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Strafbare Bedrohung durch Übersendung des Auszugs aus einem Märchen

Märchenhaftes Urteil: Psychiatrie-Facharzt mit Todesdrohung verurteilt

In einem bemerkenswerten Urteil wurde ein Facharzt für forensische Psychiatrie schuldig gesprochen, eine Bedrohung mit einem Verbrechen ausgesprochen zu haben, nachdem er der Mitarbeiterin einer Kassenärztlichen Vereinigung einen Märchenauszug geschickt hatte, den das Gericht als Todesdrohung interpretierte. Der Angeklagte hatte zuvor mit der Zeugin über berufsethische Gründe für das Ende seiner Videosprechstunden kommuniziert und sich in seinen Nachrichten auf mittelalterliche Bräuche und den Manichäismus bezogen.

Letztlich führte eine E-Mail, in der er die Zeugin bildlich mit einem Märchen bedrohte, zu seiner Verurteilung. Das Gericht sah in der spezifischen Märchenpassage, die er zitierte, eine klare Bedrohung. Trotz seiner Behauptung, es sei nicht ernst gemeint gewesen, wertete das Gericht seine Handlung als bedingt vorsätzlich. Der Angeklagte wurde verwarnt, eine Geldstrafe wurde vorbehalten, und er muss die Verfahrenskosten tragen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 40 Cs 3 Js 4260/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Ein Facharzt für forensische Psychiatrie wurde wegen Bedrohung mit einem Verbrechen verurteilt, nachdem er einer Mitarbeiterin der Kassenärztlichen Vereinigung Märchentexte geschickt hatte, die als Todesdrohung interpretiert wurden.
  2. Die Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Zeugin drehte sich ursprünglich um die Beendigung der Videosprechstunden aus berufsethischen Gründen und bezog sich auf komplexe historische und kulturelle Referenzen.
  3. Das Gericht erkannte die E-Mail, die ein spezifisches Märchen zitierte und die Zeugin indirekt bedrohte, als bewusste und ernst gemeinte Todesdrohung.
  4. Der Angeklagte verteidigte sich, indem er sagte, er habe nicht geglaubt, dass die Zeugin die Märchenpassage als reale Bedrohung auffassen würde, was das Gericht jedoch als Schutzbehauptung ansah.
  5. Das Urteil berücksichtigte den erstmaligen strafrechtlichen Auftritt des Angeklagten, seine Entschuldigung über den Verteidiger und die pandemiebedingten Umstände der Tat.
  6. Zu den Strafmaßnahmen gehörten eine Verwarnung und die Vorbehaltung einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro.
  7. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, während die Kosten, in denen er freigesprochen wurde, der Staatskasse auferlegt wurden.
  8. Ein weiterer Vorwurf gegen den Angeklagten, eine ehrverletzende Bezeichnung in einer E-Mail, führte zu einem Freispruch, da das Gericht den Inhalt nicht als beleidigend wertete.

Fristlose Drohung:

Märchenzitate als Drohungen sind kein modernes Phänomen. Doch inwiefern solche Zitate eine tatsächliche strafbare Handlung darstellen, ist umstritten. Die rechtliche Bewertung hängt von verschiedenen Faktoren ab, vor allem vom Kontext, in dem das Zitat verwendet wird.

Entscheidend ist die Wahrnehmung des Empfängers: Hatte diese Person ein ernstzunehmendes und gegenwärtiges Übel zu befürchten? Hat sie die Drohung als real empfunden? Diese Fragen müssen im Einzelfall geklärt werden. Gerade im digitalen Zeitalter stoßen die Gerichte bei der Bewertung solcher Sachverhalte immer wieder auf ungeklärte Rechtsfragen, die einer Klärung bedürfen. Doch was sagt die Rechtsprechung bisher zum Thema? Im Folgenden beleuchten wir ein aktuelles Urteil zu diesem Thema und gehen der Frage nach, ob Märchenzitate als Drohungen gewertet werden können.

