Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Tödlicher Überholvorgang: Warum ein Autofahrer trotz guter Sozialprognose ins Gefängnis muss
- Was geschah in der Nacht des 30. März 2022?
- Der Weg vor das Gericht: Zwei Berufungen gegen das erste Urteil
- Die Kernfrage für die Richter: War das Verhalten grob rücksichtslos?
- Die Entscheidung des Landgerichts: Haftstrafe ohne Bewährung bestätigt
- Die Begründung des Gerichts: Eine Schritt-für-Schritt-Analyse
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was versteht man unter fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr und wann wird sie zur Anklage gebracht?
- Welche Rolle spielen die Merkmale „grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ bei der Bestrafung von Verkehrsdelikten?
- Unter welchen Voraussetzungen kann eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung bei einem schweren Verkehrsdelikt verhängt werden, auch wenn man nicht vorbestraft ist?
- Was sind die möglichen Konsequenzen für meinen Führerschein nach einem schweren Verkehrsunfall mit Todesfolge oder schwerer Verletzung?
- Welche Möglichkeiten habe ich, ein gerichtliches Urteil in einem Strafverfahren anzufechten, wenn ich damit nicht einverstanden bin?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 7 NBs 401 Js 11020/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Landshut
- Datum: 24.01.2024
- Aktenzeichen: 7 NBs 401 Js 11020/22 (2)
- Verfahrensart: Strafverfahren (Berufung)
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Verkehrsrecht
Beteiligte Parteien:
- Beklagte: Der Angeklagte, ein 63-jähriger Einkaufsleiter, der gegen seine erstinstanzliche Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs Berufung eingelegt hatte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein 63-jähriger Autofahrer überholte nachts auf einer Bundesstraße, obwohl die Sicht durch Dunkelheit und Straßenverlauf eingeschränkt war und Gegenverkehr nahte. Er scherte nicht rechtzeitig wieder ein und kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Pkw, dessen 23-jähriger Fahrer an der Unfallstelle verstarb.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die erstinstanzliche Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und Fahrerlaubnisentzug korrekt war. Insbesondere wurde geprüft, ob das Überholmanöver des Beklagten den tödlichen Unfall vorhersehbar und vermeidbar machte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht bestätigte im Wesentlichen das Urteil der Vorinstanz. Die Berufungen des Beklagten und der Staatsanwaltschaft wurden zurückgewiesen, jedoch die Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für den Beklagten von ursprünglich zwei Jahren auf ein Jahr und zwei Monate reduziert.
- Begründung: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Beklagte grob und Rücksichtslos gegen Verkehrsregeln verstieß, indem er ohne ausreichende Sicht und trotz nahendem Gegenverkehr überholte. Der tödliche Unfall war für ihn vorhersehbar und vermeidbar. Die Freiheitsstrafe wurde wegen der hohen Schuld des Beklagten als angemessen erachtet, obwohl mildernde Umstände vorlagen.
- Folgen: Der Beklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von einem Jahr und zwei Monaten für eine Neuerteilung festgesetzt. Zudem muss er die Kosten seiner Berufung und die Auslagen der Nebenklägerin tragen.
Der Fall vor Gericht
Tödlicher Überholvorgang: Warum ein Autofahrer trotz guter Sozialprognose ins Gefängnis muss
Jeder Autofahrer kennt die Situation: Man fährt auf einer Landstraße, vor einem eine Kolonne langsamerer Fahrzeuge, und die Ungeduld wächst. Die Versuchung, zu einem Überholmanöver anzusetzen, ist groß. Doch was passiert, wenn eine solche Entscheidung katastrophale Folgen hat? Das Landgericht Landshut musste genau über einen solchen Fall urteilen, bei dem ein Überholvorgang zum Tod eines jungen Mannes führte. Das Gericht stand vor der schwierigen Frage, wie eine Tat zu bestrafen ist, die aus einem Moment der Ungeduld und des Leichtsinns entstand, aber ein Leben auslöschte.
Was geschah in der Nacht des 30. März 2022?

An einem frühen Morgen, gegen 06:05 Uhr, war ein 63-jähriger Einkaufsleiter mit seinem neuen Elektroauto auf dem Weg zur Arbeit. Es war noch dunkel, die Bundesstraße außerhalb der Ortschaft war nicht beleuchtet. Vor ihm fuhren drei andere Autos mit etwa 70 bis 80 km/h, obwohl die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bei 100 km/h lag. Der 63-jährige Mann, der in diesem Verfahren der Angeklagte war, entschloss sich, alle drei Fahrzeuge in einem Zug zu überholen.
