Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Hohes Strafmaß bei riskanter Raserei: Gericht verurteilt Autofahrer nach § 315d StGB
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Beweismittel sind notwendig, um eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu rechtfertigen?
- Wie kann man sich gegen den Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens verteidigen?
- Welche Rolle spielen die Aussagen von Polizeibeamten bei der Beweisführung?
- Wie wird die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit bei Raser-Delikten festgestellt?
- Welche Konsequenzen drohen bei einer Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Angeklagte wurde wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt, bei dem er angeblich einen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet hat.
- Das Amtsgericht entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog seinen Führerschein und das genutzte Fahrzeug ein und verhängte eine Geldstrafe.
- Das Gericht konnte nicht eindeutig feststellen, dass der Angeklagte die Anforderungen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllte.
- Die Feststellungen des Amtsgerichts bezogen sich hauptsächlich auf das Fahrverhalten des Polizeifahrzeugs und nicht auf das des Angeklagten.
- Es bleibt unklar, welche Geschwindigkeit der Angeklagte tatsächlich gefahren ist und ob ein Toleranzabzug berücksichtigt wurde.
- Die Urteilsbegründung enthält Widersprüche und fehlt an klarer Beweiswürdigung.
- Das Urteil wurde aufgehoben und zur neuen Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
- Die Einziehung des Fahrzeugs wurde als grundsätzlich gerechtfertigt angesehen, muss jedoch besser begründet werden.
- Die Einziehung des Fahrzeugs ist eine Strafzumessungsentscheidung und muss bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt werden.
- Die Feststellungen zur konkreten Gefährdung gemäß § 315d Abs. 2 StGB sind unzureichend und bedürfen weiterer Klärung.
Hohes Strafmaß bei riskanter Raserei: Gericht verurteilt Autofahrer nach § 315d StGB
Im Straßenverkehr kommt es immer wieder zu Situationen, die für Autofahrerinnen und Autofahrer äußerst gefährlich werden können. In manchen Fällen kommt es zu sogenannten Alleinrennen, bei denen ein Fahrer oder eine Fahrerin bewusst das Risiko eingeht, durch extrem hohe Geschwindigkeit und riskante Fahrmanöver selbst oder andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr zu bringen. Für solche Fälle sieht das Strafgesetzbuch unter anderem den § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Dieser Paragraf sanktioniert das sogenannte „gefährliche Eingreifen in den Straßenverkehr“ und kann bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe führen.
Dabei ist die Beweislage für eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB jedoch nicht immer einfach. Die Staatsanwaltschaft muss nachweisen, dass der Beschuldigte tatsächlich mit seinem Fahrzeug ein gefährliches Eingreifen in den Straßenverkehr beabsichtigt hat. Zudem müssen konkrete Umstände vorliegen, die einen solchen Vorsatz belegen. So können beispielsweise Zeugenaussagen, Spuren am Unfallort oder technische Aufzeichnungen (wie beispielsweise Daten von der Fahrzeugkennung) wichtige Beweismittel sein.
Gerne wollen wir Ihnen im Folgenden ein aktuelles Urteil näher beleuchten, in dem das Gericht eine Entscheidung im Bereich des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB getroffen hat. Dieses Urteil bietet wichtige Einblicke in die Rechtsprechung und kann Ihnen vielleicht helfen, die Komplexität des Themas besser zu verstehen.
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Der Fall vor Gericht
Freispruch für Raser in Berlin: Beweislast für gefährliches Autorennen nicht erfüllt
Das Kammergericht Berlin hat in einem Aufsehen erregenden Fall das Urteil gegen einen vermeintlichen Raser aufgehoben. Der Mann war vom Amtsgericht Tiergarten wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Zusätzlich hatte das Gericht seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung verhängt. Das Kammergericht sah jedoch erhebliche Mängel in der Beweisführung und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück.
Mangelnde Beweise für Raserei und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
Der Angeklagte soll im Februar 2023 auf einer etwa zwei Kilometer langen Strecke in Berlin ein sogenanntes Einzelrennen durchgeführt haben. Dabei soll er einen anderen Verkehrsteilnehmer durch einen Spurwechsel zu einer Vollbremsung gezwungen haben. Das Amtsgericht stützte seine Verurteilung hauptsächlich auf die Aussagen von Polizeibeamten, die den Angeklagten verfolgten.
Das Kammergericht kritisierte jedoch scharf, dass die Urteilsbegründung sich vorwiegend auf das Fahrverhalten des Polizeifahrzeugs konzentrierte, statt das tatsächliche Verhalten des Angeklagten zu beschreiben. So wurde beispielsweise festgestellt, dass die Polizei mit bis zu 95 km/h dem Angeklagten folgen musste, ohne dass klar wurde, welche Geschwindigkeit der Angeklagte tatsächlich fuhr.
Strenge Anforderungen an Beweisführung bei Raser-Delikten
Das Gericht betonte die Notwendigkeit präziser Feststellungen bei der Anwendung des § 315d StGB, der das Verbot von Kraftfahrzeugrennen regelt. Aufgrund der weiten Fassung des Gesetzes müssen die Tatumstände besonders genau dargelegt werden, um dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen.
