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Aufhebung der Untersuchungshaft: Trotz Fluchtgefahr, wenn wichtiger Grund fehlt

Ein Häftling saß in Berlin wegen gewerbsmäßigem Betrug und schwerer Gewalt in U-Haft. Nun steht die sofortige Aufhebung der Untersuchungshaft im Raum. Die Richter mussten trotz akuter Fluchtgefahr die Freilassung anordnen, weil die Ermittler vergaßen, den Haftbefehl rechtzeitig anzupassen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Ws 43/24 HP | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Kammergericht Berlin
  • Datum: 08.11.2024
  • Aktenzeichen: 3 Ws 43/24 HP – 161 HEs 30/24
  • Verfahren: Überprüfung der Fortdauer der Untersuchungshaft
  • Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Strafrecht

  • Das Problem: Ein Mann war wegen Corona-Betrugs und Verkehrsdelikten in Untersuchungshaft. Das Gericht musste entscheiden, ob er freigelassen werden muss, weil die Ermittlungen zu den ursprünglichen Haftgründen beendet waren.
  • Die Rechtsfrage: Darf jemand in Untersuchungshaft bleiben, wenn die Ermittlungen zu den Taten, die den Haftbefehl auslösten, im Wesentlichen abgeschlossen sind?
  • Die Antwort: Nein, die Untersuchungshaft musste aufgehoben werden. Zwar lag weiterhin Fluchtgefahr vor, aber es fehlte ein wichtiger Grund für die Verlängerung der Haft, da die Ermittlungen zu den ursprünglich genannten Vorwürfen beendet waren.
  • Die Bedeutung: Die Untersuchungshaft darf nicht unbegrenzt dauern. Neue, später hinzugekommene Straftatvorwürfe können eine bestehende Haft nur verlängern, wenn der ursprüngliche Haftbefehl rechtzeitig an diese neuen Vorwürfe angepasst wird.

Der Fall vor Gericht


Worum ging es in diesem Fall der Aufhebung der Untersuchungshaft?

Es begann mit dem Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug mit Corona-Soforthilfen. Dann kam eine wilde Flucht vor der Polizei durch Berlin hinzu, die mit einem Unfall endete. Als die Staatsanwaltschaft tiefer grub, explodierte die Liste der Vorwürfe: Ausbeutung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung. Für die Ermittler war der Angeklagte ein großer Fisch.

Mit Stempel und Aktenbergen prüft der Richter, ob der dringende Tatverdacht die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigt.
Fehlender erweiterter Haftbefehl führte zur Aufhebung der Untersuchungshaft. | Symbolbild: KI

Er saß sicher in Untersuchungshaft. Doch während der Berg an Anschuldigungen wuchs, blieb das juristische Fundament für seine Inhaftierung unverändert. Das Kammergericht Berlin musste eine messerscharfe Frage klären: Kann ein Mann für Verbrechen in Haft gehalten werden, die gar nicht in seinem ursprünglichen Haftbefehl stehen?

Warum saß der Mann überhaupt in Untersuchungshaft?

Die Justiz nahm den Mann fest, weil sie zwei massive Risiken sah. Erstens einen dringenden Tatverdacht für mehrere Straftaten. Ihm wurde vorgeworfen, Corona-Hilfen erschlichen zu haben – ein gewerbsmäßiger Betrug nach § 263 des Strafgesetzbuches (StGB). Zudem lastete man ihm eine rücksichtslose Fluchtfahrt an, die in einem Unfall mündete. Zweitens sah das Gericht eine hohe Fluchtgefahr, den klassischen Haftgrund nach § 112 der Strafprozessordnung (StPO). Der Mann hatte keinen festen Wohnsitz, hielt sich seit Jahren illegal in Deutschland auf und besaß keinerlei soziale Bindungen. Eine Freilassung auf Kaution oder andere mildere Maßnahmen schienen ungeeignet, ihn vom Untertauchen abzuhalten. Die Untersuchungshaft sollte sicherstellen, dass er zum Prozess erscheint. Das Kammergericht bestätigte später auch ausdrücklich: Die Fluchtgefahr bestand. Daran gab es keinen Zweifel.

