Nach einer umstrittenen Kindes-Inobhutnahme veröffentlichte eine Bürgerin die Namen von Mitarbeitern des Jugendamtes und der Polizei online. Das Landgericht musste klären, ob diese Namensnennung von Amtspersonen ohne expliziten Gewaltaufruf bereits als strafbare Gefährdung gilt.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Wann wird die Namensnennung von Amtspersonen online zur Straftat?
- Was war der Auslöser für den umstrittenen Facebook-Post?
- Welches Gesetz stand im Zentrum des Verfahrens?
- Warum war die Namensnennung laut Gericht doch keine Straftat?
- Fehlende Eignung: Warum der Post objektiv nicht gefährlich genug war
- Fehlende Bestimmung: Warum die Umstände gegen eine gezielte Gefährdung sprachen
- Kein Vorsatz: Warum das Gericht der Angeklagten keine böse Absicht unterstellte
- Das starke Gewicht der Meinungsfreiheit: Warum Kritik an Amtsträgern besonders geschützt ist
- Was bedeutet dieses Urteil für Ihre Kritik an Behörden im Netz?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann macht die Namensnennung von Amtspersonen im Netz zur Straftat nach § 126a StGB?
- Ist die namentliche Kritik an Jugendamt-Mitarbeitern noch durch Meinungsfreiheit gedeckt?
- Was sind die genauen Grenzen für strafrechtlich unbedenkliche Kritik an Amtsträgern?
- Wann erfüllt die reine Namensnennung die Voraussetzung der „Eignung zur Gefährdung“ nach § 126a StGB?
- Wer übernimmt die Anwaltskosten und Entschädigung nach einem Freispruch vom Vorwurf des § 126a StGB?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 63 NBs 2/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Bremen
- Datum: 20. Juni 2025
- Aktenzeichen: 63 NBs 2/25
- Verfahren: Strafverfahren in Berufung
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Meinungsfreiheit, Datenschutz
- Das Problem: Eine Frau veröffentlichte online die Namen von Amtspersonen, die an einer kritisierten Kindesentnahme beteiligt waren. Die Staatsanwaltschaft klagte sie wegen des gefährdenden Verbreitens von Daten an.
- Die Rechtsfrage: Ist es strafbar, die Namen von Amtspersonen in einer öffentlichen Online-Diskussion zu nennen, wenn die allgemeine Stimmung aufgeheizt ist? War die reine Namensnennung geeignet und bestimmt, diese Personen konkret zu gefährden?
- Die Antwort: Nein. Die Angeklagte wurde freigesprochen, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben. Das Gericht sah keine objektive Eignung oder Bestimmung zur Gefährdung der Personen durch die Beiträge der Frau.
- Die Bedeutung: Die kritische Benennung handelnder Amtspersonen ist durch die Meinungsfreiheit geschützt. Eine Verurteilung setzt hohe Hürden voraus und erfordert zusätzlich zur Namensnennung eine klare Gefährdungsabsicht oder aufrührerische Elemente.
Wann wird die Namensnennung von Amtspersonen online zur Straftat?
Ein viral verbreitetes Video zeigt die Inobhutnahme eines Kindes und entfacht im Netz einen Sturm der Entrüstung. Eine Frau, selbst in jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Jugendamt verwickelt, beteiligt sich an der Diskussion auf Facebook.

Sie nennt die Namen einer beteiligten Polizistin und zweier Mitarbeiterinnen des Jugendamts. Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall klar: gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten, strafbar nach § 126a des Strafgesetzbuches (StGB). Doch das Landgericht Bremen kam in seinem Urteil vom 20. Juni 2025 zu einem anderen Ergebnis und sprach die Frau frei (Az.: 63 NBs 2/25). Die Entscheidung liefert eine präzise Anleitung, wo die Grenze zwischen legitimer Kritik an staatlichem Handeln und strafbarem „Doxxing“ verläuft.
Was war der Auslöser für den umstrittenen Facebook-Post?
Im Zentrum des Falles stand eine Mutter von fünf Kindern, die in der Vergangenheit wiederholt juristisch gegen das Jugendamt vorgegangen war. Am 1. Mai 2023 stieß sie auf ein Video, das die Inobhutnahme eines Jungen aus einer syrischen Familie durch Polizei und Jugendamt zeigte und sich rasant in den sozialen Medien verbreitete. Die Szenen lösten eine hochemotionale Debatte aus.
