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Freispruch trotz DNA: OLG kippt schwerer Brandstiftung Urteil

Ein Mann stand wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht, seine DNA fand sich an den Tatwerkzeugen. Trotz der erdrückenden Spuren sprach ihn das Landgericht frei, ein Urteil, das das Oberlandesgericht nun aus unerwarteten Gründen kassierte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ORs 3/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Mann wurde wegen Brandstiftung angeklagt. Ein Gericht sprach ihn frei, obwohl seine DNA an den Tatwerkzeugen war. Die Staatsanwaltschaft sah darin einen Fehler.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Gericht einen Angeklagten aufgrund einer rein theoretischen Möglichkeit freisprechen?
  • Die Antwort: Nein. Ein höheres Gericht hob den Freispruch auf. Ein Gericht darf keine Vermutungen erfinden, um einen Angeklagten zu entlasten.
  • Die Bedeutung: Entscheidungen von Gerichten müssen auf konkreten Fakten und Beweisen basieren. Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ erlaubt keine reine Spekulation.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
  • Datum: 28.05.2025
  • Aktenzeichen: 1 ORs 3/25
  • Verfahren: Revisionsverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Staatsanwaltschaft Neuruppin. Sie legte Revision gegen den Freispruch des Angeklagten ein.
  • Beklagte: Der Angeklagte, dem schwere Brandstiftung vorgeworfen wurde. Er beantragte die Verwerfung der Revision und somit die Bestätigung seines Freispruchs.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: In der Wohnung des Angeklagten brach ein absichtlich gelegter Brand aus. An den gefundenen Brandmitteln wurde DNA des Angeklagten, aber keine DNA Dritter, festgestellt.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Durfte das Landgericht den Angeklagten freisprechen, obwohl die Begründung der Beweise und die Annahme eines anderen Täters unzureichend waren?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Das Urteil des Landgerichts Neuruppin wurde aufgehoben.
  • Zentrale Begründung: Die Beweiswürdigung des Landgerichts war fehlerhaft, weil sie lückenhaft, spekulativ und nicht nachvollziehbar war.
  • Konsequenzen für die Parteien: Der Fall wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückverwiesen.

Der Fall vor Gericht


Wie ein Gericht einen Phantom-Täter erfand und damit scheiterte

Im Strafrecht gibt es den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Er ist ein Schutzschild für jeden Bürger. Doch was passiert, wenn ein Gericht diesen Zweifel nicht in den Beweisen findet, sondern ihn selbst erschafft? Ein Mann stand wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht, die Beweise gegen ihn waren erdrückend.

Forensiker sichern entscheidende DNA-Spuren am Tatort einer Brandstiftung.
Landgericht erfand einen Phantom-Täter, OLG hob Freispruch wegen spekulativer Beweiswürdigung auf. | Symbolbild: KI generiertes Bild

Seine DNA klebte an den Tatwerkzeugen. Trotzdem sprach ihn das Landgericht frei. Die Begründung skizzierte einen Phantom-Täter: einen unbekannten Gast aus einer „Trinkerrunde“ im Erdgeschoss, der sich in die unverschlossene Wohnung geschlichen haben könnte. Dieser Freispruch landete vor dem Oberlandesgericht – und mit ihm die Frage, wo die Grenze zwischen zulässigem Zweifel und unzulässiger Spekulation verläuft.

Warum sprach das Landgericht den Mann trotz erdrückender Spuren frei?

Die Faktenlage schien eindeutig. In der Nacht zum 10. Juli 2020 brannte die Dachgeschosswohnung des Angeklagten. Die Ermittler fanden die Tatwerkzeuge: eine mit Benzin gefüllte Limonadenflasche und eine Flasche Grillanzünder. Der Inhalt war im Wohnzimmer verteilt und angezündet worden. An den Flaschen und ihren Verschlüssen sicherten die Kriminaltechniker DNA-Spuren. Das Ergebnis war unmissverständlich: Alle Spuren stammten vom Angeklagten. Kein anderer Mensch hatte genetisches Material hinterlassen. Das Amtsgericht Neuruppin verurteilte ihn daraufhin wegen schwerer Brandstiftung.

