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Beweisverwertungsverbot: Freispruch durch rechtswidrige Durchsuchung?

Die Polizei fand in der Wohnung eines Dortmunders 168 Gramm Marihuana, woraufhin der Mann wegen unerlaubten Drogenbesitzes angeklagt wurde. Doch obwohl die Menge erheblich war, sprach ihn das Gericht frei – die Gründe liegen in einem schwerwiegenden Rechtsverstoß.

Zum vorliegenden Urteil 763 Ls – 803 Js 933/15 – 8/16 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Ein Mann wurde angeklagt, weil in seiner Wohnung Drogen gefunden wurden. Das Gericht musste klären, ob dieser Fund als Beweis verwendet werden durfte.
  • Die Rechtsfrage: Darf eine Wohnung ohne richterliche Erlaubnis durchsucht werden, wenn ein Richter bereits erreichbar war?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht erklärte die Durchsuchung für rechtswidrig, da die Beamten einen Richter um Erlaubnis hätten fragen können. Der Drogenfund durfte deshalb nicht als Beweis verwendet werden.
  • Die Bedeutung: Die Entscheidung zeigt die hohe Bedeutung des Schutzes der Wohnung. Wenn Ermittler die Regeln missachten, dürfen gefundene Beweise nicht verwendet werden.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Amtsgericht Dortmund
  • Datum: 14.06.2016
  • Aktenzeichen: 763 Ls – 803 Js 933/15 – 8/16
  • Verfahren: Strafverfahren
  • Rechtsbereiche: Verfassungsrecht, Strafprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Staatsanwaltschaft Dortmund. Sie beschuldigte den Angeklagten des unerlaubten Besitzes von Marihuana.
  • Beklagte: Ein Mann, dem unerlaubter Besitz von Marihuana vorgeworfen wurde. Er machte die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und ein Beweisverwertungsverbot geltend.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, in seiner Wohnung Marihuana besessen zu haben. Die Beweismittel stammten aus einer Wohnungsdurchsuchung, deren Rechtmäßigkeit strittig war.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Durfte die Polizei die Wohnung ohne richterlichen Beschluss durchsuchen, obwohl ein Richter bereits informiert war? Dürfen die dabei gefundenen Drogen überhaupt als Beweis verwendet werden?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Freispruch des Angeklagten.
  • Zentrale Begründung: Das Gericht befand die Wohnungsdurchsuchung als rechtswidrig, weil sie ohne gültigen richterlichen Beschluss und ohne ausreichende Gefahr im Verzug erfolgte, wodurch die gefundenen Drogen nicht als Beweis verwertet werden durften.
  • Konsequenzen für die Parteien: Der Angeklagte wurde freigesprochen, die Prozesskosten trägt die Staatskasse, und der Angeklagte erhält eine Entschädigung für die rechtswidrige Durchsuchung.

Der Fall vor Gericht


Weshalb wurde ein Mann trotz des Fundes von 168 Gramm Marihuana freigesprochen?

Das Amtsgericht Dortmund sprach einen Mann frei, obwohl in seiner Wohnung eine erhebliche Menge Marihuana gefunden wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn wegen unerlaubten Drogenbesitzes angeklagt, gestützt auf 168,06 Gramm sichergestelltes Rauschgift. Das Gericht entschied jedoch, dass der entscheidende Beweis nicht verwendet werden durfte, weil er durch eine rechtswidrige Hausdurchsuchung erlangt wurde. Dieser Fall beleuchtet die strengen Regeln, die in Deutschland für den Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung gelten.

Wie kamen die Ermittler auf die Spur des Angeklagten in Dortmund?