Die Frau schaltete sich in der öffentlich zugänglichen Facebook-Gruppe „[Gruppe01]“, die sich generell kritisch mit der Arbeit von Jugendämtern auseinandersetzt, in die Diskussion ein. In zwei Beiträgen, die sie unter ihrem echten Namen veröffentlichte, identifizierte sie die an dem Einsatz beteiligten Personen namentlich: eine Polizeibeamtin, deren Namen sie allerdings leicht fehlerhaft wiedergab, sowie zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamts. Sie veröffentlichte dabei keine weiteren Daten wie Adressen, Telefonnummern oder dienstliche Kontaktdaten.
Die Staatsanwaltschaft sah darin eine strafbare Handlung. Sie argumentierte, dass in der aufgeheizten Atmosphäre, die durch das virale Video entstanden war, die bloße Namensnennung ausgereicht habe, um die Beamtinnen einer konkreten Gefahr auszusetzen. Die Behörde beantragte einen Strafbefehl, dem das Amtsgericht Bremerhaven zunächst folgte. Nachdem die Frau Einspruch eingelegt hatte, verurteilte das Amtsgericht sie erneut. Dagegen legte die Angeklagte Berufung ein mit dem Ziel eines Freispruchs. Im Zuge der Ermittlungen wurden ihre Wohnung durchsucht und ihr Laptop beschlagnahmt.
Welches Gesetz stand im Zentrum des Verfahrens?
Der entscheidende Paragraph in diesem Verfahren war § 126a StGB: das „gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten“. Dieses Gesetz wurde geschaffen, um Menschen vor gezielten Angriffen zu schützen, die durch die Veröffentlichung ihrer persönlichen Informationen im Internet ermöglicht oder befeuert werden – ein Phänomen, das oft als „Doxxing“ bezeichnet wird.
Eine Strafbarkeit nach § 126a StGB setzt jedoch mehr voraus als nur die Veröffentlichung eines Namens. Das Gesetz verlangt Kumulativ, also alle gleichzeitig, drei entscheidende Merkmale:
- Verbreiten personenbezogener Daten: Ein Name ist ein personenbezogenes Datum im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall unstrittig erfüllt.
- Eignung und Bestimmung zur Gefährdung: Die Veröffentlichung muss objektiv geeignet sein, die benannte Person oder ihr nahestehende Personen der Gefahr eines schwerwiegenden Angriffs auszusetzen (z. B. gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit). Zudem muss die Handlung nach den Umständen bestimmt sein, diese Gefahr zu fördern. Es reicht also nicht, dass eine Gefahr theoretisch entstehen könnte. Der gesamte Kontext der Veröffentlichung muss darauf hindeuten, dass genau dieser Zweck – die Gefährdung – verfolgt wird.
- Vorsatz: Der Täter muss zumindest billigend in Kauf nehmen (sogenannter bedingter Vorsatz oder dolus eventualis), dass seine Handlung genau diese gefährdende Wirkung entfaltet.
Das Gericht musste also prüfen, ob die reine Namensnennung im Kontext der Facebook-Diskussion diese hohen Hürden erfüllte.
Warum war die Namensnennung laut Gericht doch keine Straftat?
Das Landgericht Bremen hob das Urteil der Vorinstanz auf und sprach die Angeklagte frei. In seiner Begründung arbeitete es akribisch heraus, warum die Voraussetzungen des § 126a StGB nicht erfüllt waren. Die Richter differenzierten dabei scharf zwischen der emotionalen Debatte im Netz und dem konkreten Inhalt der Beiträge der Angeklagten.
Fehlende Eignung: Warum der Post objektiv nicht gefährlich genug war
Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Anklage maßgeblich auf die explosive Stimmung im Netz. Sie argumentierte, dass die Namensnennung in diesem Umfeld automatisch eine gefährdende Wirkung entfalte. Dem folgte das Gericht nicht. Es stellte klar, dass für die „Eignung“ zur Gefährdung konkrete Anhaltspunkte im Beitrag selbst oder seinem direkten Umfeld vorliegen müssen.
Solche Anhaltspunkte wären beispielsweise:
- Explizite oder implizite Gewaltaufrufe.
- Herabwürdigende oder aufstachelnde Formulierungen, die eine Gewaltschwelle überschreiten.