Der Angeklagte legte Berufung ein. Das Landgericht Neuruppin rollte den Fall neu auf und kam zu einem gegenteiligen Schluss: Freispruch. Die Richter sahen zwar die belastenden DNA-Spuren. Sie konstruierten aber eine alternative Geschichte, die den Angeklagten entlasten sollte. Ihre Theorie: Die Wohnungstür sei nicht abgeschlossen gewesen. Im Erdgeschoss des Hauses habe es bei einem Nachbarn womöglich „Trinkerrunden“ gegeben. Ein unbekannter Dritter aus diesem Milieu hätte unbemerkt ins Haus und in die Wohnung gelangen können. Dieser Unbekannte habe dann das Feuer gelegt. Für die Richter war diese Möglichkeit „durchaus nicht unwahrscheinlich“ und reichte aus, um einen Freispruch aus Mangel an Beweisen zu begründen.

Wieso akzeptierte die Staatsanwaltschaft diese Erklärung nicht?

Die Staatsanwaltschaft hielt die Argumentation des Landgerichts für einen gefährlichen Ausflug ins Reich der Fantasie. Sie legte Revision beim Oberlandesgericht Brandenburg ein. Ihr zentraler Vorwurf: Die Beweiswürdigung des Landgerichts war rechtsfehlerhaft.

Ihr erster Kritikpunkt war formaler Natur. Das schriftliche Urteil des Landgerichts gab weder die Aussage des Angeklagten noch die der Zeugen vollständig wieder. Das machte es für eine höhere Instanz unmöglich, die Gedankengänge der Richter nachzuvollziehen. Ein Urteil muss aber so geschrieben sein, dass seine Logik lückenlos überprüfbar ist.

Der zweite und entscheidende Vorwurf traf den Kern der Sache. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, das Gericht habe eine rein hypothetische Täterfigur erschaffen, ohne einen einzigen konkreten Anhaltspunkt dafür zu haben. Niemand hatte eine „Trinkerrunde“ bestätigt. Der betreffende Nachbar aus dem Erdgeschoss war nicht einmal als Zeuge geladen worden. Die Theorie vom unbekannten Brandstifter basierte auf reiner Vermutung. Eine solche Vorgehensweise pulverisiere die Bedeutung von handfesten Beweisen wie einem eindeutigen DNA-Befund.

Welche entscheidenden Fehler fand das Oberlandesgericht im Freispruch?

Das Oberlandesgericht Brandenburg schloss sich der Kritik der Staatsanwaltschaft vollumfänglich an und hob den Freispruch auf. Die Richter aus Brandenburg sezierten die Entscheidung des Landgerichts und legten zwei gravierende Mängel offen.

Der erste Mangel war die mangelhafte Dokumentation, die bereits die Staatsanwaltschaft gerügt hatte. Ein Revisionsgericht kann nur prüfen, was geschrieben steht. Fehlen die Aussagen der Beteiligten im Urteilstext, ist eine rechtliche Kontrolle schlicht unmöglich.

Der zweite Fehler war weitaus schwerwiegender. Das Landgericht hatte seine richterliche Aufgabe verlassen und war zum Drehbuchautor einer spekulativen Geschichte geworden. Das Oberlandesgericht stellte klar: Eine rein theoretische Möglichkeit eines anderen Tathergangs reicht nicht aus, um einen Angeklagten freizusprechen. Es muss dafür konkrete, tatsächliche Anhaltspunkte geben. Das Landgericht hatte aber selbst eingeräumt, dass seine Überlegungen „im Bereich der Spekulation“ blieben.

Zudem war die entwickelte Geschichte in sich unlogisch. Der Phantom-Täter hätte wissen müssen, dass sich in einer Limonadenflasche Benzin befand. Er hätte dieses Feuer legen müssen, ohne selbst DNA-Spuren zu hinterlassen, während die Spuren des Angeklagten überall auf den Tatwerkzeugen waren. Diese Kette von Zufällen und unwahrscheinlichen Annahmen verstieß gegen die Lebenserfahrung und jede kriminalistische Logik.

Wann gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ – und wann nicht?

Hier liegt der didaktische Kern der Entscheidung. Das Oberlandesgericht nutzte den Fall, um eine zentrale Regel des Strafprozesses zu schärfen. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Einladung zur Spekulation.

