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Fahrerlaubnisentziehung wegen Teilnahme an verbotenem Kraftfahrzeugrennen

AG Kiel – Az.: 33 Ds 567 Js 39077/20 jug – Urteil vom 21.04.2021

Der Angeklagte ist der Teilnahme an einem unerlaubten Kraftfahrzeugrennen in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig.

Ihm wird die Weisung erteilt, eine Geldbuße in Höhe von 600,00 € an den Entschädigungsfonds der Verkehrsopferhilfe e.V. zu zahlen.

Die Fahrerlaubnis wird entzogen. Der Führerschein wird eingezogen. Vor Ablauf von 20 Monaten darf keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.

Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.

Angewendete Strafvorschriften: §§ 229, 230 Abs. 1, 315c Abs. 1 Nr. 2d, 315d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 69, 69a StGB, §§ 1, 105 JGG

Gründe

I.

Fahrerlaubnisentziehung wegen Teilnahme an verbotenem Kraftfahrzeugrennen
(Symbolfoto: Haggardous50000/Shutterstock.com)

Der Angeklagte hat sein 21. Lebensjahr vollendet. Er befindet sich im 2. Lehrjahr zur Ausbildung als Automobilkaufmann. Sein Ausbildungsvertrag besteht seit März 2019; im Herbst 2019 hat er seine Ausbildung tatsächlich aufgenommen. Der Angeklagte lebt im elterlichen Haushalt des Vaters; die Eltern sind, seitdem der Angeklagte 4 Jahre alt ist, getrennt. Nach seinem Hauptschulabschluss im Jahr 2016 und dem Realschulabschluss 2018 schloss sich die Ausbildung zum Automobilkaufmann an. Er bezieht eine monatliche Ausbildungsvergütung von etwa 600,00 € netto, die ihm zur freien Verfügung steht. Im Frühjahr 2022 wird der Angeklagte seine Gesellenprüfung ablegen. Strafrechtlich hatte sich der Angeklagte noch nicht vor Gericht zu verantworten. Bei drei Strafverfahren, denen nicht einschlägige Vorwürfe zugrunde lagen, sah die Staatsanwaltschaft nach § 45 JGG von der Verfolgung ab.

II.

In der Sache hat die Hauptverhandlung zu folgenden Feststellungen geführt:

Am Montag, dem 11. Mai 2020 gegen 20.00 Uhr verabredete sich der Angeklagte mit einem dem Gericht namentlich nicht benannten Freund zu einer Spritztour mit dem Porsche Panamera 4, dessen Halter sein Vater ist. Die Straßenverhältnisse waren trocken; die Dämmerung trat ein und es war noch hell. Auf der Werftstraße war nicht viel Verkehr. Der Angeklagte holte den Freund in W… auf der Höhe des Penny-Marktes ab, um eine „große Tour“ zu machen. Der Angeklagte führte das Kraftfahrzeug Porsche in Richtung Innenstadt über die Werftstraße. Vor der Einmündung der Franziusallee begann der Angeklagte ein Autorennen mit dem Führer eines schwarzen Mercedes. Dabei beschleunigte er das mit mehr als 400 PS hoch motorisierte Kraftfahrzeug, indem er bis zum Anschlag auf das Gaspedal trat. Der Motor – so der Angeklagten – beschleunigte den Wagen innerhalb von 3, 9 Sekunden von 0 km/h auf 100 km/h. Dem Angeklagten ging es darum, bei der Wettfahrt mit dem Kraftfahrzeug Mercedes schneller als der Mercedesfahrer zu sein. Gedanken über weitere Verkehrsteilnehmer machte er sich während der ganzen Fahrt nicht. Letztlich verlor er über den Verlauf der Fahrtstrecke zunehmend die Kontrolle über das Fahrzeug und verunfallte im Einmündungsbereich der Gablenzstraße in das Sophienblatt. Die Aufmerksamkeit des Angeklagten richtete sich während der gesamten Fahrtstrecke von etwa 3, 6 Kilometern (wobei das Gericht die Strecke von der Einmündung der Franziusallee bis zum Unfallpunkt zugrundelegt) ausschließlich darauf, die maximale Geschwindigkeit zu erreichen. Im Zuge dieses Rennens passierte er den Zeugen P…, der als Beifahrer im Wagen seines Freundes, K… L…, auf Höhe der Franziusallee die dort in Richtung Innenstadt zweispurige Werftstraße auf der inneren Fahrspur befuhr. Der Angeklagte überholte – bei innerstädtisch zulässiger Geschwindigkeit von 50 km/h – mit einer Geschwindigkeit von deutlich mehr als 100 km/h das Kraftfahrzeug des L…, wobei der Porsche in der sich anschließenden leichten Rechtskurve zeitweilig aus der Spur geriet und schlingerte und der Angeklagte noch weiter beschleunigte. Dicht folgte dem Porsche des Angeklagten der schwarze Mercedes mit ebenfalls deutlich erhöhter Geschwindigkeit. Der Angeklagte und der Führer des schwarzen Mercedes setzten ihr Rennen über die Werftstraße fort, bogen in die Gablenzstraße ein, befuhren hintereinander die Brücke, an deren Ende sich die Einmündung zum Sophienblatt befindet. Die dort stehende Ampel zeigte für die Fahrtrichtung des Angeklagten rot. Der durch den Busfahrer M… K… geführte Bus, der auf dem Sophienblatt in Richtung Innenstadt auf der rechten Spur nahte und die Haltestelle Hummelwiese anfuhr, kreuzte die Einmündung in dem Moment, in dem der Angeklagte den Einmündungsbereich erreichte. Infolge seiner extrem hohen Geschwindigkeit übersah der Angeklagte die rote Ampel und fuhr in den Einmündungsbereich des S. hinein. Dabei prallte er auf Höhe des Busführers in dessen Fahrertür, wobei das Fenster zersprang und der Busfahrer K… eine spontane Ausweichbewegung machte, indem er sich aus seinem Fahrersitz erhob. Dabei schlug er mit der linken Seite seines Kopfs an das linke Busfenster. Nach dem Aufprall auf den Bus schleuderte der Angeklagte mit seinem Kraftfahrzeug auf den Gehsteig, wobei er einen metallenen Poller überfuhr, der abbrach und auf ein Verkehrszeichen auffuhr und dieses dabei fast vollständig zu Boden bog. Dadurch kam er zum Stehen. Der Angeklagte erlitt eine Verletzung am Knie, sein Beifahrer blieb unverletzt. Der Führer des Pkw Mercedes war ebenfalls an die Unfallstelle angelangt und blieb unmittelbar hinter dem Angeklagten stehen. Einer der Fahrzeuginsassen begab sich zum Kraftfahrzeug des Angeklagten. Was dort kommuniziert wurde, konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden. Noch während des Polizeieinsatzes entfernte sich der schwarze Mercedes wieder. Wegen der Einzelheiten der Unfallsituation nach Eintreffen der Polizei wird auf die im Hauptverhandlungstermin in Augenschein genommenen Fotos auf Bl. 13, 14, 15, 16, 18 gemäß § 267 Absatz 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.

Der Busfahrer wurde durch den Unfall verletzt. Er erlitt eine Prellung am Knie, eine ausgerenkte Schulter, begleitet von Muskelfaserrissen. Schmerzen in seiner rechten Schulter verspürt der Zeugen K… noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung. Ferner erlitt er eine oberflächliche Verletzung am Unterarm und eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule. Er war deshalb 10 Wochen lang arbeitsunfähig.

Der PKW Porsche erlitt einen Schaden in Höhe von 30.000,– EUR.

Der Fremdschaden setzt sich (mit Ausnahme der Arzt- und Medikamentenkosten des Zeugen K… ) wie folgt zusammen:

  • 24.235,42 EUR durch die Beschädigung des Linienbusses, wovon 20.364,76 durch die Versicherung erstattet wurden;
  • 6.708,44 EUR durch die Beschädigung und Wiederherstellung des Verkehrskennzeichens und die damit einhergehenden Aufwendungen;
  • 1.500,– EUR Schmerzensgeld, das durch die Versicherung an den Zeugen K… geleistet worden ist.

III.

Vorstehender Sachverhalt folgt aus den Aussagen der Zeugen P…, H… und W…, der Zeugin P1… sowie der überwiegend geständigen Einlassung des Angeklagten.

Der Angeklagte hat sich eingelassen, seinen Freund aus W… abgeholt zu haben, um eine „große Tour“ zu machen. Er hatte das Kraftfahrzeug Porsche seines Vaters, das über mehr als 400 PS verfüge, erstmalig im Gebrauch und beabsichtigte, damit herumzufahren. Er sei dann die Werftstraße in einem deutlich über 100 km/h erreichten Tempo bis zum Unfallort gefahren. Er habe zunehmend keine Kontrolle mehr über das Fahrzeug gehabt, sondern dem Fahrzeug freien Lauf gelassen. Die Alternative zu bremsen sei ihm nicht in den Sinn gekommen. Er sei auf das Erreichen einer maximalen Geschwindigkeit fokussiert gewesen. Einen schwarzen Mercedes habe er nicht wahrgenommen, infolgedessen auch kein Rennen gefahren.

