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Mögliche Streichung des § 219a StGB – Werbung für Schwangerschaftsabbrüche

§ 219a StGB verbietet bisher die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

Es gibt in Deutschland im Strafgesetzbuch durchaus Paragrafen, die durchaus als umstritten angesehen werden. Ein sehr gutes Beispiel hierfür stellt der § 219a Strafgesetzbuch (StGB) dar, welche explizit das Werben von Medizinern für Schwangerschaftsabbrüche strafrechtlich ahndet. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund, warum dieser Paragraf allgemeinhin sehr kritisch gesehen wird. Durch den Paragrafen wird die Informationsverpflichtung von Medizinern im Zusammenhang mit Eingriffen sowohl eingeschränkt als auch kriminalisiert. Nunmehr hat sich der Gesetzgeber dieses Paragrafen wieder einmal angenommen.

Der § 219a StGB hat seine Wurzeln in dem Jahr 1933, in welchem erstmals das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche strafrechtlich aufgenommen wurde. Zu dieser Zeit tobte in Deutschland der Nationalsozialismus, welcher primär die reine Erhaltung des deutschen Volkes sowie seiner Lebenskraft in den Vordergrund stellte. Angesichts des Umstandes, dass zu dieser Zeit das menschliche Leben nur einen sehr geringen Stellenwert in Deutschland hatte, mutete dieser Paragraf schon ein wenig zynisch an. Im Jahr 2019 unternahm der Gesetzgeber den Versuch, den § 219 zum Verbot über die Werbung für Informationen einer Abtreibung grundlegend zu reformieren. Dieser Versuch scheiterte jedoch in seiner Zielsetzung, da die Berufsfreiheit durch die damalige Reform weiter eingeschränkt wurde. Zudem bliebt diejenige Werbung, welche als schwangerschaftsabbruchanpreisend angesehen werden konnte, verboten.

Dringender Bedarf an gesetzlicher Änderung ist vorhanden

Werbeverbot für Schwangeschaftsabbrüche
Am Abtreibungsrecht wird nicht gerüttelt, jedoch steht das Werbeverbot, oder genauer gesagt wie Ärztinnen und Ärzte über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen auf den Prüfstand. (Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Auf der Grundlage von Recherchen, die von der Zeitung „Hannoversche Allgemeine“ durchgeführt wurden, existiert in Deutschland eine gravierende Unterversorgung im Hinblick auf die Information sowie die Behandlungsmöglichkeiten. Gleichzeitig jedoch hat die Anzahl derjenigen Kliniken sowie Arztpraxen, in welchen Frauen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können, um rund 40 Prozent zugenommen. Diese Zunahme täuscht jedoch über den Umstand hinweg, dass es in Deutschland sogar ganze Regionen ohne eine entsprechende Versorgung gibt. Dies stellt jedoch einen Widerspruch zu dem Sicherstellungsauftrag dar, welcher im Schwangerschaftskonfliktgesetzt für die einzelnen Bundesländer festgelegt ist. Um diesem Umstand entgegenwirken zu können, erwägt der Gesetzgeber aktuell eine Streichung des § 219a StGB.

Eine Verbesserung der Informationslage sowie die Entkriminalisierung der Mediziner

Die Zielsetzung, welche der Gesetzgeber mit dem Vorhaben der Streichung des § 219a StGB verfolgt, liegt primär in der Verbesserung der aktuellen Informationslage im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen. Gleichzeitig sollen diejenigen Ärzte, welche über den Umfang und die Folgen einer derartigen Maßnahme informieren, entkriminalisiert werden. In der jüngeren Vergangenheit gab es für diejenigen Mediziner, die sich dieser Aufgabe widmeten, auf noch nach der 2019er-Reform Anzeigen sowie gerichtliche Verurteilungen. Etliche Gerichtsurteile zu dieser Thematik lassen sich auf dieser Internetpräsenz hier einsehen.

Durch die Streichung des § 219a StGB könnte auf jeden Fall eine rechtliche Sicherheit für Mediziner im Rahmen ihrer Berufsausbildung erreicht werden. Zudem soll für diejenigen Frauen, die sich ernsthaft mit der Thematik des Schwangerschaftsabbruchs auseinandergesetzt haben oder allgemeinhin auch noch sehr unsicher deswegen sind, der Zugang zu den entscheidungsrelevanten Informationen sowie auch dem Eingriff selbst erleichtert werden. Die 2019er-Reform hat laut einhelliger Meinung vieler Juristen und Experten diese Zielsetzung nicht erreichen können.

Die Ansicht der Mediziner

Die Ärzteschaft argumentiert bereits seit einiger Zeit dahingehend, dass durch den § 219a StGB ein Konflikt mit dem Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes entsteht. Der Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz gewährleistet die Berufsfreiheit in Deutschland und beinhaltet zudem auch das Recht darauf, auf der Grundlage der erworbenen Qualifikation und der Wahrheit die Öffentlichkeit in einem angemessenem Rahmen sachlich die erforderlichen Informationen zu vermitteln. Mit seinem Beschluss vom 24. Mai 2006 (Aktenzeichen 1 BvR 49/00 sowie 1 BvR 55/00 nebst 1 BvR 2031/00) folgte auch das Bundesverfassungsgericht der Auffassung der Mediziner.

