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Wiederaufnahmeverfahren – Anforderungen an die Begründung des Wiederaufnahmeantrags

KG Berlin – Az.: 3 Ws 213/12 – 141 AR 190/12 – Beschluss vom 18.04.2012

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. Februar 2012 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Beschwerdeführer ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Juni 2004 wegen Untreue unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden.

Nachdem der Senat durch Beschluss vom 5. Oktober 2011 wegen formeller Mängel des von dem Verurteilten gestellten Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens dessen sofortige Beschwerde gegen den diesen und den ebenfalls gestellten Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers für das Wiederaufnahmeverfahren verwerfenden Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. August 2011 zurückgewiesen hat, hat der Verurteilte aus denselben Gründen, nunmehr jedoch mittels der von seinem Verteidiger unterzeichneten Antragsschrift vom 14. Oktober 2011 die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 79 Abs. 1 BVerfGG beantragt.

Das Landgericht Berlin hat den Antrag durch den am 1. März 2012 zugestellten Beschluss vom 27. Februar 2012 als unzulässig verworfen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner am selben Tage eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 5. März 2012

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die sofortige Beschwerde ist rechtzeitig eingegangen, denn sie wahrt die mit der Zustellung des angefochtenen Beschluss in Lauf gesetzte Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO. Sie ist jedoch unbegründet. Die Strafkammer hat den Wiederaufnahmeantrag zu Recht als unzulässig verworfen.

Der Verurteilte stützt sein Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Vorschrift § 79 Abs. 1 BVerfGG. Systematisch wird in dieser Vorschrift eine Ergänzung der in der Strafprozessordnung geregelten Wiederaufnahmegründe quasi als „Nr. 7“ gesehen (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Bethge, Kommentar zum BVerfGG, Stand Sept. 2011; § 79 Rdn. 25), womit dieses absolute Wiederaufnahmerecht den dort geregelten Gründen gleich gestellt wird. Folgerichtig wird daher die in § 79 Abs. 1 BVerfGG enthaltene Verweisung auf die Vorschriften der Strafprozessordnung so verstanden, dass zwar nicht die dort aufgestellten sachlichen, wohl aber die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen (Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl., vor § 359 Rdn.165 f; Schmidt in Karlsruher Kommentar, StPO 6.Aufl., vor § 359 Rdn. 21; Pfeiffer, StPO 5. Aufl., Vorbem. zu § 359 Rdn. 4; Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2011 in vorliegender Sache). Das bedeutet, dass auch in dem sich auf § 79 Abs. 1 BVerfGG stützenden Wiederaufnahmeantrag entsprechend § 366 Abs. 1 StPO der gesetzliche Grund der Wiederaufnahme angegeben werden muss mit der Folge, dass dessen fehlende Geltendmachung zur Verwerfung des Antrages nach § 368 Abs. 1 StPO führt. Da es sich bei dem Wiederaufnahmegrund des § 79 Abs. 1 BVerfGG nur um rechtliche Fragen handelt, ist lediglich die – bei anderen Gründen – sonst für die Zulässigkeitsprüfung vorzunehmende Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens entbehrlich, sodass (nur) dann, wenn der Antrag begründet erscheint, eine Entscheidung über die Zulässigkeit für entbehrlich gehalten wird (vgl. Gössel a.a.O. Rdn. 176).

Die 3. Alternative des § 79 Abs. 1 BVerfGG, die der Verurteilte als gesetzliche Grundlage für seinen Wiederaufnahmeantrag heranzieht, sieht vor, dass die Wiederaufnahme dann zulässig ist, wenn das rechtskräftige Strafurteil auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist. Daher bedarf es des Vortrags, dass das rechtskräftige Strafurteil gerade auf der von dem Bundesverfassungsgericht beanstandeten Auslegung der im übrigen als verfassungsgemäß eingestuften Norm beruht; der bloße Vortrag, dass die Norm als solche Anwendung gefunden hat, reicht nicht aus.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23. Juni 2010 – 2 BVR 2559/08, 2 BVR 105/09, 2 BVR 491/09 -, auf die sich der Verurteilte beruft, lediglich die Anforderungen unter denen eine „Vermögensgefährdung“ als Nachteil i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB angesehen werden kann konkretisiert, um eine verfassungswidrige Überdehnung des – ansonsten verfassungsrechtlich nicht beanstandeten – Untreuetatbestands in diesen Fällen zu verhindern, wobei auch gegen die Anwendung der dogmatischen Figur des Gefährdungsschadens auf den Untreuetatbestand keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Einwände erhoben wurden (BVerfGE 126, 170, 226).Es hat insoweit aber den Strafgerichten aufgegeben, auch in den Fällen eines Gefährdungsschadens eine konkrete Bezifferung der Höhe nach vorzunehmen (vgl. BVerfG a.a.O. 229 ff).

Für die Zulässigkeit eines auf diese Entscheidung gestützten Wiederaufnahmeantrages muss daher geltend gemacht werden, dass das gegen den Verurteilten ergangene Strafurteil auf der verfassungswidrigen Überdehnung des Begriffs des „Nachteils“ durch eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht entsprechende Annahme einer Vermögensgefährdung beruht.

Das ist vorliegend nicht der Fall.

Das Landgericht hat in seinem Beschluss vom 27. Februar 2012 zu Recht ausgeführt, dass die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 1. Juni 2004, wie der Verurteilte unter Wiedergabe der entsprechenden Passagen des Urteils selbst darlegt, für die Annahme des Nachteils i.S.d. § 266 StGB nicht auf das bloße Vorliegen einer Vermögensgefährdung abgestellt hat, sondern darauf, dass durch den Transfer des Guthabens vom Gesellschaftskonto auf das Privatkonto des Verurteilten bereits ein Schaden eingetreten war. Soweit sich das Urteil mit den danach erfolgten weiteren Verfügungen des Verurteilten über das Guthaben befasst, sind diese unter Klarstellung, dass der eingetretene Schaden damit nur vertieft und keine weitere selbständige Strafbarkeit begründet wurde, für die subjektive Tatseite herangezogen worden.

Mit seinem weiteren Vorbringen, mit dem der Verurteilte sich gegen die im Urteil getroffenen Feststellungen wendet und Rechtsfehler rügt, kann er im Wiederaufnahmeverfahren – nach rechtskräftiger Verwerfung seiner Revision durch den Bundesgerichtshof – angesichts des abschließenden Katalogs der Wiederaufnahmegründe nicht mehr gehört werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

 

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