Märchenbuch
(Symbolfoto: ozrimoz  /Shutterstock.com)

Im Zentrum eines ungewöhnlichen Rechtsstreits am Amtsgericht Weilburg stand die strafbare Bedrohung durch das Zitieren eines Märchens. Der Angeklagte, ein Facharzt für forensische Psychiatrie, nutzte einen Auszug aus dem Märchen „Die Gänsemagd“, um eine Mitarbeiterin der Kassenärztlichen Vereinigung bedrohlich zu adressieren. Diese rechtliche Auseinandersetzung wirft ein Schlaglicht auf die Interpretation von Kommunikation und deren rechtliche Bewertung im Kontext strafbarer Handlungen.

Die eskalierende Kommunikation: Ein Märchenzitat als Drohung

Die Vorgeschichte dieses Falles beginnt mit der beruflichen Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Zeugin, einer Angestellten der Kassenärztlichen Vereinigung. Im Laufe dieser Kommunikation äußerte der Angeklagte Unmut über die Bedingungen für Videosprechstunden und zog daraus Konsequenzen für seine Praxis. In einer späteren E-Mail bezog er sich auf deutsche Aberglauben und mittelalterliche Bräuche in einer Weise, die persönlich und zweideutig gegenüber der Zeugin war. Schließlich eskalierte die Situation, als der Angeklagte ein spezifisches Märchenzitat wählte, das als direkte Bedrohung interpretiert wurde.

Rechtliche Einordnung und Interpretation der Drohung

Die rechtliche Herausforderung dieses Falles lag in der Interpretation der E-Mail des Angeklagten, insbesondere des verwendeten Märchenzitats. Das Gericht musste bewerten, ob die Äußerungen des Angeklagten eine strafbare Bedrohung darstellten. Hierbei spielte § 241 Absatz 2 StGB eine zentrale Rolle. Der Angeklagte verteidigte sich mit der Aussage, er habe nicht beabsichtigt, dass das Märchenzitat als reale Bedrohung aufgefasst wird. Das Gericht sah dies jedoch anders und wertete die E-Mail als vorsätzliche Bedrohung, wobei es die Angst der Zeugin und die vorangegangenen Kommunikationen als Kontext berücksichtigte.

Das Urteil: Eine Verwarnung und eine Geldstrafe

Das Amtsgericht Weilburg verurteilte den Angeklagten wegen strafbarer Bedrohung mit einem Verbrechen. Der Angeklagte wurde verwarnt, und es wurde eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- € vorbehalten. Dieses Urteil berücksichtigte einerseits das erstmalige strafrechtliche Erscheinen des Angeklagten und andererseits die Schwere der Tat, die durch die Bedrohung der Zeugin charakterisiert war. Die Sozialprognose des Angeklagten wurde als günstig eingestuft, und es wurden keine weiteren strafverschärfenden Umstände festgestellt.

Ein präzedenzloser Fall im Strafrecht

Dieser Fall unterstreicht die Komplexität der rechtlichen Bewertung von Kommunikation und deren potenzielle Folgen im digitalen Zeitalter. Die Verwendung eines Märchenzitats als Mittel der Bedrohung zeigt, wie kulturelle Referenzen und persönliche Interpretationen zu ernsthaften rechtlichen Konsequenzen führen können. Das Urteil des Amtsgerichts Weilburg macht deutlich, dass die Grenzen zwischen persönlicher Äußerung und strafbarer Handlung fein und kontextabhängig sind.

Das Gericht legte in seiner Entscheidung Wert auf eine umfassende Bewertung des Kontexts, in dem die strittige Kommunikation stattfand. Die Bewertung umfasste nicht nur die direkte Interaktion zwischen dem Angeklagten und der Zeugin, sondern auch die vorangegangenen E-Mails und die gesamte Beziehungsgeschichte zwischen den Parteien. Dadurch wurde ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen die strafbare Bedrohung nicht nur als isolierte Handlung, sondern als Endpunkt einer eskalierenden Kommunikation verstanden wurde.

