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Strafbarkeit einer Straßenblockade aus Klimaschutzgründen

Klimaaktivist verurteilt: Straßenblockade als Straftat

In einem bemerkenswerten Fall, der die Grenzen zwischen friedlichem Protest und strafbarem Verhalten aufzeigt, verhandelte das Amtsgericht Mannheim am 25. April 2023 einen Fall, in dem ein Klimaaktivist wegen einer Straßenblockade angeklagt wurde. Der Aktivist war Teil einer Aktion der Umweltgruppe „Letzte Generation“, die in den Morgenstunden des 13. Juni 2022 die Wilhelm-Varnholt-Allee in Mannheim blockierte. Mit seiner langjährigen Erfahrung in Umwelt- und Tierschutzthemen und seiner Rolle in der Protestbewegung stand er nun vor Gericht, angeklagt wegen Nötigung.

Direkt zum Urteil Az: 24 Cs 806 Js 31626/22 springen.

Tatgeschehen und Aktionen des Aktivisten

Der Angeklagte, ein verheirateter Vater von drei Kindern und Angestellter einer Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich dem Tierschutz verschrieben hat, beteiligte sich an einer Sitzblockade, die schließlich alle drei Fahrspuren der Wilhelm-Varnholt-Allee blockierte. Trotz seiner Sympathie für die Organisation „Extinction Rebellion“, entschied er sich zur Unterstützung der Gruppe „Letzte Generation“. Er saß an zweiter Position von links und hatte sich nicht auf der Straße festgeklebt, um im Notfall eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge frei geben zu können.

Polizeiliche Intervention und Festnahme

Die Situation eskalierte, als fünf andere Aktivisten sich mit Sekundenkleber auf den Asphalt klebten. Dieses Vorgehen billigte der Angeklagte. Als die Polizei eintraf und ihn aufforderte, die Fahrbahn zu verlassen, kam er dieser Aufforderung nach.

Urteilsverkündung und rechtliche Beurteilung

In der Hauptverhandlung wurde der Angeklagte wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 30 Euro verurteilt. Der Richter stellte fest, dass das Bewusstsein des Angeklagten für die Folgen seines Handelns und seine Absicht, die Straße zu blockieren, einen Tatbestand der Nötigung erfüllten.

Dieses Urteil wirft eine wichtige Frage auf: Wo verläuft die Grenze zwischen dem Recht auf friedlichen Protest und dem Gesetz? Wie wir sehen, kann eine Aktion mit der Absicht, auf wichtige Umweltfragen aufmerksam zu machen, auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Es ist eine Frage des Gleichgewichts zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht anderer auf freie Bewegungsfähigkeit.


Das vorliegende Urteil

AG Mannheim – Az.: 24 Cs 806 Js 31626/22 – Urteil vom 25.04.2023

Das Amtsgericht – Strafrichter – Mannheim hat in der Hauptverhandlung vom 25.04.2023, an der teilgenommen haben für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird wegen Nötigung zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 30 EUR verurteilt.

Gründe

(abgekürzt gem. § 267Abs. 4 StPO)

I.

Der am pp. in pp. geborene Angeklagte wuchs in Berlin auf. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder im Alter von 18, 16 und 14 Jahren.

Seit vielen Jahren engagiert er sich für die Themen Umwelt- und Tierschutz und hat bereits in der Vergangenheit an Demonstration verschiedener Organisationen mit entsprechender thematischer Schwerpunktsetzung teilgenommen. Auch war er. Mitglied in der Partei „Bündnis 90/Die Grünen, trat jedoch aus Enttäuschung über den als zögerlich empfundenen Kurs der Ampelregierung zu klimapolitischen Themen aus. Nach anfänglicher Sympathie für die Organisation „Extinction Rebellion“ und Beteiligung an dortigen Aktionen, entschied er sich schließlich zur Unterstützung der Gruppierung „Letzte Generation“.

Beruflich ist der Angeklagte als Angestellter für eine NGO tätig, die sich den Tierschutz zur Zielsetzung genommen hat.

Er ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

II.

Strafbarkeit einer Straßenblockade aus Klimaschutzgründen
(Symbolfoto: Andreas Stroh/Shutterstock.com)

Der Angeklagte blockierte in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit den fünf weiteren Beteiligten pp, pp., pp., pp. sowie pp. am Montag, den 13.06.2022 zwischen 08.00 Uhr und 09.30 Uhr die Wilhelm-VarnhoIt-Allee stadteinwärts in Höhe Gottlieb-Daimler-Straße/Fußgängerüberweg zum Technoseum in Mannheim im Rahmen einer nicht konkret angekündigten Aktion der umwettaktivistischen Gruppierung „Letzte Generation“ mittels Sitzblockade, indem er sich gemeinsam mit den weiteren Beteiligten auf die Fahrbahn setze, so dass letztlich alle drei Fahrspuren belegt waren.