- Die Veröffentlichung weiterer, identifizierender Daten wie Adressen, Telefonnummern oder Fotos des privaten Umfelds.
Nichts davon fand sich in den Posts der Angeklagten. Ihre Beiträge waren rein deskriptiv („die blonde Polizistin ist Frau P.Q2“). Sie enthielten keine Appelle, Drohungen oder beleidigende Zusätze. Dass andere Nutzer in der Gruppe oder auf anderen Plattformen aggressive Kommentare abgaben, konnte nicht der Angeklagten angelastet werden. Das Gericht trennte hier klar zwischen der Handlung der Angeklagten und den unkontrollierbaren Reaktionen Dritter. Der leicht falsch geschriebene Name der Polizistin erschwerte zudem eine eindeutige Identifizierung und sprach ebenfalls gegen eine gezielte Gefährdungseignung.
Fehlende Bestimmung: Warum die Umstände gegen eine gezielte Gefährdung sprachen
Eng damit verknüpft prüfte das Gericht, ob die Handlung „nach den Umständen bestimmt“ war, eine Gefahr zu fördern. Hier analysierten die Richter die erkennbare Absicht hinter der Veröffentlichung. Ein entscheidendes Argument für die Angeklagte war, dass sie unter ihrem Klarnamen postete. Dies widerspricht der typischen Vorgehensweise beim Doxxing, bei dem Täter oft anonym agieren, um andere zu Straftaten anzustiften.
Die Angeklagte brachte glaubhaft vor, dass ihr Ziel die Dokumentation und öffentliche Thematisierung staatlichen Handelns war, um möglicherweise dienst- oder aufsichtsrechtliche Schritte zu ermöglichen. Ihre lange Vorgeschichte mit dem Jugendamt, die sie stets auf dem Rechtsweg und nicht mit Gewalt ausgetragen hatte, stützte diese Darstellung. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Erklärungsgehalt ihrer Posts nicht auf eine Anstiftung zu Gewalt, sondern auf öffentliche Kritik und rechtliche Auseinandersetzung zielte.
Kein Vorsatz: Warum das Gericht der Angeklagten keine böse Absicht unterstellte
Schließlich verneinte die Kammer auch den erforderlichen Vorsatz. Um verurteilt zu werden, hätte die Angeklagte die konkrete Gefahr schwerer Straftaten gegen die Beamtinnen zumindest billigend in Kauf nehmen müssen. Ihre Einlassung, sie habe allenfalls mit Beschwerden oder beleidigenden Kommentaren gerechnet, nicht aber mit körperlichen Angriffen, bewertete das Gericht als glaubhaft. Die offene Vorgehensweise unter eigenem Namen und das Fehlen jeglicher aufstachelnder Inhalte sprachen gegen die Annahme, sie habe eine Eskalation zur Gewalt für möglich gehalten und gebilligt.
Das starke Gewicht der Meinungsfreiheit: Warum Kritik an Amtsträgern besonders geschützt ist
Zuletzt wog das Gericht den Tatbestand des § 126a StGB gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) ab. Es betonte, dass strafrechtliche Normen, die die öffentliche Rede einschränken, verfassungskonform und damit eng ausgelegt werden müssen. Gerade die Kritik an hoheitlichem Handeln von Amtspersonen ist ein zentraler Bestandteil einer funktionierenden Demokratie.
Eine zu weite Auslegung des § 126a StGB, so das Gericht, würde eine abschreckende Wirkung entfalten (Chilling Effect) und Bürger davon abhalten, staatliches Handeln öffentlich zu hinterfragen. Solange die Schwelle zur konkreten, objektiven Gefährdung und subjektiven Billigung dieser Gefahr nicht überschritten ist, muss die namentliche Benennung von Amtsträgern im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung hingenommen werden.
Was bedeutet dieses Urteil für Ihre Kritik an Behörden im Netz?
Der Freispruch ist ein wichtiges Signal für die Abgrenzung von legitimer öffentlicher Kritik und strafbarem Doxxing. Er macht deutlich, dass die reine Namensnennung von Amtspersonen im Rahmen einer Sachdebatte nicht automatisch strafbar ist, selbst wenn die Diskussion emotional geführt wird. Die Entscheidung hat auch direkte praktische Konsequenzen: Die Staatskasse muss nicht nur die Verfahrenskosten und die Anwaltskosten der Frau tragen (§ 467 Abs. 1 StPO), sondern sie auch für die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme ihres Laptops entschädigen (§ 2 StrEG).