Der Fall zeigt, dass im digitalen Zeitalter auch traditionelle Äußerungsformen wie Märchenzitate in einem rechtlichen Kontext neu bewertet werden müssen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter strafbarer Bedrohung im Strafrecht?

Unter strafbarer Bedrohung im Strafrecht versteht man das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende vorgibt, Einfluss nehmen zu können. Dieses Übel muss für das Opfer nachteilig sein und kann sowohl eine körperliche als auch eine seelische Beeinträchtigung darstellen.

Der Tatbestand der Bedrohung ist in § 241 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Nach diesem Paragraphen macht sich strafbar, wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat bedroht. Dabei kann es sich um Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert handeln.

Die Bedrohung muss ernsthaft und konkret sein, um strafbar zu sein. Nicht jede Äußerung oder Handlung, die als Bedrohung empfunden werden könnte, ist notwendigerweise strafbar. Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine strafrechtliche Verfolgung stattfinden kann.

Das Strafmaß für eine Bedrohung nach § 241 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Wird jemand mit einem Verbrechen bedroht, kann die Strafe bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe betragen. Bei Drohungen in der Öffentlichkeit oder im Internet kann nach einer Gesetzesänderung sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verhängt werden.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede Art von Einschüchterung oder Bedrohung strafbar ist. Der Grad zwischen der Einschüchterung und der Drohung ist in der Praxis zwar fließend, für die strafrechtliche Beurteilung des Täterverhaltens jedoch entscheidend.

Wie wird ein Märchenzitat rechtlich als Drohung bewertet?

Die rechtliche Bewertung eines Märchenzitats als Drohung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art und Weise, wie das Zitat kommuniziert wurde, und dem Kontext, in dem es steht. Ein interessanter Fall, der diese Thematik beleuchtet, ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, in der ein Mann wegen der Bedrohung mit einem Verbrechen verurteilt wurde, nachdem er einer Mitarbeiterin der kassenärztlichen Vereinigung per E-Mail ein Zitat aus dem Märchen „Die Gänsemagd“ gesendet hatte.

In diesem spezifischen Fall hatte der Angeklagte, ein Facharzt für forensische Psychiatrie, in einer E-Mail an die Mitarbeiterin geschrieben: „Die falsche Magd, kommt Ihnen da was bekannt vor? In Ihrem Trauerspiel bin ich so etwas wie der ‚Alte König‘ und helfe Ihnen gern mal auf die Sprünge: ‚Welches Urteils ist diese würdig? Da sprach die falsche Braut: Die ist nichts Besseres wert, als dass sie splitternackt ausgezogen und in ein Fass gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln geschlagen ist; und zwei weiße Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen. – Das bist Du, sprach der alte König, und hast Dein eigen Urteil gefunden, und danach soll Dir widerfahren. Habe die Ehre (Name des Angeklagten).“.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen der Bedrohung mit einem Verbrechen und verhängte eine Verwarnung mit Strafvorbehalt sowie eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Die Mitarbeiterin hatte die Drohung ernst genommen, insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Kommunikation mit dem Angeklagten, und ihren Arbeitgeber veranlasst, ihr keine E-Mails von dem Angeklagten mehr weiterzuleiten.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte diese Entscheidung und wies die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zurück. Es fand keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