Er ist eine Entscheidungsregel, die erst am Ende einer sauberen Beweiswürdigung steht. Ein Gericht muss zuerst alle Beweise und Indizien lückenlos, widerspruchsfrei und nachvollziehbar bewerten. Wenn danach – und erst dann – noch vernünftige, nicht behebbare Zweifel an der Schuld des Angeklagten bestehen, muss es freisprechen.

Der Fehler des Landgerichts war es, diesen Prozess umzukehren. Es hat nicht aus den Beweisen Zweifel abgeleitet. Es hat eine zweifelhafte Theorie aufgestellt, um die Beweise zu entkräften. Es ist nicht die Aufgabe eines Gerichts, zugunsten eines Angeklagten Konstellationen anzunehmen, für die es keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gibt. Der Zweifelssatz dient nicht dazu, eine lückenhafte Beweiswürdigung zu rechtfertigen.

Das Urteil wurde aufgehoben. Der Fall geht nun zurück an eine andere Kammer des Landgerichts Neuruppin. Dort muss die Beweisaufnahme wiederholt und nach den strengen Regeln der richterlichen Logik neu bewertet werden.

Die Urteilslogik

Die richterliche Pflicht zur Wahrheitsfindung verbietet es, Freisprüche auf unbegründeten Spekulationen statt auf konkreten Beweisen zu stützen.

  • Grundsatz der Zweifel: Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ verpflichtet Gerichte, Zweifel erst am Ende einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu berücksichtigen, nicht, sie durch reine Spekulation zu erzeugen.
  • Grenzen der Beweiswürdigung: Gerichte begründen ihre Entscheidungen auf konkreten Tatsachen und Indizien; sie dürfen keine Freisprüche auf spekulativen, unbelegten Tathergängen aufbauen, die der Lebenserfahrung widersprechen.
  • Anforderungen an Urteilsdokumentation: Ein schriftliches Urteil muss alle relevanten Aussagen und richterlichen Gedankengänge so vollständig darlegen, dass eine lückenlose rechtliche Überprüfung möglich bleibt.

Diese Entscheidung unterstreicht die strengen Anforderungen an die richterliche Beweiswürdigung und Logik im Strafprozess.


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Das Urteil in der Praxis

Wie viel Fantasie darf sich ein Gericht leisten, um eindeutige Beweise wegzuerklären? Dieses Urteil gibt eine unmissverständliche Antwort. Das Landgericht hat nicht einfach nur spekuliert; es hat mit einem „Phantom-Täter“ den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gnadenlos missbraucht. Das Oberlandesgericht macht jetzt klipp und klar: Zweifel müssen aus den Fakten entstehen, nicht aus der Luft gegriffen werden. Eine glasklare Botschaft für jeden Strafprozess, die richterliche Fantasie in ihre Schranken weist und die Bedeutung harter Beweise festigt.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt der Grundsatz ‚Im Zweifel für den Angeklagten‘ wirklich?

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Einladung zur Spekulation, sondern greift erst am Ende einer lückenlosen Beweiswürdigung; er zwingt das Gericht zum Freispruch, wenn nach Ausschöpfung aller Beweise immer noch vernünftige Zweifel bestehen, verbietet aber die Konstruktion haltloser Theorien zur Entlastung. Juristen nennen das eine strikte Entscheidungsregel, die erst nach einer vollständigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Bewertung aller vorliegenden Beweismittel zum Tragen kommt. Zweifel müssen aus den Tatsachen selbst erwachsen, nicht durch die Erfindung unbestätigter Theorien.

Ein Gericht darf keine Phantom-Täter aus dem Hut zaubern, um einen Freispruch zu erzwingen. Das Landgericht Neuruppin versuchte genau das in einem Brandstiftungsfall: Trotz erdrückender DNA-Spuren wurde ein Freispruch mit der Theorie begründet, ein unbekannter Dritter aus einer „Trinkerrunde“ könnte die Tat begangen haben. Doch diese Geschichte entbehrte jeglicher konkreter Anhaltspunkte. Das Oberlandesgericht Brandenburg kassierte dieses Urteil ein, denn es widersprach Lebenserfahrung und Logik.

Möchten Sie sich als Angeklagter auf „in dubio pro reo“ berufen, fordern Sie Ihren Anwalt auf, konkrete, unwiderlegbare Zweifel an der Beweislage aufzuzeigen – nicht bloße Spekulationen über alternative Tathergänge.


