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Handy-Aufnahme des Gesprächs mit Polzisten während Verkehrskontrolle – Strafbarkeit

Handy-Mitschnitt bei Polizeikontrolle: Vertraulichkeitsverletzung und die Folgen

Ein kürzlich ergangenes Urteil des AG München (Az.: 1034 Ls 458 Js 197562/19) vom 20.01.2020 beschäftigte sich mit der Frage, ob das heimliche Aufzeichnen eines Gesprächs mit Polizeibeamten während einer Verkehrskontrolle strafbar ist.

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Verstoß gegen die Vertraulichkeit des Wortes

Der Angeklagte wurde der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in zwei tateinheitlichen Fällen für schuldig befunden. Während einer nächtlichen Verkehrskontrolle zeichnete er das Gespräch zwischen ihm und den Polizeibeamten ohne deren Zustimmung auf seinem iPhone X auf. Die Beamten stellten daraufhin form- und fristgerecht einen Strafantrag.

Persönlicher Hintergrund des Angeklagten

Der Angeklagte, ein junger Mann mit Wurzeln in Palästina und dem Libanon, hat eine komplexe persönliche Geschichte. Er hat eine Vielzahl von Geschwistern und eine durchwachsene Bildungshistorie. Trotz einiger Schwierigkeiten in seiner Vergangenheit, wie wiederholte Schulverweise und Arbeitslosigkeit, hat er sich bemüht, sein Leben in den Griff zu bekommen. Er hat in einem Therapiezentrum eine Maßnahme nach § 35 BtMG absolviert und sich einer ambulanten Nachsorge unterzogen. Zudem hat er gemeinnützige Arbeit in einem Kirchenzentrum geleistet.

Vorherige Straftaten

Der Angeklagte ist kein Unbekannter für das Rechtssystem. Sein Strafregister enthält mehrere Einträge, darunter versuchter Diebstahl, schwere räuberische Erpressung und Landfriedensbruch. Trotz dieser Vorstrafen und der aktuellen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes wurde er nicht zu einer Haftstrafe verurteilt.

Urteilsbegründung und Maßnahmen

Das Gericht berücksichtigte sowohl mildernde als auch belastende Umstände. Zu seinen Gunsten sprach, dass er die Tat eingeräumt hat, die Aufnahmen nicht heimlich gemacht hat und sich bei den Geschädigten entschuldigt hat. Zudem wurde seine positive Entwicklung von verschiedenen Seiten bestätigt. Belastend wirkten sich seine Vorstrafen und die Tatsache aus, dass er bereits mehrfach gegen Polizeibeamte vorgegangen ist. Das Gericht entschied, dass es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig sei, den Angeklagten zur Teilnahme an einem „Korrekt im Web“-Kurs anzuweisen, um ihm den richtigen Umgang mit elektronischen Geräten näherzubringen und zukünftige Straftaten zu verhindern.


Das vorliegende Urteil

AG München – Az.: 1034 Ls 458 Js 197562/19 jug – Urteil vom 20.01.2020

1. Der Angeklagte ist schuldig der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in zwei tateinheitlichen Fällen.

2. Der Angeklagte wird angewiesen, am nächsten Vortrag „Korrekt im Web“ beim Stadtjugendamt bis spätestens 01.07.2020 teilzunehmen.

3. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die eigenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte selbst.

Angewandte Vorschriften: §§ 201 I Nr. 1, 52 StGB, §§ 1, 105 JGG

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Absatz 4 StPO)

I.

Der Angeklagte wurde in M. geboren. Sein Vater stammt aus Palästina, seine Mutter aus dem Libanon. Der Vater ist Automechaniker, die Mutter arbeitet als Hilfskraft in einer Versicherungsfirma. Der Angeklagte hat sechs Geschwister, davon zwei Brüder und vier Schwestern im Alter von 10 bis 23 Jahren. Alle Kinder sind in M. geboren. Bis auf die zwei älteren Schwestern bewohnt die Familie eine Fünfzimmerwohnung.