Die geöffnete Kommode mit herausquellenden Papieren visualisiert die polizeiliche Durchsuchung in der Wohnung eines Dortmunders, deren Rechtswidrigkeit zum Beweisverwertungsverbot und Freispruch im Drogenverfahren führte.
Rechtswidrige Wohnungsdurchsuchung führte zum Beweisverwertungsverbot und Freispruch trotz 168 Gramm Marihuana. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Ermittlungen begannen mit einem anonymen Hinweis. Daraufhin observierten zwei Polizeibeamte die Wohnung des späteren Angeklagten im S-X-Weg in Dortmund. Sie beobachteten, wie eine Person, die sie als mutmaßlichen Drogenabnehmer einstuften, das Haus kurz betrat und wieder verließ. Die Beamten kontrollierten diesen Besucher, Herrn K, und fanden bei ihm eine Konsumeinheit Heroin.

Allerdings erklärte Herr K, dass er das Heroin nicht in der Wohnung des Angeklagten, sondern an einem anderen Ort erworben habe. Trotz dieser Aussage reichte den Ermittlern die Kombination aus dem anonymen Hinweis und ihren eigenen Beobachtungen aus, um einen starken Verdacht des Drogenhandels zu hegen. Sie beschlossen, dass eine Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten notwendig sei, um weitere Beweismittel zu finden.

Warum führten die Beamten eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss durch?

Eine Hausdurchsuchung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre, der durch das Grundgesetz in Artikel 13 geschützt ist. Dieser Artikel garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das bedeutet: Grundsätzlich darf die Polizei eine Wohnung nur mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss betreten. Ein Richter prüft vorab, ob ein ausreichender Tatverdacht besteht und die Durchsuchung verhältnismäßig ist. Man nennt dies den Richtervorbehalt.

Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es nur bei „Gefahr im Verzug“. Dieser Begriff beschreibt eine Situation, in der es so eilig ist, dass das Warten auf eine richterliche Entscheidung den Erfolg der Maßnahme gefährden würde – zum Beispiel, weil in der Zwischenzeit Beweismittel vernichtet werden könnten.

In diesem Fall nahmen die Polizeibeamten telefonisch Kontakt zum zuständigen Staatsanwalt und dieser wiederum zum richterlichen Eildienst auf. Der Eildienstrichter war also bereits mit der Angelegenheit befasst. Er forderte die Beamten auf, ihm einen kurzen schriftlichen Antrag per Fax zu senden, auf dessen Grundlage er über den Durchsuchungsbeschluss entscheiden würde. Anstatt dieser Aufforderung nachzukommen, beriefen sich die Ermittlungsbehörden auf Gefahr im Verzug und führten die Durchsuchung sofort und ohne den schriftlichen Beschluss durch. Als Begründung gaben sie den anonymen Hinweis und ihre Beobachtungen an. Bei dieser Durchsuchung fanden sie die 168,06 Gramm Marihuana, die zur Anklage führten. Ein Beamter gab zudem an, gesehen zu haben, wie der Angeklagte bei Betreten der Wohnung einen Folienbeutel in der Toilette hinunterspülte, was die Annahme einer Beweismittelvernichtung stützen sollte.

Weshalb erklärte das Amtsgericht Dortmund die Wohnungsdurchsuchung für rechtswidrig?

Das Gericht kam nach sorgfältiger Prüfung zu dem Schluss, dass die Durchsuchung illegal war. Die Argumentation der Richter stützte sich auf einen zentralen Punkt: Der Eildienstrichter war bereits eingeschaltet und hatte eine klare Anweisung gegeben.

Der Richter war bereits „befasst“, wie es im Juristendeutsch heißt. Er war über den Sachverhalt informiert und bereit, eine Entscheidung zu treffen. In dem Moment, in dem ein Richter erreichbar ist und sich mit dem Fall beschäftigt, entfällt die Möglichkeit für Polizei oder Staatsanwaltschaft, sich einfach auf „Gefahr im Verzug“ zu berufen. Die Berufung auf diese Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, eine richterliche Entscheidung rechtzeitig einzuholen.