Dieser Fall zeigt, dass auch die Verwendung von Märchenzitaten in einem bestimmten Kontext als ernsthafte und konkrete Bedrohung gewertet werden kann, wenn sie von den Beteiligten als solche aufgefasst wird und insbesondere, wenn sie die Ankündigung eines künftigen Übels beinhaltet, auf das der Drohende vorgibt, Einfluss nehmen zu können. Entscheidend ist hierbei, dass die Drohung für einen objektiven Dritten eine Wirkung von Ernsthaftigkeit besitzt.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 241 Absatz 2 StGB: Dieser Paragraph definiert die strafbare Bedrohung mit einem Verbrechen. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte für schuldig befunden, eine solche Bedrohung ausgesprochen zu haben, indem er einen Märchenauszug versandte, der als Drohung mit dem Tod interpretiert wurde.
  • § 212 StGB (Totschlag): Dieser Paragraph kam im Kontext der Beurteilung der Drohung zur Anwendung. Die vom Angeklagten zitierte Märchenpassage wurde so interpretiert, dass sie zumindest den Straftatbestand des Totschlags erfüllen könnte, was zur Annahme einer strafbaren Bedrohung führte.
  • § 59 StGB (Verwarnung mit Strafvorbehalt): Dieser Paragraph ermöglicht es dem Gericht, einen Angeklagten zu verwarnen und die Verhängung einer Strafe vorzubehalten. Im Urteil wurde entschieden, dem Angeklagten eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro vorzubehalten, was eine milde Form der Bestrafung darstellt.
  • §§ 465, 467 StPO (Kostenentscheidung): Diese Vorschriften regeln die Kostenentscheidung in Strafverfahren. Im vorliegenden Urteil wurde festgelegt, dass der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seiner notwendigen Auslagen zu tragen hat, soweit eine Verurteilung erfolgt ist. Die übrigen Kosten werden der Staatskasse auferlegt.
  • § 187 StGB (Verleumdung): Obwohl dieser Paragraph nicht direkt im Urteil erwähnt wird, ist er im Kontext der Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Zeugin relevant, besonders im Hinblick auf die E-Mail-Korrespondenz und die darin enthaltenen Anschuldigungen.
  • § 316 StGB (Trunkenheitsfahrt): Auch wenn dieser Paragraph nicht explizit im Urteil genannt wird, illustriert er die Bandbreite des Strafrechts, die von Verleumdung bis hin zu körperlichen Gefährdungen reicht. Die Erwähnung dient dem Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer das Urteil gefällt wurde.


Das vorliegende Urteil

AG Weilburg – Az.: 40 Cs 3 Js 4260/22 – Urteil vom 21.12.2022

Der Angeklagte ist schuldig der Bedrohung mit einem Verbrechen und wird im Übrigen freigesprochen.

Der Angeklagte wird verwarnt.

Eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- € bleibt vorbehalten.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen hat der Angeklagte zu tragen soweit Verurteilung erfolgt ist. Im Übrigen werden sie der Staatskasse auferlegt.

Angewendete Vorschriften: § 241 Absatz 2 StGB

Gründe

I.

Der am XX.XX.19XX geborene Angeklagte ist staatlich examinierter Facharzt mit dem Schwerpunkt für forensische Psychiatrie. (…). Der Angeklagte ist gegenwärtig ohne Erwerbseinkommen und lebt von seinen Ersparnissen. In seinem Eigentum steht ein Haus in Stadt1, das er vermietet. Im Jahr 2022 erzielt durch die Vermietung jedoch aufgrund notwendiger Renovierungsarbeiten keinerlei Einkünfte.

Der Angeklagte tritt erstmalig strafrechtlich in Erscheinung.

II.

Aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellung getroffen:

a) Vortatgeschehen:

Der Angeklagte war aufgrund seiner Zulassung zur vertragstherapeutischen Versorgung gesetzlich versicherter Patienten in Bundesland1 Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Bundesland1.

In dieser Eigenschaft führte er E-Mail Korrespondenz mit der Zeugin Vorname1 A, die bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bundesland1 in Stadt2 angestellt ist.

In dieser Korrespondenz ging es fachlich um die geltenden Regelungen zur Nutzung eines zertifizierten Videodienstanbieters für die Videosprechstunde.

Seit dem 30.11.2021 schrieb der Angeklagte der Zeugin u.a. E-Mails mit folgendem Inhalt:

Am 30.11.2021:

„[…] Danke für die Rückmeldung.

Die zertifizierten Anbieter sind entweder zu teuer oder eine zu hohe Hürde für die Patienten.

