rechtfertigen würde, im vorliegenden Fall nicht vorlag. Das Gericht betonte die Notwendigkeit eines strengen Maßstabs bei der Überprüfung solcher Versehen, um eine unzulässige nachträgliche Abänderung des Urteils zu vermeiden.

Das Urteil des BayObLG stellt somit einen wichtigen Beitrag zur Rechtsprechung im Bereich der Straßenverkehrsdelikte und der korrekten Anwendung von §§ 69, 69a StGB dar.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was versteht man unter der „Urteilsformel“ im deutschen Strafrecht?

Die Urteilsformel im deutschen Strafrecht ist der Teil eines Urteils, der den Inhalt der Entscheidung zusammenfasst. Sie ist der wichtigste Teil des Urteils und enthält die Entscheidung über den Anklagevorwurf. Im Falle der Verurteilung enthält die Formel den Schuldspruch, also die Bezeichnung der Straftat oder der Straftaten, wegen der der Angeklagte schuldig gesprochen wird, und eventuell den Strafausspruch. Bei einem Freispruch lautet die Urteilsformel: „Der Angeklagte wird freigesprochen“.

Die Urteilsformel gibt auch die angewendeten Vorschriften und die zu erwartende Strafe an. Sie wird im Rahmen der Urteilsverkündung verlesen, die „Im Namen des Volkes“ erfolgt. Nach der Verlesung der Urteilsformel folgt die mündliche Begründung des Urteilsspruchs.

Die Urteilsformel muss als solcher erkennbar sein und ist knapp, eindeutig und vollständig abgefasst. Sie ist in § 260 Abs. 4 der Strafprozessordnung (StPO) näher umschrieben. Gemäß § 268 StPO wird das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe verkündet.

Wie wird eine „Sperrfrist für die Fahrerlaubnis“ rechtlich definiert und angewendet?

Die Sperrfrist für die Fahrerlaubnis ist eine rechtliche Maßnahme, die nach dem Entzug der Fahrerlaubnis in Kraft tritt. Sie legt fest, wann eine neue Fahrerlaubnis frühestens erteilt werden darf. Die Sperrfrist wird vom Gericht festgelegt und beträgt in der Regel mindestens sechs Monate und maximal fünf Jahre. In besonders schweren Fällen kann sie auch lebenslänglich verhängt werden.

Die Sperrfrist beginnt mit der Rechtskraft des jeweiligen Urteils. Nach Ablauf der Sperrfrist muss die Fahrerlaubnis neu beantragt werden, sie wird nicht automatisch zurückgegeben. Die Bearbeitungszeit für den Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis kann jedoch lang sein, daher wird empfohlen, den Antrag mindestens drei Monate vor Ablauf der Sperrfrist zu stellen.

Es gibt auch die Möglichkeit einer sogenannten „isolierten Sperrfrist“. Diese tritt in Kraft, wenn jemand ohne gültige Fahrerlaubnis fährt und daher keine Fahrerlaubnis entzogen werden kann. In diesem Fall kann das Gericht eine Sperre aussprechen, ohne gleichzeitig die Fahrerlaubnis zu entziehen.

In bestimmten Fällen kann die Sperrfrist verkürzt werden. Dies ist möglich, wenn der Betroffene durch spezielle Programme, Nachschulungen, Fahreignungsseminare und Therapien nachweisen kann, dass er zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr befähigt ist. Die Entscheidung über eine Verkürzung der Sperrfrist liegt jedoch beim Gericht und hängt stark vom konkreten Vergehen bzw. dem Grund für den Entzug der Fahrerlaubnis ab.

Was bedeutet das „Verbot der Schlechterstellung“ im Rahmen einer gerichtlichen Revision?

Das „Verbot der Schlechterstellung“, auch bekannt als „reformatio in peius“, ist ein juristischer Grundsatz, der im Kontext von Berufungen und Revisionen in Straf- und Zivilprozessen Anwendung findet. Dieses Verbot besagt, dass das Urteil eines Gerichts in der Berufung oder Revision nicht zu Lasten des Rechtsmittelführers verschlechtert werden darf.