Dass der Angeklagte sich mit dem Mercedes-Fahrer ein Kraftfahrzeugrennen geliefert hat, folgt aus den Aussagen der Zeugen P… und H… . Indiziell fallen die Bekundungen der Zeugin P1… und des Zeugen W… ins Gewicht.

Die Zeugen P… und H… haben bekundet, dass der Angeklagte sich mit einer erheblich die Begrenzung überschreitenden Geschwindigkeit (der Zeuge P…, der als Polizeibeamter ein sachverständiger Zeuge ist, schätzte die Geschwindigkeit auf zwischen 100 und 150 km/h) mit seinem Kraftfahrzeug fortbewegt habe. Die Zeugen haben den Angeklagten an unterschiedlichen Standorten auf der Werftstraße in seinem Porsche sowie den mit ihm um Geschwindigkeit konkurrierenden schwarzen Mercedes wahrgenommen, wobei der Zeuge P… sich im Einmündungsbereich der Franziusallee befand und der Zeuge H… ein deutliches Stück weiter in Richtung Innenstadt kurz vor der Höhe des dort einmündenden Karlstals, mit seinem Fahrrad unterwegs war.

Beide Zeugen haben anschließend den verunfallten Pkw des Angeklagten im Einmündungsbereich Sophienblatt wahrgenommen. Indiziell unterstützt wird dieser Inhalt durch die Bekundung der Polizeibeamtin P1…, die bekundet hat, einen schwarzen Mercedes, unmittelbar hinter dem Kraftfahrzeug Porsche des Angeklagten stehend, wahrgenommen zu haben, der sich jedoch noch während der polizeilichen Ermittlungshandlung entfernt habe. Die Zeugin hat bekundet, dass die Insassen des schwarzen Mercedes Kontakt zu dem Angeklagten in seinem Porsche aufgenommen und sich sodann entfernt hätten. Dasselbe hat der Zeuge W…, der als Fußgänger vor Ort anwesend war und das Unfallgeschehen wahrgenommen hat, bekundet, nämlich, dass unmittelbar hinter dem Kraftfahrzeug des Angeklagten der schwarze PKW Mercedes zum Stehen kam. Bei Gesamtbetrachtung der Zeugenaussagen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagte sich im Abschnitt der Werftstraße, beginnend vor der Einmündung der Franziusallee – entweder spontan oder verabredet – dazu entschlossen hat, sich mit dem schwarzen Mercedes ein Rennen durch die Innenstadt zu liefern, das sein Ende mit dem Unfall am Einmündungsbereich von G. in S. fand. Seine Einlassung, er habe lediglich das Fahrzeug beschleunigt, so dass er die Kontrolle verloren habe (wodurch die Alternative Nr. 3 von § 315 d Abs. 1 StGB verwirklicht worden wäre), ist damit widerlegt.

Der Angeklagte hat eingeräumt, vorsätzlich gehandelt zu haben; die Frage, warum er, nachdem das Auto aufgrund der hohen Geschwindigkeit außer Kontrolle geraten sei, nicht die Bremse genutzt habe, beantwortete der Angeklagte damit, dass er die Alternative zu bremsen, nicht in Betracht gezogen hätte. Das Gericht ist aufgrund der Aussagen der Zeugen P…, H… und W… davon überzeugt, dass sich seine Absicht auch auf die Teilnahme an dem festgestellten Kraftfahrzeugrennen bezog.

Der festgestellte Schadensumfang beruht auf den Schadensmitteilungen der Stadt K1… an die …-Versicherung vom 01.02.2021, den zugrunde liegenden Rechnungen der Firmen A… P… Kiel und F… Bau GmbH sowie der Schadensmitteilung durch die … … AG vom 01.03.2021, die das Gericht verlesen hat.

Die Feststellungen der Verletzungen des Zeugen K… beruhen auf seiner Aussage, zu deren Beleg er seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 09.07.20220 beigebracht hat.

Das Gericht hat im Übrigen Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder vom Unfallort (Blatt 12 bis 19 sowie Blatt 188 bis 191 der Akten).

IV.