Das Kammergericht kritisierte mehrere Punkte in der Beweisführung des Amtsgerichts:
- Es wurde nicht klar, ob der Tachometer des Polizeifahrzeugs geeicht war.
- Es fehlten Angaben zu einem möglichen Toleranzabzug bei der Geschwindigkeitsmessung.
- Die tatsächlich vom Angeklagten gefahrene Geschwindigkeit wurde nicht eindeutig festgestellt.
- Die Beweiswürdigung zur angeblich gefahrenen Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h war unzureichend.
Rechtliche Konsequenzen und Ausblick auf erneute Verhandlung
Das Kammergericht hob das Urteil auf und verwies den Fall an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück. Für die erneute Verhandlung gab das Gericht wichtige Hinweise:
- Die Einziehung des Tatfahrzeugs muss als Ermessensentscheidung besser begründet werden.
- Bei einer erneuten Einziehung des Fahrzeugs muss dies bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
- Die konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer muss genauer dargelegt werden, um die Qualifikation nach § 315d Abs. 2 StGB zu rechtfertigen.
Der Fall zeigt deutlich, wie hoch die Anforderungen an die Beweisführung bei vermeintlichen Raser-Delikten sind. Für eine Verurteilung reicht es nicht aus, nur das Verhalten der verfolgenden Polizeibeamten zu schildern. Vielmehr muss das Gericht konkret darlegen, welches Fahrverhalten dem Angeklagten zur Last gelegt wird und wie dieses bewiesen wurde.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin unterstreicht die hohen Anforderungen an die Beweisführung bei Raser-Delikten nach § 315d StGB. Für eine Verurteilung reicht es nicht aus, lediglich das Verhalten verfolgender Polizeibeamter zu schildern. Vielmehr muss das Gericht präzise darlegen, welches konkrete Fahrverhalten dem Angeklagten zur Last gelegt wird und wie dieses bewiesen wurde. Dies dient dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und schützt vor ungerechtfertigten Verurteilungen in Fällen mit unzureichender Beweislage.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Autofahrer sollten Sie wissen, dass bei Vorwürfen wegen gefährlichen Eingreifens in den Straßenverkehr die Beweislast für die Staatsanwaltschaft sehr hoch ist. Das Gericht verlangt konkrete, präzise Nachweise Ihres Fahrverhaltens, nicht nur Aussagen über das Verhalten verfolgender Polizeifahrzeuge. Ihre tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit muss eindeutig belegt werden, wobei Messungen genau geprüft und mögliche Toleranzabzüge berücksichtigt werden. Zudem muss für eine Verurteilung eine konkrete Gefährdung anderer, quasi ein „Beinahe-Unfall“, nachgewiesen werden. Diese strengen Beweisanforderungen stärken Ihre Rechtsposition und schützen Sie vor vorschnellen Verurteilungen.
FAQ – Häufige Fragen
Raser-Delikte und Beweisführung im Straßenverkehr sind heikle Themen, die nicht nur Autofahrer, sondern auch die Justiz beschäftigen. In unserer FAQ-Rubrik finden Sie fundierte Antworten auf wichtige Fragen rund um diese Themengebiete. Von der Definition des Raser-Delikts über die möglichen Strafen bis hin zur Beweislast im Straßenverkehr, wir bieten Ihnen umfassende Informationen aus juristischer Perspektive.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Beweismittel sind notwendig, um eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu rechtfertigen?
- Wie kann man sich gegen den Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens verteidigen?
- Welche Rolle spielen die Aussagen von Polizeibeamten bei der Beweisführung?
- Wie wird die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit bei Raser-Delikten festgestellt?
- Welche Konsequenzen drohen bei einer Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens?
Welche Beweismittel sind notwendig, um eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu rechtfertigen?
Für eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB müssen die Strafverfolgungsbehörden verschiedene Beweismittel vorlegen, um alle Tatbestandsmerkmale zweifelsfrei nachzuweisen.
Zeugenaussagen spielen eine wichtige Rolle. Aussagen von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern oder Passanten, die das Fahrverhalten beobachtet haben, können wertvolle Hinweise auf eine nicht angepasste Geschwindigkeit und grob verkehrswidriges Verhalten liefern. Auch Polizeibeamte, die den Vorfall beobachtet oder den Fahrer gestoppt haben, kommen als Zeugen in Betracht.
Technische Beweismittel sind ebenfalls von großer Bedeutung. Geschwindigkeitsmessungen durch stationäre oder mobile Messgeräte können die gefahrene Geschwindigkeit objektiv belegen. Videoaufnahmen von Überwachungskameras oder Dashcams anderer Verkehrsteilnehmer können das Fahrverhalten dokumentieren.
Die Auswertung von Fahrzeugdaten kann zusätzliche Erkenntnisse liefern. Moderne Fahrzeuge speichern häufig Daten zu Geschwindigkeit, Beschleunigung und Bremsmanövern, die als Beweismittel herangezogen werden können.