Warum ist Werbung für Abtreibung verboten? Die Problematik in der Rechtslage

Eines der Hauptprobleme, mit denen sich die Mediziner im Zusammenhang mit dem § 219a StGB konfrontiert sehen, ist die zweifelsohne große Emotionalität dieser Thematik. Die 2019er-Reform wurde seinerzeit durch eine Frauenärztin auf den Weg gebracht, die auf ihrer eigenen Internetpräsenz über Schwangerschaftsabbrüche informierte und diese Informationen auch in mehreren Sprachen zur Verfügung stellte. Die Frauenärztin sah sich Anfeindungen und Beleidigungen von Eltern gegenüber und sie musste sich auch gerichtlich für ihr Verhalten verantworten. Auf der Grundlage des § 219a StGB wurde die Frauenärztin aufgrund der Durchführung der unerlaubten Werbung für entsprechende Schwangerschaftsabbrüche verurteilt. Gegen die Verurteilung legte die Frauenärztin vor dem Landgericht Gießen eine Berufung ein, welche jedoch verworfen wurde (Urteil des LG Gießen vom 12. Oktober 2018, Aktenzeichen 3 NS – 406 Js 150131/15).

Der seinerzeit noch gültige § 219a StGB sah vor, dass das öffentliche Anbieten in grob anstößiger Form oder auch die Ankündigung bzw. Anpreisung von Schwangerschaftsabbrüchen einen Straftatbestand erfüllt. Der ursprüngliche Sinn des § 219a StGB war, dass derartige Eingriffe im öffentlichen Wahrnehmungsbild nicht als eine medizinische Dienstleistung aufgefasst werden sollten. Problematisch war jedoch in der gängigen Praxis, dass allein schon die reine sachliche Information auf Basis des medizinischen Wissens sowie der Hinweis, dass ein derartiger Eingriff in der Arztpraxis des Mediziners durchgeführt werden kann, als Werbung angesehen werden kann.

Durch die 2019er-Reform wurde zumindest eine Ergänzung des Paragrafen um den Absatz 4 erwirkt, sodass Arztpraxen und Kliniken auf einer sachlichen, nicht werbenden Art auf die Möglichkeit eines derartigen Eingriffs in der Arztpraxis oder Klinik hinweisen dürfen. Dies muss jedoch absolut sachlich erfolgen, da jeder über die Sachlichkeit hinausgehende Hinweis als Werbung strafbar ist.

Über die Thematik des Schwangerschaftsabbruchs wird auch weiterhin sehr emotional diskutiert. Sowohl die absoluten Gegner eines derartigen Eingriffs als auch die Befürworter führen dabei die unterschiedlichsten Argumente ins Feld, sodass sich aus dieser Thematik eine regelrechte Endlosdiskussion ohne Ende entwickeln könnte. Beide Seiten müssen jedoch auf sachlicher Ebene zugeben, dass es für den Schwangerschaftsabbruch durchaus einen Bedarf und auch gute Gründe geben kann. Dies zeigt allein schon der Umstand, dass es zunehmend mehr Arztpraxen und Kliniken werden, bei denen ein derartiger Eingriff durchgeführt werden kann. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz der Bundesländer hat im Zusammenhang mit dieser Thematik auch eine Neuregelung erfahren, welche eine Verpflichtung für die Bundesärztekammer mit sich bringt. Die Bundesärztekammer ist verpflichtet eine entsprechende Liste mit Medizinern sowie auch Einrichtungen und Krankenhäusern zu führen, in denen ein derartiger Eingriff vorgenommen werden kann.

Auch bei dem Hilfstelefon „Schwangere in Not“ oder bei der Anlaufstelle Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kann eine derartige Information eingeholt werden.

Nachdem es zu der 2019er-Reform des § 219a StGB gekommen ist reagierte auch das OLG Gießen. Die Verurteilung der Frauenärztin, welche die entsprechenden Informationen über eine Abtreibung auf ihrer Internetpräsenz zur Verfügung gestellt hat, wurde von dem OLG aufgehoben. Als Grund hierfür gab das OLG an, dass es für die Verurteilung der Frauenärztin nach der Reform keinerlei gesetzliche Grundlage mehr geben würde.

Die Thematik ist durchaus heikel. Auf der einen Seite kann kein Mensch wirklich wollen, dass es im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch zu einer Herabstufung auf das Niveau einer normalen ärztlichen Dienstleistung kommt. Dafür ist der Eingriff an sich zu weitreichend und der Bedarf an entscheidungsrelevanten Informationen zu hoch. Auf der anderen Seite kann es durchaus sehr gravierende Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch geben, sodass diejenigen Ärzte, welche einen derartigen Eingriff anbieten, nicht im Sinne des Strafgesetzbuches kriminalisiert werden sollten. Betrachtet man sich in diesem Zusammenhang einige repräsentative Umfragen, so stellt man durchaus bei den Frauen eine gewisse Uneinigkeit bei dieser Thematik fest. Sicherlich gibt es Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich ablehnen und die das Verhalten derjenigen Frauen, die sich mit dieser Entscheidung herumtragen, nicht verstehen können. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Frauen, die Verständnis dafür haben. Es ist und bleibt schlussendlich eine Einzelfallentscheidung, welche jedoch auf jeden Fall einer umfassenden vorausgehenden medizinischen Beratung bedarf. Diejenigen Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wünschen, werden diesen Eingriff so oder so durchführen lassen. Es sollte im Sinne des Gesetzgebers sein, diese Frauen zu schützen und ihnen die medizinische Beratung sowie die Möglichkeit eines sicheren Eingriffs zu ermöglichen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn der § 219a StGB gestrichen wird. Auf diese Weise würden die Mediziner dann in die Position versetzt, denjenigen Frauen auch die medizinische Hilfe zuteilwerden zu lassen, welche sich diese Frauen wünschen.

Aktuell ist jedoch davon auszugehen, dass die Streichung des § 219a StGB noch einige Zeit in Anspruch nehmen und noch einige Gerichte beschäftigen wird.

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