Im Strafprozess ist das Verbot der Schlechterstellung in § 331 StPO für die Berufung und in § 358 StPO für die Revision festgelegt. Wenn also nur der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat, darf das angefochtene Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden.

Im Zivilprozess ergibt sich das Verschlechterungsverbot aus § 557 Abs. 1 ZPO für die Revision. Es ist nur zulässig, wenn die andere Partei ebenfalls ein Rechtsmittel eingelegt hat.

Dieser Grundsatz dient dem Schutz des Rechtsmittelführers und soll sicherstellen, dass dieser durch die Einlegung eines Rechtsmittels nicht in eine schlechtere Position gerät, als wenn er auf das Rechtsmittel verzichtet hätte.


Das vorliegende Urteil

BayObLG – Az.: 203 StRR 342/23 – Beschluss vom 06.09.2023

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Mai 2023 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Anordnung einer Sperrfrist für eine Erteilung der Fahrerlaubnis entfällt.

2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten der Revision. Jedoch werden die Gebühr für das Revisionsverfahren um ein Viertel ermäßigt und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu einem Viertel der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 1. März 2023 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren trotz Fahrverbots verurteilt. Nach der laut Hauptverhandlungsprotokoll in der Hauptverhandlung verkündeten und inhaltsgleich in der schriftlichen Urteilsurkunde wiedergegebenen Urteilsformel hat das Amtsgericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und ein Fahrverbot von 5 Monaten, jedoch keine Sperrfrist ausgesprochen. In den schriftlichen Gründen der Urteilsurkunde hat es allerdings eine isolierte Sperre nach § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB von einem Jahr begründet. Eine Protokollberichtigung ist nicht erfolgt. In der Berufung hat das Landgericht eine wirksame Anordnung einer Sperrfrist von einem Jahr angenommen und die Berufung des Beschwerdeführers mit Urteil vom 9. Mai 2023 mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die verhängte Sperrfrist noch 9 Monate beträgt. Das Fahrverbot von 5 Monaten hat es aufrechterhalten.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die vom Beschwerdeführer form- und fristgerecht eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Mit der – erstmaligen – Anordnung einer isolierten Sperrfrist hat das Landgericht gegen das in der Revision von Amts wegen zu prüfende (BGH, Beschluss vom 23. August 2000 – 2 StR 171/00 –, juris; Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 358 Rn. 23 m.w.N.) Verbot der Schlechterstellung (§ 331 Abs. 1 StPO) verstoßen und den Umfang der von Amts wegen zu beachtenden Teilrechtskraft (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 4 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 23. August 2000 – 2 StR 171/00 –, juris Rn. 7; Gericke in KK-StPO, 9. Aufl., § 358 Rn. 22) nicht berücksichtigt. Für die Bestimmung des Umfangs der Bestrafungsgrenze ist die verkündete Urteilsformel maßgeblich (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 4 m.w.N.). Das Amtsgericht hat bei der Verkündung des Urteils am 1. März 2023 wie auch im Tenor der schriftlichen Urteilsurkunde keine isolierte Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis ausgesprochen. Auf die Streitfrage, ob in der Revision das Übereinstimmen von verkündeter und im schriftlichen Urteil niedergelegter Urteilsformel von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 3), kommt es hier nicht an.

Im einzelnen:

1. Um die Auswirkung der Rechtskraft bestimmen zu können, hat das Berufungsgericht den Verkündungsinhalt von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 1 StR 336/20-, juris Rn. 4). Das Erfordernis einer Verfahrensrüge gibt es im Berufungsverfahren nicht.

2. Nach § 268 Abs. 2 S. 1 StPO wird das Urteil durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe verkündet. Nach § 260 Abs. 2 und 4 StPO sind alle Rechtsfolgen in die Urteilsformel mit aufzunehmen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 260 Rn. 38). Mit der Verkündung ist der Urteilsspruch grundsätzlich nicht mehr änderbar und nicht mehr ergänzbar. Die Urteilsformel als Grundlage für die Vollstreckung und die Eintragung der Verurteilung in die Register muss aus sich selbst heraus verständlich sein (vgl. Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 260 Rn. 30, 31). Rechtsfolgen, die notwendig in die Formel aufzunehmen sind, gelten als nicht verhängt oder als abgelehnt, wenn die verkündete Urteilsformel über sie schweigt (Stuckenberg a.a.O. Rn. 34). Eine nachträgliche Ergänzung der Formel im Wege der Berichtigung ist nur zur Korrektur offensichtlicher Verkündungsversehen in Ausnahmefällen möglich (Stuckenberg a.a.O.).

