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Polizeivideo als Beweis: Wann Aufnahmen aus dem Stadion scheitern

Ein Polizeivideo aus dem Fußballstadion sollte beleidigende Gesänge von Fans belegen und die Täter überführen. Doch obwohl das Material scheinbar eindeutig war, darf es nun vor Gericht nicht verwendet werden.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 157 Ns 8/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Die Polizei filmte Fans in einem Fußballstadion. Sie wollte beleidigende Gesänge aufzeichnen. Die Verteidigung der Fans sah das Filmen als unrechtmäßig an.
  • Die Rechtsfrage: Darf die Polizei Videoaufnahmen von Fans ohne konkreten Anlass machen und diese als Beweis nutzen?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht sah die Aufnahmen als unrechtmäßig an. Sie durften nicht als Beweismittel genutzt werden.
  • Die Bedeutung: Die Polizei muss einen konkreten Anlass haben, um Menschen zu filmen. Eine schwere Verletzung von Grundrechten kann die Nutzung solcher Beweise verhindern.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Landgericht Köln
  • Datum: 01.04.2021
  • Aktenzeichen: 157 Ns 8/20
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Polizeirecht, Verfassungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Sie wollten Videoaufnahmen als Beweismittel im Strafverfahren nutzen.
  • Beklagte: Die Verteidiger der Angeklagten. Sie legten Widerspruch gegen die Verwendung der Videos ein.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Die Polizei filmte Stadionbesucher bei einem Fußballspiel. Sie wollten die Aufnahmen als Beweis für Beleidigungen nutzen.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Dürfen Videoaufnahmen der Polizei, die angeblich beleidigende Fangesänge zeigen, als Beweismittel in einem Strafverfahren verwendet werden?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Der Widerspruch der Verteidigung gegen die Videoaufnahmen wurde stattgegeben.
  • Zentrale Begründung: Die Polizei hatte die Videos rechtswidrig aufgenommen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Videoüberwachung nicht erfüllt waren und die Datenschutzrechte der Fans überwiegen.
  • Konsequenzen für die Parteien: Die angefertigten Videoaufnahmen dürfen im Strafverfahren nicht als Beweismittel gegen die Angeklagten verwendet werden.

Der Fall vor Gericht


Warum waren polizeiliche Videoaufnahmen in einem Fußballstadion Gegenstand eines Gerichtsverfahrens?

Im Mittelpunkt eines Verfahrens vor dem Landgericht Köln (Az. 157 Ns 8/20) stand die Frage, ob Videoaufnahmen, die die Polizei während eines Fußballspiels von Fans angefertigt hatte, vor Gericht als Beweismittel verwendet werden dürfen.

Diese Stadionbesucher, konzentriert auf das Fußballspiel, sind unwissentlich Gegenstand polizeilicher Videoaufnahmen, deren Verwertung als Beweismittel für beleidigende Gesänge im Stadion gerichtlich untersagt wurde.
Landgericht Köln verwirft Polizeivideos aus Stadion als unverwertbar wegen rechtswidriger, systematischer Überwachung der Fans. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Aufnahmen sollten beleidigende Gesänge einer Fangruppe dokumentieren. Die Verteidiger der angeklagten Fans argumentierten jedoch, die Aufnahmen seien rechtswidrig entstanden und dürften daher nicht verwertet werden. Dies führte zu einer grundlegenden Auseinandersetzung über die Grenzen polizeilicher Überwachung und den Schutz des Persönlichkeitsrechts.

Die Geschichte beginnt auf der Tribüne eines Fußballstadions. Während der ersten Halbzeit eines Spiels, das um 19:30 Uhr angepfiffen wurde, fertigte die Polizei insgesamt 15 Videoaufnahmen einer Gruppe von Fans an. Diese Clips, deren Dauer von wenigen Sekunden bis zu sechs Minuten reichte, zeigten überwiegend junge Männer, die trommelten, sangen und gröhlten. Die entscheidende Sequenz, die zum Gerichtsverfahren führte, entstand etwa um 20:00 Uhr. In diesem Video waren Gesänge zu hören, die von der Staatsanwaltschaft als strafbare Beleidigung gegen die anwesenden Polizeibeamten gewertet wurden. Zwei Beamte waren für die Aufnahmen verantwortlich: eine Polizeibeamtin, die die Kamera bediente, und ihr Kollege, der die Entscheidung traf, was und wann gefilmt wurde.