Dann wird es in meiner Praxis ab heute keine Videosprechstunde mehr geben.

Bitte bestätigen Sie mir die von Ihnen gewünschte Beendigung der Videosprechstunde. […]“

Am 01.12.2021:

„[…] Ab heute, dem 01.12.2021 wird es aus berufsethischen Gründen in meiner Praxis keine Videosprechstunden mehr geben, weil auch mir meine Berufsethik (… – eine Anspielung auf den Namen der Zeugin A – die Red.) ist.

Im deutschen Aberglaube ist der „A“, der mutmaßliche Familienname Ihrer Herkunftsfamilie, der Weg zur Sitte des Osterballs.

Das Osterballspiel war im Mittelalter besonders beliebt, Alt und Jung zogen an diesem Tag hinauf auf dem Anger zum Ballschlagen.

Hintergrund des Brauches ist vorchristlich. Das Spiel ist eine Verbildlichung des Kampfes von Göttern und Riesen, ein Kampf Gut gegen Böse, siehe Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, de Gruyter, Band 1, 4 und 6.

Da dieses Spiel an die Lehre von Mani, dem Manichäismus erinnert, die im Mittelalter zur gefährlichsten aller Häresien ausgerufen wurde, wurde der Brauch Opfer der heiligen Inquisition. Vom Osterball übriggeblieben ist das Osterei.

Politisch korrekt wäre es also nicht „A“ sondern „Ostereierweg“ zu sagen 😉

Aer waren des Todes, daher weiss heute niemand mehr von der Bedeutung des Wortes „A“.

Na dann gehen wir Frau A und ich, mal den heiligen Ostereierweg gemeinsam! […]“

Zwischen dem 08.11.2021 und 11.12.2021:

„Grüß Gott Frau A, grüß Gott!

Bisher hat noch niemand, der bei klarem Verstand ist, es gewagt, sich zwischen mich und meine Patienten zu stellen, Gratulation!

Vier Monate bei der KV angestellt und wie ich hoffe noch in der Probezeit!

und schon werfen Sie einem langjährigen Mitglied ihres Arbeitgebers den Federhandschuh zu, nachdem Sie höflich von einer Patientin gebeten wurden zu helfen?

[…]

Ihre Zwanghaftigkeit ist in der Musik oder im Tierheim sicherlich besser aufgehoben als beim Bewältigen einer Pandemie in der kreative Lösungen, Mitgefühl und Geistesstärke gefragt ist!

Bei der Arbeit mit schwer kranken Menschen in Zeiten kollektiven Irrsinns mit Querdenkern, Coronaleugnern, übertriebener Panikmache und Apokalyptikern die sogar Gesundheitsminister werden ist Fingerspitzengefühl und Empathie gefragt und keine inhaltsfreien formalen „Femdom“-Inszenierungen!

Habe die Ehre!“

b) Kerngeschehen:

Am 11.12.2021 schrieb der Angeklagte um 10:34 Uhr eine E-Mail an die Zeugin A, in der er dieser – bildlich mit einem Märchen gesprochen – mit dem Tode bedrohte, was die Zeugin – auch vor dem Hintergrund der bisherigen Kommunikation mit den Angeklagten – ernst nahm. Unter anderem schrieb er:

„[…] Mögen Sie Märchen Frau A?

Die falsche Magd, kommt Ihnen da was bekannt vor?

In Ihrem Trauerspiel bin ich so was wie der “alte König“ und helfe Ihnen gerne mal auf die Sprünge:

“Welchen Urteils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut: “Die ist nichts Besseres wert, als daß sie splitternackt ausgezogen und in ein Faß gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln beschlagen ist; und zwei weiße Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen.“ – “Das bist du“, sprach der alte König, “und hast dein eigen Urteil gefunden, und danach soll dir widerfahren.“

Habe die Ehre

Vorname2 C“

Dem Angeklagten war bewusst und er nahm auch zumindest billigend in Kauf, dass die Zeugin die E-Mail als Todesdrohung auffasste.