Nach Besuch von Kindergarten und Grundschule hat der Angeklagte die Mittelschule besucht. Die 7. Klasse musste er wiederholen. Mit Abschluss der 8. Klasse im Juli 2014 hat er die Schulpflicht erfüllt. Im September 2014 hat er dem BVJ am B. Kirchplatz begonnen, aufgrund vieler Fehlzeiten wurde er nach zwei Monaten der Schule verwiesen. Eine Teilnahme am Blockunterricht des BVJ scheiterte ebenfalls nach einem Monat. Im September 2015 hat er seinen Mittelschulabschluss über die Maßnahme „Work & Box“ nachgeholt. Danach war er ein Jahr arbeitssuchend. Ende 2016 hat er bei einer Reifenfirma als Aushilfe gearbeitet. Dann war er wieder ca. ein Jahr arbeitssuchend. Am 08.12.2017 wurde er in einem früheren Verfahren nach einem Bewährungswiderruf inhaftiert. Zwischen Juni 2018 und Dezember 2018 hat der Angeklagte sich dann in einer Maßnahme nach § 35 BtMG im Therapiezentrum A. befunden. Danach wurde der Angeklagte nach Hause entlassen und hat sich einer ambulanten Nachsorge unterzogen. Als Bewährungsauflage musste er sich seither dem Abstinenzprogramm des FTC unterziehen. Sämtliche Kontrollen bislang belegten seine Abstinenz.

Der Angeklagte hat 2019 in einem Kirchenzentrum in H. gemeinnützig Jugendliche betreut, die sich dort an einer Work & Box Maßnahme beteiligt haben. Der Angeklagte ist seit mehreren Monaten arbeitsunfähig krankgeschrieben und hat sich am Jahresanfang 2020 einer Operation am Handgelenk unterziehen müssen, bei der auch Knochenmaterial aus seiner Hüfte entnommen wurde. Es wird vermutlich mindestens acht Wochen dauern, bis der Angeklagte wieder arbeitsfähig ist.

Eigenen Angaben zufolge möchte er unbedingt im Anschluss eine Vollzeitarbeit finden. Bewerbungen würden bereits laufen.

Der Auszug aus dem Bundeszentralregister enthält folgende Einträge:

1.

30.01.2014 AG München

D2601 1034 Ds 468 Js 173847/13 jug.

Rechtskräftig seit 07.02.2014

Tatbezeichnung: Versuchter Diebstahl

Datum der (letzten) Tat: 04.06.2013

Angewendete Vorschriften: StGB § 242 Abs. 1, § 242 Abs. 2, § 22, § 23 Abs. 1, JGG § 10

Richterliche Weisung

Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 4T

Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 2W

2.

22.01.2015 AG München

D2601 1034 Ds 369 Js 221617/14

Rechtskräftig seit 22.01.2015

Tatbezeichnung: Vorsätzl. unerl. Veräußern von Betäubungsmitteln (Anlage 1 zum BtMG)

Datum der (letzten) Tat: 10.11.2014

Angewendete Vorschriften: StGB § 25 Abs. 2, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, JGG § 1, § 3, § 10

Richterliche Weisung

3.

18.06.2015 AG München

D2601 1023 Ls 367 Js 166356/14

Rechtskräftig seit 26.06.2015

Tatbezeichnung: Versuchte schwere räuberische Erpressung in Tatmehrheit mit schwerer räuber. Erpressung in 2 tateinheitlichen Fällen

Datum der (letzten) Tat: 25.05.2014

Angewendete Vorschriften: StGB § 253, § 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 22, § 23 Abs. 1, § 53, § 52, JGG § 10

Richterliche Weisung

Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 4T

Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 1W

4.

03.11.2016 AG München

D2601 1034 Ls 466 Js 183558/16

Rechtskräftig seit 11.11.2016

Tatbezeichnung: Landfriedensbruch in Tateinheit mit Beleidigung in 3 tateinheitlichen Fällen

Datum der (letzten) Tat: 12.03.2016

Angewendete Vorschriften: StGB § 125 Abs. 1, § 52, § 185, § 194 Abs. 1, § 194 Abs. 3, JGG § 1, § 3, § 31 Abs. 2, § 21

1 Jahr(e) 3 Monat(e) Jugendstrafe

Bewährungszeit 2 Jahr(e)

Einbezogen wurde eine nicht zentralregisterpflichtige Entscheidung

Bewährungshelfer bestellt

Strafaussetzung widerrufen

5.