Weshalb beantragte die Verteidigung ein Verwertungsverbot für die Polizeivideos?

Die Verteidiger der angeklagten Fans legten vor Gericht Widerspruch gegen die Verwendung der Videos ein. Sie beantragten ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot. Das bedeutet, dass ein Beweismittel, selbst wenn es existiert, im Prozess nicht berücksichtigt werden darf, weil es auf rechtswidrige Weise erlangt wurde. Der Kern ihres Arguments war, dass die Polizei keine ausreichende rechtliche Grundlage für die Videoüberwachung hatte.

Die Verteidigung kritisierte, dass die Aufnahmen nicht nur in dem einen Moment der mutmaßlichen Beleidigung gemacht wurden, sondern systematisch über die gesamte erste Halbzeit verteilt. Dieses wiederholte Filmen einer großen Gruppe von Menschen verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Fans. Dieses Grundrecht, verankert im Grundgesetz (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), schützt unter anderem das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort. Im Kern sagten die Verteidiger: Die Polizei hat hier ohne konkreten Anlass eine ganze Gruppe unter Generalverdacht gestellt und gefilmt, was gesetzlich nicht erlaubt ist.

Womit rechtfertigten Polizei und Staatsanwaltschaft die Videoaufzeichnungen?

Die Staatsanwaltschaft sah die Sache völlig anders. Sie argumentierte, die Videoaufnahmen seien notwendig und rechtlich zulässig gewesen. Ihre Position stützte sich auf die polizeirechtliche Eingriffsnorm des § 15 des Polizeigesetzes NRW. Dieses Gesetz erlaubt der Polizei unter bestimmten Voraussetzungen, bei öffentlichen Veranstaltungen Bild- und Tonaufnahmen zu machen, um Gefahren abzuwehren oder Straftaten zu verfolgen.

Die Staatsanwaltschaft führte an, dass die Aufnahmen zur Aufklärung einer möglichen Straftat – der Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB) – dienten. Da es sich um eine öffentliche Veranstaltung handelte, sei der Eingriff in die Privatsphäre der Fans weniger schwerwiegend. Die Fans hätten sich in der sogenannten Sozialsphäre bewegt, vergleichbar mit einem öffentlichen Platz, wo man nicht den gleichen Schutz der Privatsphäre erwartet wie zu Hause. Zudem sei das Filmen offen und für die Gruppe erkennbar erfolgt. Die Polizeibeamtin gab in ihrer Zeugenaussage an, dass es bei früheren Spielen bereits Vorfälle mit Pyrotechnik gegeben habe, was die Maßnahme zusätzlich rechtfertige. Ohne die Videos, so die Argumentation, wäre es unmöglich gewesen, die Gesänge nachzuweisen und den einzelnen Personen zuzuordnen. Das staatliche Interesse an der Strafverfolgung müsse hier Vorrang haben.

Warum bewertete das Gericht die polizeilichen Aufnahmen als rechtswidrig?

Das Landgericht folgte der Argumentation der Verteidigung und stufte die Videoaufnahmen als rechtswidrig ein. Die Richter nahmen die Beweise genau unter die Lupe: die 15 Videodateien mit ihren Zeitstempeln und die Aussagen der beteiligten Polizeibeamten. Dabei fielen ihnen erhebliche Widersprüche auf. Die Polizeibeamtin hatte behauptet, das Filmen habe erst gegen Ende der ersten Halbzeit begonnen. Die Zeitstempel der Videos bewiesen jedoch das Gegenteil: Die Polizei hatte bereits kurz nach Spielbeginn und dann immer wieder in kurzen Abständen gefilmt.

Dieser Befund war für das Gericht entscheidend. Die rechtliche Grundlage für solche Aufnahmen, der erwähnte § 15 PolG NRW, setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass eine Straftat unmittelbar bevorsteht oder begangen wird. Eine allgemeine Befürchtung oder schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit reichen nicht aus. Man kann es sich so vorstellen: Die Polizei darf nicht präventiv eine ganze Menschenmenge filmen, nur weil dort möglicherweise etwas passieren könnte. Sie braucht einen konkreten, gegenwärtigen Anlass.