Was war der entscheidende Fehler der Ermittlungsbehörden?

Nach der Verhaftung ermittelte die Staatsanwaltschaft weiter. Sie deckte ein ganzes Netz weiterer, schwerwiegender Straftaten auf. Die Anklageschrift, die Monate später beim Landgericht einging, war um 23 neue Tatvorwürfe angewachsen. Das Problem war ein formales – aber eines mit enormer Sprengkraft. Der ursprüngliche Haftbefehl wurde nie an diese neuen Erkenntnisse angepasst. Er basierte weiterhin nur auf dem Betrug und den Verkehrsdelikten. Die Ermittlungen zu genau diesen Taten waren aber längst abgeschlossen. Die Zeugen waren vernommen, die Beweise gesichert. Es passierte nichts mehr, was die Fortdauer der Haft für diese spezifischen Taten hätte rechtfertigen können. Die Staatsanwaltschaft versäumte es, einen erweiterten Haftbefehl zu beantragen, der die neuen, gravierenden Vorwürfe einschloss. Dieser administrative Lapsus durchkreuzte die gesamte Strategie der Anklage.

Warum führte dieser Fehler zur sofortigen Freilassung?

Das Gesetz schützt die Freiheit des Einzelnen mit strengen Regeln. Eine davon steht in § 121 der Strafprozessordnung. Sie besagt, dass eine Untersuchungshaft nur fortdauern darf, wenn ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Ein solcher Grund ist typischerweise, dass die Ermittlungen noch laufen und das Verfahren zügig vorangetrieben wird. Das Kammergericht musste im Rahmen einer besonderen Haftprüfung nach § 122 StPO genau das überprüfen. Die Richter sind dabei strikt an den Inhalt des vorliegenden Haftbefehls gebunden. Sie dürfen nicht einfach die gesamte Anklageschrift zurate ziehen. Ihre Prüfung beschränkte sich auf die Frage: Laufen die Ermittlungen zum Corona-Betrug und den Verkehrsdelikten noch? Die Antwort war ein klares Nein. Die Akten zeigten, dass diese Ermittlungsstränge seit Monaten abgeschlossen waren. Die neuen, schweren Vorwürfe standen nicht im Haftbefehl. Sie existierten für die Haftprüfung rechtlich nicht. Ohne laufende Ermittlungen zu den Taten im Haftbefehl gab es keinen „wichtigen Grund“ mehr für die Haft. Die Untersuchungshaft war unverhältnismäßig geworden. Das Gericht hatte keine andere Wahl – es musste den Haftbefehl aufheben und die Freilassung des Mannes anordnen.

Die Urteilslogik

Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft setzt voraus, dass die Justizbehörden die Notwendigkeit der Freiheitsentziehung durch ständige Verfahrensaktivität belegen und die Verhältnismäßigkeit fortlaufend wahren.

  • Beendigung bei Verfahrensabschluss: Die Untersuchungshaft verliert ihren wichtigen Grund, sobald die Ermittlungsbehörden alle Beweise zu den im Haftbefehl genannten Taten gesichert haben und das Verfahren nicht mehr aktiv vorantreiben.
  • Die strikte Bindung an den Haftbefehl: Das Gericht, das die Fortdauer der Untersuchungshaft überprüft, ist streng an den Wortlaut des vorliegenden Haftbefehls gebunden und ignoriert alle späteren, außerhalb dieses Dokuments liegenden Anklagepunkte.
  • Der Haftbefehl muss proaktiv „mitwachsen“: Stellen die Ermittler neue, schwerwiegende Tatvorwürfe fest, müssen die Justizbehörden den ursprünglichen Haftbefehl unverzüglich anpassen und erweitern, um die rechtliche Grundlage der weiteren Inhaftierung zu sichern.

