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Straßenverkehrsgefährdung bei versehentlicher Rückwärtsgangeinlegung

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hebt Urteil wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung auf

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat in einem Urteil vom 30. Oktober 2020 ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) aufgehoben. Der Angeklagte wurde ursprünglich wegen Nötigung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung verurteilt. Das Urteil wurde jedoch teilweise aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 OLG 2 Ss 49/20 >>>

Vorfall auf zweispuriger Bundesstraße

In dem Fall geht es um einen Vorfall auf einer zweispurigen Bundesstraße, bei dem der Angeklagte einen Zeugen durch abruptes Abbremsen genötigt haben soll. Der Zeuge überholte daraufhin den Angeklagten mit seinem Motorrad, wodurch es beinahe zu einer Kollision kam. Der Angeklagte hielt daraufhin sein Fahrzeug an und blockierte beide Fahrspuren, um den Zeugen zur Rede zu stellen. Dabei legte er versehentlich den Rückwärtsgang ein und kollidierte mit dem stehenden Fahrzeug eines weiteren Zeugen.

Aufhebung der Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hob das erstinstanzliche Urteil im Hinblick auf die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung auf. Das Gericht stellte fest, dass das objektive Tatbestandsmerkmal des Rückwärtsfahrens eine subjektive Absicht erfordert. Da der Angeklagte das Fahrzeug unbeabsichtigt in Bewegung setzte, konnte ihm das Rückwärtsfahren nicht zur Last gelegt werden. Das Gericht entschied daher, dass die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung rechtlich nicht haltbar war.

Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und Fahrerlaubnisentzugs

Das Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken führte zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und des Fahrerlaubnisentzugs. Die Begründung des Maßregelausspruchs beruhte auf der Straßenverkehrsgefährdung und dem dadurch entstandenen Schaden. Da die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung aufgehoben wurde, wurde auch der Fahrerlaubnisentzug aufgehoben.

Wichtigkeit individueller rechtlicher Beratung

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass im Straßenverkehrsrecht das objektive Tatbestandsmerkmal des Rückwärtsfahrens eine subjektive Absicht erfordert. Unbeabsichtigtes Einlegen des Rückwärtsgangs und rückwärtige Bewegung des Fahrzeugs fallen nicht unter diesen Tatbestand. Das Gericht betonte, dass eine individuelle rechtliche Beratung notwendig ist, um die spezifischen Umstände eines Falls angemessen zu berücksichtigen.


Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 1 OLG 2 Ss 49/20 – Beschluss vom 30.10.2020

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Frankenthal (Pfalz) vom 12. Mai 2020 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung verurteilt wurde,

b) im Gesamtstrafen- sowie Maßregelausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Gefahr im Verkehr: Rückwärtsgang irrtümlich eingelegt
Urteil aufgehoben: Keine Strafe für versehentliche Rückwärtsgangeinlegung bei Straßenverkehrsgefährdung. (Symbolfoto: BoJack/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Nötigung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40 EUR verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von acht Monaten für deren Wiedererteilung bestimmt.

Mit seiner hiergegen gerichteten (Sprung-)Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts; das gem. § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel führt zu einem Teilerfolg.

I.

Der Umstand, dass die Sachrüge lediglich in Bezug auf die fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung näher ausgeführt ist, beinhaltet keine Beschränkung des umfassend eingelegten Rechtsmittels. Von ihm ist daher auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Nötigung zum Nachteil des Zeugen S. mittels eines nicht durch die Verkehrssituation veranlassten starken Abbremsens mit seinem PKW auf einer zweispurig ausgebauten Bundesstraße erfasst. Insoweit weist weder der Schuld- noch der Strafausspruch einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf, weshalb das Rechtsmittel insoweit unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO ist.

II.

Das angefochtene Urteil begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit der Angeklagte wegen einer im Anschluss an die Nötigung begangenen fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung verurteilt worden ist.

1. Hierzu enthalten die schriftlichen Urteilsgründe die folgenden Feststellungen:

„Im Anschluss an diese Situation überholte der Zeuge E. mit seinem Motorrad (..) das Fahrzeug des Angeklagten rechts, wobei der Zeuge mit dem Motorrad zwischen den Fahrzeugen auf der linken und den Fahrzeugen auf der rechten Spur fuhr, nachdem er den LKW überholt hatte, den vorher der Angeklagte und der Zeuge S. überholt hatten. Da der Angeklagte ebenfalls mit seinem Fahrzeug rechts einscheren wollte, kam es fast zur Kollision zwischen dem PKW des Angeklagten und dem Motorrad des Zeugen E., weshalb der Zeuge E. mit seinem Motorrad rechts am Fahrbahnrand anhielt (..). Aus Verärgerung über die Fahrweise des Zeugen E. hielt der Angeklagte sein Fahrzeug an, obwohl er hätte weiterfahren können und zwar so, dass das Fahrzeug halb auf der linken und halb auf der rechten Fahrspur stand und so beide Fahrspuren blockierte, sodass auch der LKW und der Zeuge S. mit seinem PKW (…) anhalten mussten. Der Angeklagte wollte das Automatikgetriebe seines Fahrzeugs in den Gang P schalten, legte jedoch versehentlich den Rückwärtsgang ein und stieg aus dem Fahrzeug aus, um den Zeugen E. zur Rede zu stellen. Als der Angeklagte bemerkte, dass sein PKW mit offener Fahrertür nach hinten rollte, sprang er wieder in seinen PKW, riss das Lenkrad herum, konnte allerdings nicht mehr verhindern, dass sein PKW mit dem PKW des Zeugen S., der stillstand, kollidierte, zumal der Angeklagte beim Rückwärtsfahren bremsen wollte, jedoch mit dem Fuß auf das Gaspedal rutschte und daher die Rückwärtsfahrt beschleunigte. An dem PKW des Zeugen S. entstand ein Schaden in Höhe von ca. 2700,– EUR (..).“

2. Diese Feststellungen vermögen den Schuldspruch wegen (fahrlässiger) Straßenverkehrsgefährdung nicht zu tragen:

Nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 f) StGB macht sich derjenige strafbar, der grob verkehrswidrig und rücksichtslos auf Autobahnen oder Kraftstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht. Das Tatbestandsmerkmal des Rückwärtsfahrens beinhaltet – ebenso wie dasjenige des „Führens“ i.S.d. Abs. 1 Nr. 1 – ein subjektives bzw. „finales“ Element. Wer ohne seinen Willen ein Fahrzeug rückwärts in Bewegung setzt, fährt bzw. führt dieses nicht (h.M., vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.02.1990 – 3 Ss 465/89, NZV 1990, 277; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.03.2000 – 2b Ss (OWi) 73/00 [zu § 9 StVO]; König in LK-StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 119; Pegel in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 315c Rn. 72; Bollacher in BeckOK-StVR, 8. Ed. Stand 01.07.2020, StGB § 315c Rn. 61, jew. mit weiteren Nachweisen). Es reicht danach für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes nicht aus, wenn der Täter – wie hier – ungewollt sein Fahrzeug in Bewegung setzt.

III.

Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Weil das Amtsgericht zur Begründung des Maßregelausspruchs maßgeblich auf die Straßenverkehrsgefährdung und den dadurch bewirkten Schaden abgestellt hat, unterliegt auch der Fahrerlaubnisentzug der Aufhebung.

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