Diesen konkreten Anlass sah das Gericht hier als nicht gegeben an. Die Tatsache, dass bei früheren Spielen Pyrotechnik gezündet wurde, rechtfertigt nicht die Überwachung der Fans bei diesem speziellen Spiel. Die Beamten hätten zu den Zeitpunkten der meisten Aufnahmen keinen konkreten Grund gehabt anzunehmen, dass gleich eine Straftat geschehen würde. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Polizei nicht gezielt auf einen Verdacht reagiert, sondern planmäßig und systematisch eine ganze Gruppe über einen längeren Zeitraum überwacht hatte. Dies war ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben.

Wieso durfte das rechtswidrig erlangte Video trotzdem nicht als Beweis dienen?

Dass ein Beweis rechtswidrig erlangt wurde, führt nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot. Das deutsche Strafprozessrecht kennt keine starre Regel, die besagt „illegal erlangt, also unbrauchbar“. Stattdessen muss das Gericht in jedem Einzelfall eine Abwägung vornehmen. Es legt die widerstreitenden Interessen auf eine Waagschale.

Auf der einen Seite der Waage liegt das staatliche Strafverfolgungsinteresse. Der Staat hat ein Interesse daran, Straftaten aufzuklären und die Täter zu bestrafen. Das Gewicht dieses Interesses hängt von der Schwere der Tat ab.

Auf der anderen Seite der Waage liegt das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren und der Schutz seiner Grundrechte, hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Gewicht dieses Interesses hängt davon ab, wie schwerwiegend der Verfahrensverstoß der Behörden war. Wurde das Recht nur aus Versehen verletzt, wiegt der Verstoß leichter. Geschah der Verstoß aber bewusst, willkürlich oder systematisch, wiegt er sehr schwer.

In diesem Fall legte das Gericht die Tat – eine mögliche Beleidigung – auf die eine Seite der Waage. Eine Beleidigung ist eine Straftat, wird aber der sogenannten Kleinkriminalität zugeordnet. Das Strafmaß ist vergleichsweise gering. Auf die andere Seite legte das Gericht den Fehler der Polizei. Durch das systematische und wiederholte Filmen ohne konkreten Anlass sah das Gericht einen schwerwiegenden, mindestens grob fahrlässigen Verstoß gegen die gesetzlichen Regeln. Dieser Verstoß verletzte die Grundrechte der Fans in erheblichem Maße.

Das Ergebnis dieser Abwägung war eindeutig: Das Gewicht des schwerwiegenden Verfahrensfehlers und der damit verbundenen Grundrechtsverletzung überwog das staatliche Interesse an der Verfolgung einer Beleidigung. Anders ausgedrückt: Der Schutz der Bürger vor unzulässiger staatlicher Überwachung war in diesem konkreten Fall wichtiger als die Bestrafung für beleidigende Gesänge. Aus diesem Grund erklärte das Landgericht Köln die Videoaufnahmen für unverwertbar und gab dem Antrag der Verteidiger statt.

Die Urteilslogik

Ein faires Verfahren schützt Bürger vor übergriffiger Überwachung und setzt klare Grenzen für die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel.

  • Grenzen polizeilicher Überwachung: Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen nur anfertigen, wenn konkrete Anhaltspunkte auf eine unmittelbar bevorstehende oder bereits begangene Straftat hinweisen; allgemeine Befürchtungen oder vergangene Vorfälle allein genügen hierfür nicht.
  • Abwägung bei Beweisverwertungsverboten: Ein Gericht darf rechtswidrig erlangte Beweise nur verwerten, wenn es das staatliche Strafverfolgungsinteresse sorgfältig gegen den Schutz der Grundrechte des Beschuldigten abwägt.
  • Priorität des Grundrechtsschutzes: Wie schwer ein staatlicher Eingriff in Grundrechte wiegt, bestimmt, ob die Strafverfolgung einer geringfügigen Tat dahinter zurücktritt und so ein Beweis unverwertbar wird.

Letztlich stärkt dies das Vertrauen in einen Rechtsstaat, der Grundrechte auch bei der Aufklärung von Straftaten ernst nimmt.