Das Gericht hörte die beteiligten Polizeibeamten als Zeugen. Deren Aussagen ergaben, dass sie sich nach der Kontrolle von Herrn K auf die Polizeiwache begeben hatten. Sie befanden sich also an einem Ort, an dem sie dem Wunsch des Richters, einen kurzen Antrag per Fax zu senden, problemlos hätten nachkommen können. Das Verfassen eines solchen Antrags hätte nach Einschätzung des Gerichts nur wenige Minuten gedauert. Es gab keine Anzeichen dafür, dass in diesen wenigen Minuten die Beweismittel in der Wohnung akut gefährdet gewesen wären. Das bloße Herunterspülen eines Beutels in der Toilette reichte dem Gericht nicht aus, um eine plötzliche, neue Gefahrenlage anzunehmen, die das Ignorieren der richterlichen Anweisung rechtfertigen würde.

Die Richter sahen im Vorgehen der Behörden eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts. Es handelte sich nicht um einen Fehler in einer hektischen Situation, sondern um die Missachtung einer klaren verfassungsrechtlichen Vorgabe. Anders ausgedrückt: Da die Beamten dem Wunsch des Richters ohne nennenswerten Zeitverlust hätten nachkommen können, war die Annahme von „Gefahr im Verzug“ nur ein Vorwand und die darauffolgende Durchsuchung somit rechtswidrig.

Warum führte die rechtswidrige Durchsuchung zu einem Beweisverwertungsverbot?

Wenn Beweise auf rechtswidrige Weise erlangt werden, bedeutet das nicht automatisch, dass sie vor Gericht unbrauchbar sind. Die Justiz wägt hier ab: Auf der einen Seite steht das Interesse des Staates an der Aufklärung von Straftaten. Auf der anderen Seite stehen die Grundrechte des Beschuldigten.

Ein Beweisverwertungsverbot wird nur bei besonders schwerwiegenden oder willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensregeln verhängt. Es ist die stärkste Reaktion des Rechtsstaats auf unzulässige Ermittlungsmethoden und soll sicherstellen, dass sich staatliche Organe an die Gesetze halten.

Das Amtsgericht Dortmund sah hier einen solchen schwerwiegenden Verstoß. Die bewusste Umgehung des bereits eingeschalteten Richters war für das Gericht eine „planmäßige Missachtung“ der Schutzfunktion des Artikels 13 des Grundgesetzes. Die Ermittler hatten nicht nur eine Regel verletzt, sondern gezielt den vom Grundgesetz vorgesehenen richterlichen Schutz ausgehebelt. Ein solches Vorgehen wiegt so schwer, dass das Interesse an der Strafverfolgung hinter dem Schutz der Grundrechte des Angeklagten zurücktreten muss.

Deshalb entschied das Gericht, dass die 168,06 Gramm Marihuana einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Das bedeutet, das Hauptbeweismittel durfte im Prozess nicht berücksichtigt werden, so als wäre es nie gefunden worden.

Auf welcher Grundlage sprach das Gericht den Angeklagten letztlich frei?

Nachdem das Gericht das Marihuana als Beweismittel ausgeschlossen hatte, brach die Anklage der Staatsanwaltschaft zusammen. Ohne die sichergestellten Drogen gab es keinen Beweis mehr dafür, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat – den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln – begangen hatte. Die Beobachtungen der Polizei allein reichten für eine Verurteilung nicht aus. Im Strafrecht gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten. Da die Tat nicht mehr nachgewiesen werden konnte, war die einzig mögliche Konsequenz der Freispruch.

Das Gericht ordnete außerdem an, dass die Staatskasse die gesamten Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des freigesprochenen Mannes tragen muss. Darüber hinaus sprach es ihm eine Entschädigung für die rechtswidrige Durchsuchung zu. Diese Entscheidungen basieren auf den folgenden gesetzlichen Vorschriften:

  • §§ 464, 467 Strafprozessordnung (StPO): Regeln die Kosten- und Auslagenerstattung bei einem Freispruch.
  • §§ 2, 8 Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG): Begründen den Anspruch auf Entschädigung für rechtswidrige Strafverfolgungsmaßnahmen wie eine illegale Hausdurchsuchung.

Der Fall endete somit mit einem vollständigen Freispruch und einem Entschädigungsanspruch für den Angeklagten, weil die Ermittlungsbehörden die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre seiner Wohnung missachtet hatten.

