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Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte

Nach einer Schlägerei leistete ein Mann bei der Identitätsfeststellung polizeilichen Widerstand gegen unrechtmäßige Diensthandlung und griff die Beamten an. Das Gericht hob die Verurteilung auf, weil die Beamten eine einzige entscheidende Information nicht erteilt hatten.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 ORs 5/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Hamm
  • Datum: 18.02.2025
  • Aktenzeichen: 2 ORs 5/25
  • Verfahren: Revision
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht

  • Das Problem: Ein Mann wurde bei einer Personenkontrolle verdächtigt, an einer Schlägerei beteiligt gewesen zu sein. Als er seinen Anwalt anrufen wollte, unterband ein Polizist das Telefonat mit Gewalt. Der Mann wurde deshalb wegen Widerstands und tätlichen Angriffs verurteilt.
  • Die Rechtsfrage: War die Vollstreckungshandlung der Polizei (die Identitätsfeststellung und die Unterbindung des Telefonats) überhaupt rechtmäßig?
  • Die Antwort: Das vorherige Urteil wurde aufgehoben. Die Sache muss zur neuen Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen werden. Der entscheidende Grund: Das Gericht stellte nicht fest, ob der Mann ordnungsgemäß darüber informiert wurde, welches Verbrechen ihm vorgeworfen wurde.
  • Die Bedeutung: Eine polizeiliche Identitätsfeststellung zur Aufklärung einer Straftat setzt die Eröffnung des Tatverdachts voraus. Fehlt diese notwendige Belehrung, gilt die gesamte Amtshandlung als formal unrechtmäßig. Widerstand gegen eine unrechtmäßige Amtshandlung ist grundsätzlich nicht strafbar.

Der Fall vor Gericht


Was macht eine Polizeikontrolle rechtmäßig – und wann darf man sich wehren?

In einer nächtlichen Konfrontation mit der Polizei wehrt sich ein Mann gegen eine Ausweiskontrolle. Er greift den Arm eines Beamten und wird dafür verurteilt. Ein scheinbar klarer Fall von Widerstand gegen die Staatsgewalt. Doch das Urteil wurde pulverisiert.

Ein Vollstreckungsbeamter unterbindet die Verteidigerkonsultation des Mannes, dem die Eröffnung des Tatverdachts fehlt.
Fehlende Belehrung über den Tatvorwurf machte die Identitätsfeststellung rechtswidrig und hob die Verurteilung auf. | Symbolbild: KI

Der Grund war kein juristischer Kniff oder eine neue Zeugenaussage, sondern ein winziges, übersehenes Detail ganz am Anfang der Polizeimaßnahme. Ein einziger Satz, den die Beamten hätten sagen müssen, es aber vielleicht nicht taten.

Worum ging der Streit zwischen dem Mann und der Polizei?

In den frühen Morgenstunden rückten vier Polizisten zu einem Baumarkt aus. Der Grund: eine gemeldete Schlägerei mit etwa zehn Beteiligten. In der Nähe des Geländes trafen die Beamten auf den späteren Angeklagten und zwei Begleiter. Die Polizisten vermuteten eine Beteiligung an der Auseinandersetzung und forderten den Mann auf, sich auszuweisen.

Der Mann verweigerte das. Er griff stattdessen zu seinem Handy. Er wolle seinen Anwalt anrufen, kündigte er an. Ein Polizist forderte ihn mehrfach auf, das Telefonieren zu lassen. Der Mann ignorierte die Aufforderung. Daraufhin griff der Beamte nach dem Arm des Mannes und zog dessen Hand samt Mobiltelefon vom Ohr weg. Die Begründung des Polizisten später vor Gericht: Er habe in der unübersichtlichen Situation gefürchtet, der Mann könne Verstärkung herbeirufen. Die Reaktion des Mannes war heftig. Er packte die Hand des Beamten, umklammerte sie und bog die Finger zurück. Der Polizist erlitt Schmerzen, blieb aber dienstfähig.