Der Angeklagte hat sich damit der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d StGB schuldig gemacht. Er hat eingeräumt, vorsätzlich das Fahrzeug derart beschleunigt zu haben, dass er die Kontrolle verlor und sich nicht dazu entscheiden vermochte, zu bremsen, sondern das Kraftfahrzeug bis zum Unfallort mit der entsprechend hohen Geschwindigkeit führte. Tateinheitlich hat der Angeklagte sich gem. § 315 d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Wegen der eingetretenen Verletzung des Zeugen K… hat er sich gem. § 229 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung zu verantworten. Der Angeklagte stand zum Zeitpunkt der Tat ein halbes Jahr vor Vollendung seines 21. Lebensjahres. Das Gericht folgt der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe Kiel, die aufgrund der Umstände, dass der Angeklagte sich noch im Haushalt des Vaters befindet und einen unselbständigen Eindruck hinterlässt, noch Entwicklungsschritte erwartet und hat Jugendstrafrecht angewandt.

Erzieherisch war neben der Verhängung der Geldbuße in Höhe von 600,00 € nichts weiter zu veranlassen. Der Angeklagte hat sich vor Gericht prinzipiell einsichtig gezeigt, er hat sich bei dem verletzten Kraftfahrzeugführer K… für sein Tun entschuldigt, so dass es ausreichte, ihm die durch die Gerichtshilfe empfohlene Geldbuße aufzuerlegen.

Gem. § 7 Absatz 1 JGG in Verbindung mit § 69 Abs. 1 und 2 und 69 a Absatz 1 StGB war dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen; eine Sperre in Höhe von 20 Monaten war zu verhängen. Der Angeklagte ist – auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und des Umstandes, dass er zwischendurch Kraftfahrzeuge führte – noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung charakterlich ungeeignet, Kraftfahrzeuge zu führen. Der Angeklagte hat die Katalognummern 1 und 1 a gem. § 69 Abs. 2 StGB, vorsätzlich begangen, verwirklicht, so dass er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Eine Ausnahme der Regel liegt hier nicht vor, insbesondere sind das „Junge Fahrer-Training des ADAC“ sowie die vier durch den Psychologen J… attestierten Beratungsstunden nicht geeignet, die Regelvermutung auszuräumen. Dies liegt am Gewicht der Tatbestände, den Feststellungen, dass die tateinheitlich festgestellten Verfehlungen vorsätzlich begangen wurden sowie dem unreflektierten Eindruck, den der Angeklagte in der Hauptverhandlung auf das Gericht hinterlassen hat. Durch Vorlage der Bescheinigung von Herrn J… hat der Angeklagte die Regelvermutung nicht widerlegt. Dessen dürftigen Ausführungen sind Anknüpfungspunkte, die eine positive Prognose begründbar erscheinen lassen, nicht zu entnehmen. Es werden keine benannt. Das Gericht hat versucht, durch Befragung des Angeklagten herauszufinden, was konkret in den Therapiestunden besprochen wurde. Der Angeklagte hat dazu ausgeführt, dass in der ersten Beratungsstunde der Sachverhalt erfasst wurde, nicht jedoch welchen Sachverhalt er mit dem Psychologen erörtert hat. Im Übrigen blieb er Antworten auf die Frage, was etwa der Auslöser für sein Handeln war, schuldig. Der Angeklagte hat weder im Zusammenhang mit der Sachverhaltserforschung noch bei Erörterung der Bescheinigung des Psychologen J… vermocht, einen Auslöser zu benennen, der ihn zu seiner Teilnahme am Kraftfahrzeugrennen veranlasst hat. Selbst in Bezug auf die von ihm eingeräumte vorsätzlich bis zum Kontrollverlust begangene Geschwindigkeitsüberschreitung war er nicht in der Lage, einen Auslöser zu benennen. Soweit Herr J… ausführt, eine Auseinandersetzung mit dem „Auslöser des Geschehens“ sei erfolgt, gibt es weder in seiner Bescheinigung noch in der Einlassung des Angeklagten Anknüpfungstatsachen. Weder benennt sie der Psychologe in seiner Einschätzung noch ist der Angeklagte in der Lage einen – auch nach seiner Version – entscheidenden Auslöser zu benennen. Er begegnete entsprechenden Fragen mit Ratlosigkeit und wiederholte in einem Fort, dass sein Verhalten nicht tolerierbar sei und dass es sich nicht wiederholen würde und dass er Dritte gefährdet hätte. Auch für die weiteren Wertungen in der 5 Sätze beanspruchenden Bescheinigung gibt es weder aus ihr heraus noch auf Nachfragen bei dem Angeklagten Anknüpfungspunkte. Es bleibt offen, was die „inneren und äußeren Bedingungen seines früheren Verhaltens“ waren und welche Handlungsmotive er hinterfragte und zu welchen Ergebnissen er gelangte. Gegenüber dem Gericht wiederholte der Angeklagte, dass er die maximale Geschwindigkeit fahren wollte und darüber hinaus kein weiteres Handlungsmotiv. Ebenso wenig erschließt sich dem Gericht der tatsächliche Hintergrund der weiteren Bewertung des Psychologen J…, nämlich, dass dem Angeklagten eine „eingehende und selbstkritische Auseinandersetzung mit den eigenen Verhaltenstendenzen und dem eigenen Fehlverhalten“ gelungen sei, dass er „Vorsätze und Änderungsbemühungen benennen und erproben konnte, so dass die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in alte Verhaltensweisen als gering eingeschätzt“ werden könne. Nichts davon ergab sich aus der Befragung des Angeklagten mit Ausnahme des Ausdrucks der Reue und der teilweisen Geständigkeit. Der Angeklagte hat auf das Gericht vielmehr einen ratlosen Eindruck hinterlassen, so, als sei er bemüht, in seiner Einlassung keinen Raum für die Feststellungen des Autorennens zu bieten und zugleich zu erwirken, dass ihm die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird. Vor dem Hintergrund der erdrückenden Beweislage, misst das Gericht dem Geständnis nicht zuallererst die Einsicht bei.