Die Urteilslogik

Der Rechtsstaat setzt dem staatlichen Ermittlungsinteresse klare Grenzen, um Grundrechte zu wahren.

  • Unabdingbarer Richterschutz: Gerichte müssen eine Wohnungsdurchsuchung grundsätzlich anordnen; die Ausnahme der „Gefahr im Verzug“ entfällt, sobald ein Richter erreichbar und zur Entscheidung bereit ist.
  • Konsequenz schwerer Rechtsverstöße: Missachten Ermittler gezielt grundgesetzlich geschützte Verfahrensrechte, führt dies zum Beweisverwertungsverbot der so erlangten Erkenntnisse.
  • Grundrechte vor Verurteilung: Ohne rechtmäßig gewonnene Beweise zerbricht die Anklage und das Gericht spricht im Zweifel für den Angeklagten frei.

Der Schutz der Privatsphäre und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien bilden das Fundament eines fairen Verfahrens.


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Das Urteil in der Praxis

Was auf den ersten Blick wie ein skurriler Freispruch in einem Drogenfall anmutet, entpuppt sich als messerscharfe Verteidigung unseres Grundgesetzes. Das Amtsgericht Dortmund zieht eine glasklare Linie: Die bewusste Umgehung des Richtervorbehalts, selbst wenn nur wenige Minuten für einen Faxversand nötig gewesen wären, ist ein Kardinalfehler, der die Verwertbarkeit des Beweises radikal beendet. Es ist ein schallendes Signal an jede Polizeidienststelle: Die Unverletzlichkeit der Wohnung genießt höchste Priorität, und „Gefahr im Verzug“ ist keine Ausrede, um Verfassungsnormen zu unterlaufen, wenn ein Richter erreichbar ist. Dieser Fall unterstreicht schonungslos, dass der Rechtsstaat seine eigenen Regeln streng einfordert und Verfahrensfehler, die die Grundrechte missachten, keine Lappalie sind, sondern zum Zusammenbruch der Anklage führen können.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Beweisverwertungsverbot in meinem Drogenverfahren?

Ein Beweisverwertungsverbot bedeutet im Kern, dass bestimmte, oft entscheidende Beweismittel im Gerichtsprozess nicht gegen Sie verwendet werden dürfen, auch wenn sie Ihre Schuld belegen könnten. Es ist ein mächtiges Schutzschild in Ihrem Drogenverfahren, das immer dann greift, wenn die Ermittlungsbehörden Grundrechte eklatant missachtet oder Verfahrensregeln schwerwiegend verletzt haben. So verhindert der Rechtsstaat, dass unzulässige Methoden zur Lastlegung führen.

Der Grund für solch eine drastische Maßnahme? Es geht um die Balance zwischen Strafverfolgung und dem Schutz Ihrer grundgesetzlich garantierten Freiheiten. Gerichte verhängen ein Beweis-Tabu nur bei besonders schwerwiegenden oder gar willkürlichen Verstößen. Das signalisiert den Behörden: Haltet euch an die Spielregeln, sonst sind eure auf diesem Weg gesammelten „Erfolge“ wertlos.

Ein Musterbeispiel zeigte sich in Dortmund: Dort fanden Ermittler 168 Gramm Marihuana in einer Wohnung. Klingt nach klarer Sache? Nicht vor Gericht. Die Beamten hatten zuvor den bereits eingeschalteten Eildienstrichter ignoriert und eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss durchgezogen, obwohl dies problemlos möglich gewesen wäre. Eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts. Dieses Vorgehen war eine „planmäßige Missachtung“ des grundgesetzlichen Schutzes der Wohnung. Deshalb galt für das Marihuana: tabu!

Missachten Ermittler Ihre Grundrechte, kann selbst der eindeutigste Beweis vor Gericht wertlos werden.


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Darf meine Wohnung ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden?