Spuren am Tatort wie Brems- oder Driftspuren auf der Fahrbahn können ebenfalls als Indizien dienen. Sie lassen Rückschlüsse auf die gefahrene Geschwindigkeit und das Fahrverhalten zu.
Die subjektive Tatseite, insbesondere die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, lässt sich oft nur indirekt nachweisen. Hier können Äußerungen des Fahrers gegenüber Zeugen oder in sozialen Medien relevant sein. Auch das Vorhandensein von Wettabsprachen oder Rennaufforderungen kann die Absicht belegen.
Die Gesamtschau aller Beweismittel ist entscheidend. Einzelne Indizien reichen in der Regel nicht aus. Erst die Kombination verschiedener Beweismittel ermöglicht es dem Gericht, sich von der Tatbegehung zu überzeugen.
Bei der Beweiswürdigung kommt es auf die freie Überzeugung des Gerichts an. Es muss alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Eine exakte Geschwindigkeitsmessung ist nicht zwingend erforderlich. Auch eine durch Tatsachen gestützte Schätzung kann ausreichen, wenn sie nachvollziehbar begründet wird.
Die Verteidigung wird versuchen, Zweifel an der Beweiskraft einzelner Mittel zu säen. Sie kann beispielsweise die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen in Frage stellen oder technische Messungen anzweifeln. Daher ist eine sorgfältige und lückenlose Beweisführung durch die Staatsanwaltschaft unerlässlich.
Für eine Verurteilung müssen alle Tatbestandsmerkmale zweifelsfrei nachgewiesen werden. Dazu gehören die nicht angepasste Geschwindigkeit, das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten sowie die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Bestehen Zweifel an einem dieser Merkmale, muss das Gericht nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freisprechen.
Die Anforderungen an die Beweisführung sind bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB besonders hoch, da es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Es muss nicht zu einer konkreten Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sein. Umso wichtiger ist es, das gefährliche Fahrverhalten an sich zweifelsfrei nachzuweisen.
Wie kann man sich gegen den Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens verteidigen?
Bei einem Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d StGB gibt es verschiedene Verteidigungsmöglichkeiten. Eine zentrale Strategie besteht darin, die objektiven Tatbestandsmerkmale in Frage zu stellen. Hierbei kann argumentiert werden, dass keine nicht angepasste Geschwindigkeit vorlag. Die Rechtsprechung sieht eine nicht angepasste Geschwindigkeit dann als gegeben an, wenn das Fahrzeug nicht mehr sicher beherrscht werden kann. Dabei spielen Faktoren wie Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnisse sowie die Leistungsfähigkeit des Fahrers und der technische Zustand des Fahrzeugs eine Rolle.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist das Bestreiten der grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fahrweise. Hier kann beispielsweise angeführt werden, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht konkret gefährdet wurden. Auch die Motivation des Fahrers spielt eine wichtige Rolle. Der Tatbestand erfordert die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Fehlt diese spezifische Absicht, liegt kein verbotenes Kraftfahrzeugrennen vor.
Bei Vorwürfen eines Rennens gegen andere Fahrzeuge kann die Verteidigung darauf abzielen, dass kein Wettbewerbscharakter vorlag. Hierzu muss nachgewiesen werden, dass kein bewusstes Kräftemessen oder Leistungsvergleich stattfand. Auch eine fehlende Übereinkunft zwischen den Beteiligten kann als Argument dienen.
Die Qualität und Zuverlässigkeit der Beweismittel sollte ebenfalls kritisch hinterfragt werden. Bei Geschwindigkeitsmessungen können technische Fehler oder Ungenauigkeiten vorliegen. Zeugenaussagen können unzuverlässig oder widersprüchlich sein. Eine genaue Prüfung der Beweiskette ist daher unerlässlich.
In Fällen von Alleinrennen nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ist die Verteidigung besonders herausfordernd. Hier muss die subjektive Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, widerlegt werden. Dies kann durch den Nachweis anderer Motivationen für die Fahrweise geschehen, etwa zeitlicher Druck oder eine Notsituation.
Eine weitere Verteidigungsstrategie besteht darin, die Verhältnismäßigkeit der Strafverfolgung in Frage zu stellen. Hierbei kann argumentiert werden, dass der Vorwurf eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens unverhältnismäßig schwerwiegend im Vergleich zum tatsächlichen Verhalten ist.
In jedem Fall ist eine detaillierte Analyse des Einzelfalls unerlässlich. Die genauen Umstände der Fahrt, die Verkehrssituation, die Motivation des Fahrers und die Qualität der Beweismittel müssen sorgfältig geprüft werden. Nur so können effektive Verteidigungsstrategien entwickelt werden, die den spezifischen Gegebenheiten des Falls Rechnung tragen.