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Kann ein Freispruch wegen Beweisfehlern nachträglich aufgehoben werden?

Ja, ein Freispruch ist nicht zwangsläufig endgültig. Ein solcher Richterspruch kann nachträglich aufgehoben werden, falls die gerichtliche Beweiswürdigung gravierende Rechtsfehler aufweist. Dies geschieht, wenn etwa willkürlich hypothetische Täterfiguren ohne konkrete Anhaltspunkte konstruiert werden oder die Prozessinhalte unzureichend dokumentiert sind.

Juristen nennen dies eine fehlerhafte Sachbehandlung. Eine Staatsanwaltschaft oder ein Nebenkläger kann gegen ein Freispruchsurteil Revision einlegen. Hier geht es nicht um neue Tatsachen, sondern um die strikte Prüfung formaler Mängel oder einer rechtlich fehlerhaften Bewertung der Beweise. Das ist wie ein Blick hinter die Kulissen, um zu sehen, ob die Richter nach den Spielregeln gearbeitet haben.

Der Fehlerkatalog reicht von fehlender Wiedergabe entscheidender Zeugenaussagen im Urteil bis zur Annahme von Tathergängen ohne jegliche tatsächliche Grundlage. Ein Gericht darf hier nicht zum Drehbuchautor spekulativer Geschichten werden, die Lebenserfahrung und Logik widersprechen. Genau einen solchen Freispruch hob das Oberlandesgericht Brandenburg auf, weil das Landgericht seine richterliche Aufgabe verkannt hatte.

Wird ein Freispruch wegen solcher Mängel aufgehoben, geht der Fall zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme an eine andere Kammer desselben Gerichts zurück. Dies gewährleistet eine korrekte Neubewertung. Vermuten Sie die Rechtsfehlerhaftigkeit eines Freispruchs, bereiten Sie umgehend eine detaillierte Revisionsschrift vor.


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Wie unterscheidet sich Revision von Berufung im Strafrecht?

Im Strafrecht gibt es zwei grundlegende Wege, ein Urteil anzufechten: die Berufung und die Revision. Während die Berufung eine vollständige Neuverhandlung des gesamten Falls inklusive erneuter Beweisaufnahme ermöglicht, konzentriert sich die Revision ausschließlich auf Rechtsfehler im Urteil, ohne eine neue Tatsachenprüfung vorzunehmen.

Eine Berufung bedeutet, der Fall wird vor einer höheren Instanz vollständig neu aufgerollt. Die Gerichte überprüfen dabei nicht nur Rechtsfragen, sondern auch die gesamte Tatsachengrundlage. Es ist quasi eine zweite Chance für die Beweisaufnahme: Zeugen können erneut gehört, Gutachten neu bewertet werden. So hat das Landgericht Neuruppin im vorliegenden Fall eine eigene Beweiswürdigung vorgenommen und Zeugenaussagen neu gehört.

Die Revision hingegen verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz. Hier geht es nicht um neue Tatsachen oder Zeugen, sondern um die strikte Prüfung, ob das Urteil rechtlich fehlerhaft ist. Juristen nennen das Rechtsprüfung. Dabei wird akribisch untersucht, ob Verfahrensfehler vorliegen oder das Strafrecht falsch angewendet wurde. Neue Beweise erhebt das Revisionsgericht dabei nicht. Stellen Sie sich die Berufung wie einen Neustart des Spiels vor, bei dem Sie alle Karten neu mischen dürfen. Die Revision dagegen ist eher eine Schiedsrichterentscheidung: Es wird nur geprüft, ob die Regeln des Spiels korrekt angewendet wurden.

Wenn Sie ein Urteil anfechten möchten, besprechen Sie umgehend mit Ihrem Anwalt, ob in Ihrem Fall eher eine Berufung oder eine Revision zielführend ist und welche Fristen hierfür gelten.


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Was geschieht, wenn ein Gerichtsurteil wegen Beweiswürdigung aufgehoben wird?

Wenn ein Gerichtsurteil wegen Beweiswürdigung aufgehoben wird, bedeutet das weder Freispruch noch endgültige Verurteilung. Stattdessen wird der Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer desselben Gerichts zurückverwiesen. Der Prozess ist damit keineswegs beendet; er nimmt eine neue Wendung.