Absolut! Eine Wohnungsdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Das Grundgesetz schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung als heiliges Gut. Grundsätzlich muss ein Richter den Eingriff genehmigen. Nur bei „Gefahr im Verzug“, wenn tatsächlich jede Sekunde zählt und der Erfolg sonst gefährdet wäre, darf die Polizei ausnahmsweise ohne richterliches Go handeln.

Warum diese Strenge? Artikel 13 des Grundgesetzes garantiert uns allen ein sicheres Zuhause. Deshalb muss ein Richter prüfen, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht und die Maßnahme wirklich notwendig ist. Juristen nennen das den Richtervorbehalt – er ist unser wichtigster Schutz vor willkürlichen staatlichen Eingriffen.

Stellen Sie sich vor: Die Dortmunder Polizei hatte einen Verdacht. Obwohl sie einen Eildienstrichter kontaktierten und dieser einen Fax-Antrag forderte, schickten die Beamten nichts. Sie stürmten die Wohnung trotzdem, beriefen sich auf angebliche „Gefahr im Verzug“, weil ein Beamter einen Beutel in der Toilette verschwinden sah. Für das Gericht reichte das nicht. Es sah eine bewusste Missachtung des Richtervorbehalts.

Diese Umgehung wog so schwer, dass das Amtsgericht die Durchsuchung als illegal einstufte. Konsequenz: Das gefundene Marihuana durfte als Beweis nicht verwertet werden. Klingt paradox? Doch unser Rechtsstaat schützt die Grundrechte über alles.

Missachten Ermittler diese Regeln, bricht die Anklage oft wie ein Kartenhaus zusammen.


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Muss ein Richter meine Hausdurchsuchung immer anordnen?

Grundsätzlich ja: Ein Richter muss eine Hausdurchsuchung anordnen, um Ihre Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG) zu schützen. Nur bei Gefahr im Verzug darf die Polizei ausnahmsweise ohne richterlichen Beschluss handeln – aber diese Ausnahme ist extrem eng gefasst und kein Freifahrtschein für die Behörden.

Das Grundgesetz macht klare Vorgaben: Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein hohes Gut. Deshalb schützt der sogenannte Richtervorbehalt Sie vor willkürlichen Eingriffen. Gerichte nehmen diese Regel ernst. Der Grund: Ein Richter prüft vorab, ob die Maßnahme wirklich notwendig und verhältnismäßig ist, bevor er diese schwerwiegende Störung Ihrer Privatsphäre erlaubt.

Im Fall Dortmund hatte ein Richter sogar schon Anweisungen gegeben. Ein Richter forderte lediglich, ihm einen kurzen Antrag per Fax zu senden. Die Beamten befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf der Wache und hätten den Wunsch des Richters ohne nennenswerten Zeitverlust erfüllen können. Trotzdem führten sie die Durchsuchung sofort und ohne Beschluss durch. Das Amtsgericht Dortmund erklärte diese Aktion später für illegal, da keine echte Gefahr im Verzug bestand, die das Umgehen des Richters gerechtfertigt hätte.

Eine rechtswidrige Hausdurchsuchung macht Beweise wertlos.


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Wann gilt ein Beweisverwertungsverbot für meine gefundenen Drogen?

Ein Beweisverwertungsverbot für gefundene Drogen greift, wenn die Beweismittel durch schwerwiegende oder willkürliche Verstöße gegen Grundrechte, wie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz), erlangt wurden. Besonders kritisch wird es, sobald der Richtervorbehalt missachtet oder der richterliche Eildienst bewusst umgangen wird, selbst wenn „Gefahr im Verzug“ nur vorgeschoben wird.

Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist heilig. Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen sie grundsätzlich nur mit richterlichem Beschluss betreten. Gibt es keinen Richterbeschluss, geht es nur in echten Ausnahmesituationen – Juristen nennen das „Gefahr im Verzug“. Doch dieses Schlupfloch ist eng und erfordert, dass keine Zeit bleibt, um einen Richter einzuschalten.