Aus dem Urteil lassen sich klare Leitlinien ableiten, wann die Namensnennung von Amtspersonen im Internet juristisch heikel wird.
Checkliste: Wann die Namensnennung von Amtspersonen kritisch wird
- Verbinden Sie den Namen mit direkten oder indirekten Gewaltaufrufen?
- Formulierungen wie „Man sollte…“, „Der gehört…“ oder die Veröffentlichung in Gruppen, die bekanntermaßen zu Gewalt neigen, überschreiten klar die Grenze.
- Veröffentlichen Sie zusätzliche private oder dienstliche Kontaktdaten?
- Das Posten von Adressen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder Informationen über Familienmitglieder wird fast immer als gezielte Gefährdung gewertet.
- Nutzen Sie eine aufstachelnde, herabwürdigende oder entmenschlichende Sprache?
- Bleiben Sie bei der Sache. Sobald Ihre Kritik in persönliche Hetze übergeht, steigt das strafrechtliche Risiko erheblich.
- Handeln Sie anonym oder unter einem Pseudonym mit dem Ziel, andere zu Taten zu bewegen?
- Das Gericht wertete das offene Handeln unter Klarnamen als starkes Indiz gegen eine böswillige Absicht. Anonymität kann als Indiz für den Vorsatz zur Anstiftung gewertet werden.
- Ist der Kontext Ihrer Äußerung rein sachlich oder Teil einer gezielten Kampagne?
- Eine einmalige, beschreibende Nennung im Rahmen einer inhaltlichen Kritik wird anders bewertet als die wiederholte, systematische Verbreitung von Namen, um Personen an den Pranger zu stellen.
Die Urteilslogik
Gerichte bestimmen die strafrechtliche Grenze zwischen dem Schutz von Amtsträgern und dem demokratischen Recht auf öffentliche Kritik sehr hoch.
- Die strafbare Gefährdung erfordert spezifische Elemente: Ein Post über Amtspersonen wird erst strafbar nach § 126a StGB, wenn er objektiv Gewaltaufrufe, herabwürdigende Formulierungen oder ergänzende identifizierende private Daten enthält, die über die bloße Namensnennung hinausgehen.
- Kritik an staatlichem Handeln genießt höchsten verfassungsrechtlichen Schutz: Gerichte müssen Gesetze, die öffentliche Äußerungen einschränken, restriktiv auslegen, um den abschreckenden Effekt (Chilling Effect) auf die demokratische Debatte über behördliches Vorgehen zu verhindern.
- Die Handlungsweise widerlegt den Vorsatz zur Gefahr: Wer Kritik an staatlichen Mitarbeitern unter seinem eigenen Klarnamen äußert und auf aufstachelnde Inhalte verzichtet, legt damit nahe, dass er rechtliche Aufarbeitung, nicht aber die Billigung schwerwiegender Straftaten beabsichtigt.
Die Justiz muss die Grenzen der digitalen Rede stets so ziehen, dass sie die Sicherheit von Amtsträgern gewährleistet, ohne die demokratische Kontrolle staatlichen Handelns zu ersticken.
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Wie weit reicht Ihre Meinungsfreiheit bei der Benennung von Amtsträgern online?
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Experten Kommentar
Die Verlockung ist groß, frustrierendes Behördenhandeln öffentlich anzuprangern – doch viele fürchten, die Namensnennung führe sofort zur Anzeige wegen Doxxings. Das Landgericht Bremen hat hier klargestellt: Die reine Nennung eines Beamtennamens im Rahmen sachlicher Kritik ist selbst in aufgeheizten Online-Debatten keine strafbare Gefährdung im Sinne des § 126a StGB. Solange keine Adressen, keine Gewaltaufrufe oder zusätzliche private Details verbreitet werden, wird die Meinungsfreiheit bei der Kritik an Behörden sehr hoch gehängt. Dieses Urteil zieht eine klare Linie und schützt Bürger davor, dass der Doxxing-Paragraph genutzt wird, um legitime öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns abzuwürgen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann macht die Namensnennung von Amtspersonen im Netz zur Straftat nach § 126a StGB?