Das Amtsgericht Witten verurteilte den Mann wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB) und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) zu einer Geldstrafe. Der Fall schien abgeschlossen.

Warum war das Recht auf ein Anwaltstelefonat nicht der springende Punkt?

Die Verteidigung des Mannes legte Revision ein und argumentierte, die gesamte Polizeimaßnahme sei rechtswidrig gewesen. Ihr zentraler Vorwurf: Das Unterbinden des Anrufs verletze das Recht des Mannes auf sofortige anwaltliche Unterstützung, das ihm als Beschuldigtem nach § 137 Abs. 1 S. 1 der Strafprozessordnung (StPO) zusteht. Die Polizisten hätten mildere Mittel prüfen müssen – etwa, das Gespräch auf Lautsprecher mitzuhören.

Das Oberlandesgericht Hamm sah diesen Punkt, ließ ihn aber für die Entscheidung bewusst offen. Die Richter deuteten an, dass das Recht auf einen Anwalt in einer dynamischen Einsatzlage auf offener Straße nicht immer sofort und uneingeschränkt gelten muss. Organisatorische Gründe oder die Abwehr einer Gefahr könnten ein kurzes Zuwarten rechtfertigen. Der wahre Fehler der Polizeimaßnahme – und des ersten Urteils – lag an einer ganz anderen Stelle. Er war fundamentaler.

Welcher Formfehler machte die gesamte Amtshandlung angreifbar?

Ein tätlicher Angriff oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist nur dann strafbar, wenn die Amtshandlung der Beamten rechtmäßig war. Das Gesetz formuliert diese Bedingung in § 113 Abs. 3 StGB unmissverständlich. Die Rechtmäßigkeit hängt von mehreren Faktoren ab: Es braucht eine gesetzliche Grundlage, die Zuständigkeit der Beamten und die Einhaltung wesentlicher Formvorschriften.

Hier stießen die Richter des Oberlandesgerichts auf das entscheidende Versäumnis. Die Polizei führte eine Identitätsfeststellung durch, um eine mögliche Straftat aufzuklären – die Schlägerei. Die Rechtsgrundlage dafür ist § 163b Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO). Diese Vorschrift verweist auf eine andere Regelung, den § 163a Abs. 4 S. 1 StPO. Und dieser Paragraph enthält eine klare Anweisung: Dem Verdächtigen ist bei der ersten polizeilichen Maßnahme zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird.

Im Klartext: Die Beamten hätten dem Mann sagen müssen, dass sie ihn wegen des Verdachts der Beteiligung an einer Körperverletzung kontrollieren. Diese Belehrung über den Tatvorwurf ist laut ständiger Rechtsprechung eine Wesentliche Förmlichkeit. Ihr Fehlen macht die gesamte Amtshandlung formell rechtswidrig.

Das Amtsgericht Witten hatte in seinem Urteil keine einzige Feststellung dazu getroffen, ob dieser entscheidende Satz gefallen war. Es stand nicht im Urteil, ob der Mann belehrt wurde. Es stand auch nichts darin, warum eine solche Belehrung ausnahmsweise überflüssig gewesen sein könnte – zum Beispiel, weil der Grund der Kontrolle für alle offensichtlich war.

Dieser Mangel war fatal. Ohne die Feststellung der korrekten Belehrung konnte das Oberlandesgericht die Rechtmäßigkeit der Identitätsfeststellung nicht überprüfen. War aber schon die Aufforderung, den Ausweis zu zeigen, formell rechtswidrig, dann war es auch der Zwang, mit dem diese Maßnahme durchgesetzt wurde – also das Wegziehen des Telefons. Eine rechtswidrige Diensthandlung kann aber keinen strafbaren Widerstand begründen. Das Fundament der Verurteilung brach in sich zusammen.

Das Oberlandesgericht Hamm hob das Urteil auf und verwies den Fall zur komplett neuen Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Witten zurück. Dort muss nun geklärt werden, was in jener Nacht am Anfang der Kontrolle wirklich gesagt wurde.