Eine fundierte juristische Beratung ist bei Vorwürfen des verbotenen Kraftfahrzeugrennens unbedingt zu empfehlen. Erfahrene Strafverteidiger können die Erfolgsaussichten verschiedener Verteidigungsansätze einschätzen und die bestmögliche Strategie entwickeln. Sie kennen die aktuelle Rechtsprechung und können eventuelle Schwachstellen in der Anklage identifizieren.
Die Verteidigung gegen den Vorwurf eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise. Neben der Prüfung der Tatbestandsmerkmale und der Beweislage sollten auch mögliche Strafmilderungsgründe berücksichtigt werden. Hierzu zählen etwa eine bisher tadellose Fahrweise, Reue und Einsicht oder besondere persönliche Umstände des Beschuldigten.
Bei der Verteidigung ist auch zu beachten, dass die Rechtsprechung zu § 315d StGB noch relativ jung ist und sich stetig weiterentwickelt. Aktuelle Urteile, insbesondere des Bundesgerichtshofs, können neue Interpretationen und Auslegungen der Norm mit sich bringen. Diese Entwicklungen müssen in die Verteidigungsstrategie einbezogen werden.
Welche Rolle spielen die Aussagen von Polizeibeamten bei der Beweisführung?
Polizeibeamte nehmen als Zeugen eine besondere Stellung im Strafverfahren ein. Ihre Aussagen haben oft erhebliches Gewicht bei der Beweisführung, da sie als professionelle Beobachter gelten und häufig als erste am Tatort sind. Gerichte messen den Angaben von Polizisten grundsätzlich eine hohe Glaubwürdigkeit bei. Dies basiert auf der Annahme, dass Beamte aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung präzise beobachten und sachlich berichten können.
Dennoch unterliegen Aussagen von Polizeibeamten einer kritischen Prüfung durch die Gerichte. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Entscheidungen betont, dass auch Polizeiaussagen sorgfältig auf ihre Glaubhaftigkeit hin untersucht werden müssen. Dabei spielen Faktoren wie Detailgenauigkeit, innere Stimmigkeit und Konstanz der Aussage eine wichtige Rolle.
Bei der Bewertung von Polizeiaussagen berücksichtigen Gerichte zudem mögliche Einflussfaktoren. Dazu gehört etwa der sogenannte Korpsgeist, also die Tendenz, Kollegen nicht zu belasten. Auch eigene Interessen der Beamten am Verfahrensausgang können die Objektivität beeinflussen. Gerichte prüfen daher, ob Polizisten möglicherweise befangen sein könnten.
Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Erinnerungsfähigkeit der Beamten. Gerade bei Routineeinsätzen, die oft Wochen oder Monate zurückliegen, kann es zu Verwechslungen oder Erinnerungslücken kommen. Gerichte erwarten von Polizisten eine genaue Trennung zwischen tatsächlicher Erinnerung und Rekonstruktion anhand von Aktenvermerken.
Die Rechtsprechung fordert von den Gerichten eine umfassende Würdigung aller Umstände. Dazu gehört auch die Entstehungsgeschichte der Aussage. Es muss geprüft werden, ob die Angaben des Polizeibeamten über verschiedene Vernehmungen hinweg konstant geblieben sind oder ob es Widersprüche gibt. Auch der Abgleich mit anderen Beweismitteln ist wichtig.
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Polizeibeamte in Verfahren aussagen, in denen sie selbst oder Kollegen am Tatgeschehen beteiligt waren. Hier besteht die Gefahr einer unbewussten Beeinflussung durch eigene Interessen. Gerichte müssen in solchen Fällen besonders genau prüfen, ob die Aussage frei von sachfremden Erwägungen ist.
Ein problematischer Punkt ist die Vorbereitung von Polizeibeamten auf ihre Zeugenaussage. Einerseits wird von ihnen erwartet, dass sie sich anhand ihrer Aufzeichnungen vorbereiten. Andererseits darf dies nicht zu einer Verfälschung der ursprünglichen Wahrnehmung führen. Gerichte achten daher darauf, ob ein Zeuge zwischen eigener Erinnerung und nachträglicher Rekonstruktion unterscheiden kann.
Die Glaubwürdigkeit von Polizeiaussagen kann auch dadurch beeinträchtigt werden, dass Beamte häufig als Zeugen aussagen. Dies kann zu einer gewissen Routine führen, die die Authentizität der Aussage in Frage stellt. Gerichte müssen daher prüfen, ob eine Aussage tatsächlich auf konkreten Erinnerungen beruht oder eher schematisch erfolgt.
Bei der Beweiswürdigung gilt der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das bedeutet, dass auch Polizeiaussagen nicht per se als glaubwürdiger eingestuft werden dürfen als die Aussagen anderer Zeugen. Vielmehr muss jede Aussage individuell auf ihre Glaubhaftigkeit geprüft werden.
In Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, kommt den Angaben von Polizeibeamten oft besondere Bedeutung zu. Hier müssen Gerichte besonders sorgfältig abwägen und dürfen sich nicht allein auf den Status als Polizeibeamter verlassen. Es bedarf einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände, um zu einer gerechten Entscheidung zu kommen.