Stellen Sie sich vor, in Dortmund fanden Ermittler 168 Gramm Marihuana in einer Wohnung. Der zuständige Eildienstrichter war informiert und bereit, einen Beschluss per Fax zu senden. Doch die Beamten schickten es nicht, stürmten stattdessen sofort rein und beriefen sich auf angebliche Eile. Das Amtsgericht Dortmund urteilte später knallhart: bewusste Umgehung des Richters. Wer eine klare richterliche Anweisung missachtet, kann sich nicht mehr auf die Eilbedürftigkeit berufen.

Solch eine „planmäßige Missachtung“ grundgesetzlicher Rechte wiegt schwerer als das Verfolgungsinteresse des Staates. Gerichte verhängen dann ein Beweisverwertungsverbot. Das bedeutet: Die gefundenen Drogen existierten vor Gericht nie. Freispruch war die Folge, denn ohne Beweise bricht die Anklage zusammen.

Dokumentieren Sie stets die Umstände von Durchsuchungen, denn nur so können Sie Ihre Rechte schützen und eine rechtswidrige Beweismittelgewinnung anfechten.


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Reicht ‚Gefahr im Verzug‘ immer für meine Wohnungsdurchsuchung?

Nein, die Annahme von Gefahr im Verzug rechtfertigt eine Wohnungsdurchsuchung nicht in jedem Fall. Das Grundgesetz schützt die Unverletzlichkeit Ihrer Wohnung nach Artikel 13; ein Richter muss die Durchsuchung grundsätzlich anordnen. Dieser Richtervorbehalt ist ein hohes Gut. Nur bei echter und nachweisbarer Eilbedürftigkeit, die keinen Aufschub duldet, ist eine Ausnahme erlaubt.

Wieso ist das so streng? Der Staat greift tief in Ihre Privatsphäre ein, wenn Ermittler Ihre Wohnung betreten. Deshalb fordert das Gesetz zwingend eine richterliche Kontrolle. Das Prinzip „Gefahr im Verzug“ ist die Notbremse, wenn jede Minute zählt, um beispielsweise Beweise vor der Vernichtung zu retten. Doch diese Notbremse zieht nur, wenn ein Richter wirklich nicht rechtzeitig erreichbar ist oder seine Entscheidung den Erfolg der Maßnahme gefährden würde.

Gerichte schauen hier genau hin. So geschehen in Dortmund, wo das Amtsgericht einen Angeklagten trotz Drogenfunds freisprach. Die Polizei hatte zwar einen Eildienstrichter kontaktiert, der eine schriftliche Antragstellung per Fax forderte. Statt dieser klaren Anweisung zu folgen, durchsuchten die Beamten sofort und beriefen sich auf Gefahr im Verzug. Ein fataler Fehler. Für das Gericht war klar: Die Beamten hätten den Antrag innerhalb weniger Minuten von der Polizeiwache aus faxen können. Es gab keinen Grund für eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts.

Ein bloßes Bauchgefühl der Ermittler reicht nicht. Sobald ein Richter erreichbar ist und sich mit dem Fall befasst, entfällt der Vorwand „Gefahr im Verzug“ für Polizei und Staatsanwaltschaft. Wer sich bewusst über richterliche Vorgaben hinwegsetzt, riskiert ein späteres Beweisverwertungsverbot.

Ignoriert die Polizei den Richter, ist der Freispruch nah.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Beweisverwertungsverbot

Ein Beweisverwertungsverbot ist die gerichtliche Anordnung, dass bestimmte, rechtswidrig erlangte Beweismittel in einem Prozess nicht gegen den Angeklagten verwendet werden dürfen. Dieses Verbot soll staatliche Behörden dazu anhalten, sich an die gesetzlichen Spielregeln und die Grundrechte der Bürger zu halten. Der Rechtsstaat schützt damit die Integrität des Verfahrens und die Rechte des Beschuldigten.

Beispiel: Das Amtsgericht Dortmund verhängte ein Beweisverwertungsverbot für das Marihuana, da es bei einer illegalen Hausdurchsuchung gefunden wurde.