3. Die verkündete Urteilsformel ist als wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung gemäß § 274 StPO zu protokollieren (vgl. Bartel in KK-StPO, a.a.O. § 268 Rn. 3). Der authentische Wortlaut der Urteilsformel ergibt sich demgemäß aus der Sitzungsniederschrift (BGH, Beschluss vom 13. September 1991 – 3 StR 315/91 –, juris; BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2001 – 2 StR 42/01- und vom 6. Februar 2013 – 1 StR 529/12 Rn. 3 m.w.N., zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – 1 StR 632/18-, juris). Allein das Protokoll beweist nach § 274 Satz 1 StPO, welche Urteilsformel der Vorsitzende tatsächlich verkündet hat (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – 1 StR 632/18 –, juris Rn. 15), während es auf den Wortlaut der niedergelegten Urteilsformel nicht ankommt (Bartel in KK-StPO, a.a.O., § 268 Rn. 3; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 268 Rn. 29). Die bloße schriftliche Niederlegung der Anordnung einer Sperrfrist könnte demnach eine unterbliebene Verkündung nicht ersetzen.

4. Nach dem Hauptverhandlungsprotokoll hat das Amtsgericht hier keine Anordnung einer Maßregel nach § 69a StGB verkündet.

a) Die Sitzungsniederschrift ist insoweit eindeutig, der Urteilstenor leidet für sich betrachtet nicht an offensichtlichen Mängeln, ist weder unklar, erkennbar lückenhaft oder widersprüchlich. Die vom Tatgericht niedergeschriebene Urteilsformel haben die beiden Urkundspersonen weder in das Protokoll eingefügt noch als Anlage zum Protokoll genommen (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 7. November 2006 – 83 Ss 70/06 –, juris Rn. 27; Stuckenberg, a.a.O., Rn. 28, 29), so dass insoweit keine Widersprüchlichkeit innerhalb des Protokolls, die die Beweiskraft des Protokolls erschüttern könnte, vorliegt. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Aufnahme der §§ 69, 69a StGB in die angewandten Strafvorschriften. Denn die Liste der angewandten Vorschriften ist kein Bestandteil des Urteilstenors (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 2 StR 280/07 –, juris; Tiemann in KK-StPO, a.a.O. § 260 Rn. 52). Sie ist weder zu verlesen noch sonst bekannt zu geben (BGH, Urteil vom 25. September 1996 – 3 StR 245/96 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 260 Rn. 51; Tiemann a.a.O.).

b) Eine förmliche Berichtigung des Protokolls (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06 –, BGHSt 51, 298-317 juris) ist nicht erfolgt. Keine der Urkundspersonen ist von der protokollierten Fassung abgerückt (vgl. dazu OLG Hamm, Urteil vom 14. August 1980 – 2 Ss 367/80 –, juris).

c) Der Senat hat daher die Beweiskraft des Protokolls zu beachten. Danach ist die Urteilsformel wie protokolliert verkündet worden. Das Amtsgericht hat in der Urteilsformel keine Anordnung einer Sperrfrist ausgesprochen.

5. Entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft liegt hier kein offensichtliches Verkündungs- oder Fassungsversehen vor.

a) Das Verschlechterungsverbot steht der Nachholung unterlassener Entscheidungen nicht in jedem Fall entgegen (vgl. Gericke a.a.O. § 358 Rn. 19).

b) Das Rechtsmittelgericht kann offensichtliche Versehen im Ausspruch des angefochtenen Urteils berichtigen. Nach der gefestigten Rechtsprechung sind „offensichtlich“ jedoch lediglich solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss – auch ohne Berichtigung – eindeutig erkennbar sein, was das Gericht – zum Zeitpunkt der Verkündung – tatsächlich gewollt und entschieden hat (vgl. zur Berichtigung in der Revision BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 – 4 StR 77/13 –, juris Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 354 Rn. 33; Franke a.a.O. § 354 Rn. 47 ff.; Gericke a.a.O. § 354 Rn. 20 f.). Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige nachträgliche Abänderung des Urteils einhergeht (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2017 – 2 StR 345/16 –, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 113/17 –, juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 268 Rn. 10). Hinsichtlich der Frage einer möglichen Berichtigung der mündlich verkündeten Urteilsformel könnte auch die mündliche Urteilsbegründung Berücksichtigung finden (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.). Grundsätzlich ist jedoch in Ansehung der überragenden Bedeutung der Urteilsformel, die – anders als die schriftlichen Urteilsgründe – bei Verkündung schriftlich vorliegen muss, bei einer Berichtigung der Urteilsformel Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1952 – 5 StR 480/52, BGHSt 3, 245, 247, juris; BGH, Urteil vom 8. November 2017 – 2 StR 542/16 –, juris Rn. 18).

c) Gemessen daran kann im vorliegenden Fall in der unterlassenen Verkündung einer Entscheidung über die Anordnung einer Sperre keine Unrichtigkeit erblickt werden, deren Offensichtlichkeit sich zwanglos aus Tatsachen ergeben würde, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage liegen und die jeden Verdacht einer unzulässigen nachträglichen Änderung ausschließen. Die verkündete Urteilsformel selbst war in sich widerspruchsfrei und eindeutig. Für weitere aus dem Ablauf der Urteilsverkündung ergebende und für die Verfahrensbeteiligten klar zu Tage liegenden Tatsachen, die ein reines Versehen bei der Fassung des Tenors offenkundig machen könnten, ist hier nichts ersichtlich, insbesondere fehlen Anhaltspunkte, dass die mündliche Mitteilung der Entscheidungsgründe, die gemäß § 268 Abs. 2 StPO mit der Verlesung der Urteilsformel eine Einheit bildet, den Verfahrensbeteiligten ohne weiteres die Gewissheit über die Anordnung einer Sperre – etwa im Wege der mündlichen Erörterung der Sperrfrist – vermittelt hätte. Die spätere schriftliche Urteilsbegründung, die für die Verfahrensbeteiligten erkennbar Ausführungen zu einer Sperre enthält, reicht für sich allein nicht aus, um nachträglich die wahre Entscheidung des Amtsgerichts zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsverkündung aufzuzeigen (vgl. Stuckenberg a.a.O. Rn. 54; Franke a.a.O. § 354 Rn. 49). Wird eine bestimmte Rechtsfolge als Teil des Urteilsspruchs nicht verkündet, liegt kein offensichtliches Verkündungs- oder Fassungsversehen vor, das vom Revisionsgericht nachträglich richtig gestellt werden könnte (so auch BGH, Beschluss vom 10. Mai 1988 – 5 StR 47/88 –, juris ebenfalls zu einer versehentlich unterbliebenen Verkündung der Anordnung einer Sperre; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Mai 1974 – 4 StR 633/73 –, BGHSt 25, 333-338 juris; im Ergebnis auch Franke a.a.O).

d) Der Umstand, dass die nach der Urteilsverkündung gefertigten schriftlichen Urteilsgründe des Amtsgerichts für sich genommen rechtlich einwandfreie Erwägungen enthalten, die die Festsetzung der nicht verkündeten Anordnung einer Sperrfrist rechtfertigen würden, vermag aufgrund des Widerspruchs von Tenor und Gründen an dem Ergebnis somit nichts mehr zu ändern.

6. Mangels Anordnung einer Maßregel in der ersten Instanz durfte das Landgericht auf die Berufung des Angeklagten hin nach § 331 Abs. 1 StPO keine Entscheidung zur isolierten Sperre treffen. Das in der Revision angefochtene Urteil ist somit entsprechend zu korrigieren.

7. Im übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO.

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