Wie wird die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit bei Raser-Delikten festgestellt?
Die Feststellung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit bei Raser-Delikten erfolgt durch verschiedene technische Methoden, die einer strengen rechtlichen Überprüfung standhalten müssen. Polizei und Ordnungsbehörden setzen dabei auf unterschiedliche Messverfahren, die jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen.
Radarmessungen gehören zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren. Hierbei werden elektromagnetische Wellen ausgesendet und vom Fahrzeug reflektiert. Aus der Frequenzänderung der reflektierten Wellen lässt sich die Geschwindigkeit berechnen. Diese Methode ist zwar weit verbreitet, kann aber durch äußere Einflüsse wie Reflexionen an anderen Objekten beeinträchtigt werden.
Lasermessungen nutzen Lichtimpulse zur Geschwindigkeitsbestimmung. Ein Laserstrahl wird auf das Fahrzeug gerichtet und die Zeit gemessen, die das reflektierte Licht zurück zum Messgerät benötigt. Diese Methode gilt als sehr präzise, erfordert jedoch eine exakte Ausrichtung des Messgeräts.
Bei der Abstandsmessung über Induktionsschleifen werden in den Straßenbelag eingelassene Sensoren verwendet. Diese registrieren den Zeitpunkt, an dem ein Fahrzeug die Messstelle passiert. Aus dem Abstand zwischen zwei Messpunkten und der benötigten Zeit lässt sich die Geschwindigkeit errechnen.
Videobasierte Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Geschwindigkeitsmessung über eine längere Strecke. Hierbei wird das Fahrzeug gefilmt und anhand von Referenzpunkten im Bild die Geschwindigkeit ermittelt. Diese Methode bietet den Vorteil, dass sie auch bei dichtem Verkehr zuverlässig funktioniert.
Bei allen Messverfahren müssen gesetzlich vorgeschriebene Toleranzabzüge berücksichtigt werden, um mögliche Messungenauigkeiten auszugleichen. Diese betragen in der Regel 3 km/h bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h und 3% bei höheren Geschwindigkeiten.
Die Kalibrierung der Messgeräte spielt eine entscheidende Rolle für die Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass die Geräte in regelmäßigen Abständen, meist alle 12 bis 24 Monate, von akkreditierten Stellen überprüft und kalibriert werden müssen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Messungen den rechtlichen Anforderungen entsprechen und vor Gericht Bestand haben.
Fehlerquellen bei der Geschwindigkeitsmessung können vielfältig sein. Dazu gehören technische Defekte der Messgeräte, falsche Bedienung durch das Personal oder äußere Einflüsse wie Witterungsbedingungen. Um solche Fehler auszuschließen, müssen die Messungen unter genau definierten Bedingungen durchgeführt und dokumentiert werden.
Bei der rechtlichen Bewertung von Raser-Delikten spielen neben der gemessenen Geschwindigkeit auch andere Faktoren eine Rolle. Dazu gehören die Verkehrssituation, die Witterungsbedingungen und das Verhalten des Fahrers. Gerichte berücksichtigen diese Umstände, um zu einer angemessenen Beurteilung des Einzelfalls zu gelangen.
Die exakte Feststellung der gefahrenen Geschwindigkeit ist von großer Bedeutung für die rechtliche Einordnung eines Raser-Delikts. Je höher die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, desto schwerwiegender sind in der Regel die rechtlichen Konsequenzen. Dies kann von Bußgeldern über Fahrverbote bis hin zu strafrechtlichen Sanktionen reichen.
Welche Konsequenzen drohen bei einer Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens?
Für eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB müssen die Strafverfolgungsbehörden verschiedene Beweismittel vorlegen, um alle Tatbestandsmerkmale zweifelsfrei nachzuweisen.
Zeugenaussagen spielen eine wichtige Rolle. Aussagen von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern oder Passanten, die das Fahrverhalten beobachtet haben, können wertvolle Hinweise auf eine nicht angepasste Geschwindigkeit und grob verkehrswidriges Verhalten liefern. Auch Polizeibeamte, die den Vorfall beobachtet oder den Fahrer gestoppt haben, kommen als Zeugen in Betracht.
Technische Beweismittel sind ebenfalls von großer Bedeutung. Geschwindigkeitsmessungen durch stationäre oder mobile Messgeräte können die gefahrene Geschwindigkeit objektiv belegen. Videoaufnahmen von Überwachungskameras oder Dashcams anderer Verkehrsteilnehmer können das Fahrverhalten dokumentieren.
Die Auswertung von Fahrzeugdaten kann zusätzliche Erkenntnisse liefern. Moderne Fahrzeuge speichern häufig Daten zu Geschwindigkeit, Beschleunigung und Bremsmanövern, die als Beweismittel herangezogen werden können.
Spuren am Tatort wie Brems- oder Driftspuren auf der Fahrbahn können ebenfalls als Indizien dienen. Sie lassen Rückschlüsse auf die gefahrene Geschwindigkeit und das Fahrverhalten zu.