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Das Urteil in der Praxis

Mit diesem Urteil zieht das Landgericht Köln eine scharfe Grenze zwischen berechtigter Beweismittelgewinnung und unzulässiger Vorfeldüberwachung. Es zwingt die Behörden, ihr Vorgehen bei Videoaufzeichnungen im öffentlichen Raum fundamental zu überdenken: Allgemeine Ängste oder vergangene Vorfälle rechtfertigen keine anlasslose Massenüberwachung. Das Gericht sendet ein klares Signal, dass selbst bei mutmaßlicher „Kleinkriminalität“ ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte niemals durchgewunken wird. Für die Praxis bedeutet das: Beweisvideos ohne konkreten, gegenwärtigen Tatverdacht sind nicht nur rechtswidrig, sondern meist auch unbrauchbar – ein Sieg für den Datenschutz der Bürger im Stadion und darüber hinaus.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Warum kann ein Polizeivideo in meinem Verfahren unzulässig sein?

Ein Polizeivideo gilt vor Gericht als unzulässig, wenn die Aufnahme selbst rechtswidrig erfolgte. Richter verhängen dann ein Beweisverwertungsverbot, denn es schützt Ihre Grundrechte, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dies verhindert, dass der Staat Beweise durch Überwachung sammelt, die nicht auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruhen oder unverhältnismäßig sind.

Die Polizei braucht immer eine klare Rechtsgrundlage für Videoaufnahmen und darf nicht einfach drauflos filmen. Das Gesetz verlangt konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Straftat oder Gefahr. Ohne diesen spezifischen Verdacht wird die systematische Überwachung einer Menschenmenge schnell zur unverhältnismäßigen Verletzung Ihrer Privatsphäre.

Gerichte entscheiden hier streng. Das Landgericht Köln stufte beispielsweise Polizeivideos aus einem Fußballstadion als rechtswidrig ein. Die Polizei hatte Fans über längere Zeit und ohne spezifischen Anlass gefilmt, obwohl sie nur bei konkretem Verdacht handeln darf. Die Richter sahen darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Rechte der gefilmten Personen. Eine pauschale Überwachung ist schlichtweg verboten.

Ob ein rechtswidrig erlangtes Polizeivideo tatsächlich unverwertbar ist, entscheidet eine Abwägung. Das Gericht legt das staatliche Interesse an der Strafverfolgung – wie schwer ist die Straftat? – auf die eine Waagschale. Auf die andere kommt die Schwere der Grundrechtsverletzung durch die rechtswidrige Aufnahme. Bei sogenannter Kleinkriminalität, wie einer Beleidigung, überwiegt der Schutz Ihrer Grundrechte oft klar den staatlichen Verfolgungswunsch.

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Darf die Polizei mein Gesicht im Stadion filmen?

Darf die Polizei Ihr Gesicht im Stadion filmen? Nur mit konkretem Anlass, sonst ist es rechtswidrig. Das Landgericht Köln urteilte klar: Systematische Videoaufnahmen von Fans ohne akuten Verdacht auf eine Straftat verletzen das Persönlichkeitsrecht und dürfen vor Gericht nicht als Beweis dienen. Allgemeine Befürchtungen reichen nicht aus.

Juristen nennen das allgemeines Persönlichkeitsrecht – ein Grundrecht, das Sie vor anlassloser Überwachung schützt. Die Regel lautet: Die Polizei darf nur filmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte eine unmittelbar bevorstehende oder bereits begangene Straftat nahelegen. Allgemeine Ängste oder vergangene Vorfälle reichen dafür nicht.

Im konkreten Fall in Köln filmten die Beamten Fans über die gesamte erste Halbzeit hinweg – ohne akute Begründung. Zeitstempel entlarvten widersprüchliche Aussagen. Eine Beleidigung ist zwar eine Straftat, aber als Kleinkriminalität eingestuft. Ein grob fahrlässiger, systematischer Grundrechtsverstoß? Das Gericht wog ab.

Das Ergebnis dieser Abwägung war eindeutig: Der Schutz Ihrer Grundrechte wog schwerer als das Interesse des Staates, eine Beleidigung zu verfolgen. Deshalb durften die Aufnahmen trotz möglicher Beleidigung nicht als Beweis dienen. Polizeiliche Videoaufnahmen ohne konkreten Anlass sind ein Grundrechtsverstoß – und vor Gericht wertlos.


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Muss die Polizei einen Grund haben, wenn sie mich filmt?