26.11.2018 AG München

D2601 1034 Ls 362 Js 206910/17

Rechtskräftig seit 26.11.2018

Tatbezeichnung: Vorsätzl. unerl. Erwerb von Betäubungsmitteln (Anlage 1 zum BtMG) in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrl. Körperverletzung

Datum der (letzten) Tat: 16.10.2017

Angewendete Vorschriften: StGB § 52, § 113, § 223, § 229, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1, JGG § 31 Abs. 2, § 21

Bewährungszeit 3 Jahr(e)

Bewährungshelfer bestellt bis: 25.11.2020

Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)

Einbezogen wurde die Entscheidung vom 03.11.2016 + 1034 Ls 466 Js 183558/16 + D 2601 + AG München

Einbezogen wurde eine nicht zentralregisterpflichtige Entscheidung

II.

Am 26.4.2019 gegen 3:40 Uhr kontrollierten die Zeugen POM P. und PM Sch. den Angeklagten auf der G.-K.-Str. in M. im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle.

Die Kommunikation zwischen POM P. und PM Sch. einerseits und dem Angeklagten andererseits zeichnete der Angeklagte hierbei ohne Einverständnis der Beamten in Bild und Ton auf dem Mobiltelefon des Angeklagten „Apple Iphone X“ auf.

Strafantrag wurde durch die Beamten form- und fristgerecht gestellt.

III.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere eines glaubhaften und umfassenden Geständnisses des Angeklagten sowie den glaubhaften Bekundungen des glaubwürdigen Zeugen Sch.

IV.

Der Angeklagte war daher schuldig zu sprechen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 201 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB, §§ 1, 105 JGG.

V.

Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt und damit Heranwachsender. Er wohnt zuhause, hat keine abgeschlossene Ausbildung und vermittelt auch im persönlichen Umgang den Eindruck, noch Reifeverzögerungen aufzuweisen. Demzufolge war Jugendstrafrecht anzuwenden.

Zugunsten des Angeklagten war zu werten, dass er die Tat umfassend eingeräumt hat und die Videoaufnahmen nicht heimlich gemacht. Der Angeklagte hat sich irrtümlich für berechtigt gehalten, die Aufnahmen zu fertigen. Die Tat liegt darüber hinaus bereits etwas länger zurück und der Angeklagte hat über viele Monate aufgrund der erfolgten Sicherstellung kein Handy gehabt, musste aber dennoch Ratenzahlungen dafür leisten. Schlussendlich hat der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung in angemessener Form beim Geschädigten Sch. entschuldigt. Seine Entwicklung generell wird sowohl von dem szenekundigen Polizeibeamten als auch von der Bewährungshelferin als positiv dargestellt.

Zulasten des Angeklagten war dagegen zu werten, dass er hier zum Nachteil von zwei Personen vorgegangen ist. Der Angeklagte ist vielfach und massiv vorgeahndet, hat Arreste und vor allem auch eine längere Vollzugsstrafe verbüßt. Er hat in offener, wenn auch nicht einschlägiger Bewährung gehandelt. Er muss sich auch entgegenhalten lassen, dass er im Rahmen mehrerer Vorahndungen wie hier zum Nachteil von Polizeibeamten vorgegangen ist, die nur ihrem Dienst nachgegangen sind.

Bei Berücksichtigung aller Umstände erschien es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, das Urteil des Amtsgerichts München vom 26.11.2018 nicht einzubeziehen. Es handelt sich hier um eine Tat aus einem gänzlich anderen Deliktsbereich, auf die aus pädagogischen Gründen isoliert reagiert werden soll. Es erschien notwendig, aber auch ausreichend, den Angeklagten zur Teilnahme an einem Korrekt im Web-Kurs anzuweisen, um ihm einschlägige Kenntnisse bei der Verwendung elektronischer Geräte zu vermitteln und damit künftige weitere Straftaten zu verhindern.

VI.

Bei der Kostenentscheidung wurde von § 74 JGG Gebrauch gemacht.

 

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