Ein riskantes Manöver mit fatalen Folgen
Der Angeklagte zog auf die Gegenfahrbahn und begann, die Kolonne zu überholen. Doch die Bedingungen waren alles andere als ideal. Aufgrund der Dunkelheit und des Straßenverlaufs mit Kuppen und Senken konnte er die Strecke nicht weit einsehen. Ein Unfallgutachter stellte später fest, dass die tatsächliche Sichtweite nur etwa 135 Meter betrug. Für ein sicheres Überholmanöver bei dieser Geschwindigkeit hätte er jedoch mindestens 340 Meter freie Sicht benötigt.
Schon während er das zweite Fahrzeug überholte, bemerkte der Angeklagte den Scheinwerferkegel eines entgegenkommenden Autos. Zu diesem Zeitpunkt hätte er sein Manöver noch abbrechen können. Wie das Gericht später feststellte, wäre es ihm durch eine Bremsung möglich gewesen, sich wieder in die Lücke zwischen dem zweiten und dem dritten Fahrzeug einzuordnen. Doch er entschied sich dagegen. Das Gericht befand, er habe dies aus eigensüchtigen Gründen getan, weil er seinen Arbeitsweg ungehindert fortsetzen und schneller vorankommen wollte.
Er setzte das Überholmanöver fort und zog auch noch am dritten Fahrzeug, einem Pick-Up, vorbei. In diesem Moment kam ihm der 23-jährige Fahrer eines VW Passat entgegen. Es kam zur frontalen Kollision auf der Fahrspur des jungen Mannes. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt des Aufpralls mit mindestens 139 km/h unterwegs. Der 23-jährige Fahrer, das spätere Todesopfer, hatte noch versucht zu bremsen und auszuweichen, konnte den Zusammenstoß aber nicht mehr verhindern. Er erlitt schwerste Verletzungen und verstarb noch an der Unfallstelle.
Der Weg vor das Gericht: Zwei Berufungen gegen das erste Urteil
Das erste Urteil sprach das Amtsgericht. Es verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit – das bedeutet, dass mehrere Straftaten durch eine einzige Handlung begangen wurden – mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Wichtig hierbei: Diese Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Eine Strafaussetzung zur Bewährung ist eine gerichtliche Entscheidung, bei der ein Verurteilter seine Haftstrafe nicht antreten muss, sofern er sich in einer bestimmten Zeit straffrei verhält. Der Angeklagte musste also laut diesem Urteil ins Gefängnis. Zusätzlich wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen.
Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft waren mit diesem Urteil unzufrieden und legten Berufung ein. Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei eines Gerichtsverfahrens die Überprüfung eines Urteils durch eine höhere Instanz, in diesem Fall das Landgericht, verlangen kann. Der Angeklagte wollte ein milderes Urteil erreichen, idealerweise eine Bewährungsstrafe. Die Staatsanwaltschaft hingegen hielt die Strafe für zu niedrig und legte Berufung zu seinen Lasten ein.
Die Kernfrage für die Richter: War das Verhalten grob rücksichtslos?
Das Landgericht musste den Fall nun vollständig neu bewerten. Die zentrale Frage war nicht nur, ob der Angeklagte schuldig war, sondern vor allem, wie schwer seine Schuld wog. Davon hing ab, ob die harte Strafe des ersten Gerichts – eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung – gerechtfertigt war.
Konkret prüften die Richter, ob das Verhalten des Angeklagten als Grob verkehrswidrig und rücksichtslos einzustufen war. „Grob verkehrswidrig“ bedeutet, dass ein Autofahrer in besonders schwerwiegender Weise gegen eine wichtige Verkehrsregel verstößt. „Rücksichtslos“ handelt, wer sich aus eigensüchtigen Motiven über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt. Aber warum ist diese Unterscheidung so wichtig? Weil das Gesetz für eine solche rücksichtslose Gefährdung des Verkehrs eine höhere Strafe vorsieht.
Die Entscheidung des Landgerichts: Haftstrafe ohne Bewährung bestätigt
Nach umfassender Prüfung kam das Landgericht zum selben Ergebnis wie die Vorinstanz: Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wurden verworfen. Das bedeutet, das Urteil wurde im Wesentlichen bestätigt. Der Angeklagte wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Lediglich die Dauer der Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis, also die Zeit, in der er keinen neuen Führerschein beantragen darf, wurde leicht angepasst.
Die Begründung des Gerichts: Eine Schritt-für-Schritt-Analyse
Aber wie kam das Gericht zu dieser harten Entscheidung, obwohl der Angeklagte zuvor nie straffällig geworden war, ein geregeltes Leben führte und selbst unter den Unfallfolgen litt?
Warum die Aussagen des Angeklagten nicht überzeugten
Zunächst hörte sich das Gericht alle Zeugen und den Unfallgutachter an. Der Angeklagte hatte behauptet, der Fahrer vor ihm habe plötzlich beschleunigt und der Abstand zwischen den Autos sei zu klein gewesen, um wieder einzuscheren. Die Aussagen der anderen Fahrer und die technischen Berechnungen des Sachverständigen widerlegten diese Darstellung jedoch. Das Gericht war überzeugt: Der Angeklagte hätte das Manöver sicher abbrechen können, wollte es aber nicht.