Die reine Namensnennung von Amtspersonen im Rahmen sachlicher Kritik stellt keine Straftat dar. Das Gesetz, welches hier zur Anwendung kommt, ist § 126a StGB, das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten. Eine Verurteilung setzt kumulativ drei hohe Anforderungen voraus, um die grundlegende Meinungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einzuschränken.
Täter müssen erstens personenbezogene Daten wie den Namen verbreiten. Zweitens muss der Post objektiv geeignet und nach den Umständen bestimmt sein, die Person einer konkreten Gefahr auszusetzen. Entscheidend ist hierbei die Schwelle zu schwerwiegenden Angriffen, beispielsweise gegen die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit, und nicht nur die Förderung von Beleidigungen oder dienstlichen Beschwerden. Diese strengen Anforderungen garantieren, dass Bürger hoheitliches Handeln weiterhin öffentlich kritisieren können.
Drittens muss der Täter mit Vorsatz handeln, also die Förderung dieser schweren Gefahr billigend in Kauf nehmen. Offenes Handeln unter Klarnamen spricht stark gegen diesen Vorsatz, da Täter bei gezieltem Doxxing meist anonym agieren. Vermeiden Sie in jedem Fall, den Namen mit weiteren identifizierenden Informationen wie privaten Adressen oder Telefonnummern zu verknüpfen. Solche Zusätze erhöhen das strafrechtliche Risiko sofort, da sie die Schwelle zur Eignung zur Gefährdung sofort überschreiten.
Führen Sie vor der Veröffentlichung einen Gefährdungs-Check durch, indem Sie prüfen, ob Ihr Post ohne die Namensnennung noch dieselbe sachliche Kritik transportiert und sich auf die Fakten konzentriert.
Ist die namentliche Kritik an Jugendamt-Mitarbeitern noch durch Meinungsfreiheit gedeckt?
Ja, die namentliche Kritik an Amtsträgern ist ein zentraler Bestandteil der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und genießt daher besonders hohen Schutz. Gerichte betonen, dass das Hinterfragen hoheitlichen Handelns in einer funktionierenden Demokratie unerlässlich ist. Strafrechtliche Normen, die die öffentliche Rede einschränken, müssen Juristen verfassungskonform und sehr eng auslegen.
Die hohe Schutzwürdigkeit der Kritik verhindert, dass Bürger aufgrund der Gesetzeslage verstummen. Eine zu weite Auslegung des § 126a StGB (gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten) würde einen sogenannten „Chilling Effect“ erzeugen. Diesen abschreckenden Effekt auf die freie Meinungsäußerung lehnen die Gerichte ab. Die Demokratie verlangt, dass die Öffentlichkeit staatliches Handeln auch unter Namensnennung hinterfragen darf, solange die Grenze zur konkreten Gefährdung nicht überschritten wird.
Die Meinungsfreiheit schützt allerdings nur die sachliche Auseinandersetzung mit der behördlichen Tätigkeit, nicht die grundlose persönliche Diffamierung. Im Fall des Landgerichts Bremen blieb die namentliche Kritik strafrechtlich unbedenklich, weil der Post keinen Aufruf zu Gewalt enthielt. Die Richter stellten klar, dass die Namensnennung rein deskriptiv und auf die Dokumentation eines Fehlverhaltens ausgerichtet war, nicht auf die konkrete Gefährdung der Mitarbeiter.
Sichern Sie alle Posts oder Kommentare per Screenshot, um später das primäre Ziel der sachlichen Dokumentation belegen zu können.
Was sind die genauen Grenzen für strafrechtlich unbedenkliche Kritik an Amtsträgern?
Strafrechtlich unbedenkliche Kritik an Amtsträgern bewegt sich auf der Ebene der reinen Sachkritik und Dokumentation. Entscheidend für die Gerichte ist, dass Sie Ihre Äußerungen strikt von Aufrufen zu Gewalt oder schweren Straftaten trennen. Das Landgericht Bremen betonte, dass die Namensnennung nicht automatisch strafbar ist. Es muss eine klare Trennung zwischen Ihrer direkten Handlung und den unkontrollierbaren Reaktionen Dritter bestehen.
Ihre Posts müssen rein deskriptiv bleiben, um keine strafrechtliche Grenze zu überschreiten. Juristisch werden Äußerungen, die lediglich beschreibend sind (zum Beispiel die namentliche Benennung einer beteiligten Person), anders bewertet als emotional aufgeladene Appelle. Vermeiden Sie herabwürdigende oder entmenschlichende Sprache, denn diese steigert das Risiko erheblich. Solche Formulierungen können schnell als Indiz gegen die erforderliche Bestimmung zur Gefährdung gewertet werden.