Ja, die Polizei braucht einen konkreten Anlass, um Sie zu filmen. Eine willkürliche oder präventive Videoüberwachung ohne triftigen Verdacht ist unzulässig und verletzt Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Allgemeine Befürchtungen oder vergangene Vorfälle reichen dafür nicht aus; es muss ein unmittelbarer Verdacht auf eine Straftat oder Gefahr bestehen.

Juristen nennen das den Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Das Gesetz macht klare Vorgaben: Polizeiliche Videoaufnahmen sind nur erlaubt, wenn tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen, die eine bevorstehende oder bereits begangene Straftat nahelegen. Die Polizei darf nicht einfach systematisch ganze Gruppen überwachen, nur weil sie dort vielleicht etwas erwarten. Gerichte achten sehr genau darauf, ob die Beamten zum Zeitpunkt der Aufnahme einen konkreten Grund hatten.

Das Landgericht Köln verhandelte genau so einen Fall, bei dem die Polizei Fußballfans über einen längeren Zeitraum filmte. Der Grund: Angeblich beleidigende Gesänge. Die Richter fanden jedoch, dass die Aufnahmen bereits kurz nach Spielbeginn starteten und systematisch erfolgten – lange bevor ein konkreter Anlass für eine Straftat bestand. Ohne diesen spezifischen Verdacht war die Überwachung ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte der gefilmten Personen. Das Ergebnis: Die Videos durften im Prozess nicht verwertet werden, da der Rechtsverstoß der Polizei zu gravierend war.

Ihre Rechte bei polizeilicher Videoüberwachung sind stark. Achten Sie auf jeden Filmversuch.


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Wie prüft ein Gericht die Zulässigkeit meines Polizeivideos?

Gerichte untersuchen die Zulässigkeit von Polizeivideos als Beweismittel akribisch, ein komplexer Tanz zwischen staatlichem Strafverfolgungsinteresse und Grundrechten. Zuerst prüft das Gericht die Rechtmäßigkeit der Aufnahme: Gab es eine klare Ermächtigungsgrundlage, und war die Maßnahme verhältnismäßig? Dann folgt die Bewertung der Verwertbarkeit – durfte das Video überhaupt für diesen Zweck genutzt werden?

Warum diese genaue Prüfung? Weil jede Aufnahme tief in das Persönlichkeitsrecht Einzelner eingreift. Das Landgericht Köln lehrte die Polizei eine Lektion: Systematisches Filmen ohne konkreten Anlass ist tabu, selbst im Stadion. Die Richter fordern „tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat, keine bloße Prävention. War die Aufnahme unrechtmäßig, droht ein Beweisverwertungsverbot.

Zusätzlich beleuchtet das Gericht die Authentizität des Materials. Wurde das Video manipuliert? Metadaten und Zeugenaussagen der Beamten sind hierfür entscheidend. Selbst ein rechtmäßig gedrehter Clip kann seine Beweiskraft verlieren, wenn Zweifel an seiner Unversehrtheit bestehen oder Grundrechte Dritter verletzt werden.

Dokumentieren Sie stets die Umstände der Videoerstellung.


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Kann mein Polizeivideo trotz Rechtsverletzung als Beweis dienen?

Ein Polizeivideo, das unter Rechtsverletzung entstanden ist, darf vor Gericht als Beweis dienen, doch das ist keine Selbstverständlichkeit. Gerichte wägen in jedem Einzelfall ab: Das staatliche Strafverfolgungsinteresse trifft auf das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren und seine Grundrechte.

Das deutsche Strafprozessrecht kennt keine starre Regel für illegal erlangte Beweismittel. Stattdessen legen Richter die widerstreitenden Interessen auf eine sprichwörtliche Waage. Auf der einen Seite: Das Interesse des Staates, Straftaten aufzuklären und Täter zu bestrafen. Dieses Gewicht hängt maßgeblich von der Schwere der angeblichen Tat ab. Auf der anderen Seite: Der Schutz der Grundrechte des Angeklagten, insbesondere des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eigenen Bild. Wie schwer der Eingriff wiegt, entscheidet das Gericht.