Die Aufhebung entzieht dem vorherigen Urteil seine rechtliche Gültigkeit. Es ist, als wäre es nie ergangen. Für die Beteiligten bedeutet das eine Achterbahnfahrt der Gefühle, denn es gibt keine endgültige Entscheidung über Schuld oder Unschuld.

Der Fall wird nicht einfach neu bewertet, sondern faktisch neu aufgerollt. Eine andere Richterbank muss sich von Grund auf mit den Beweisen befassen, um jegliche Voreingenommenheit auszuschließen. Wie das Oberlandesgericht Brandenburg im Fall des Landgerichts Neuruppin klarstellte, muss die gesamte Beweisaufnahme wiederholt werden – jede Zeugenaussage, jedes Gutachten, jedes Indiz wird erneut nach den strengen Regeln richterlicher Logik gewürdigt. Für alle Prozessparteien ist es entscheidend, die alte Beweiswürdigung nicht als gegeben zu betrachten. Wer sich darauf verlässt, der Fall sei bereits entschieden oder eine frühere Argumentation genüge, irrt gewaltig. Die Karten werden neu gemischt.

Kontaktieren Sie daher umgehend Ihren Rechtsbeistand, um die Strategie für die bevorstehende erneute Hauptverhandlung präzise zu planen.


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Welche Kriterien sind entscheidend für eine korrekte Beweiswürdigung im Strafrecht?

Eine korrekte Beweiswürdigung im Strafrecht ist kein Ratespiel, sondern ein striktes Verfahren: Sie erfordert die lückenlose, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Bewertung aller Indizien und Beweise. Richter müssen ihre Überzeugung auf konkrete tatsächliche Anhaltspunkte stützen, ohne Raum für reine Spekulationen oder Theorien zu lassen, die der Lebenserfahrung widersprechen. Das ist der Kern richterlicher Überzeugungsbildung.

Warum diese Strenge? Juristen nennen das den Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Er erlaubt zwar, dass Richter Beweise nach ihrem inneren Wert einschätzen, verpflichtet sie aber gleichzeitig zu höchster Sorgfalt. Jedes Indiz muss umfassend gewürdigt und seine Bewertung in sich logisch und widerspruchsfrei sein, wie das OLG Brandenburg mehrfach betonte. Ohne diese akribische Arbeit gäbe es keine Justiz, nur Willkür. Das Gericht darf keine alternativen Tätertheorien oder Zweifel erfinden, die nicht durch konkrete Indizien belegt sind.

Im Klartext bedeutet das: Eine rein theoretische Möglichkeit eines anderen Tathergangs reicht niemals aus, um einen Angeklagten freizusprechen. Denken Sie an die „Trinkerrunden“-Theorie aus einem bekannten Brandstiftungsfall: Das Gericht konstruierte einen „Phantom-Täter“ ohne jeglichen Zeugen oder materielle Anhaltspunkte. So etwas ist ein schwerwiegender Rechtsfehler, da die Schlussfolgerungen jedes Richters für Dritte überprüfbar und realitätsbezogen sein müssen.

Analysieren Sie ein Urteil genau, um zu prüfen, ob alle Beweise aufgeführt und ihre Schlussfolgerungen lückenlos begründet sind.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Berufung

Berufung bezeichnet ein Rechtsmittel, mit dem ein Urteil einer unteren Instanz, meist des Amtsgerichts, vollständig neu verhandelt wird. Das Gesetz erlaubt dabei eine erneute Beweisaufnahme und eine umfassende Überprüfung des gesamten Falles, um mögliche Fehler im ursprünglichen Urteil zu korrigieren.

Beispiel: Nachdem das Amtsgericht den Angeklagten wegen Brandstiftung verurteilt hatte, legte dieser Berufung ein, woraufhin das Landgericht den gesamten Fall erneut aufrollte und eine neue Beweiswürdigung vornahm.

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Beweiswürdigung

Richter müssen bei der Beweiswürdigung sämtliche Indizien und Beweise eines Falles lückenlos und nachvollziehbar beurteilen, um sich eine Überzeugung über den Sachverhalt zu bilden. Dieses zentrale Prinzip der richterlichen Überzeugungsbildung stellt sicher, dass Urteile auf konkreten Tatsachen und nicht auf reinen Spekulationen basieren.