Fahrlässig, grob verkehrswidrig und rücksichtslos: Die rechtliche Bewertung
Das Gericht stufte das Verhalten des Angeklagten als Fahrlässige Tötung ein. Fahrlässig bedeutet, dass jemand den Tod eines anderen nicht wollte, ihn aber durch die Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Man könnte es so vergleichen: Wer mit geschlossenen Augen über eine befahrene Straße rennt, will nicht überfahren werden, nimmt es aber durch sein extrem unvorsichtiges Verhalten in Kauf.
Zusätzlich sah das Gericht den Tatbestand der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs als erfüllt an. Der Verstoß war grob verkehrswidrig, weil das Überholen bei unklarer Verkehrslage eine der gefährlichsten Situationen im Straßenverkehr darstellt. Er war auch rücksichtslos, weil der Angeklagte, wie die Richter es formulierten, aus reiner Ungeduld und dem Wunsch nach zügigem Fortkommen die Sicherheit anderer komplett ignorierte. Er stellte sein eigenes Interesse, schnell zur Arbeit zu kommen, über das Lebensrecht des anderen Fahrers.
Keine Bewährung trotz mildernder Umstände: Die Abwägung bei der Strafhöhe
Der schwierigste Teil war die Festlegung der Strafe. Die Richter mussten eine umfassende Abwägung vornehmen. Das bedeutet, sie mussten alle Umstände, die für und gegen den Angeklagten sprachen, gegeneinander aufwiegen.
Für den Angeklagten sprach, dass er nicht vorbestraft war, in stabilen sozialen Verhältnissen lebte und seit dem Unfall selbst unter erheblichen psychischen und körperlichen Problemen litt. Er hatte sich nach dem Unfall in psychologische Beratung begeben und zeigte Reue.
Gegen ihn sprach jedoch die extreme Schwere seiner Schuld. Er hatte nicht nur einen einfachen Fehler gemacht, sondern eine Kette von bewussten Fehlentscheidungen getroffen: das Überholen an einer unübersichtlichen Stelle, die viel zu hohe Geschwindigkeit und vor allem das Weitermachen, obwohl er den Gegenverkehr bereits bemerkt hatte. Diese rücksichtslose und eigensüchtige Fahrweise führte zum Tod eines 23-jährigen Menschen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Schuld des Angeklagten so schwer wog, dass eine Bewährungsstrafe nicht mehr infrage kam. Eine solche Tat, so die Richter, zeige eine erschreckende Missachtung fundamentaler Verkehrsregeln und des Lebens anderer. Die Strafe müsse daher abschreckend wirken und dem öffentlichen Rechtsempfinden gerecht werden.
Entzug der Fahrerlaubnis: Eine logische Konsequenz
Der Entzug der Fahrerlaubnis war eine zwingende Folge der Tat. Das Gericht stellte fest, dass sich der Angeklagte durch sein Verhalten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Die Sperrfrist wurde auf ein Jahr und zwei Monate festgesetzt, wobei die Zeit, in der sein Führerschein bereits vorläufig entzogen war, angerechnet wurde.
Da der Angeklagte mit seiner Berufung scheiterte, muss er die Kosten des Verfahrens tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt eindeutig, dass bei besonders rücksichtslosen Verkehrsverstößen mit Todesfolge auch Ersttäter zwingend ins Gefängnis müssen. Entscheidend war hier, dass der Fahrer das gefährliche Überholmanöver trotz erkennbarem Gegenverkehr aus purem Egoismus fortsetzte, anstatt abzubrechen und sich wieder einzuordnen. Die Quintessenz lautet: Wer im Straßenverkehr bewusst elementare Sicherheitsregeln missachtet und dabei einen Menschen tötet, kann nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe rechnen – selbst bei tadelloser Vergangenheit und aufrichtiger Reue. Das Urteil unterstreicht, dass Gerichte bei grob fahrlässigen Tötungsdelikten im Verkehr zunehmend härter durchgreifen und das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Abschreckung über persönliche Umstände des Täters stellen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was versteht man unter fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr und wann wird sie zur Anklage gebracht?
Im Straßenverkehr handelt es sich bei der fahrlässigen Tötung um ein strafrechtliches Delikt, bei dem der Tod eines Menschen durch eine Verletzung einer Verkehrssorgfaltspflicht verursacht wird, ohne dass der Unfallverursacher dies beabsichtigt hat. Es geht also nicht darum, dass jemand vorsätzlich, also mit Absicht, jemanden töten wollte. Vielmehr steht die unachtsame oder pflichtwidrige Verhaltensweise im Vordergrund, die zum tödlichen Ausgang führt.
Was bedeutet „fahrlässig“ im Straßenverkehr?