Im Fall vor dem Landgericht Köln ging es genau darum. Eine Beleidigung – juristisch der Kleinkriminalität zugeordnet – stand der systematischen, über längere Zeit erfolgten Videoüberwachung von Fans gegenüber. Die Polizei hatte ohne konkreten Anlass gefilmt, was Richter als schwerwiegenden, mindestens grob fahrlässigen Verstoß werteten. Das Ergebnis der Abwägung war eindeutig: Der massive Grundrechtsverstoß überwog das Interesse an der Verfolgung einer vergleichsweise geringen Straftat. Das Polizeivideo war damit für den Prozess unbrauchbar.

Wer sich zu Unrecht gefilmt fühlt, sollte sofort rechtlichen Rat einholen – denn Ihre Grundrechte sind ein starkes Bollwerk.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abwägung

Gerichte nehmen eine Abwägung vor, wenn sie widerstreitende Interessen und Rechte gegeneinander halten, um eine rechtliche Entscheidung zu treffen. Dieses Vorgehen sorgt für Einzelfallgerechtigkeit, indem die Besonderheiten jeder Situation berücksichtigt werden, anstatt starre Regeln anzuwenden. Das Gesetz will hier eine faire Balance schaffen zwischen dem Interesse des Staates und den Rechten der Bürger.

Beispiel: Das Landgericht Köln führte eine Abwägung durch, um zu entscheiden, ob die rechtswidrig erlangten Polizeivideos im Verfahren gegen die Fußballfans als Beweismittel verwertet werden durften.

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allgemeines Persönlichkeitsrecht

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die engsten Bereiche der menschlichen Existenz und ermöglicht es jedem, sich frei zu entfalten, ohne dass der Staat oder Dritte dies willkürlich einschränken. Dieser wichtige Grundsatz ist im Grundgesetz verankert und garantiert Ihnen unter anderem das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort. Juristen nutzen es, um die individuelle Autonomie und Privatsphäre zu sichern, insbesondere vor staatlicher Überwachung.

Beispiel: Die Verteidigung der angeklagten Fans argumentierte, die systematische Videoüberwachung im Stadion verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht ihrer Mandanten, da sie ohne konkreten Anlass gefilmt wurden.

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Beweisverwertungsverbot

Ein Beweisverwertungsverbot ist eine gerichtliche Anordnung, die es verbietet, ein vorhandenes Beweismittel im Prozess zu berücksichtigen, weil es rechtswidrig erlangt wurde. Diese Regel existiert, um die Einhaltung grundlegender Rechtsprinzipien und den Schutz der Bürgerrechte zu gewährleisten; sie verhindert, dass der Staat von eigenen Rechtsverstößen profitiert. Das Gesetz stellt sicher, dass selbst die Aufklärung von Straftaten nicht auf Kosten der Verfassung geschieht.

Beispiel: Die Verteidiger der angeklagten Fans beantragten ein Beweisverwertungsverbot für die Polizeivideos, weil diese ihrer Ansicht nach ohne ausreichende rechtliche Grundlage entstanden waren.

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Eingriffsnorm

Eine Eingriffsnorm ist eine spezielle Rechtsvorschrift, die staatlichen Behörden – wie der Polizei – die Befugnis gibt, in die Rechte von Bürgern einzugreifen. Diese Gesetze sind unerlässlich im Rechtsstaat, denn sie sorgen dafür, dass kein staatliches Handeln ohne eine klare gesetzliche Grundlage erfolgt; so werden Willkür und unkontrollierte Machtausübung verhindert. Ohne eine solche Norm wäre jeder Polizeieinsatz potenziell rechtswidrig.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft stützte sich auf die polizeirechtliche Eingriffsnorm des § 15 des Polizeigesetzes NRW, um die Videoaufnahmen der Polizei im Fußballstadion zu rechtfertigen.

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Kleinkriminalität

Juristen fassen unter Kleinkriminalität Straftaten zusammen, die im Vergleich zu anderen Delikten als weniger schwerwiegend gelten und in der Regel mit milderen Strafen belegt werden. Diese Kategorisierung ist wichtig, denn sie beeinflusst, wie Gerichte bei der Abwägung von Rechtsgütern verfahren; das staatliche Interesse an der Strafverfolgung einer geringfügigen Tat wiegt weniger schwer als bei einem Kapitalverbrechen. Es hilft, die Verhältnismäßigkeit im Strafverfahren zu wahren.