Die fünf anderen Aktivisten klebten sich nach ca. 10 bis 15 Minuten und nachdem der ganz außen vor der linken Fahrspur sitzende pp. von aufgebrachten Fahrzeugführern kurzzeitig der Fahrbahn gezogen wurde. wodurch zumindest ein Fahrzeugführer durch die entstandene Lücke davon fahren konnte, zusätzlich mit Sekundenkleber auf den Asphalt, was der Angeklagte uwsste und billigte. Er selbst saß an – aus Sicht der Verkehrsteilnehmer – zweiter Position von links und hatte sich nicht auf der Straße festgeklebt, um im Notfall eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge frei geben zu können. Zwischen sich hielten die Aktivisten Banner mit der Aufschrift „Stoppt den fossilen Wahnsinn“ und „Letzte Generation“.

Als die vor Ort hinzugekommenen Polizeibeamten den Angeklagten aufforderten: die Fahrbahn zu verlassen, kam er dem nach. Die übrigen Aktivisten mussten zunächst von den Beamten von der Fahrbahn gelöst und schließlich zur Seite getragen werden.

Wie der Angeklagte wusste und wollte, wurde durch diese komplette Blockade aller Fahrbahnstreifen im Berufsverkehr der Autoverkehr auf dieser in diesem Zeitraum stark frequentierten Zufahrt zur Innenstadt massiv beeinträchtigt und eine Vielzahl an Personen über einen langen Zeitraum an der Weiterfahrt gehindert, insbesondere, da aufgrund der Örtlichkeit ein verkehrsgerechts Ausweichen auf andere Fahrstrecken nicht möglich war. Tatsächlich standen insgesamt mindestens 140 Kraftfahrzeugfahrer zwischen 30 und 60 Minuten im Stau. Der Verkehr staute sich ca. 3,5 Kilometer bis auf die BAB 656 und über das dortige Autobahnkreuz Mannheim hinaus.

III.

Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus der glaubhaften Einlassung des Angeklagten sowie dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug. Weitere Feststellungen waren nicht möglich. da der Angeklagte keine ergänzenden Fragen beantwortete.

Hinsichtlich des Tatvorwurfs hat der Angeklagte die äußeren Umstände des Ablaufs der Aktion sowie seine Beweggründe für die Tat eingeräumt und ausführlich dargelegt. Diesbezüglich führte er aus, dass er angesichts der „Klimakatastrophe von globalem Ausmaß“, dem anhaltenden Artensterben und der Enttäuschung über die Bundesregierung, die nach seinem Eindruck ihrer Verantwortung nicht gerecht werde, ratlos und desillusioniert sei und sich daher dem „friedlichen Protest“ der „Letzten Generation“ angeschlossen habe.

Die Örtlichkeit sei gewählt worden, da das Auto in der Mannheimer Innenstadt das dominierende Verkehrsmittel sei. durch die Emissionen der Fahrzeuge Gesundheitsgefahren entstünden und gerade in der Wilhelm-VarnhoIt-Allee viele Autofahrer unterwegs seien.

Mit Blick auf des Tatgeschehen ergaben sich die Feststellungen insbesondere zur Dauer der Beeinträchtigungen und der Anzahl der betroffenen Fahrzeuge zudem aus den übereinstimmenden Angaben der Zeugen Pkin pp, POR pp pp pp und pp. und den in Augenschein genommenen Lichtbildern und Video vom Tattag (Bl. 44 ff.) wie auch den Übersichtsaufnahmen der Tatörtlichkeit (Bl. 76 ff.).

IV.

Der Angeklagte war daher wegen Nötigung gem. § 240 Abs. 1 und 2 StGB zu verurteilen.

V.

Im Rahmen der Strafzumessung war – ausgehend vom Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB, der eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht – zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er sich hinsichtlich des Tatablaufs geständig gezeigt und nicht aus primär eigensüchtigen Gründen, sondern für ein billigenswertes Fernziel, nämlich den Klimaschutz und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. gehandelt hat.

Darüber hinaus hat er sich vor Ort kooperativ verhalten und war zur Gewährleistung einer Rettungsgasse nicht am Asphalt festgeklebt. Zudem sind seit der Tat keine anderen Ermittlungsverfahren gegen den nicht vorbestraften Angeklagten bekannt geworden.

Strafschärfend war allerdings zu werten. dass eine Vielzahl von Geschädigten über einen erheblichen Zeitraum von z.T. über einer Stunde an der Weiterfahrt gehindert wurde und sich ein (gewollter) massiver Rückstau über mehrere Kilometer Länge bildete.

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat das Gericht daher auf eine tat- und schuldangemessene Geldstrafe von 40 Tagessäuen erkannt.

Da die Einkünfte des berufstätigen Angeklagten nicht bekannt sind, waren diese zu schätzen. Angesichts des Umstands, dass in seinem Haushalt drei unterhaltsberechtigte Kinder leben, wurde die Höhe eines Tagessatzes auf moderate 30 EUR bemessen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.

 

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