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch einen Erfolg herbeiführt, den er hätte voraussehen und vermeiden können. Für Sie als Verkehrsteilnehmer bedeutet das, dass Sie bestimmte Verhaltensregeln und Pflichten einhalten müssen, um andere nicht zu gefährden. Diese Sorgfaltspflichten ergeben sich unter anderem aus der Straßenverkehrsordnung (StVO) und den allgemeinen Regeln der Vorsicht.
Typische Beispiele für eine Verletzung dieser Sorgfaltspflichten sind:
- Deutliches Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
- Fahren unter Einfluss von Alkohol oder Drogen
- Nutzung des Handys am Steuer mit entsprechender Ablenkung
- Überfahren einer roten Ampel oder eines Stoppschilds
- Nichtbeachten des Vorrangs anderer Verkehrsteilnehmer
- Ungenügender Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug
Wenn eine solche Pflichtverletzung ursächlich für den Tod eines anderen Menschen ist, kann der Vorwurf der fahrlässigen Tötung im Raum stehen. Entscheidend ist dabei immer, dass der Tod objektiv vorhersehbar und durch pflichtgemäßes Verhalten vermeidbar gewesen wäre. Das Gesetz sieht für fahrlässige Tötung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor (§ 222 Strafgesetzbuch, StGB).
Wann kommt es zur Anklage?
Nach einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang leitet die Polizei in der Regel sofort ein Ermittlungsverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft prüft anschließend, ob ein hinreichender Tatverdacht für eine fahrlässige Tötung vorliegt. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen (z.B. nach Auswertung von Spuren, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten zum Unfallhergang) zu dem Ergebnis kommt, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist.
Für die Erhebung einer Anklage müssen folgende Punkte aus Sicht der Staatsanwaltschaft erfüllt sein:
- Tod eines Menschen: Es muss ein Todesfall eingetreten sein.
- Sorgfaltspflichtverletzung: Es müssen konkrete Anhaltspunkte für eine fahrlässige Pflichtverletzung durch den Beschuldigten vorliegen.
- Kausalität: Die Pflichtverletzung muss den Tod des Menschen verursacht haben. Das bedeutet, der Tod wäre ohne diese Pflichtverletzung nicht eingetreten.
- Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit: Der Tod muss für den Handelnden vorhersehbar gewesen sein und durch sein sorgfältiges Handeln hätte verhindert werden können.
Erst wenn die Staatsanwaltschaft diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, wird die Anklage beim zuständigen Gericht erhoben. Die Anklageerhebung ist der Schritt, der das Gerichtsverfahren einleitet. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies noch keine Verurteilung bedeutet, sondern den Beginn des eigentlichen Hauptverfahrens vor Gericht markiert. Nicht jeder tragische Verkehrsunfall führt also automatisch zur Anklage wegen fahrlässiger Tötung; es müssen stets die genannten strafrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein.
Welche Rolle spielen die Merkmale „grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ bei der Bestrafung von Verkehrsdelikten?
Die Merkmale „grob verkehrswidrig“ und „rücksichtslos“ sind im deutschen Strafrecht für Verkehrsdelikte von zentraler Bedeutung. Sie unterscheiden einfache Verkehrsverstöße von schwerwiegenden Straftaten und haben somit entscheidenden Einfluss auf das Strafmaß und die Art der Sanktionen. Wenn diese Merkmale vorliegen, werden Verhaltensweisen im Straßenverkehr nicht mehr nur als Fehler, sondern als besonders gefährliche und schuldhafte Handlungen gewertet.
Grob verkehrswidrig: Die erhebliche Pflichtverletzung
Der Begriff „grob verkehrswidrig“ bezieht sich auf das objektive Verhalten im Straßenverkehr. Er beschreibt einen besonders schweren Verstoß gegen grundlegende Verkehrsregeln, der die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt. Es handelt sich um eine klare und offensichtliche Missachtung von Regeln, die jeder Verkehrsteilnehmer kennen und beachten sollte.
Beispiele für grob verkehrswidriges Verhalten sind:
- Erhebliches Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in besonders gefährlichen Bereichen (z.B. in einer Tempo-30-Zone vor einer Schule).
- Missachten einer roten Ampel über eine längere Zeit oder bei querendem Verkehr.
- Gefährliche Überholmanöver an unübersichtlichen Stellen oder bei unzureichendem Raum.
- Fahren auf der falschen Fahrbahnseite.
Solche Handlungen sind nicht nur Ordnungswidrigkeiten, sondern können in Kombination mit dem Merkmal der Rücksichtslosigkeit eine Straftat darstellen.
Rücksichtslos: Die innere Haltung des Täters
Das Merkmal „rücksichtslos“ beschreibt die innere Einstellung, also die subjektive Haltung des Täters. Eine Person handelt rücksichtslos, wenn sie sich bewusst ist, dass ihr Verhalten andere gefährden könnte, dies aber gleichgültig hinnimmt oder sich aus Eigennutz über die Interessen anderer hinwegsetzt. Es ist eine Haltung, die eine besondere Missachtung der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer und deren Rechte zeigt.