Beispiel: Eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Landgerichts führte dazu, dass es einen Phantom-Täter konstruierte, ohne konkrete Anhaltspunkte für diese Theorie zu haben, was das Oberlandesgericht rügte.

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In dubio pro reo

Der Grundsatz „In dubio pro reo“ – Juristen nennen ihn den Zweifelssatz – verlangt einen Freispruch, wenn nach einer vollständigen und sorgfältigen Beweisaufnahme noch vernünftige, nicht behebbare Zweifel an der Schuld eines Angeklagten bestehen. Dieses wichtige Schutzschild für Beschuldigte soll verhindern, dass jemand verurteilt wird, dessen Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen ist.

Beispiel: Das Oberlandesgericht stellte klar, dass der Grundsatz in dubio pro reo nicht zur Konstruktion unbewiesener Hypothesen, wie der eines unbekannten Brandstifters, dienen darf, um eine Verurteilung zu verhindern.

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Revision

Die Revision ist ein Rechtsmittel, das die Überprüfung eines Urteils ausschließlich auf Rechtsfehler beschränkt, ohne den Sachverhalt oder die Beweise neu zu würdigen. Es geht darum, ob das Recht korrekt angewendet und das Verfahren fehlerfrei durchgeführt wurde, nicht um eine erneute Feststellung der Tatsachen.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft legte gegen den Freispruch des Landgerichts Revision beim Oberlandesgericht ein, da sie die Beweiswürdigung der Richter als rechtsfehlerhaft ansah und dies überprüfen lassen wollte.

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Urteilsaufhebung

Eine Urteilsaufhebung bedeutet, dass ein Gericht einer höheren Instanz ein Urteil der Vorinstanz vollständig für ungültig erklärt und es dadurch seine Rechtskraft verliert. Diese Maßnahme wird getroffen, wenn gravierende Rechtsfehler oder eine fehlerhafte Beweiswürdigung im ursprünglichen Urteil festgestellt wurden, und führt meist zur Zurückverweisung des Falles.

Beispiel: Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied sich zur Urteilsaufhebung des Freispruchs, weil das Landgericht Neuruppin in seiner Entscheidung elementare Fehler bei der Beweiswürdigung begangen hatte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ (in dubio pro reo)Wenn nach der vollständigen und korrekten Würdigung aller Beweise vernünftige, nicht behebbare Zweifel an der Schuld eines Angeklagten bleiben, muss er freigesprochen werden.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht hat diesen Grundsatz falsch angewendet, indem es nicht bestehende Zweifel aus den Beweisen ableitete, sondern selbst eine spekulative Alternativgeschichte erfand, um einen Freispruch zu begründen.

  • Freie richterliche Beweiswürdigung (§ 261 StPO)Gerichte müssen Beweise umfassend, lückenlos und nachvollziehbar würdigen und ihre Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme gewinnen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Oberlandesgericht rügte, dass das Landgericht seine Aufgabe der Beweiswürdigung verlassen habe, indem es eine rein hypothetische Täterfigur konstruierte, ohne dafür konkrete Anhaltspunkte in den Beweisen zu finden.

  • Verbot der bloßen SpekulationGerichte dürfen eine Schuld oder Unschuld nur auf der Grundlage konkreter, belegter Tatsachen feststellen und nicht auf rein theoretischen oder unwahrscheinlichen Annahmen aufbauen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht hat gegen dieses Prinzip verstoßen, indem es einen „Phantom-Täter“ erfand und eine alternative Geschichte konstruierte, für die es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gab und die sogar der Lebenserfahrung widersprach.

  • Anforderungen an die Urteilsgründe (§ 267 Abs. 1 StPO)Ein schriftliches Urteil muss die Feststellungen und die rechtliche Würdigung so detailliert und nachvollziehbar begründen, dass eine Überprüfung durch ein höheres Gericht möglich ist.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht hatte wichtige Aussagen im Urteil nicht vollständig wiedergegeben, was eine Überprüfung seiner Logik und Entscheidungsfindung durch das Oberlandesgericht unmöglich machte.


Das vorliegende Urteil


Az.: 1 ORs 3/25 – OLG Brandenburg – Urteil vom 28.05.2025


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