OLG München – Az.: 5 OLG 15 Ss 243/18 – Beschluss vom 13.08.2018
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26. Februar 2018 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht München verhängte gegen den Angeklagten mit Urteil vom 13.11.2017 wegen Betrugs in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Zudem wurde für einen Betrag von 4.538,67 Euro die Einziehung von Wertersatz angeordnet. Gegenstand des Schuldspruchs waren drei Täuschungshandlungen gegenüber dem Verlagsunternehmen einer Tageszeitung durch Beauftragung von Werbeanzeigen am 10.05.2016, am 17.11.2016 sowie am 14.12.2016.
Gegen das Urteil, beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, legten der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft zu dessen Ungunsten Berufung ein. Im Termin der Berufungshauptverhandlung am 26.02.2018 wurde das Verfahren bzgl. der Tat vom 10.05.2016 gemäß § 154 Abs. 2 StGB eingestellt. Mit Urteil des Landgerichts München I vom selben Tag wurde das Urteil des Amtsgerichts vom 13.11.2017 dahingehend abgeändert, dass der Schuldspruch auf eine Verurteilung wegen Betrugs in zwei Fällen reduziert und der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt wurde. Von der Einziehung von Wertersatz sah das Landgericht ab, weil der Angeklagte dem geschädigten Verlagshaus am 15.02.2018 einen Betrag von 4.600 Euro als Wiedergutmachung überwiesen hatte.
Gegen das Urteil vom 26.02.2018 legte der Angeklagte am 28.02.2018 Revision ein. Mit Schreiben seiner Verteidigerin vom 23.04.2018, eingegangen am 24.04.2018, wurde die Revision begründet, die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und beantragt, das angefochtene Urteil, soweit durch die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht bereits Rechtskraft eingetreten ist, mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Vorlageschreiben vom 16.05.2018, der Verteidigerin des Angeklagten zugestellt am 24.05.2018, beantragt, die Revision durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen. Das Schreiben des Angeklagten vom 04.06.2018, eingegangen am selben Tag, lag dem Senat bei seiner Entscheidung vor.
II.
Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO), gegen die Entscheidung über die Rechtsfolgen gerichtete Revision des Angeklagten erzielt einen vorläufigen Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO). Soweit mit dem Urteil des Landgerichts wegen der im Berufungsverfahren erfolgten Teileinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO der Schuldspruch angepasst wurde, hat das Urteil dagegen Bestand.
Soweit das Landgericht bei der Strafzumessung von der Anwendung des § 46a StGB abgesehen hat, wird dies durch die Urteilsfeststellungen nicht getragen. Diese verhalten sich nicht zu der insoweit maßgeblichen Frage, auf welchem Weg der Angeklagte die finanziellen Mittel aufgebracht hat, die ihm eine volle finanzielle Entschädigung der Geschädigten ermöglicht haben.
1. Nach § 46a Nr. 2 StGB kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern sowie u.U. von Strafe absehen, wenn der Täter in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt. Die Bestrebungen des Täters müssen dabei Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Nach Vorstellung des Gesetzgebers muss der Täter, damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedenstiftende Wirkung entfalten kann, einen „über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag“ erbringen (BT-Drucks. 12/6853 S. 22). Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt hierzu nicht (BGH NStZ 1995, 492, Rn. 4 bei juris). Ihren Ausdruck finden kann die Übernahme von Verantwortung entsprechend der gesetzlichen Vorgabe aber z.B. durch umfangreiche Freizeitarbeiten oder die Inkaufnahme erheblicher Einschränkungen im finanziellen Bereich, wenn erst hierdurch die Entschädigung des Opfers ermöglicht worden ist (vgl. BT-Drucks. 12/6853 S. 22; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl. 2016, § 46a StGB Rn. 41 m.w.N.).
Im Unterschied zu § 46a Nr. 1 StGB setzt § 46a Nr. 2 StGB voraus, dass eine mindestens überwiegende Entschädigung des Opfers tatsächlich gelingt und erfordert insoweit auch eine Mitwirkung des Opfers. Andererseits setzt diese Variante keinen über die Annahme oder Ablehnung der Leistung hinausgehenden kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, wie er für den Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB kennzeichnend ist (MüKo-StGB/Maier, a.a.O. Rn. 42; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, 29. Aufl. 2014, § 46a StGB Rn. 5; Fischer, 65. Aufl. 2018, § 46a StGB Rn. 11 f.). Soweit die im Vorlageschreiben der Generalstaatsanwaltschaft angeführte Entscheidung BGH NStZ-RR 2009, 133 – Rn. 5 bei juris – einen solchen Prozess als Voraussetzung bezeichnet, dürfte sich speziell diese Aussage eher allgemein auf § 46a StGB beziehen. Die zusätzlich angeführte Entscheidung des OLG Hamm NStZ-RR 2009, 272 (dort Rn. 32 bei juris) nimmt Bezug auf die Entscheidung BGHSt 48, 134, die bzgl. dieser Frage gleichfalls nicht zwischen den beiden Alternativen des § 46a StGB differenziert, sich inhaltlich aber ausdrücklich auf den „Täter-Opfer-Ausgleich“ bezieht und damit wohl primär § 46a Nr. 1 StGB vor Augen hatte (vgl. BGHSt 48, 134, Rn. 10 ff. bei juris).