Ein Verhalten gilt als rücksichtslos, wenn:
- Der Fahrer die mögliche Gefährdung von Personen oder Sachen kennt, aber aus Eigennutz oder Gleichgültigkeit handelt.
- Der Fahrer eine Pflicht zur Rücksichtnahme aus krasser Gleichgültigkeit nicht beachtet.
Stellen Sie sich vor, jemand drängelt auf der Autobahn extrem dicht auf, um schneller voranzukommen, obwohl er damit die Sicherheit anderer massiv gefährdet. Dies wäre ein typisches Beispiel für Rücksichtslosigkeit.
Die Bedeutung im Strafrecht: Wenn beide Merkmale zusammenkommen
Die wahre juristische Bedeutung dieser Merkmale zeigt sich oft im Zusammenhang mit Straftaten wie der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c Strafgesetzbuch – StGB). Für eine Verurteilung nach dieser Vorschrift müssen in der Regel beide Merkmale – grob verkehrswidrig und rücksichtslos – zusammenkommen und zu einer konkreten Gefährdung von Menschenleben oder fremden Sachen von bedeutendem Wert geführt haben.
Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, bedeutet das, dass Ihr Verhalten im Straßenverkehr nicht mehr als einfacher Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) geahndet wird, sondern als Straftat eingestuft wird. Die Konsequenzen sind dann deutlich schwerwiegender:
- Höhere Geldstrafen, die sich nach dem Einkommen des Täters richten.
- Entzug der Fahrerlaubnis für längere Zeit oder sogar dauerhaft.
- Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister.
- Im schlimmsten Fall kann eine Freiheitsstrafe verhängt werden, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, bei besonders schweren Fällen aber auch unbedingte (nicht zur Bewährung ausgesetzte) Freiheitsstrafen zur Folge haben kann.
Die Kombination dieser Merkmale zeigt, dass der Gesetzgeber besonders hart gegen Verhaltensweisen vorgeht, die eine bewusste und schwerwiegende Missachtung der Sicherheit und Rechte anderer im Straßenverkehr darstellen.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung bei einem schweren Verkehrsdelikt verhängt werden, auch wenn man nicht vorbestraft ist?
Grundsätzlich gilt in Deutschland, dass eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wenn anzunehmen ist, dass die verurteilte Person sich auch ohne Gefängnisaufenthalt bewähren wird. Dies wird oft als „günstige Sozialprognose“ bezeichnet und kommt bei Ersttätern ohne Vorstrafen häufiger vor. Bei schweren Verkehrsdelikten gibt es jedoch wichtige Ausnahmen, bei denen das Gericht eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängen kann, selbst wenn man zuvor noch nie straffällig geworden ist.
Der entscheidende Punkt ist hier die Schwere der Schuld und die Verteidigung der Rechtsordnung. Das bedeutet: Das Gericht prüft sehr genau, wie schwerwiegend die begangene Tat ist und ob die Gesellschaft nur dann noch Vertrauen in unsere Gesetze hat, wenn die Strafe auch tatsächlich im Gefängnis verbüßt wird. Es geht also nicht nur um die Person des Täters, sondern auch um die Signalwirkung des Urteils für die Allgemeinheit.
Wann überwiegt die Schwere der Schuld?
Auch wenn Sie nicht vorbestraft sind, können folgende Faktoren dazu führen, dass eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt wird:
- Das Ausmaß der Pflichtverletzung: Hier geht es darum, wie massiv und rücksichtslos gegen grundlegende Verkehrsregeln verstoßen wurde. Stellen Sie sich vor: War es nur eine kurze Unachtsamkeit, oder wurde bewusst und extrem gefährlich gehandelt? Beispiele sind erhebliches Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit, Fahren unter starkem Alkohol- oder Drogeneinfluss, das Ignorieren roter Ampeln über einen langen Zeitraum oder die Teilnahme an illegalen Autorennen. Je krasser und bewusster die Pflichtverletzung, desto schwerer wiegt die Schuld.
- Die Folgen der Tat: Die schlimmsten Folgen sind der Tod oder schwere Verletzungen anderer Verkehrsteilnehmer. Wenn eine Person durch das rücksichtslose Verhalten des Täters getötet oder dauerhaft entstellt wird, sieht das Gericht oft keine andere Möglichkeit, als eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung zu verhängen. Die Schwere des erlittenen Leids für die Opfer und deren Angehörige spielt hier eine sehr große Rolle.
- Besondere Rücksichtslosigkeit oder Eigensucht: Dies ist ein zentraler Aspekt. Wenn der Täter aus rein egoistischen Motiven gehandelt hat, etwa um sich zu profilieren, andere zu beeindrucken oder um sich einem Rennen zu stellen, und dabei völlig die Sicherheit anderer ignoriert hat, kann dies die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe rechtfertigen. Auch das Fehlen jeglicher Einsicht oder Reue im Nachhinein kann negativ bewertet werden.