Die Zeugin war durch die E-Mail vom 11.12.2021 im Zusammenhang mit der bisherigen Kommunikation mit dem Angeklagten so verängstigt, dass ihr Arbeitsgeber veranlasste, dass keine E-Mails des Angeklagten mehr an ihre E-Mail-Adresse weitergeleitet wurden.

III.

Das Gericht hat die Feststellungen zu Ziffer I. getroffen aufgrund der Angaben des Angeklagten.

Die Feststellung zu Ziffer II. hat das Gericht getroffen aufgrund der Angaben des Angeklagten soweit diesen gefolgt werden konnten, im Übrigen aufgrund der Vernehmung der Zeugin A, den E-Mails vom 30.11.2021, 01.12.2022 und 11.12.2021, sowie der zwischen dem 08.12.2021 und 11.12.2021 übersandten E-Mail (Bl. 8 d.A.) und dem Märchen „Die Gänsemagd“, die jeweils im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.

Der Angeklagte hat sich zur Sache nicht geäußert und insoweit zumindest überwiegend schweigend verteidigt. Er ließ jedoch durch seinen Verteidiger erklären, dass er, als er die E-Mail abgesandt habe, es nicht ernsthaft für möglich gehalten habe, dass die Zeugin das Märchen als Bedrohung mit dem Tode auffassen würde.

Diese Einlassung stellt sich jedoch als Schutzbehauptung dar und wird bereits durch den Wortlaut der vom Angeklagten verfassten E-Mail widerlegt.

Der Angeklagte weist sich in der E-Mail selbst die Rolle des alten Königs zu, der das Todesurteil über die falsche Magd spricht. Aus dem Gesamtzusammenhang und der Zeugin A als Adressatin der E-Mail wird deutlich, dass der Angeklagte ihr die Rolle der falschen Magd zuweist, der gegenüber das Todesurteil seitens des Königs gesprochen wird.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass über den reinen Wortlaut des Märchens „Die Gänsemagd“ hinaus auch weitere Deutungsmöglichkeiten bestehen. Dem Angeklagten war jedoch bereits aufgrund des Wortlautes der allein zitierten Passage die bedrohliche Bedeutung seiner Äußerung bewusst und er hatte den Willen, dass die Zeugin die Drohung zur Kenntnis nimmt und als ernst gemeint auffasst.

Dem Angeklagten war bei verfassen der E-Mail vom 11.12.2021 bekannt, dass er spätestens seit dem 01.12.2021 die sachliche Auseinandersetzung mit der Zeugin A verlassen hatte und er diese seitdem verbal auch und gerade persönlich angriff.

Auch wenn er im Anhang zur E-Mail den kompletten Text des Märchens „Die Gänsemagd“ mitschickte, so ist es vor diesem Hintergrund ausgeschlossen, dass der Angeklagte bei übersenden der E-Mail vom 11.12.2021 darauf vertraute, dass die Zeugin als Mitarbeiterin der Kassenärztlichen Vereinigung Bundesland1, die mit dem Angeklagten nur berufsbedingt in Kontakt stand, auf seine E-Mail hin das komplette Märchen liest, die vom Angeklagten ausdrücklich zitierte Passage dort einordnet und daraufhin zu einem Deutungsergebnis kommt, das nicht in einer Todesdrohung durch den Angeklagten liegt.

Der Vorsatz des Angeklagten muss zum Tatzeitpunkt vorgelegen haben.

Dass der Angeklagte sich später im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegenüber POK D von einer Bedrohung distanzierte und durch ein Schreiben an die Zeugin A vom 04.12.2022 dargelegte, wie aus seiner Sicht die E-Mail vom 11.12.2021 zu verstehen ist, steht den Feststellungen des Gerichtes daher nicht entgegen, zumal er auch in dem auf Antrag der Verteidigung verlesenen Schreiben an die Zeugin A mitteilt, dass „wenn jemand im Märchen stirbt, so geschieht dies nicht zwangsweise auch in der Realität.“

Zu diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten also bewusst, dass man das Märchen zwar nicht zwingend wörtlich nehmen muss, das diese Deutung jedoch möglich ist.