2. Das Landgericht hat eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a i.V.m. § 49 StGB als ausgeschlossen angesehen, weil für einen Täter-Opfer-Ausgleich konkrete und nachhaltige Bemühungen gegenüber dem Geschädigten erforderlich seien, um eine Schadenswiedergutmachung und einen Ausgleich herbeizuführen. In der pauschalen Überweisung des Schadensbetrages könne dies nicht erblickt werden, da der Angeklagte mit der Geschädigten keinen Kontakt aufgenommen, seine Wiedergutmachungsabsicht nicht angekündigt und sich nicht entschuldigt habe.
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht nicht hinreichend zwischen den beiden Varianten des § 46a StGB unterschieden hat. Soweit das Landgericht auch die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB als nicht erfüllt angesehen hat, wird seine Bewertung jedenfalls nicht ausreichend durch die Feststellungen gestützt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erzielt der Angeklagte nach eigener Auskunft monatlich ca. 2.000 Euro netto an Einnahmen, wobei er 600 Euro monatlich für die Wohnungsmiete aufwenden muss. Zudem hat der Angeklagte 40.000 Euro Schulden zu bedienen (UA S. 7). In welcher Weise der Angeklagte sein Einkommen erwirtschaftet, vermochte das Landgericht nicht schlüssig zu klären (UA S. 41). Das Landgericht hat im Rahmen seiner Erwägungen zur Strafzumessung ferner festgestellt, dass der Angeklagte bemüht sei, seine finanziellen Löcher und seine wirtschaftliche Situation so zu gestalten, dass gerade keine Rückstände in großer Höhe entstehen. Oft obliege es dem Zufall, ob er Schulden oder getätigte Aufträge mit entsprechenden Zahlungsmitteln bedienen könne (UA S. 42).
Sollte der Angeklagte die Mittel für die am 15.02.2018 geleistete Entschädigung in Höhe von 4.600 Euro auf legalem Weg erübrigt haben, so könnte dies angesichts seiner festgestellten finanziellen Situation kaum anders geschehen sein denn durch erheblichen finanziellen Verzicht oder erhebliche, zu Einnahmen führende Anstrengungen. Dies würde über eine bloß rechnerische Kompensation hinausgehen und für eine Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB ausreichen, dessen übrige Voraussetzungen ebenfalls erfüllt wären: Aus den im Urteil wiedergegebenen Angaben des Zeugen W. ist zu schließen, dass die Leistung des Angeklagten durch die Geschädigte als vollständige Wiedergutmachung akzeptiert wurde (vgl. zu einer parallelen Fallgestaltung das Urteil des Senats vom 02.08.2007, Az. 5 StR 113/07).
Sollte dem Angeklagten seine Zahlung dagegen, was angesichts der Urteilsfeststellungen zum Lebenswandel und zu den Vorstrafen des Angeklagten in Betracht kommt, z.B. durch Nichterfüllung anderer fälliger, aber als weniger drängend empfundener Zahlungspflichten oder durch Begehung erneuter Vermögensstraftaten ermöglicht worden sein, so wären die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB nicht gegeben.
Das Landgericht wird daher Feststellungen nachzuholen haben zu der Frage, auf welchem Weg der Angeklagte die für seine Zahlung an die Geschädigte eingesetzten Mittel aufgebracht hat. Ggf. wird es das durch § 46a StGB eingeräumte Ermessen auszuüben und bei positiver Entscheidung vorrangig eine Auswirkung auf die bislang vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB zu prüfen haben (vgl. z.B. MüKo-StGB a.a.O. Rn. 46a Rn. 47).
Sofern keine weitere Klärung möglich sein sollte, gilt für die Feststellung der Voraussetzungen des § 46a StGB wie auch sonst, dass der Zweifelsgrundsatz nicht gebietet, Angaben eines Angeklagten als unwiderlegt hinzunehmen, für die es keine unmittelbaren Beweise gibt, und die Zurückweisung einer Einlassung nicht erfordert, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt (st. Rspr. des BGH, vgl. z.B. BGH NStZ 2000, 86, Rn. 6 bei juris).
3. In Konsequenz hebt der Senat das Urteil im Strafausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen auf (§ 353 StPO) und verweist die Sache insoweit nach § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Landgerichts zurück.