Wenn also die Art und Weise der Tat und ihre gravierenden Folgen ein so hohes Maß an Schuld offenbaren, dass eine Aussetzung zur Bewährung der Ernsthaftigkeit des Rechts und dem Schutz der Allgemeinheit widersprechen würde, dann kann das Gericht auch bei einer erstmaligen Verurteilung eine Haftstrafe ohne Bewährung anordnen. Es ist eine Abwägung im Einzelfall, bei der die genannten Faktoren die persönliche Situation des Täters in den Hintergrund drängen können.
Was sind die möglichen Konsequenzen für meinen Führerschein nach einem schweren Verkehrsunfall mit Todesfolge oder schwerer Verletzung?
Nach einem schweren Verkehrsunfall, insbesondere wenn Personen zu Tode gekommen sind oder schwer verletzt wurden, drohen Ihnen als Fahrer erhebliche und weitreichende Konsequenzen für Ihren Führerschein. Diese Maßnahmen sind oft die unmittelbarsten persönlichen Folgen eines solchen Ereignisses.
Entzug der Fahrerlaubnis: Eine direkte Folge
Bei Straftaten im Straßenverkehr, die zu solchen schwerwiegenden Folgen führen – wie zum Beispiel fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung – wird die Fahrerlaubnis in der Regel durch ein Gericht entzogen. Dies ist keine reine Bestrafung, sondern eine sogenannte „Maßregel der Besserung und Sicherung“. Der Hintergrund ist, dass das Gericht Sie aufgrund der Umstände der Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansieht. Für Sie bedeutet das, dass Sie Ihr Recht, ein Fahrzeug zu führen, verlieren. Dieser Entzug ist eine eigenständige Maßnahme, die neben einer möglichen Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt wird.
Die Sperrfrist für die Neuerteilung
Nach dem Entzug der Fahrerlaubnis wird eine sogenannte Sperrfrist festgesetzt. Dies ist ein Zeitraum, in dem Ihnen keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Die Dauer dieser Sperrfrist kann variieren, beträgt aber mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre. In besonders schwerwiegenden Fällen oder bei Wiederholungstätern kann das Gericht auch anordnen, dass die Fahrerlaubnis für immer entzogen wird, wenn zu erwarten ist, dass die gesetzlich vorgesehene Höchstfrist zur Abwehr der Gefahr nicht ausreicht. Im Falle eines schweren Verkehrsunfalls mit Todesfolge oder schwerer Verletzung ist die Sperrfrist in der Regel deutlich länger als das Minimum von sechs Monaten, oft beträgt sie mehrere Jahre.
Nachweis der Fahreignung: Der Weg zurück
Nach Ablauf der Sperrfrist erhalten Sie Ihren Führerschein nicht automatisch zurück. Sie müssen die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der zuständigen Behörde beantragen. Dabei müssen Sie nachweisen, dass Sie wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind.
Oft wird für eine Neuerteilung nach solch gravierenden Vorfällen die erfolgreiche Absolvierung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) gefordert. Diese Untersuchung soll klären, ob Sie in der Lage sind, künftig wieder sicher und verantwortungsbewusst am Straßenverkehr teilzunehmen. Das Ergebnis der MPU spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung, ob Sie eine neue Fahrerlaubnis erhalten. Die Neuerteilung erfordert also einen aktiven Schritt und den Nachweis Ihrer wiedererlangten Fahreignung.
Welche Möglichkeiten habe ich, ein gerichtliches Urteil in einem Strafverfahren anzufechten, wenn ich damit nicht einverstanden bin?
Wenn Sie mit einem gerichtlichen Urteil in einem Strafverfahren nicht einverstanden sind, stehen Ihnen in Deutschland grundsätzlich zwei Hauptmöglichkeiten zur Verfügung, um die Entscheidung von einer höheren Instanz überprüfen zu lassen: die Berufung und die Revision. Diese sogenannten Rechtsmittel dienen dazu, die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit des Urteils zu kontrollieren.
Die Berufung: Eine neue Überprüfung des Falles
Die Berufung ist ein Rechtsmittel, das in der Regel gegen Urteile des Amtsgerichts (in erster Instanz) eingelegt werden kann. Wenn Sie Berufung einlegen, wird Ihr Fall vollständig neu verhandelt und überprüft. Das bedeutet:
- Neue Tatsachenprüfung: Es werden alle Beweise und Tatsachen, die zum Urteil geführt haben, erneut untersucht. Es können auch neue Beweise vorgelegt oder neue Zeugen gehört werden, die im ersten Prozess noch nicht berücksichtigt wurden.
- Rechtliche Überprüfung: Gleichzeitig wird auch geprüft, ob das Recht richtig angewendet wurde.