Die subjektive Tatseite, insbesondere die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, lässt sich oft nur indirekt nachweisen. Hier können Äußerungen des Fahrers gegenüber Zeugen oder in sozialen Medien relevant sein. Auch das Vorhandensein von Wettabsprachen oder Rennaufforderungen kann die Absicht belegen.
Die Gesamtschau aller Beweismittel ist entscheidend. Einzelne Indizien reichen in der Regel nicht aus. Erst die Kombination verschiedener Beweismittel ermöglicht es dem Gericht, sich von der Tatbegehung zu überzeugen.
Bei der Beweiswürdigung kommt es auf die freie Überzeugung des Gerichts an. Es muss alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Eine exakte Geschwindigkeitsmessung ist nicht zwingend erforderlich. Auch eine durch Tatsachen gestützte Schätzung kann ausreichen, wenn sie nachvollziehbar begründet wird.
Die Verteidigung wird versuchen, Zweifel an der Beweiskraft einzelner Mittel zu säen. Sie kann beispielsweise die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen in Frage stellen oder technische Messungen anzweifeln. Daher ist eine sorgfältige und lückenlose Beweisführung durch die Staatsanwaltschaft unerlässlich.
Für eine Verurteilung müssen alle Tatbestandsmerkmale zweifelsfrei nachgewiesen werden. Dazu gehören die nicht angepasste Geschwindigkeit, das grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten sowie die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Bestehen Zweifel an einem dieser Merkmale, muss das Gericht nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freisprechen.
Die Anforderungen an die Beweisführung sind bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB besonders hoch, da es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Es muss nicht zu einer konkreten Gefährdung oder gar Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sein. Umso wichtiger ist es, das gefährliche Fahrverhalten an sich zweifelsfrei nachzuweisen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Verbotenes Kraftfahrzeugrennen (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB): Dieser Gesetzesparagraf bestraft das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrigem Verhalten, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Es zielt darauf ab, gefährliche Rennen im Straßenverkehr zu verhindern und ist relevant, wenn Fahrer durch riskante Manöver andere Verkehrsteilnehmer gefährden.
- Beweislast: Die Beweislast liegt bei der Staatsanwaltschaft, die nachweisen muss, dass der Angeklagte das illegale Rennen tatsächlich durchgeführt hat. Dies erfordert eindeutige und präzise Beweise, wie Zeugenaussagen, technische Aufzeichnungen oder Spuren am Tatort, um den Vorsatz und die konkrete Gefährdung zu belegen.
- Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG): Dieses verfassungsrechtliche Prinzip verlangt, dass Strafgesetze klar und verständlich formuliert sind, damit Bürger wissen, welches Verhalten strafbar ist. Bei unklaren Formulierungen muss das Gericht besonders genaue Feststellungen treffen, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.
- Toleranzabzug: Bei Geschwindigkeitsmessungen kann ein Toleranzabzug vorgenommen werden, um Messungenauigkeiten auszugleichen. Dies ist besonders wichtig, wenn die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs eine entscheidende Rolle im Gerichtsverfahren spielt. Ein solcher Abzug stellt sicher, dass nur präzise und verlässliche Daten zur Verurteilung herangezogen werden.
- Gefährdung: Für eine Verurteilung nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB muss eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nachgewiesen werden. Es reicht nicht aus, dass eine abstrakte Gefahr bestand; es muss gezeigt werden, dass die Sicherheit anderer Personen oder Sachen tatsächlich in erheblichem Maße beeinträchtigt wurde, etwa durch einen beinahe verursachten Unfall.
- Einziehung des Fahrzeugs: Die Einziehung eines Fahrzeugs, das bei einer Straftat verwendet wurde, ist eine Maßnahme, die zusätzlich zur Strafe verhängt werden kann. Sie dient dazu, das Tatmittel zu entziehen und künftige Straftaten zu verhindern. Diese Entscheidung muss gut begründet sein und berücksichtigt werden, wenn andere Strafen festgelegt werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB (Verbotenes Kraftfahrzeugrennen): Dieses Gesetz bestraft das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte beschuldigt, ein solches Rennen gefahren zu sein, aber das Gericht stellte fest, dass die Beweise nicht ausreichten, um dies zu belegen.
- Art. 103 Abs. 2 GG (Bestimmtheitsgebot): Dieses Grundgesetz verlangt, dass Strafgesetze klar und bestimmt formuliert sein müssen, damit jeder Bürger weiß, welches Verhalten strafbar ist. Im vorliegenden Fall argumentierte das Gericht, dass die weite Fassung des § 315d StGB besonders klare Feststellungen des Sachverhalts erfordert.
- § 335 StPO (Sprungrevision): Diese Vorschrift erlaubt es dem Angeklagten, direkt das Revisionsgericht anzurufen, wenn das Urteil des Amtsgerichts auf Rechtsfehlern beruht. Im vorliegenden Fall legte der Angeklagte erfolgreich Sprungrevision ein, da das Gericht Mängel in der Beweisführung feststellte.