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Gefahr im Verzug

Gefahr im Verzug beschreibt eine akute Eilsituation, in der Ermittlungsbehörden ausnahmsweise ohne richterlichen Beschluss handeln dürfen, weil das Warten den Erfolg einer Maßnahme vereiteln würde. Diese Ausnahme ist nur für dringende Notfälle gedacht, beispielsweise um die Vernichtung von Beweismitteln zu verhindern. Die Gesetzgebung erlaubt sie, um die Strafverfolgung nicht durch unzumutbare Verzögerungen zu behindern, allerdings nur unter strengen Voraussetzungen.

Beispiel: Die Dortmunder Polizei berief sich auf Gefahr im Verzug, obwohl ein Richter bereits erreichbar war und die Beamten einen Antrag per Fax hätten senden können.

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Richtervorbehalt

Der Richtervorbehalt bedeutet, dass bestimmte schwerwiegende Eingriffe des Staates in Grundrechte, wie eine Hausdurchsuchung, grundsätzlich die vorherige Anordnung eines Richters erfordern. Das Gesetz schützt so die Bürger vor willkürlichen staatlichen Maßnahmen und gewährleistet eine unabhängige gerichtliche Kontrolle. Ein Richter prüft dabei, ob der Eingriff verhältnismäßig und rechtmäßig ist.

Beispiel: Das Amtsgericht Dortmund sah eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts, als die Ermittler die Wohnung des Angeklagten ohne richterlichen Beschluss durchsuchten.

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Unverletzlichkeit der Wohnung

Die Unverletzlichkeit der Wohnung, verankert in Artikel 13 des Grundgesetzes, ist ein fundamentales Recht, das die Privatsphäre der eigenen vier Wände vor staatlichen Eingriffen schützt. Dieses Grundrecht gewährleistet, dass der Staat nicht willkürlich in die häusliche Sphäre eindringen darf und schützt die Freiheit des Einzelnen in seiner Wohnung als Rückzugsort. Ausnahmen sind nur unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig.

Beispiel: Die rechtswidrige Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in Dortmund stellte einen schweren Verstoß gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung dar.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Unverletzlichkeit der Wohnung und Richtervorbehalt (Artikel 13 Grundgesetz)
    Die Wohnung einer Person ist besonders geschützt und darf grundsätzlich nur mit richterlichem Beschluss durchsucht werden.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Polizei missachtete in diesem Fall den richterlichen Beschlussvorbehalt, obwohl ein Richter bereits erreichbar war und seine Entscheidung angefragt wurde.
  • Gefahr im Verzug (Ausnahme vom Richtervorbehalt)
    Eine Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss ist nur dann erlaubt, wenn das Warten auf eine richterliche Entscheidung den Erfolg der Maßnahme akut gefährden würde.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Polizei berief sich auf „Gefahr im Verzug“, obwohl ein Richter bereits eingeschaltet war und die Möglichkeit bestand, dessen Anweisung für einen schriftlichen Antrag kurzfristig zu befolgen. Das Gericht sah diese Annahme als unbegründet an.
  • Beweisverwertungsverbot (Allgemeines Rechtsprinzip)
    Beweise, die durch schwerwiegende oder willkürliche Verstöße gegen fundamentale Rechtsregeln erlangt wurden, dürfen im Gerichtsverfahren nicht verwendet werden.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die rechtswidrige Durchsuchung, insbesondere die bewusste Umgehung des bereits eingeschalteten Richters, wurde als so schwerwiegender Verstoß eingestuft, dass die gefundenen Drogen vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen werden durften.
  • Im Zweifel für den Angeklagten (In dubio pro reo)
    Wenn nach der Beweisaufnahme Zweifel an der Schuld einer angeklagten Person bestehen bleiben, muss diese freigesprochen werden.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Hauptbeweismittel (das Marihuana) nicht verwertet werden durfte, gab es keine ausreichenden Beweise mehr für die dem Angeklagten vorgeworfene Straftat, weshalb er freigesprochen werden musste.

Das vorliegende Urteil


AG Dortmund, Az.: 763 Ls – 803 Js 933/15 – 8/16, Urteil vom 14.06.2016


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