- Zuständige Instanz: Die Berufung wird vor einer höheren Gerichtsebene verhandelt, meist vor dem Landgericht (wenn das Amtsgericht geurteilt hat).
- Mögliche Ergebnisse: Das Landgericht kann das Urteil des Amtsgerichts bestätigen, es abändern (z.B. eine andere Strafe verhängen) oder den Angeklagten sogar freisprechen. Es ist auch möglich, dass das Urteil zu Ihren Ungunsten geändert wird.
- Frist: Die Frist für die Einlegung der Berufung ist sehr kurz, in der Regel eine Woche nach Verkündung des Urteils.
Die Revision: Überprüfung auf Rechtsfehler
Die Revision unterscheidet sich grundlegend von der Berufung. Sie ist ein Rechtsmittel gegen Urteile von Landgerichten (als erste Instanz) oder gegen Urteile, die bereits in der Berufung ergangen sind. Bei der Revision wird der Fall nicht neu verhandelt, sondern ausschließlich auf Rechtsfehler überprüft. Das bedeutet:
- Keine neue Tatsachenprüfung: Es werden keine neuen Beweise erhoben und die im vorherigen Verfahren festgestellten Tatsachen werden nicht erneut geprüft. Es geht nicht darum, ob die Beweise richtig gewürdigt wurden, sondern ob formelle Regeln oder materielles Recht falsch angewendet wurden.
- Fokus auf Rechtsfehler: Die Revision prüft, ob Verfahrensfehler gemacht wurden (z.B. falsche Vernehmungen, unzulässige Beweismittel) oder ob das Gericht das Gesetz inhaltlich falsch angewendet hat.
- Zuständige Instanz: Die Revision wird vor noch höheren Gerichten verhandelt, etwa dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof (BGH).
- Mögliche Ergebnisse: Findet das Revisionsgericht einen Rechtsfehler, wird das Urteil in der Regel aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung (aber nicht unbedingt neu zu bewerten, sondern oft nur den Fehler zu korrigieren) an eine untere Instanz zurückverwiesen. Eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts ist seltener.
- Frist: Auch für die Revision gilt eine sehr kurze Frist, in der Regel eine Woche nach Urteilsverkündung.
Wichtiger Hinweis zu Fristen
Für beide Rechtsmittel, die Berufung und die Revision, sind äußerst kurze Fristen einzuhalten, die in der Regel eine Woche nach der Urteilsverkündung betragen. Das Einhalten dieser Fristen ist entscheidend, da das Urteil sonst rechtskräftig wird und nicht mehr angefochten werden kann.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Fahrlässige Tötung
Fahrlässige Tötung liegt vor, wenn jemand durch Verletzung seiner Sorgfaltspflichten den Tod eines anderen Menschen verursacht, ohne dies beabsichtigt zu haben. Dabei muss die Pflichtverletzung vorhersehbar und vermeidbar gewesen sein. Im Straßenverkehr bedeutet dies, dass der Verursacher die allgemein geltenden Verkehrsregeln oder Vorsichtsmaßnahmen missachtet hat und dadurch tödliche Folgen entstanden sind (§ 222 Strafgesetzbuch, StGB).
Beispiel: Wenn ein Fahrer trotz schlechter Sicht ein riskantes Überholmanöver durchführt und dadurch einen tödlichen Unfall verursacht, kann ihm fahrlässige Tötung zur Last gelegt werden.
Grob verkehrswidrig
Der Begriff „grob verkehrswidrig“ beschreibt ein besonders schwerwiegendes, objektives Fehlverhalten im Straßenverkehr, das die Verkehrssicherheit in erheblichem Maße beeinträchtigt. Es handelt sich um klare und offensichtliche Verstöße gegen grundlegende Verkehrsregeln, die jeder Verkehrsteilnehmer kennen muss, etwa gefährliches Überholen an unübersichtlichen Stellen. Die Einstufung als grob verkehrswidrig ist maßgeblich für das Strafmaß bei Verkehrsdelikten wie § 315c StGB.
Beispiel: Ein Fahrer überholt bei schlechter Sicht auf einer kurvigen Landstraße, obwohl das Überholen verboten und gefährlich ist – dieses Verhalten ist grob verkehrswidrig.
Rücksichtslos
Rücksichtslos bedeutet, dass jemand bewusst und willentlich die Sicherheit und Rechte anderer Verkehrsteilnehmer missachtet, obwohl er sich der Gefährdung bewusst ist oder diese billigend in Kauf nimmt. Es handelt sich um die innere Haltung des Täters, der etwa aus Eigennutz oder Gleichgültigkeit handelt. Im Strafrecht erhöht die Rücksichtslosigkeit die Schwere der Tat und führt zu härteren Strafen.
Beispiel: Wenn ein Fahrer bei Gegenverkehr trotzdem überholt, um schneller ans Ziel zu kommen, obwohl er weiß, dass es gefährlich ist, handelt er rücksichtslos.
