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Vorwurf der falschen Verdächtigung – notwendige Verteidigung

Rechtsbeistand im Fokus: Notwendige Verteidigung bei komplexen Tatvorwürfen

Die Kernfrage des Beschlusses des LG München I (Az.: 19 Qs 8/21) vom 09.04.2021 dreht sich um die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in einem Fall, der die Beschuldigte einer falschen Verdächtigung und uneidlichen Falschaussage bezichtigt. Die Beschuldigte hatte ursprünglich einen anderen Mann der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung beschuldigt, was zu einem Ermittlungsverfahren führte. Dieses Verfahren wurde jedoch eingestellt, da erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Beschuldigten aufkamen. In diesem Kontext wurde die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für die Beschuldigte abgelehnt, was sie daraufhin anfocht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 19 Qs 8/21  >>>

Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage

Das Gericht stellte fest, dass in diesem Fall eine notwendige Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO vorliegt. Die Sachlage wird als komplex eingestuft, da zwei verschiedene Geschehensabläufe – die behauptete Vergewaltigung und die Aussage der Beschuldigten vor Gericht – rekonstruiert und in Beziehung zueinander gesetzt werden müssen. Dies stellt eine Herausforderung dar, mit der ein Normalbürger regelmäßig überfordert ist.

Bedeutung der Aktenkenntnis

Ein weiterer Aspekt, der die Notwendigkeit eines Pflichtverteidigers unterstreicht, ist die Aktenkenntnis. Nur ein Verteidiger hat gemäß § 147 StPO das Recht, die Akten einzusehen. Ohne diese Aktenkenntnis kann die Hauptverhandlung nicht umfassend vorbereitet werden, was die Schwierigkeit der Sachlage zusätzlich vertieft.

Subjektiver Tatbestand als Hürde

Die Rechtslage wird ebenfalls als kompliziert bewertet, insbesondere im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand des § 164 StGB. Dieser erfordert eine klare Abgrenzung der Absicht, ein Verfahren herbeizuführen, von anderen Vorsatzformen. Die Möglichkeit einer laienhaften Einschätzung des Rechts reicht hier nicht aus, um sich ausreichend verteidigen zu können.

Kostenübernahme durch die Staatskasse

Das Gericht entschied, dass die Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Beschuldigten zu tragen hat. Diese Entscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 467 und 473 Abs. 1, 3 und 4 StPO analog.

In Anbetracht der Komplexität sowohl der Sach- als auch der Rechtslage wurde der Beschwerde der Beschuldigten stattgegeben und ihr ein Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet. Damit hebt der Beschluss die ursprüngliche Entscheidung des Amtsgerichts München auf und stellt die Notwendigkeit einer qualifizierten Rechtsverteidigung in komplexen Fällen heraus.

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Tatbestand der falschen Verdächtigung –  kurz erklärt


Die falsche Verdächtigung ist im deutschen Strafrecht ein Delikt, das in § 164 des Strafgesetzbuchs (StGB) geregelt ist. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn jemand bei einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen berechtigten Stelle vorsätzlich den unwahren Verdacht erweckt, eine andere Person habe eine rechtswidrige Tat begangen. Dabei muss der Täter die Absicht haben, dass gegen die verdächtigte Person ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Der objektive Tatbestand der falschen Verdächtigung bezieht sich darauf, ob der Täter einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen berechtigten Stelle falsch verdächtigt hat. Der subjektive Tatbestand ist komplexer und verlangt, dass der Täter die Absicht hat, dass gegen die verdächtigte Person ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Auch durch eine Falschaussage in einem laufenden Ermittlungsverfahren kann der Tatbestand der falschen Verdächtigung verwirklicht werden. Die Strafe für eine falsche Verdächtigung kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe sein. In schweren Fällen, etwa wenn die falsche Verdächtigung dazu dient, eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe für sich oder einen Dritten zu erreichen, kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu zehn Jahren betragen.

Das Delikt der falschen Verdächtigung ist ein schwerwiegendes Vergehen und wird dementsprechend streng bestraft. Es ist darauf ausgerichtet, das Vertrauen in die Rechtsordnung und die Integrität des Strafverfahrens zu schützen.