Die Urteilslogik

Die Rechtmäßigkeit polizeilicher Zwangsmaßnahmen steht und fällt mit der lückenlosen Einhaltung formaler Verfahrensvorschriften.

  • Eröffnung des Tatverdachts als Grundvoraussetzung: Die Polizei muss jedem Verdächtigen bei der ersten Amtshandlung explizit eröffnen, welche konkrete Straftat ihm zur Last gelegt wird; das Fehlen dieser Belehrung macht die gesamte Maßnahme formell rechtswidrig.
  • Widerstand setzt rechtmäßige Amtshandlung voraus: Ein tätlicher Angriff oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist nur strafbar, wenn die zugrundeliegende polizeiliche Diensthandlung formell und materiell rechtmäßig erfolgte; eine rechtswidrige Zwangshandlung kann keinen strafbaren Widerstand begründen.
  • Gerichte müssen Verfahrensförmlichkeiten beweisen: Das entscheidende Gericht muss die Einhaltung aller wesentlichen Verfahrensförmlichkeiten – insbesondere der Belehrung über den Tatvorwurf – im Urteil zwingend feststellen, da andernfalls die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme nicht überprüft werden kann.

Die Justiz stellt klar, dass grundlegende formelle Versäumnisse die strafrechtliche Verfolgung wegen Widerstands von vornherein untergraben.


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Experten Kommentar

Wie weit geht die Rechtfertigung, sich gegen eine polizeiliche Kontrolle zu wehren? Das Entscheidende hier war kein Notwehrgrund, sondern die Tatsache, dass die Beamten es versäumten, den Grund der Identitätsfeststellung – den Tatverdacht – formal mitzuteilen. Diese fehlende Belehrung ist keine Kleinigkeit, sondern ein fundamentaler Formfehler, der die gesamte polizeiliche Maßnahme formal rechtswidrig macht. Damit entfällt die zwingende Grundlage für den Vorwurf des Widerstands oder tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Dieses Urteil ist ein klares Signal: Die Rechtmäßigkeit polizeilicher Zwangsmaßnahmen steht und fällt damit, dass selbst die grundlegendsten formellen Spielregeln von den Behörden zuerst beachtet werden.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt die Belehrungspflicht über den Tatvorwurf nicht für die Polizei?

Die Belehrungspflicht über den konkreten Tatvorwurf (§ 163a Abs. 4 S. 1 StPO) entfällt nur in extrem eng begrenzten Ausnahmefällen. Juristen sprechen von der Offensichtlichkeit des Tatvorwurfs. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Grund der polizeilichen Maßnahme für den Betroffenen unmittelbar und zweifelsfrei aus den Umständen erkennbar ist – etwa bei einer Festnahme auf frischer Tat. Ansonsten führt die fehlende Nennung des Verdachts zur formellen Rechtswidrigkeit der gesamten Amtshandlung.

Die Regel lautet: Sobald die Polizei Sie im Rahmen einer Maßnahme als Beschuldigten einer Straftat führt, muss sie Ihnen mitteilen, welche Tat sie Ihnen vorwirft. Das ist keine Höflichkeit, sondern eine wesentliche Formvorschrift, die Ihre fundamentalen Verteidigungsrechte sichert. Nur wenn Sie den konkreten Vorwurf kennen, können Sie Ihre Rechte, wie das Schweigerecht und das Recht auf einen Anwalt, effektiv wahrnehmen.

Die Ausnahme der Offensichtlichkeit greift nur, wenn die Situation objektiv so eindeutig ist, dass die Beamten die Belehrung nicht noch einmal explizit aussprechen müssen. Denken Sie an die Situation, in der ein Mann in einem Geschäft Alarm auslöst und direkt vor der Tür mit der gestohlenen Ware im Arm festgehalten wird. In solchen klaren Fällen ist die Ursache der Kontrolle jedem Beteiligten sofort ersichtlich. In Situationen, die komplexer oder unübersichtlicher sind – zum Beispiel bei einer Identitätsfeststellung in der Nähe eines Tatortes ohne direkte Beteiligung – ist die Nennung des Tatvorwurfs zwingend.