- § 315d Abs. 2 StGB (Qualifizierter Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens): Dieser Paragraph beschreibt die erschwerte Form des verbotenen Kraftfahrzeugrennens, bei der Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte auch nach diesem Paragraphen verurteilt, aber das Gericht hob das Urteil auf, da die Gefährdung nicht ausreichend belegt war.
- Art. 20 Abs. 3 GG (Gewaltenteilung): Dieses Grundgesetz legt fest, dass die Rechtsprechung unabhängig ist. Im vorliegenden Fall betonte das Gericht seine Rolle als unabhängiges Organ, das die Beweiswürdigung des Amtsgerichts überprüfen und gegebenenfalls korrigieren kann.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORs 16/24 – 161 SRs 4/24 – Beschluss vom 01.03.2024
Lesen Sie hier das Urteil…
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. November 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens „mit fahrlässiger Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert“ zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Zugleich hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Wiedererteilung von sechs Monaten festgesetzt. Schließlich hat das Amtsgericht auch den bei der Tat verwendeten PKW VW Passat eingezogen. Das Amtsgericht hat den Angeklagten für schuldig befunden, am 3. Februar 2023 auf einer Fahrstrecke von etwa zwei km Länge ein sogenanntes Einzelrennen durchgeführt und im Zusammenhang mit einem Spurwechsel einen anderen Verkehrsteilnehmer dazu veranlasst zu haben, bis zum Stillstand abzubremsen. Die hiergegen gerichtete, nach § 335 StPO statthafte und auch im Weiteren zulässige Sprungrevision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die Feststellungen erweisen nicht, dass der Angeklagte den Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht hat.
a) Nach dieser Regelung macht sich strafbar, wer sich im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Bei der Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB gilt, dass gerade dessen weite Fassung vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) möglichst klar konturierte Feststellungen des für erwiesen erachteten Sachverhalts erfordert (vgl. Senat StraFo 2019, 342 = VRS 135, 267 = NZV 2019, 314 [m. zust. Anm. Quarch]; NJW 2019, 2788 m. Anm. Zopfs; DAR 2020, 149 = NZV 2020, 210; StV 2022, 29 [Volltext bei juris]). Vor dem Hintergrund der weiten gesetzlichen Formulierung dürfen sich Unschärfen bei der Sachverhaltsermittlung nicht einseitig zum Nachteil des Angeklagten auswirken (vgl. Senat StV 2022, 29 [Volltext bei juris]).
b) Die Urteilsfeststellungen leiden, wie dies bei ähnlichen Fallkonstellationen immer wieder vorkommt (vgl. Senat StV 2022, 29 [Volltext bei juris]), daran, dass sie zu weiten Teilen nicht das Fahrverhalten des Angeklagten darstellen, sondern dasjenige des verfolgenden Polizeifahrzeugs. Über dieses soll sich das Rechtsmittelgericht erschließen, welches Fahrverhalten dem Angeklagten zur Last fällt. Bei den Urteilsfeststellungen zu schildern ist aber nicht vorrangig das den Polizeibeamten zur Verfolgung abgenötigte Fahrverhalten, sondern dasjenige des (vorausfahrenden) Täters, welches das Tatgericht nach freier richterlicher Beweiswürdigung für tatbestandsmäßig hält. Hiervon hat sich zuvörderst der Tatrichter selbst ein Bild zu machen, das er im Urteil niederzulegen und dem Revisionsgericht zu vermitteln hat (vgl. Senat StV 2022, 29 [Volltext bei juris]).
Hier heißt es in den Urteilsfeststellungen, der Fahrer des Polizeifahrzeugs habe „stark beschleunigen“ müssen, „um zu dem PKW Passat aufzuholen, wobei der digitale Tachometer des Polizeifahrzeugs 87 km/h anzeigte“. „Trotzdem“, so heißt es weiter, „entfernte sich der PKW immer weiter“ (UA S. 3). Im gleichen Duktus heißt es später, die polizeilichen Zeugen seien dem Angeklagten weiter gefolgt, mit einer „abgelesenen Geschwindigkeit von 95 km/h“ bzw., dass „der Tachometer 85 km/h anzeigte“ (alles UA S. 3). Schließlich heißt es: „Die Polizeibeamten verfolgten den Angeklagten (…) mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h“ (UA S. 4). All diese Schilderungen betreffen das Fahrverhalten des Polizeifahrzeugs. Ersichtlich soll das Rechtsmittelgericht daraus Schlussfolgerungen in Bezug auf die Fahrweise des Angeklagten und die von diesem erzielte Geschwindigkeit ziehen. Diese Folgerungen auszuformulieren und sie – in der Beweiswürdigung – zu begründen, ist aber die ureigene Aufgabe des Tatgerichts. Wenn es, wie hier, unterschiedliche Möglichkeiten gibt, die Beweise zu würdigen, ist das Revisionsgericht weder befugt noch in der Lage, dies zu tun.