Das vorliegende Urteil

LG München I – Az.: 19 Qs 8/21 – Beschluss vom 09.04.2021

1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten … vom 15.03.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 08.03.2021 (Gz. ER I Gs 2435/21), wird dieser aufgehoben und der Beschuldigten Rechtsanwalt … als Pflichtverteidiger beigeordnet.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Beschuldigten darin entstanden notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Der Beschuldigten … wird vorliegend zur Last gelegt, den gesondert Verfolgten … in der Hauptverhandlung der 20. Strafkammer des Landgerichts München I vom 24.06.2020 (Az. 20 KLs 459 Js 207254/18) gegen den zu diesem Zeitpunkt Angeklagten … bewusst wahrheitswidrig bezichtigt zu haben, sie unter der Androhung, dass ihren Kindern etwas zustoßen würde, zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben, woraufhin gegen den anderweitig Verfolgten … von der Staatsanwaltschaft M. I ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung eingeleitet wurde (Az. 457 Js 159363/20).

Das Verfahren gegen den anderweitig Verfolgten … (Az. 457 Js 159363/20) wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 19.03.2021 mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da die weiteren Ermittlungen erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Beschuldigten … ergeben hätten. Insbesondere habe die Beschuldigte auch selbst eingeräumt, in der Hauptverhandlung der 20. Strafkammer des Landgerichts München I am 24.06.2020, bewusst verschwiegen zu haben, dass sie mit dem gesondert Verfolgten … eine sexuelle Beziehung geführt habe (vgl. Stellungnahme der Beschuldigten Bl. 48).

Mit Schriftsatz vom 23.02.2021 (Bl. 45) beantragte der Wahlverteidiger der Beschuldigten, Rechtsanwalt …, seine Beiordnung als Pflichtverteidiger.

Mit Beschluss des Amtsgerichts München – Ermittlungsrichter – vom 08.03.2021, Gz. ER I Gs 2435/21 (Bl. 52/54), wurde der Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers abgelehnt, da weder ein Katalogfall des § 140 Abs. 1 StPO noch ein Fall des § 140 Abs. 2 StPO vorliege.

Hiergegen legte die Beschuldigte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 15.03.2021 (Bl. 55) Beschwerde ein und beantragte die Beiordnung ihres Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger.

Die Beschwerde wird insbesondere damit begründet, dass die Beschuldigte mit dem ganzen Geschehen überfordert erscheine.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 Abs. 1 StPO) und begründet.

Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO vor, da vorliegend sowohl die Sach-, als auch die Rechtslage als schwierig zu bewerten ist.

Beim Tatvorwurf der falschen Verdächtigung gemäß § 164 StGB – der vorliegend neben dem Vorwurf der uneidlichen Falschaussage gem. § 153 StGB im Raum steht – gilt die Sachlage grundsätzlich als schwierig, da zur Klärung des Tatvorwurfs zwei Geschehensabläufe zu rekonstruieren und zueinander ins Verhältnis zu setzen sind, womit ein Normalbürger regelmäßig überfordert ist (LG Essen Beschl. v. 9.5.2011 – 56 Qs 25/11, BeckRS 2011, 25713).

So ist es auch hier. Zum einen muss das von der Beschuldigten behauptete Geschehen der Vergewaltigung rekonstruiert werden, zum anderen die Situation der Aussage der Beschuldigten vor dem Landgericht München I und ihre hierbei getätigten Angaben. In hiesigem Verfahren muss mithin das gesamte, dem gesondert Verfolgten Ostertag vorgeworfene Tatgeschehen inzident geprüft werden.

Hinzu kommt, dass die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis, die nur einem Verteidiger gemäß § 147 StPO zusteht, hier nicht umfassend vorbereitet werden kann, da, – um die Tatvorwürfe prüfen zu können – die Kenntnis der Einlassungen und der Zeugenaussagen von Bedeutung ist, was die Schwierigkeit der Sachlage zudem vertieft (vgl. MüKoStPO/Thomas/Kämpfer StPO § 140 Rn. 37-41 mit Nachweisen aus der obergerichtlichen Rspr.).

Aber auch die Rechtslage ist vorliegend im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand des § 164 StGB als schwierig zu beurteilen, da dieser regelmäßig eine Abgrenzung der allein tatbestandlichen Absicht, ein Verfahren herbeizuführen, von anderen Vorsatzformen verlangt. Anders als bei vielen anderen Tatbeständen des Kernstrafrechts, reicht hier die Möglichkeit einer laienhaften Einschätzung des Rechts nicht aus, um sich ausreichend zu verteidigen (vgl. LG Essen Beschl. v. 9.5.2011 – 56 Qs 25/11, BeckRS 2011, 25713).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, 467 und 473 Abs. 1, 3 und 4 StPO analog.

 

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