Ein passender Vergleich ist die Eröffnung eines gerichtlichen Verfahrens. Selbst wenn der Richter weiß, dass der Angeklagte von seiner Tat überzeugt ist, muss die Anklageschrift formell verlesen werden. Dieser formelle Akt kann nicht ersetzt werden durch die Annahme, der Betroffene wisse doch Bescheid. Die Einhaltung dieser Formvorschrift ist die Basis für die Rechtmäßigkeit aller folgenden Schritte, inklusive der Anwendung von Zwang.

Notieren Sie sich deshalb sofort, ob die Beamten Ihnen den konkreten Tatvorwurf genannt haben. Fehlt diese Nennung, und war die Situation nicht absolut offensichtlich (wie eine Festnahme auf frischer Tat), haben Sie einen starken juristischen Ansatzpunkt für eine spätere Anfechtung. Dieses Protokoll ist essenziell. Es beweist später, dass die formelle Grundlage für die gesamte polizeiliche Maßnahme fehlte, was sogar einen späteren Widerstandsvorwurf (§ 113 StGB) ins Wanken bringen kann.


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Muss ich den Anweisungen der Polizei folgen, wenn ich nur als Zeuge befragt werde?

Als reiner Zeuge sind Sie nicht verpflichtet, den Anweisungen der Polizei in vollem Umfang zu folgen, da das Auskunftsverweigerungsrecht gilt, wenn Sie sich selbst oder nahe Angehörige belasten könnten (§ 55 StPO). Die Kooperation bei der Aussage ist in solchen Situationen freiwillig. Eine Ausnahme bildet die Identitätsfeststellung zur Gefahrenabwehr, die geduldet werden muss. Der springende Punkt liegt immer in der klaren Statusdefinition durch die Beamten.

Die Regel lautet, dass Zeugen grundsätzlich zur Aussage verpflichtet sind, wenn sie wichtige Informationen zu einer Straftat besitzen. Jedoch gewährt das Gesetz dem Bürger einen wichtigen Schutzmechanismus. Dieses sogenannte Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 der Strafprozessordnung (StPO) erlaubt es Ihnen, jede Frage unbeantwortet zu lassen, deren Beantwortung Sie selbst oder einen nahen Angehörigen der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde. Wenn die Polizei Sie jedoch zur Duldung einer Maßnahme, wie der Identitätsfeststellung (ID-Feststellung), zwingt, ist Vorsicht geboten. Die strafprozessuale ID-Feststellung (§ 163b StPO) ist primär für Beschuldigte oder zumindest Verdächtige vorgesehen. Sobald Sie von der Polizei faktisch als Verdächtiger – und nicht mehr nur als neutraler Zeuge – eingestuft werden, müssen die Rechte des Beschuldigten greifen.

Denken Sie an die Situation, in der Sie eine Auseinandersetzung beobachtet haben. Die Polizei befragt Sie als Zeugen, weil Sie in der Nähe waren. Werden Sie aber gefragt, ob Sie selbst einen Schlag ausgeführt oder die Flucht des Täters gedeckt haben, haben Sie sofort das Recht, die Antwort zu verweigern. Das ist der Moment, in dem Ihr Zeugenstatus zu einem potenziellen Beschuldigtenstatus wechselt, und damit verändern sich Ihre Pflichten drastisch.

Fordern Sie die Beamten dezidiert auf, Ihren Status festzulegen. Fragen Sie präzise: „Werde ich aktuell als Zeuge oder als Beschuldigter geführt?“ Halten Sie diese Antwort fest, da sich die Ihnen zustehenden Rechte fundamental unterscheiden. Wenn Sie nur Zeuge sind, leisten Sie keinerlei Aussage, die Sie belasten könnte.