Das Gesetz bewertet die formale Korrektheit und die prozedurale Einhaltung der Haftgründe höher als das tatsächliche Ausmaß der mutmaßlichen Kriminalität.


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Experten Kommentar

Selbst bei einem Mann, der offenkundig flüchten will und dutzender schwerer Verbrechen verdächtig ist, zeigt dieses Urteil die unerbittliche Macht der Formalität im Strafprozess. Die Justiz übersah eine fundamentale rote Linie: Ist das Verfahren zu den im ursprünglichen Haftbefehl genannten Taten abgeschlossen, muss die Staatsanwaltschaft konsequent einen erweiterten Haftgrund nachschieben. Juristisch gesehen schützt § 121 StPO die Freiheit des Einzelnen kompromisslos – fehlen die laufenden Ermittlungen für die Basis des Haftbefehls, gibt es keinen „wichtigen Grund“ für die Fortdauer der U-Haft, egal wie viele neue Vorwürfe noch in der Schublade liegen. Das ist eine klare Lektion für Ermittler, dass die Freiheit des Bürgers zwingend an die formale Aktenlage und nicht an die gefühlte Schwere der Tat gebunden ist.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann führt ein administrativer Fehler der Staatsanwaltschaft zur Freilassung aus der Untersuchungshaft?

Ein administrativer Fehler führt zur sofortigen Freilassung aus der Untersuchungshaft, wenn die Staatsanwaltschaft den ursprünglichen Haftbefehl nicht um nachträglich aufgedeckte, schwerwiegende Vorwürfe erweitert. Dadurch entfällt formal der wichtige Grund für die Fortdauer der Haft. Das Gericht ist in der Haftprüfung strikt an die im Haftbefehl genannten Taten gebunden, selbst wenn die Akte längst zahlreiche neue Straftaten listet.

Obwohl Ermittler in einem laufenden Verfahren massive zusätzliche Straftaten entdecken, muss die juristische Grundlage der Inhaftierung aktuell bleiben. Versäumt die Staatsanwaltschaft es, einen erweiterten Haftbefehl zu beantragen, der die gesamte Bandbreite der neuen Vorwürfe einschließt, entsteht ein formaler Mangel. Die Ermittlungen zu den ursprünglich im Befehl genannten Taten gelten in der Regel als abgeschlossen, wenn dort keine aktive Beweissicherung mehr stattfindet.

Nach § 122 der Strafprozessordnung darf das zuständige Gericht nur die im Haftbefehl aufgeführten Delikte prüfen. Die neuen, nicht gelisteten Vorwürfe dürfen für die Frage der Haftfortdauer formal nicht berücksichtigt werden. Liegen die Ermittlungen zu den im Befehl stehenden Taten seit längerer Zeit brach, entfällt der wichtige Grund für die Fortdauer nach § 121 StPO. Die Haft ist damit unverhältnismäßig geworden und muss aufgehoben werden, selbst wenn die Fluchtgefahr weiterhin besteht.

Fordern Sie sofort Akteneinsicht an, um das genaue Datum der letzten polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungshandlung zu den spezifischen Taten im aktuell gültigen Haftbefehl zu prüfen.


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Wann muss die Untersuchungshaft aufgehoben werden, weil die Ermittlungen zu den Taten abgeschlossen sind?

Die Untersuchungshaft muss unverzüglich aufgehoben werden, sobald die Ermittlungen zu den im Haftbefehl genannten Taten formell abgeschlossen sind. Selbst wenn eine hohe Fluchtgefahr weiterhin besteht, entfällt in diesem Moment der notwendige prozessuale Zweck der Haft. Das Gericht ist nach § 121 StPO dazu verpflichtet, die Fortdauer der Inhaftierung aufzuheben, weil die Maßnahme unverhältnismäßig geworden ist.

