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Zweckgebundenes Darlehen – Treuepflicht des Darlehensnehmers

Oberlandesgericht Naumburg – Az.: 1 Rv 152/21 – Beschluss vom 19.10.2021

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2021 (28 Ns 551 Js 3528/16 (77/21)) mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Magdeburg hat den Angeklagten am 4. Februar 2021 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt (Az. 13 Ls 551 Js 3528/16 (545/19)).

Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Magdeburg durch Urteil vom 21. Juli 2021 verworfen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision hat Erfolg.

1. Nach den getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte als geschäftsführender Alleingesellschafter der V. GmbH (V.) im Jahr 2012 bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) ausschließlich zur Vorfinanzierung des Zuschusses aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und der Investitionszulage für 2013/2014 ein Darlehen über 4.619.000,00 Euro auf.

In dem Darlehensvertrag vereinbarte der Angeklagte in seiner Funktion als geschäftsführender Alleingesellschafter der V. mit der IB, dass der von der V. bei dem zuständigen Finanzamt einzureichende Investitionszulagenantrag 2013/2014 mit einer Zahlungsanweisung zugunsten der IB zu verbinden war, nach welcher das Finanzamt unwiderruflich angewiesen wurde, die dem Anspruchsberechtigten gewährte Investitionszulage in der festgesetzten Höhe, maximal 1.100.600,00 Euro, auf ein im Vertrag konkret benanntes Konto zu überweisen. Die V. hatte ferner unverzüglich nach Antragstellung beim Finanzamt eine gleichlautende schriftliche Anweisungserklärung im Original sowie eine Kopie des Zulassungsantrages bei der IB einzureichen. Sofern das Finanzamt die Zahlungsanweisung nicht beachten und die Investitionszulage an den Darlehensnehmer – die V. – zahlen würde, sollte dies unverzüglich der IB angezeigt und die Investitionszulage in Höhe von bis zu 1.100.600,00 Euro zur vorzeitigen Tilgung des Darlehens durch Überweisung an die IB verwendet werden.

Das Darlehen wurde in voller Höhe ausgezahlt. Entgegen der Vereinbarung im Darlehensvertrag gab der Angeklagte in dem von ihm für die V. am 24 Juli 2014 unterzeichneten Investitionszulagenantrag gegenüber dem Finanzamt … an, die Investitionszulage sei auf sein, dem Finanzamt benanntes, Konto zu überweisen, was am 3. September 2014 in Höhe von 1.052.456,55 Euro geschah. Auch an die weiteren, oben aufgeführten, mit der IB getroffenen Vereinbarungen hielt sich der Angeklagte nicht; vielmehr gab er bereits am 12. August 2014 auf Nachfrage gegenüber einem Mitarbeiter der IB an, er könne keine konkreten Angaben zu dem Sachstand des Antrages auf Bewilligung der Investitionszulage machen. Ferner verschwieg er in einem Schreiben an die IB am 11. September 2014, dass die Investitionszulage an die V. ausgezahlt worden war.

In der Zeit vom 5. September bis zum 15. Oktober 2015 verfügte der Angeklagte vollständig über die Investitionszulage. Die IB konnte nachfolgend Erlöse aus der Verwertung der bei Abschluss des Darlehensvertrages gewährten Sicherheiten nicht erzielen, weshalb das Landgericht einen Schaden der IB in Höhe der an die V. ausgezahlten Investitionszulage angenommen hat.

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB nicht.

(1) Die Verwirklichung des hier allein in Betracht kommenden und vom Landgericht angenommenen Treuebruchtatbestandes des § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB durch den Angeklagten setzt ein Treueverhältnis gehobener Art mit Pflichten von einigem Gewicht voraus, die nicht in allen Einzelheiten vorgegeben sind (vgl. BGH NStZ 1983, 455). Der wesentliche Inhalt eines solchen Treueverhältnisses muss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vornehmlich die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen sein. Außerhalb der Grenzen der strafbaren Untreue liegen solche Schuldverhältnisse, die nicht fremdnützig typisiert sind, sondern dadurch charakterisiert werden, dass fremde Vermögensinteressen auf eigene gegenläufige treffen und dass jeder Vertragsteil die Beziehung zum anderen nur um des eigenen Vorteils willen anknüpft und verfolgt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02. Dezember 1988 – 1 Ws 943/88 -, juris).

Bei Darlehensverhältnissen oder sonstigen Kreditvereinbarungen ist der Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber grundsätzlich nicht treupflichtig (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2019 – 2 StR 381/17 -, juris m.w.N.). Denn der Darlehensnehmer handelt nicht in fremdem, sondern im eigenen Interesse. Über die Einzelheiten des Mitteleinsatzes entscheidet der Darlehensnehmer selbst, weil er mit dem zur Verfügung gestellten Darlehen ein zeitlich befristetes Kapitalnutzungsrecht erwirbt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 – XI ZR 132/06, juris Rn. 15). Bei einem zweckgebundenen Darlehen kann zwar durch die Einbeziehung auftragsähnlicher Elemente im Einzelfall eine derartige Vermögensbetreuungspflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber begründet werden (vgl. BGH, Urteil vom 06. März 1984 – 5 StR 997/83 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 05. März 1998 – 3 Ss 1395/97 -, juris). Erforderlich ist dabei jedoch, dass das Vertragsverhältnis Elemente einer Geschäftsbesorgung aufweist und die dadurch festgelegte Verpflichtung zur fremdnützigen Vermögenssorge einen wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmacht und nicht von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2019 – 2 StR 381/17 -, juris; BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 480/88 -, juris). Dies wird bei einem Darlehen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn durch die besondere Zweckbindung und die sich daraus ergebende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur zweckgerechten Verwendung der Valuta Vermögensinteressen des Darlehensgebers geschützt werden und diese wirtschaftlich im Mittelpunkt des Vertrages stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2019 – 2 StR 381/17 -, juris, unter Hinweis auf: bei Dallinger MDR 1969, 534 [Brauereidarlehen zur Investition in eine dauerhaft zu beliefernde Gaststätte]; Urteil vom 22. November 1955 – 5 StR 705/54, BGHSt 8, 271, 272 f. mwN [Baukostenzuschuss eines zukünftigen Mieters des zu errichtenden Hauses]). Demgegenüber können allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen des Darlehensgebers keine Vermögensbetreuungspflicht begründen (vgl. BGH, a.a.O.)