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Wie kann ich mich gegen eine rechtswidrige polizeiliche Maßnahme wehren, ohne Widerstand zu leisten?

Der sicherste juristische Weg, um eine rechtswidrige Maßnahme anzufechten, ist der sogenannte Protest unter Vorbehalt. Melden Sie Ihren Widerspruch gegen die Rechtmäßigkeit der Anweisung laut und deutlich an, leisten Sie der Anweisung aber physisch Folge. Nur wenn Sie gewaltsamen oder aktiven Widerstand leisten, machen Sie sich nach § 113 StGB strafbar. Die verbale Klarstellung ist entscheidend für eine spätere gerichtliche Überprüfung.

Viele Menschen empfinden bei einer als unberechtigt erachteten Polizeikontrolle den Impuls, sich körperlich zu wehren oder die Maßnahme physisch zu verhindern. Genau das sollten Sie dringend vermeiden. Selbst wenn die Amtshandlung der Beamten objektiv fehlerhaft oder ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfolgt, schützt Sie das in den meisten Fällen nicht vor einer Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der Gesetzgeber stellt die Gefahrenabwehr und die staatliche Autorität im Moment der Amtshandlung sehr hoch.

Die kluge Strategie ist die Deeskalation bei gleichzeitiger juristischer Präzisionsarbeit. Sagen Sie beispielsweise: „Ich dulde diese Maßnahme unter Zwang, aber unter ausdrücklichem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung, da mir der konkrete Tatvorwurf fehlt.“ Damit fixieren Sie den Rechtsmangel, beispielsweise eine fehlende Belehrung nach § 163a Abs. 4 StPO. Sie haben die Maßnahme zwar nicht verhindert, aber Sie haben den entscheidenden Beweis für das spätere Verfahren geliefert, ohne das Risiko einer Verurteilung wegen Tätlichen Angriffs oder Widerstands einzugehen.

Ein passender Vergleich ist die Bezahlung einer Rechnung, die Sie für überhöht halten. Sie zahlen die Summe, um eine Zwangsvollstreckung zu verhindern, vermerken aber auf der Überweisung: „Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung.“ Juristisch sichern Sie sich damit Ihre Rechte, ohne sofort in einen aussichtslosen Kampf zu gehen.

Dokumentieren Sie sofort nach Abschluss der Kontrolle. Notieren Sie alle Details, wie die genaue Uhrzeit, den Ort, die Namen oder Dienstnummern der Beamten und vor allem, welche Sätze zur Belehrung oder zum Tatvorwurf nicht gefallen sind. Kontaktieren Sie anschließend umgehend einen Fachanwalt für Strafrecht oder Verwaltungsrecht, um eine Feststellungsklage gegen die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung zu prüfen.


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Welche Entschädigung erhalte ich, wenn sich eine zwangsweise Kontrolle nachträglich als rechtswidrig herausstellt?

Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme – etwa durch einen Freispruch im Strafverfahren – führt nicht automatisch zu einer finanziellen Entschädigung. Juristisch handelt es sich um zwei getrennte Verfahren. Finanzielle Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld müssen zivilrechtlich mittels einer sogenannten Amtshaftungsklage (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) gegen den Staat geltend gemacht werden. Hierbei müssen Sie konkret den entstandenen Schaden und das Verschulden der Beamten nachweisen.

Der erfolgreiche Nachweis eines Formfehlers, wie die fehlende Belehrung, bildet zwar die notwendige Basis für die Aufhebung der Maßnahme. Allerdings ersetzt er nicht das zivilrechtliche Verfahren. Um tatsächlich eine Entschädigung zu erhalten, müssen Kläger beweisen, dass der rechtswidrige Eingriff kausal zu einem messbaren Schaden geführt hat. Dieser Schaden kann materieller Natur sein. Dazu zählen beispielsweise Anwalts- oder Arztkosten, die durch die fehlerhafte Kontrolle unmittelbar entstanden sind.