Die Verhältnismäßigkeitsprüfung der Haft hängt maßgeblich von der zügigen Förderung des Verfahrens ab. Wenn die Staatsanwaltschaft über Monate keine aktiven Ermittlungsschritte mehr unternimmt, um die Beweise der im Haftbefehl gelisteten Taten zu sichern, fehlt der in § 121 StPO geforderte wichtige Grund. Passive Wartezeiten oder bloßes Abwarten auf den Prozesstermin rechtfertigen die Fortsetzung der Untersuchungshaft nicht. Die U-Haft dient der Verfahrenssicherung, nicht der reinen Verwahrung des Beschuldigten.

Konkret: Ihre Inhaftierung erfüllt keinen Zweck mehr, wenn alle Zeugen vernommen und alle Beweismittel zu den ursprünglichen Vorwürfen gesichert sind. Wenn die Akten belegen, dass diese Ermittlungsstränge seit längerer Zeit ruhen, muss das Gericht die Haft aufheben, selbst bei fortbestehender Fluchtgefahr. Die Justiz kann Sie nicht in Haft halten, nur weil Sie fluchtgefährdet sind; die Haft muss aktiv der weiteren Beweissicherung oder der unmittelbaren Vorbereitung der Hauptverhandlung dienen.

Erstellen Sie anhand der Akten einen detaillierten Zeitstrahl, der den letzten Ermittlungsschritt zu den Vorwürfen des Haftbefehls dokumentiert.


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Wie nutze ich die formale Bindung des Gerichts an den Haftbefehl bei meiner Haftprüfung?

Sie nutzen diese Bindung, indem Sie das Gericht zwingen, sich bei der Haftprüfung ausschließlich auf die Taten zu konzentrieren, die im aktuellen Haftbefehl namentlich genannt sind. Nach § 122 der Strafprozessordnung (StPO) ist die Kammer strikt an dieses formelle Dokument gebunden. Neue, in der Anklageschrift aufgeführte Tatvorwürfe, dürfen für die Frage der Haftfortdauer rechtlich nicht berücksichtigt werden.

Diese formale Bindung ist der entscheidende Hebel, um trotz der Schwere der gesamten Sachlage eine Freilassung zu erwirken. Im Zentrum steht der sogenannte wichtige Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft nach § 121 StPO. Nur wenn zu den im Haftbefehl gelisteten Taten aktive Ermittlungen laufen und das Verfahren zügig gefördert wird, bleibt die Haft verhältnismäßig. Argumentieren Sie, dass die gesamte erweiterte Anklageschrift für das Haftprüfungsverfahren rechtlich inexistent ist, weil die Staatsanwaltschaft versäumt hat, einen erweiterten Haftbefehl zu beantragen.

Konkret: Isolieren Sie die neuen Vorwürfe als „verfahrensfremd“ von den formell gültigen Anschuldigungen. Anschließend weisen Sie anhand der Akten nach, dass die Ermittlungen zu den ursprünglichen Taten, die tatsächlich im Haftbefehl stehen, bereits abgeschlossen sind. Das Gericht darf diese notwendige Trennung nicht umgehen, indem es die Schwere der neuen, ungelisteten Taten bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt. Bestehen Sie darauf, dass der Haftbefehl bei Abschluss der Ermittlungen zu den dort genannten Taten sofort aufgehoben werden muss.

Formulieren Sie einen präzisen Antrag auf Haftprüfung, der explizit die rechtliche Pflicht des Gerichts zur Nichtberücksichtigung der ungelisteten Vorwürfe hervorhebt.


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Was gilt als ‚wichtiger Grund‘ für die Fortdauer der Untersuchungshaft nach Abschluss der Beweissicherung?