Für die Dauer der Maßregel ist an das Maß der bei der Anlasstat verursachten Verkehrsgefährdung und an die prognostische Würdigung der Persönlichkeit des Täters anzuknüpfen. Das Gericht hat festgestellt, dass der Angeklagte das Fahrzeug mit Absicht zur Geschwindigkeitshöchstleistung veranlasste, dass ihm zunehmend die Kontrolle entglitt und dass trotz Gewahrwerdens dieses Umstandes, es keine Alternative für ihn darstellte, über die Strecke von mindestens Franziusallee bis zum Unfallort (etwa 3,6 Kilometer), die einen Zeitraum von etwa 2 Minuten in Anspruch nahm, sich dafür zu entscheiden, die Kontrolle über das Fahrzeug durch einfaches Bremsen wieder herzustellen. Der Angeklagte hat damit über einen erheblichen Zeitraum und eine erhebliche Strecke durch die Kieler Innenstadt, zu einem Zeitpunkt, zu dem für gewöhnlich Menschen und Kraftfahrzeuge auf der Straße anzutreffen sind (hier etwa die Zeugen H…, P… sowie dessen Beifahrer L… und weitere Personen und Kraftfahrzeuge am Unfallort), Menschen und Sachwerte seinem verkehrsgefährdenden Kraftfahrzeugeinsatz ausgesetzt. Dies ist ein derart hohes Ausmaß an Verkehrsgefährdung, das letztlich im erheblichen Schaden und in den erheblichen Verletzungen des Busfahrers mündete, dass das Gericht eine Sperre von 20 Monaten als Maßnahme der Gefahrenabwehr für erforderlich hält, damit der Angeklagte sich mit seinem gefährdenden Verhalten auseinandersetzt, da hin reift, für sein Verhalten als Kraftfahrzeugführer nicht andere Personen oder die Motorisierung des Kraftfahrzeugs, sondern seine eigene Verantwortung wahr und ernst zu nehmen. Nach der Überzeugung des Gerichts bedarf der Angeklagte dazu einer fachlichen Unterweisung, die an das hier konkret festgestellte Verhalten anknüpft und die charakterlichen Mängel, die zu diesem Verhalten geführt haben, ermittelt, mit ihm erörtert und durch pädagogisch oder verkehrspsychologisch begleitete Bearbeitung dafür sorgt, dass der Angeklagte sein Verhalten reflektiert und die erforderlichen Veränderungen zu verantwortungsvollem Verhalten im Straßenverkehr konkret benennen und sie internalisieren kann.

Das Gericht hat dem Angeklagten seine ersten Schritte in diese Richtung zugute gehalten, nämlich, dass er sich um Erkenntnisse bemüht hat, indem er den Psychologen konsultierte und ein Fahrtraining absolviert hat (das allerdings nicht an seine Tat sondern an die generelle Unerfahrenheit junger Fahrer anknüpft).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 JGG.

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