Für die Geltendmachung von Schmerzensgeld, also immateriellen Schäden, gelten in der Praxis höhere Hürden. Dieses wird typischerweise nur bei gravierenden Folgen zugesprochen, wie etwa bei physischen Verletzungen durch überzogenen Zwangseinsatz oder bei einer ungerechtfertigten, längeren Inhaftierung. Bei einer kurzen, wenn auch formell rechtswidrigen, Identitätsfeststellung auf offener Straße sind die Erfolgsaussichten auf Schmerzensgeld oft gering, da Gerichte hier meist von einem nicht entschädigungswürdigen Eingriff ausgehen.

Ein passender Vergleich ist der Umgang mit Baumängeln: Nur weil festgestellt wird, dass ein Handwerker die falschen Rohre verbaut hat (Rechtswidrigkeit), heißt das nicht, dass Sie automatisch Geld bekommen. Sie müssen im nächsten Schritt nachweisen, dass Ihnen durch die falschen Rohre ein konkreter Schaden (etwa ein Wasserschaden) entstanden ist, um Schadensersatz zu verlangen. Es sind juristisch betrachtet zwei separate Prüfungswege.

Vergessen Sie nicht die Verjährungsfristen. Amtshaftungsansprüche verjähren in der Regel nach drei Jahren, nachdem Sie vom Schaden Kenntnis erlangt haben. Sichern Sie unverzüglich alle relevanten Dokumente, darunter Anwaltsrechnungen und ärztliche Atteste über etwaige Verletzungen. Fordern Sie Ihren Rechtsbeistand auf, die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage detailliert und zeitnah zu prüfen.


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Darf ich eine Polizeikontrolle zur Beweissicherung mit meinem Handy filmen?

Ja, die Dokumentation einer Polizeikontrolle im öffentlichen Raum ist zur Beweissicherung grundsätzlich zulässig. Sie dürfen die Amtshandlung filmen, um Verfahrensfehler oder fehlende Belehrungen nachweisbar zu machen. Allerdings muss die Aufnahme stets passiv und störungsfrei erfolgen. Wenn das Filmen die Beamten aktiv behindert oder ihre Intimsphäre verletzt, kann dies sofort rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Juristen nennen dies die Ausübung der Informationsfreiheit und die Wahrnehmung berechtigter Interessen zur Rechtsdurchsetzung. Sie haben als Bürger das Recht, staatliches Handeln zu dokumentieren, insbesondere wenn es Ihre eigene Person betrifft. Das Gesetz schränkt diese Dokumentation nur dort ein, wo die Arbeit der Beamten unzumutbar gestört wird. Die Regel lautet daher: Ihr Handy darf die laufende Maßnahme nicht behindern. Ein zu geringer Abstand oder aggressives Verhalten beim Filmen kann schnell als versuchte Störung oder Widerstand gewertet werden. Zudem ist beim Ton Vorsicht geboten, da die heimliche Aufzeichnung des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes strafrechtlich sanktioniert werden kann (§ 201 StGB).

Denken Sie an die Situation eines Schiedsrichters beim Fußball. Jeder darf das Spiel filmen, um Fehler festzuhalten. Aber niemand darf dem Schiedsrichter die Kamera direkt vors Gesicht halten oder ihn beim Pfeifen aktiv blockieren. Ihre Dokumentation muss unaufdringlich und aus einer angemessenen Distanz heraus erfolgen.