Der „wichtige Grund“ für die Fortdauer der Untersuchungshaft ist nicht derselbe wie der ursprüngliche Haftgrund, etwa die Fluchtgefahr. Nach § 121 StPO muss die Haft einem aktiven prozessualen Zweck dienen. Dieser Grund liegt primär in der zügigen Förderung des Verfahrens oder der Notwendigkeit, weitere Beweismittel zu sichern. Passive Wartezeiten oder bloßes administratives Verzögern genügen für eine Inhaftierung nicht.

Die Regel: Sobald die Ermittlungsbehörden alle Beweismittel zu den im Haftbefehl genannten Taten gesichert haben, entfällt der Zweck der Haft. Auch wenn objektiv weiterhin eine hohe Fluchtgefahr besteht, darf die Untersuchungshaft nicht länger unverhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber verlangt von der Staatsanwaltschaft, das Verfahren unverzüglich voranzutreiben, um die Belastung der Inhaftierung zu rechtfertigen.

Konkret: Ein wichtiger Grund liegt nur vor, wenn aktive Verfahrensschritte wie die Eröffnung der Hauptverhandlung oder ein beschleunigter Abschluss des Verfahrens unmittelbar bevorstehen. Bloßes Abwarten auf einen Gerichtstermin, während die Akten monatelang ruhen, stellt keinen wichtigen Grund dar. Dieses behördliche Versäumnis führt zur Unverhältnismäßigkeit und zwingt das Gericht zur Aufhebung des Haftbefehls, selbst bei schwerwiegenden, aber nicht gelisteten, neuen Vorwürfen.

Verlangen Sie eine verbindliche schriftliche Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, welche konkreten Verfahrenshandlungen zur zügigen Förderung des Falls geplant sind.


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Wie lange darf die U-Haft maximal andauern, wenn neue, schwere Vorwürfe nicht im Haftbefehl stehen?

Die Dauer der Untersuchungshaft hängt nicht von der Schwere neuer, ungelisteter Vorwürfe ab, sondern ausschließlich von der formellen Aktualität des Haftbefehls. Formal darf die U-Haft nur so lange andauern, wie aktive Ermittlungen zu den Taten laufen, die explizit im zugrundeliegenden Dokument genannt sind. Fehlt diese Verfahrensförderung seitens der Staatsanwaltschaft, wird die Haft unverhältnismäßig und muss aufgehoben werden. Die neuen Anschuldigungen sind für die Haftprüfung rechtlich irrelevant.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 121 StPO verlangt einen sogenannten wichtigen Grund für die Fortdauer der Haft. Dieser wichtige Grund entfällt, sobald die Beweissicherung zu den im Haftbefehl genannten Taten abgeschlossen ist und keine weiteren zügigen Verfahrensschritte erfolgen. Das zuständige Gericht ist bei der Haftprüfung strikt an den Inhalt des vorliegenden Haftbefehls gebunden. Neue Tatvorwürfe können die Haft nicht automatisch rechtfertigen, solange die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl nicht formell erweitert hat.

Die maximale Dauer der Haft ist somit nicht an eine starre Frist gebunden, sondern am Tempo der Behörden. Konkret: Liegt der letzte aktive Ermittlungsschritt zu den Haftbefehls-Taten Monate zurück, entfällt der wichtige Grund nach § 121 StPO. Das Kammergericht muss die Haft dann aufheben, weil die Grundlage für das Festhalten administrativ entfallen ist. Eine sofortige Freilassung erfolgt daher, weil die Behörden es versäumten, die formale Basis der Inhaftierung an die neuen Ermittlungsergebnisse anzupassen.

Berechnen Sie die Zeitspanne seit dem letzten Ermittlungsschritt zu den Haftbefehls-Taten und stellen Sie sofort einen Eilantrag auf Aufhebung der Untersuchungshaft wegen fehlenden wichtigen Grundes nach § 121 StPO.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Dringender Tatverdacht

Juristen sprechen von dringendem Tatverdacht, wenn die Sachlage nach den Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat tatsächlich begangen hat. Dieser hohe Verdachtsgrad ist neben einem konkreten Haftgrund die zwingende Voraussetzung für die Anordnung der Untersuchungshaft und schützt den Bürger vor einer willkürlichen Inhaftierung aufgrund vager Annahmen.

