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Ermittlungsverfahren – Einstellung wegen Verurteilung in Schweiz

Erfolgloser Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Diebstahlverfahren

In einem aktuellen Fall hat das OLG Karlsruhe entschieden, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens unbegründet ist. Der Antragsteller begehrte die Anordnung der Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten wegen Diebstahls.

Direkt zum Urteil: Az.: 1 Ws 356/21 springen.

Gründe für die Unbegründetheit des Antrags

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erwies sich als unbegründet, da die Staatsanwaltschaft W.-T. das Ermittlungsverfahren wegen eines Verfahrenshindernisses in Form eines Strafklageverbrauchs nach Art. 54 SDÜ eingestellt hatte. Die zuständige schweizerische Staatsanwaltschaft M. hatte das gegen den Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren wegen Veruntreuung bereits mit Verfügung vom 14.04.2020 eingestellt, die in Rechtskraft erwachsen ist.

Bindungswirkung des Art. 54 SDÜ und Ausnahme

Die deutsche Staatsanwaltschaft hat die Bindungswirkung des Art. 54 SDÜ zu respektieren und die Einstellung durch die Verfügung der schweizerischen Justiz nach einer sachlichen Prüfung des Tatvorwurfs nicht ihrerseits inhaltlich zu überprüfen. Eine Ausnahme von dieser Bindewirkung nach Art. 55 Abs. 1 a SDÜ kann gegeben sein, wenn die Tat ganz oder teilweise in Deutschland begangen wurde. Im vorliegenden Fall wurde der mögliche Diebstahl der Kraftfahrzeuge jedoch nicht erst in Deutschland vollendet und beendet.

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Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 1 Ws 356/21 – Beschluss vom 21.02.2022

Der Antrag des Anzeigeerstatters vom 27. Dezember 2021 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 24. November 2021 (31 Zs 2145/21) wird als unbegründet verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens über seinen Antrag zu tragen (§ 177 StPO).

Gründe

I.

Der Anzeigeerstatter hat mit von seinem Rechtsanwalt unterzeichneter und am gleichen Tag beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangener Schrift vom 27.12.2021 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft K. vom 24.11.2021 – dem Antragsteller zugegangen am 29.11.2021 – gestellt, mit dem diese der Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten Müller wegen des Vorwurfs des Diebstahls gemäß § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft W.-T. am 18.08.2021 keine Folge gegeben hat. Er beantragt die Anordnung der Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Angezeigten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schrift vom 01.02.2022 beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen. Der anwaltliche Vertreter des Anzeigeerstatters hat hierzu mit Schrift vom 16.02.2022 Stellung genommen.

II.

Der beim Oberlandesgericht Karlsruhe am 27.12.2021 eingegangene, formgerecht von einem Rechtsanwalt unterzeichnete Antrag, durch gerichtliche Entscheidung die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten Müller anzuordnen, ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet und ist deshalb nach § 174 Abs. 1 StPO zu verwerfen. Denn die Staatsanwaltschaft W.-T. hat aus den in der Einstellungsverfügung vom 18.08.2021 genannten zutreffenden Gründen wegen eines Verfahrenshindernisses in Form eines Strafklageverbrauchs nach Art. 54 SDÜ das Ermittlungsverfahren eingestellt.

Zusammenfassend liegt der Anzeige zu Grunde, dass der Beschuldigte E. P. am 14.03.2019 in A. in der Schweiz zwei im Eigentum seines Stiefsohns, des Anzeigeerstatters A. C., stehende Oldtimer, die sich zuvor in der Garage des gemeinsamen Anwesens des Beschuldigten und der Mutter des Anzeigeerstatters befanden, unberechtigt aufgeladen habe und anschließend nach Deutschland über die Grenze in eine Scheune nach L. verbracht habe, wo diese durch die Staatsanwaltschaft W.T. am 09.07.2021 beschlagnahmt wurden. Die zuständige schweizerische Staatsanwaltschaft M. hat das gegen den Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren wegen Veruntreuung (Art. 138 StGB) nach einer sachlichen Prüfung des Tatvorwurfes wegen widersprüchlicher Angaben der Parteien bereits mit Verfügung vom 14.04.2020 (SUM 2019 545 IF) eingestellt, die in Rechtskraft erwachsen ist.

Die im Antragsvorbringen aufgeführten Gesichtspunkte sind nach Aktenlage nicht geeignet, den in der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft W.-T. angenommenen Strafklageverbrauch zu entkräften.

Allgemein lässt sich feststellen, dass der EuGH die Vorschrift des Art. 54 SDÜ nur auf gerichtliche oder behördliche Entscheidungen anwendet, mit denen die Strafverfolgung in einem Mitgliedsstaat endgültig beendet wird (vgl. auch EuGH, Urteil vom 22.12.2008, C-491/07, juris). Die Entscheidung einer ausländischen Staatsanwaltschaft, mit der das Strafverfahren beendet und das Ermittlungsverfahren gegen eine Person ohne die Auferlegung von Sanktionen endgültig eingestellt wird, ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann nicht als rechtskräftige Entscheidung i.S.d. Art 54 SDÜ einzustufen, wenn aus der Begründung hervorgeht, dass dieses Verfahren eingestellt wurde, ohne dass eingehende Ermittlungen durchgeführt worden wären (vgl. auch EuGH, Urteil vom 29.06.2016, C-486/14, juris). Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die deutsche Staatsanwaltschaft die Einstellung durch die Verfügung der schweizerischen Justiz nach einer sachlichen Prüfung des Tatvorwurfs nicht ihrerseits inhaltlich – auch nicht auf offensichtliche Fehleinschätzungen – zu überprüfen, sondern die Bindungswirkung des Art. 54 SDÜ zu respektieren.

Entsprechend der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft kann eine Ausnahme von dieser Bindewirkung nach Art. 55 Abs. 1 a SDÜ gegeben sei, wenn die Tat ganz oder teilweise in Deutschland begangen wurde. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Antragstellers wurde der mögliche Diebstahl der Kraftfahrzeuge nicht erst in Deutschland vollendet und beendet. Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat. Wann eine ausreichende Sicherung der Beute erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Das wird zwar in der Regel nicht der Fall sein, solange der Täter seine Absicht, sich alsbald mit der Beute zu entfernen, noch nicht verwirklicht hat, sondern sich z.B. auf dem Tatgrundstück, also im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen, befindet, oder solange der Täter aus anderen Gründen einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, die Beute durch Nacheile zu verlieren (vgl. BGH, Beschluss vom 26.05.2000, 4 StR 131/00, StV 2001, 622-623, mwN). Eine in diesem Sinne ausreichende Sicherung der Fahrzeuge war hier bereits mit dem von dem Anzeigeerstatter unbemerkten Verladen und dem Abtransport der Fahrzeuge am Tatort in der Schweiz der Fall. Das Diebesgut war aus dem räumlichen Bereich des Entwendungsorts bereits entfernt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28.03.2017, 2 StR 395/16, juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 177 StPO.

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