Kündigen Sie die Aufnahme laut und höflich an („Ich filme zur Dokumentation“). Halten Sie einen angemessenen Sicherheitsabstand zu den Beamten ein, um keine aktive Behinderung zu riskieren. Der wichtigste Ratschlag: Verzichten Sie unbedingt auf die spätere Veröffentlichung der Bilder, ohne vorherige juristische Prüfung, um empfindliche Verstöße gegen das Recht am eigenen Bild der Beamten zu vermeiden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Amtshaftungsklage

Eine Amtshaftungsklage ist der zivilrechtliche Weg, um vom Staat Schadensersatz zu fordern, wenn Beamte durch eine schuldhafte Verletzung ihrer Amtspflichten Schaden verursacht haben. Das Gesetz sichert Bürgern das Recht, für rechtswidriges staatliches Handeln finanziell entschädigt zu werden, verlangt aber den konkreten Nachweis von Schaden und dem Verschulden des Beamten.

Beispiel: Obwohl das Strafgericht die Polizeimaßnahme kassierte, musste der Mann zusätzlich eine Amtshaftungsklage nach § 839 BGB erheben, um seine Anwalts- und gegebenenfalls Arztkosten ersetzt zu bekommen.

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Belehrungspflicht über den Tatvorwurf

Die Belehrungspflicht über den Tatvorwurf (geregelt in § 163a Abs. 4 S. 1 StPO) schreibt zwingend vor, dass die Polizei dem Beschuldigten bei der ersten polizeilichen Maßnahme mitteilen muss, welche konkrete Tat ihm zur Last gelegt wird. Diese Regelung ist fundamental, denn nur wer den genauen Vorwurf kennt, kann sein Schweigerecht und das Recht auf anwaltliche Unterstützung effektiv wahrnehmen und seine fundamentalen Verteidigungsrechte sichern.

Beispiel: Hätten die Beamten dem Mann explizit gesagt, dass sie ihn wegen des Verdachts der Beteiligung an der gemeldeten Schlägerei kontrollieren, wäre der Belehrungspflicht formal genüge getan gewesen.

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Offensichtlichkeit des Tatvorwurfs

Juristen sprechen von der Offensichtlichkeit des Tatvorwurfs, wenn der Grund für die polizeiliche Maßnahme für den Betroffenen unmittelbar und zweifelsfrei erkennbar ist. Diese extrem eng begrenzte Ausnahme erlaubt es den Beamten, auf die explizite Belehrung über den Tatvorwurf zu verzichten, allerdings greift sie nur in Ausnahmesituationen wie einer Festnahme auf frischer Tat.

Beispiel: Da die Identitätsfeststellung nicht direkt am Ort der Schlägerei, sondern in der Nähe stattfand, verneinte das Oberlandesgericht die Annahme der Offensichtlichkeit des Tatvorwurfs im vorliegenden Fall.

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Protest unter Vorbehalt

Ein Protest unter Vorbehalt ist die juristisch kluge Strategie, bei einer polizeilichen Anweisung zwar physisch Folge zu leisten, aber den Widerspruch gegen die Rechtswidrigkeit laut zu protokollieren. Diese Maßnahme ermöglicht die Deeskalation und vermeidet eine sofortige Strafbarkeit wegen Widerstands (§ 113 StGB), sichert aber gleichzeitig die entscheidende Basis für eine spätere gerichtliche Überprüfung der Amtshandlung.

Beispiel: Der Betroffene hätte die Herausgabe seines Ausweises unter Protest unter Vorbehalt dulden sollen, anstatt aktiven Widerstand zu leisten und dadurch das Risiko einer Verurteilung einzugehen.

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Wesentliche Förmlichkeit

Eine Wesentliche Förmlichkeit ist eine gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensvoraussetzung im Strafprozess, deren Fehlen die gesamte Amtshandlung formell rechtswidrig macht, selbst wenn der Verdacht sachlich berechtigt war. Diese Formvorschriften garantieren die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien, da sie sicherstellen, dass staatliches Handeln nicht nur begründet, sondern auch korrekt abgewickelt wird.

Beispiel: Die nicht erfolgte Belehrung über den Tatvorwurf stellte nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm eine wesentliche Förmlichkeit dar, deren Verletzung die Identitätsfeststellung ungültig machte.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Hamm – Az.: 2 ORs 5/25 – Beschluss vom 18.02.2025


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