Auch im Rahmen der Hauptverhandlung hat die Zeugin deutlich gemacht, dass sie das Märchen wortlautgetreu ausgelegt hat und aufgrund des Zusammenhangs der E-Mail als die falsche Magd wähnte. Dies führte bei der Angeklagten zu einer erheblichen Verängstigung, sodass sich der Arbeitgeber zu Gunsten der Zeugin veranlasst sah Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Sämtliche Kommunikation mit dem Angeklagten sei über dieselbe E-Mailadresse der Angeklagten erfolgt.

Die Aussage der Zeugin war sachlich und in sich widerspruchsfrei, besondere Belastungstendenzen waren nicht ersichtlich. Die Zeugin war glaubwürdig, ihre Aussage glaubhaft.

IV.

Der Angeklagt hat sich damit der Bedrohung mit einem Verbrechen gem. § 241 Absatz 2 StGB strafbar gemacht. Die beschriebene Umsetzung des Todesurteils erfüllt dabei zumindest den Straftatbestand des Totschlags gem. § 212 StGB. Der Angeklagte handelte zumindest bedingt vorsätzlich.

V.

Bei der Strafzumessung war von einem Strafrahmen des § 241 II StGB, der von der Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren erreicht, auszugehen.

Bei der Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser erstmals strafrechtlich in Erscheinung tritt und sich auch im Rahmen der Hauptverhandlung über seinen Verteidiger bei der Zeugin entschuldigte. Weiter war zu berücksichtigen, dass die Tat zumindest mitursächlich für ein seitens der Kassenärztlichen Vereinigung Bundesland1 angestrengtes Entziehungsverfahren hinsichtlich der Approbation des Angeklagten war, das letztendlich auch in der Entziehung endete.

Zu Lasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin durch die Bedrohung des Angeklagten erheblich verängstigt war.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war der Angeklagte zu verwarnen und gem. § 59 StGB eine Strafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- Euro vorzubehalten.

Die Sozialprognose des Angeklagten ist günstig. Der Angeklagte hat über seinen Verteidiger deutlich gemacht, dass er die Folgen der Tat für die Zeugin bedauert. Auch aufgrund des fortgeschrittenen Lebensalters des Angeklagten, der nunmehr erstmals strafrechtlich in Erscheinung tritt und der pandemiebedingte Anlass der Tat lassen besondere Umstände erkennen, die eine Verhängung von Strafe entbehrlich macht. Die Verteidigung der Rechtsordnung steht dem ebenfalls nicht entgegen.

Zwar erzielt der Angeklagt gegenwärtig kein Erwerbseinkommen jedoch ist insoweit sein Vermögen zum Ansatz zu bringen, das zumindest in einem abbezahlten Vermietungsobjekt in Stadt1 besteht. Insoweit war es angezeigt die Höhe eines Tagessatzes auf 30 Euro festzusetzen.

VI.

Soweit die Staatsanwaltschaft Stadt3 dem Angeklagten vorwirft am 01.02.2022 um 19:35 Uhr in Stadt1 handelnd den Zeugen E in einer an diesen gerichteten E-Mail in ehrverletzender Absicht als „Scharfschützenkönig“ bezeichnet zu haben, wodurch dieser sich in seiner Ehre gekränkt fühlte, so war der Angeklagte insoweit aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

Vor dem Hintergrund der Wortbedeutungen des Begriffes „Scharfschütze“ und „Schützenkönig“, die durch Verlesen der entsprechenden Passagen des Duden in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, hatte die Erklärung keinen beleidigenden Inhalt.

Der Zeuge E fühlte sich insoweit auch nicht beleidigt.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 467 StPO.

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