(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe oblag dem Angeklagten als Geschäftsführer der V. GmbH keine Vermögensbetreuungspflicht aus dem zwischen der GmbH und der Investitionsbank geschlossenen Darlehensvertrag.

Eine Zweckbindung des Darlehens, die geeignet gewesen sein könnte, eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten auszulösen, lag nicht vor. Zwar wurde der Darlehensvertrag nach den Feststellungen des Landgerichts geschlossen, um u.a. die Investitionszulage für 2013/2014 vorzufinanzieren. Damit ist jedoch keine Zweckbindung dergestalt festgestellt, dass die Darlehensnehmerin die Darlehensvaluta nur für bestimmte, vorab mit dem Darlehensgeber vereinbarte – und womöglich ihm zugutekommende – Zwecke verwenden durfte (andere Konstellation: bei Dallinger MDR 1969, 534 [Brauereidarlehen zur Investition in eine dauerhaft zu beliefernde Gaststätte]; Urteil vom 22. November 1955 – 5 StR 705/54, BGHSt 8, 271, 272 f. mwN [Baukostenzuschuss eines zukünftigen Mieters des zu errichtenden Hauses]). An bestimmte Abreden, wie die Darlehensvaluta auszugeben bzw. zu verwenden ist, war der Angeklagte nach den Darlehensvereinbarungen nicht gebunden.

Auch aus den Vereinbarungen über die Beantragung und Zahlung der Investitionszulage direkt an die Investitionsbank folgt keine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten nach § 266 Abs. 1 StGB. Die typische und wesentliche Vertragspflicht der GmbH bestand darin, das gewährte Darlehen zurückzuzahlen. Die Tilgung sollte zwar aufgrund der unwiderruflichen Zahlungsanweisung der GmbH durch direkte Zahlung der Investitionszulage 2013/2014 vom Finanzamt an die Investitionsbank erfolgen oder – bei Nichtbeachtung dieser Zahlungsanweisung – durch Zahlung der GmbH an die Investitionsbank. Aus diesen Vereinbarungen ergibt sich jedoch lediglich eine Abrede über die Art und Weise der Rückzahlung der Darlehensvaluta. Der Angeklagte als Geschäftsführer hatte insoweit nicht für die Bank zu handeln, sondern – entsprechend seiner Hauptpflicht aus dem Darlehensvertrag – an die Bank zu leisten (vgl. BGH, Urteil vom 06. März 1984 – 5 StR 997/83 -, juris).

3. Allerdings besteht nach den Feststellungen des Landgerichts – so selbst der Revisionsführer in seiner Revisionsbegründung (dort Seite 2) – sowie nach den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in der Zuschrift vom 15. September 2021, der Verdacht, der Angeklagte könnte sich eines Betruges zum Nachteil der Investitionsbank strafbar gemacht haben (§ 263 StGB).

Verjährung ist insoweit nicht eingetreten; die Verjährung wurde nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB (Bl. 123 Bd. I d.A.) unterbrochen. Dies gilt, weil es sich um denselben Lebenssachverhalt handelt, auch für eine etwaige Betrugstat des Angeklagten. Unter der Tat ist das „konkrete Vorkommnis“, nicht seine rechtliche Beurteilung als eine strafbare Handlung bestimmter Art zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 1968 – 5 StR 115/68 -, BGHSt 22, 105-108).

Eine Schuldspruchberichtigung entsprechend § 354 Abs. 1 StPO kommt nicht in Betracht. Eine Schuldspruchberichtigung findet u.a. seine Grenze an der Hinweispflicht des Gerichts nach § 265 Abs. 1 StPO. Aufgrund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage aufgeführten Strafgesetzes darf das Revisionsgericht den Angeklagten nicht ohne weiteres verurteilen. Es genügt auch nicht, dass es selbst den Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts erteilt oder nachholt. Denn § 265 Abs. 1 StPO dient nicht nur der Verteidigung des Angeklagten in rechtlicher Hinsicht, sondern soll ihm vor allem auch Gelegenheit geben, sich in tatsächlicher Hinsicht zu verteidigen. Der Angeklagte soll im Interesse einer erschöpfenden Sachaufklärung in die Lage versetzt werden, sich der veränderten Rechtslage tatsächlich zu äußern und neue Beweise anzutreten. Eine Schuldspruchberichtigung ist nur in den Fällen unbedenklich, wenn die Tat so bereits in der Anklage oder im Eröffnungsbeschluss gewürdigt worden ist, der Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO vor dem Tatgericht erfolgt ist, dem Antrag des Staatsanwalts bzw. des Verteidigers entsprach oder eine andere Verteidigung des Angeklagten in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich erscheint (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 15. Januar 2010 – 1 Ss 10/09 -, juris).

Keiner dieser Fälle liegt hier vor, weshalb das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StGB).

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