Nutzen Sie idealerweise Ihren Klarnamen, wenn Sie Amtsträger kritisieren möchten. Anonymität kann von Richtern als Indiz für den Vorsatz gewertet werden, andere zur Anstiftung von Straftaten zu bewegen. Zusätzlich müssen Sie jegliche Formulierungen unterlassen, die eine Gewaltschwelle überschreiten, wie „Man sollte denjenigen anzeigen“ oder „Der gehört auf die Straße gestellt.“ Auch die Veröffentlichung privater Adressen oder Telefonnummern ist tabu.
Überprüfen Sie jeden kritischen Beitrag vor der Veröffentlichung sorgfältig auf das Fehlen von Gewaltaufrufen und halten Sie die Sachdebatte im Vordergrund.
Wann erfüllt die reine Namensnennung die Voraussetzung der „Eignung zur Gefährdung“ nach § 126a StGB?
Die Eignung zur Gefährdung nach § 126a StGB muss durch konkrete Indizien im veröffentlichten Beitrag selbst belegt werden. Eine bloße emotionale oder explosive Stimmung im Internet genügt den Gerichten dafür nicht. Sie trennen strikt zwischen der Handlung der Person, die den Namen nennt, und den unkontrollierbaren, womöglich aggressiven Reaktionen Dritter im Netz. Der Täter muss aktiv Umstände schaffen, die die Gefahr eines schwerwiegenden Angriffs fördern.
Die Staatsanwaltschaft im Fall vor dem Landgericht Bremen argumentierte, dass die Namensnennung in der aufgeheizten Debatte automatisch gefährdend sei. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht, da der Post keine expliziten Gewaltaufrufe oder aufstachelnde Formulierungen enthielt. Fehlen solche konkreten Anhaltspunkte, entfaltet die Namensnennung allein keine objektiv gefährdende Wirkung im Sinne des Gesetzes.
Für eine Strafbarkeit sind demnach zusätzliche, identifizierende Informationen erforderlich. Das gezielte Posten von privaten Adressen, dienstlichen Telefonnummern oder Fotos aus dem privaten Umfeld wird fast immer als gezielte Gefährdung gewertet. Im Fall der Polizistin sprach zudem die leicht fehlerhafte Wiedergabe des Namens gegen eine eindeutige Eignung zur Gefährdung, da dies die Identifizierung erschwerte. Die Äußerungen müssen neutral und deskriptiv bleiben.
Prüfen Sie stets, ob Sie in Ihrem Post neben dem Namen weitere identifizierende Merkmale genannt haben, und entfernen Sie diese sofort.
Wer übernimmt die Anwaltskosten und Entschädigung nach einem Freispruch vom Vorwurf des § 126a StGB?
Nach einem Freispruch trägt die Staatskasse die finanziellen Lasten der freigesprochenen Person. Sie übernimmt gemäß § 467 Abs. 1 StPO die gesamten Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten, wozu die Anwaltskosten gehören. Zusätzlich besteht ein Entschädigungsanspruch für alle Schäden, die durch staatliche Zwangsmaßnahmen wie eine Hausdurchsuchung oder die Beschlagnahme von Eigentum entstanden sind.
Der Grundsatz der Kostenübernahme stellt sicher, dass Bürger nicht für unbegründete oder später widerlegte staatliche Ermittlungen finanziell aufkommen müssen. Die Strafprozessordnung legt fest, dass die Kosten für die Verteidigung erstattet werden, sofern sie als notwendige Auslagen gelten. Das schließt die Gebühren für den Wahlverteidiger ein, den Sie beauftragt haben, um den Prozess aktiv zu begleiten. Die Höhe der erstatteten Gebühren richtet sich dabei nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Neben den reinen Verfahrenskosten haben Betroffene einen Anspruch auf Wiedergutmachung für Folgeschäden. Wurde im Zuge der Ermittlungen Ihr Laptop beschlagnahmt und dadurch beschädigt oder entwertet, steht Ihnen eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) zu. Diese Regelung deckt den erlittenen materiellen Schaden ab, beispielsweise den Wertverlust oder die Reparaturkosten, falls die Ausrüstung durch die Sicherstellung unbrauchbar wurde.