Hier bleibt unklar, welche vom Angeklagten tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit, die sowohl für den äußeren Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch für die subjektiv erforderliche „Höchstgeschwindigkeitserzielungsabsicht“ zentral ist, das Tatgericht für erwiesen erachtet. Die Feststellung, der Tachometer des Polizeifahrzeugs sei digital, sagt nichts darüber aus, ob er geeicht war und ob das Amtsgericht einen Toleranzabzug vorgenommen hat. Dieser hätte bei einem geeichten Geschwindigkeitsmesser geringer ausfallen können als bei einem ungeeichten. Bei letzterem wird – zudem unter jedenfalls in Bezug auf Messstrecke und Abstand im Ansatz standardisierten Bedingungen – von der Rechtsprechung in Bußgeldsachen überwiegend 20% in Abzug gebracht (vgl. Senat DAR 2015, 99).
In diesem Zusammenhang gilt es nicht, einen Rechtssatz mit dem Inhalt zu formulieren, diese Grundsätze seien auf die Feststellung einer Straftat nach § 315d StGB ohne Abweichung zu übertragen. Vielmehr können in Bezug auf Geschwindigkeiten auch valide Schätzungen versierter – ggf. zur Verkehrsüberwachung eingesetzter – polizeilicher Zeugen erwartet werden (vgl. allg. BayObLG NZV 2001, 139; OLG Hamm NZV 1998, 169) und vom Tatgericht in freier richterlicher Beweiswürdigung sogar ohne Abschlag übernommen werden (vgl. Senat StV 2022, 29 [Volltext bei juris]). Aber die Urteilsfeststellungen müssen das Ergebnis dieser Überlegungen in Form der für erwiesen erachteten Geschwindigkeit mitteilen, und im Rahmen der Beweiswürdigung ist klarzustellen, ob ein Toleranzabzug vorgenommen wurde. Unterbleibt dies, bedarf es regelmäßig einer Erklärung.
Nicht bei den Feststellungen, sondern im Rahmen der Beweiswürdigung teilt das Amtsgericht mit, von welcher tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit es ausgeht, nämlich „von bis zu 100 km/h auf einer Strecke von 2 km“ (UA S. 6 u.). Sollte es sich hierbei um eine zusätzliche Urteilsfeststellung handeln, so setzt sie sich in Widerspruch zu den zuvor getroffenen Feststellungen (UA S. 3 – 4), und zudem fehlt ihr eine tragende Beweiswürdigung. Zwar hat einer der polizeilichen Zeugen „von gefahrenen Geschwindigkeiten bis 100 km/h“ gesprochen (UA S. 5). Insoweit fehlt es aber, wie dargelegt, an einer Überprüfung der Validität. Insbesondere wäre mitzuteilen gewesen, ob die Geschwindigkeit mit einem geeichten Tachometer ermittelt und ob ein Toleranzabzug vorgenommen worden ist.
Das Urteil beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler und war daher auf die Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben. Die Strafsache war zugleich an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
2. Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Gegen die auf § 315f StGB gestützte Einziehung eines vom Täter bei der Tat geführten PKW ist im Grundsatz nichts zu erinnern. Allerdings wird das Amtsgericht zu beachten haben, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, die im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters entsprechend zu begründen ist (vgl. hierzu NK-GVR/Quarch, a.a.O., § 315f StGB Rn. 1). Dies ist hier unterblieben. Das angefochtene Urteil erwähnt lediglich das Baujahr des Fahrzeugs (2011) (UA S. 7).
b) Die Einziehung hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise ein Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 2020, 214). Sollte das Amtsgericht erneut zur Einziehung des vom Angeklagten geführten PKW gelangen, so wird es bei der Strafzumessung deutlich zu machen haben, dass es dies als bestimmenden Gesichtspunkt erkannt und berücksichtigt hat.
c) Schließlich ist auch fraglich, ob die bisherigen Feststellungen die Verurteilung wegen der Qualifikation des § 315d Abs. 2 StGB tragen. Die Anforderungen an die hierzu erforderliche konkrete Gefährdung entsprechen denjenigen des § 315b und § 315c StGB (vgl. NK-GVR/Quarch, 3. Aufl., § 315d StGB Rn. 13). Eine konkrete Gefährdung liegt vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Notwendig ist die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, es sei „noch einmal gut gegangen“ (vgl. BGH NStZ 2023, 415).
Die hierzu im Urteil festgestellte Verkehrssituation ist wenig klar. Geschildert wird ein Fahrstreifenwechsel des Angeklagten, in dessen Folge sowohl dieser als auch ein anderer Fahrzeugführer bis zum Stillstand abbremsen mussten. Allerdings erschließt sich der Vorgang nicht gänzlich, zumal die Fahrzeuge des Angeklagten und des anderen Verkehrsteilnehmers offenbar nebeneinander zum Stehen kamen. Das auf diese Weise geschilderte Verkehrsgeschehen ist jedenfalls nicht ohne Weiteres als „Beinaheunfall“ einzustufen, zumal unklar bleibt, ob der andere Fahrer aus einer nicht ganz geringen Geschwindigkeit und zudem stark abbremsen musste.