Berufung
Die Berufung ist ein Rechtsmittel in Strafverfahren, mit dem ein Urteil vor einer höheren Instanz vollständig neu überprüft wird. Dabei werden sowohl die Tatsachen als auch die Rechtsanwendung erneut geprüft, und es können neue Beweise oder Zeugen vorgebracht werden. Die Berufung kann zu einer Bestätigung, Änderung oder Aufhebung des ersten Urteils führen. Im Text wurde die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts eingelegt, um eine mildere Strafe zu erreichen.
Beispiel: Nach einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung legt die Verteidigung Berufung ein, weil sie meint, das Urteil sei zu hart oder die Beweise nicht ausreichend gewürdigt worden.
Sperrfrist
Die Sperrfrist ist der gesetzlich festgelegte Zeitraum nach Entzug der Fahrerlaubnis, in dem der Betroffene keine neue Fahrerlaubnis beantragen darf. Sie dient als Mindestwartezeit, um sicherzustellen, dass der Fahrer seine Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr wiedererlangt hat. Die Dauer der Sperrfrist hängt von der Schwere des Delikts ab und liegt meist zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Nach Ablauf der Sperrfrist ist oft eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) erforderlich.
Beispiel: Nach einem schweren Verkehrsunfall mit Todesfolge wird einem Fahrer der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt, bevor er einen neuen Führerschein beantragen kann.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Strafgesetzbuch (StGB), § 222 StGB: Dieser Paragraph beschreibt die fahrlässige Tötung, eine Straftat, bei der der Tod eines Menschen unbeabsichtigt verursacht wird. Entscheidend ist hierbei die Verletzung einer Sorgfaltspflicht: Der Täter handelt unvorsichtig und hätte den Tod bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt vermeiden können. Es wird nicht vorausgesetzt, dass der Täter den Tod wollte, sondern dass er ihn durch sein leichtfertiges Handeln herbeigeführt hat. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, da sein riskantes Überholmanöver den Tod des 23-jährigen Fahrers verursachte, obwohl er diesen nicht beabsichtigte.
- Strafgesetzbuch (StGB), § 315c StGB: Dieser Paragraph regelt die Gefährdung des Straßenverkehrs. Er erfasst Fälle, in denen jemand im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos handelt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. „Grob verkehrswidrig“ bedeutet einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen Verkehrsregeln, während „rücksichtslos“ ein Handeln aus eigensüchtigen Motiven, das die Gefährdung anderer ignoriert, beschreibt. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass das Überholmanöver des Angeklagten aufgrund der unzureichenden Sichtweite und des bewussten Fortsetzens trotz Gegenverkehrs grob verkehrswidrig und rücksichtslos war, was die besondere Schwere seiner Schuld begründete.
- Strafgesetzbuch (StGB), § 46 StGB und § 56 StGB: § 46 StGB legt die Grundsätze fest, nach denen Gerichte bei der Festlegung der konkreten Strafe alle für und gegen den Täter sprechenden Umstände abwägen müssen, wie die Schwere der Schuld, die Motive und die Folgen der Tat. § 56 StGB regelt die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung, bei der eine Freiheitsstrafe unter bestimmten Bedingungen nicht angetreten werden muss, wenn eine positive Zukunftsprognose vorliegt und die Strafe nicht zu hoch ist (in der Regel bis zu zwei Jahre). → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht musste eine umfassende Abwägung aller Umstände nach § 46 StGB vornehmen und kam zu dem Schluss, dass die Schwere der Schuld des Angeklagten keine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB zuließ.
- Strafgesetzbuch (StGB), § 69 StGB und § 69a StGB: § 69 StGB bestimmt, dass die Fahrerlaubnis entzogen werden muss, wenn jemand sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, insbesondere bei bestimmten schwerwiegenden Straftaten wie der Gefährdung des Straßenverkehrs. Gemäß § 69a StGB wird gleichzeitig eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis verhängt, innerhalb derer kein neuer Führerschein beantragt werden darf. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Als zwingende Folge seiner Verurteilung wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, da er sich durch sein rücksichtsloses Verhalten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hatte, und eine Sperrfrist festgesetzt.
- Strafprozessordnung (StPO), § 312 StPO: Dieser Paragraph beschreibt die Berufung als ein Rechtsmittel im Strafprozess. Die Berufung ermöglicht es einer Partei, ein Urteil der ersten Instanz (z.B. eines Amtsgerichts) durch eine höhere Instanz (z.B. ein Landgericht) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig überprüfen und gegebenenfalls neu verhandeln zu lassen. Dabei werden Zeugen und Beweismittel erneut gewürdigt. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein, wodurch der Fall vor dem Landgericht Landshut vollständig neu verhandelt und bewertet werden musste.
Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 7 NBs 401 Js 11020/22 (2) – Urteil vom 24.01.2024
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