Die Erstattung und Entschädigung erfolgen nicht automatisch; kontaktieren Sie deshalb umgehend Ihren Anwalt, um die notwendigen Anträge bei der Staatskasse einzureichen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bedingter Vorsatz (Dolus Eventualis)
Juristen nennen das den bedingten Vorsatz oder dolus eventualis, wenn der Täter die Realisierung eines schweren Straftatbestands zwar nicht direkt anstrebt, sie aber als möglich erkennt und sie billigend in Kauf nimmt. Dieses Konzept ist essenziell, um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Personen zu klären, die Risiken bewusst eingehen, obwohl sie wissen, dass dadurch Schaden entstehen kann.
Beispiel: Das Landgericht Bremen verneinte den bedingten Vorsatz, weil die Angeklagte glaubhaft machte, sie habe lediglich mit dienstlichen Beschwerden, nicht aber mit konkreten körperlichen Angriffen auf die betroffenen Amtspersonen gerechnet.
Chilling Effect
Der Chilling Effect (abschreckende Wirkung) beschreibt das Phänomen, dass Bürger aus Angst vor möglichen strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Konsequenzen auf die Ausübung ihrer Grundrechte (wie der Meinungsfreiheit) verzichten. Gerichte verwenden diesen Maßstab, um zu verhindern, dass Gesetze, die die freie Rede betreffen, zu weit ausgelegt werden, da dies das Fundament der demokratischen Auseinandersetzung beschädigen würde.
Beispiel: Eine zu weite Auslegung des § 126a StGB hätte laut Gerichtsurteil einen Chilling Effect erzeugt, da Bürger dann die berechtigte Kritik an hoheitlichem Handeln aus Angst vor einer Strafverfolgung vermeiden würden.
Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten (§ 126a StGB)
Das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten, oft auch als Doxxing bezeichnet, ist eine spezielle Straftat, die die Veröffentlichung von Informationen bestraft, wenn diese objektiv geeignet und nach den Umständen bestimmt sind, die betroffene Person der Gefahr schwerwiegender Angriffe auszusetzen. Mit diesem Paragraphen reagiert der Gesetzgeber auf die Bedrohung durch gezielte Online-Kampagnen und schützt Opfer vor physischer Gewalt oder dem Verlust der persönlichen Freiheit, die durch das gezielte Teilen von Daten ausgelöst werden können.
Beispiel: Im vorliegenden Fall sah die Staatsanwaltschaft im Nennen der Namen von Jugendamtsmitarbeiterinnen ein gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten gegeben, da die öffentliche Facebook-Debatte nach Veröffentlichung des Videos hochemotional geführt wurde.
Kumulativ
Wenn Juristen von kumulativen Voraussetzungen sprechen, meinen sie, dass alle aufgeführten Bedingungen gleichzeitig und vollständig erfüllt sein müssen, damit eine bestimmte Rechtsfolge, wie beispielsweise die Strafbarkeit, eintritt. Diese strenge Anforderung stellt sicher, dass Gesetze nur in klar definierten Fällen angewendet werden, weshalb bei einer kumulativen Prüfung das Fehlen eines einzigen Merkmals zur Ablehnung führt.
Beispiel: Die Strafbarkeit nach § 126a StGB setzte kumulativ das Verbreiten des Namens, die Eignung zur Gefährdung und den Vorsatz voraus, weshalb der Freispruch erfolgte, als nur der erste Punkt durch das Landgericht Bremen bejaht werden konnte.
StrEG (Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen)
Das StrEG regelt den Anspruch auf Entschädigung von Personen, die zu Unrecht strafrechtlich verfolgt wurden und dadurch materielle oder immaterielle Schäden durch staatliche Zwangsmaßnahmen erlitten haben. Dieses Gesetz dient dem staatlichen Ausgleich, indem es Betroffenen ermöglicht, Schadenersatz für Folgen wie eine Hausdurchsuchung oder die Beschlagnahme von Eigentum zu erhalten, die sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen.
Beispiel: Aufgrund des Freispruchs konnte die Angeklagte Entschädigung nach StrEG für die erlittene Hausdurchsuchung und die temporäre Beschlagnahme ihres Laptops verlangen, wofür die Staatskasse die Kosten tragen musste.
Das vorliegende Urteil
LG Bremen – Az: 63 NBs 2/25 – Urteil vom 20.Juni 2025
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