Beispiel: Obwohl der Mann im vorliegenden Fall des gewerbsmäßigen Betrugs und der Fluchtfahrt beschuldigt wurde, entfiel der dringende Tatverdacht für die ursprünglichen Delikte formal nicht; er war aber für die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht länger ausreichend.

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Erweiterter Haftbefehl

Ein erweiterter Haftbefehl ist ein formelles juristisches Dokument, das die Staatsanwaltschaft beantragen muss, um die Grundlage der Inhaftierung auf nachträglich aufgedeckte, neue oder schwerwiegendere Straftaten auszuweiten. Behörden stellen damit sicher, dass das juristische Fundament der Untersuchungshaft bei wachsender Aktenlage aktuell bleibt und die nachfolgende Haftprüfung die gesamte Schwere der Vorwürfe berücksichtigen darf.

Beispiel: Die sofortige Freilassung des Beschuldigten erfolgte, weil die Staatsanwaltschaft versäumte, einen erweiterten Haftbefehl für die neuen Vorwürfe wie Ausbeutung und Freiheitsberaubung zu beantragen, wodurch diese Taten für das Haftprüfungsverfahren rechtlich irrelevant blieben.

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Fluchtgefahr

Fluchtgefahr ist ein in § 112 StPO definierter, klassischer Haftgrund und liegt vor, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte die reale Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem bevorstehenden Strafverfahren durch Untertauchen entziehen wird. Das Gesetz ermächtigt die Justiz, in diesem Fall präventiv zu handeln, um das Erscheinen des Angeklagten im Prozess und damit die Durchführung der Hauptverhandlung sicherzustellen.

Beispiel: Im konkreten Fall bejahte das Kammergericht die fortbestehende Fluchtgefahr des Mannes ohne festen Wohnsitz explizit, dieser Haftgrund allein reichte jedoch nicht aus, um die Untersuchungshaft ohne den notwendigen wichtigen Grund aufrechtzuerhalten.

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Haftprüfung (§ 122 StPO)

Die Haftprüfung ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren nach § 122 StPO, bei dem die zuständige Kammer auf Antrag des Inhaftierten die Fortdauer der Untersuchungshaft und deren Verhältnismäßigkeit kontrolliert. Dieses Verfahren dient als essenzielles Korrektiv im Strafprozess, um sicherzustellen, dass die gravierende Freiheitsentziehung nicht länger dauert, als es der prozessuale Zweck unbedingt erfordert.

Beispiel: Im Rahmen der Haftprüfung war das Gericht strikt an den Inhalt des ursprünglichen Haftbefehls gebunden und durfte die zusätzlichen 23 ungelisteten Tatvorwürfe formal nicht zur Begründung der Fortdauer der Inhaftierung heranziehen.

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Wichtiger Grund (§ 121 StPO)

Der wichtige Grund nach § 121 StPO ist die juristische Anforderung, dass die Untersuchungshaft nach Abschluss der ersten Beweissicherung einem aktiven prozessualen Zweck dienen muss, um fortzudauern. Die Vorschrift stellt sicher, dass die Haft nicht zur bloßen Verwahrung wird, sondern aktiv der zügigen Förderung des Verfahrens oder der unmittelbaren Vorbereitung der Hauptverhandlung dient.

Beispiel: Da die Ermittlungen zu den im Haftbefehl genannten Corona-Betrugsdelikten abgeschlossen waren und die Akten monatelang ruhten, entfiel der für die Fortdauer notwendige wichtige Grund nach § 121 StPO, weshalb die Haft aufgehoben werden musste.

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Das vorliegende Urteil


KG Berlin – Beschluss vom 08.11.2024 – Az.: 3 Ws 43/24 HP – 161 HEs 30/24


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