Beispiel: Das Landgericht Köln ordnete die mutmaßliche Beleidigung durch die Fans der Kleinkriminalität zu, was die Abwägung zugunsten des Persönlichkeitsrechts der Angeklagten beeinflusste.

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Sozialsphäre

Die Sozialsphäre bezeichnet jenen Bereich des Privatlebens, der sich in der Öffentlichkeit abspielt und bei dem man naturgemäß mit einer gewissen Beobachtung oder Wahrnehmung durch andere rechnen muss. Dieser Begriff ist relevant, weil der Schutz des Persönlichkeitsrechts in der Öffentlichkeit weniger umfassend ist als in der geschützten Privatsphäre der eigenen vier Wände. Das Gesetz differenziert hier, um zwischen dem Anspruch auf Ungestörtheit und dem Interesse der Öffentlichkeit an Information abzuwägen.

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft argumentierte, die Fans hätten sich mit ihren Gesängen im Stadion in der Sozialsphäre bewegt, weshalb der Eingriff in ihre Privatsphäre durch die Videoaufnahmen weniger schwerwiegend sei.

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tatsächliche Anhaltspunkte

Wenn das Gesetz von tatsächlichen Anhaltspunkten spricht, sind damit konkrete und objektiv nachprüfbare Fakten gemeint, die einen Verdacht auf eine Straftat oder Gefahr begründen. Diese Anforderung ist entscheidend, um willkürliche Überwachungsmaßnahmen zu verhindern; bloße Vermutungen oder allgemeine Befürchtungen reichen nicht aus, um in die Grundrechte von Bürgern einzugreifen. Das Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Polizei nur dann handelt, wenn ein konkreter, gegenwärtiger Anlass vorliegt.

Beispiel: Das Gericht sah keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Straftat, die das systematische Filmen der Fußballfans durch die Polizei gerechtfertigt hätte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Beweisverwertungsverbot (Allgemeines Rechtsprinzip)

    Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet, dass ein Beweismittel, auch wenn es existiert, im Prozess nicht verwendet werden darf, weil es auf rechtswidrige Weise erlangt wurde.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verteidigung beantragte ein solches Verbot, um zu verhindern, dass die umstrittenen Polizeivideos als Beweis gegen die angeklagten Fans herangezogen werden.

  • Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG)

    Dieses Grundrecht schützt die Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden Menschen, einschließlich des Rechts am eigenen Bild und am gesprochenen Wort, vor unzulässigen staatlichen Eingriffen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verteidigung argumentierte, dass das systematische und anlasslose Filmen der Fans durch die Polizei einen schwerwiegenden Eingriff in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellte.

  • Polizeigesetz NRW – Bild- und Tonaufnahmen (§ 15 PolG NRW)

    Dieses Gesetz erlaubt der Polizei unter strengen Voraussetzungen, bei öffentlichen Veranstaltungen Bild- und Tonaufnahmen zu machen, um konkrete Gefahren abzuwehren oder Straftaten zu verfolgen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass die Polizei nicht die im Gesetz geforderten „tatsächlichen Anhaltspunkte“ für eine Straftat hatte, um die Aufnahmen zu rechtfertigen, wodurch die Videos rechtswidrig entstanden.

  • Abwägungsgrundsatz (Allgemeines Rechtsprinzip)

    Dieses Prinzip verlangt von Gerichten, widerstreitende Interessen und Grundrechte gegeneinander abzuwägen, um eine faire und verhältnismäßige Entscheidung zu treffen.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wog das staatliche Interesse an der Strafverfolgung einer Beleidigung gegen das schwerwiegend verletzte Persönlichkeitsrecht der Fans ab und entschied, dass der Schutz der Grundrechte in diesem Fall Vorrang hatte.

  • Beleidigung (§ 185 StGB)

    Der Paragraph stellt die vorsätzliche Äußerung der Missachtung oder Geringschätzung einer anderen Person unter Strafe.

    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Staatsanwaltschaft warf den Fans vor, die anwesenden Polizeibeamten durch Gesänge beleidigt zu haben, was die Grundlage für die Einleitung des Verfahrens und die Argumentation der Staatsanwaltschaft bildete.


Das vorliegende Urteil


LG Köln – Az.: 157 Ns 8/20 – Beschluss vom 01.04.2021


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