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Jugendstrafe zur Bewährung – Widerruf der Aussetzung

Ein ehemaliger Terrorverdächtiger muss zurück ins Gefängnis, weil er sich weigerte, seine Medikamente gegen paranoide Schizophrenie zu nehmen. Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung eskalierte die Situation, er bedrohte Menschen und randalierte. Die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken ist nun wieder sein Zuhause.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Saarbrücken
  • Datum: 27.08.2021
  • Aktenzeichen: 3 Qs 35/21
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren gegen den Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung einer Jugendstrafe zur Bewährung
  • Rechtsbereiche: Jugendstrafrecht, Strafverfahrensrecht

Beteiligte Parteien:

  • Verurteilter: Der Verurteilte legte Beschwerde gegen den Widerruf der Bewährung ein und argumentierte, dass die Weisung zur Medikamenteneinnahme der Zustimmung bedurft hätte und nicht ausreichend bestimmt sei. Er verwies auf seine psychische Erkrankung und lehnte eine regelmäßige Medikation ab.
  • Generalstaatsanwaltschaft Koblenz: Beantragte den Widerruf der Bewährung aufgrund des wiederholten Verstoßes gegen die Weisung zur Medikamenteneinnahme und der daraus resultierenden Gefährdung anderer.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Verurteilte wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung unter bestimmten Auflagen zur Bewährung ausgesetzt wurde, inklusive der regelmäßigen Einnahme verschriebener Medikamente. Aufgrund der Nicht-Berücksichtigung dieser Weisung und anderer Vorfälle widerrief das Amtsgericht die Bewährung.
  • Kern des Rechtsstreits: Ob die Weisung zur Medikamenteneinnahme rechtmäßig und hinreichend bestimmt war und ob die fehlende Zustimmung des Verurteilten diese unwirksam macht.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Beschwerde des Verurteilten wurde als unbegründet abgewiesen; der Widerruf der Bewährung bleibt bestehen.
  • Begründung: Die Weisung zur Einnahme von Medikamenten ist gesetzlich gedeckt und bedurfte keiner Zustimmung des Verurteilten. Sie war genügend klar formuliert, da die spezifische Medikation ärztlich angepasst werden kann. Der Verstoß gegen diese Weisung rechtfertigt den Widerruf der Bewährung.
  • Folgen: Der Verurteilte bleibt in Haft. Das Urteil bekräftigt die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Erteilung von Weisungen im Bewährungsverfahren im Jugendstrafrecht und bestätigt, dass verletzte Weisungen ohne Zustimmung auskommen können, sofern sie klar und nachvollziehbar formuliert sind.

Jugendstrafrecht im Fokus: Konsequenzen bei Rückfall und Bewährungswiderruf

Die Jugendstrafe spielt eine zentrale Rolle im deutschen Jugendstrafrecht und zielt darauf ab, junge Straftäter zu resozialisieren, anstatt sie nur zu bestrafen. Bei milderen Straftaten kann das Gericht die Strafe zur Bewährung aussetzen, um dem Täter die Chance auf ein straffreies Leben zu ermöglichen. Ein Bewährungshelfer begleitet den Jugendlichen während der Bewährungszeit und überwacht die Einhaltung von Auflagen.

Kommt es jedoch zu einem Rückfall oder zu Verstößen gegen die Auflagen, kann der Widerruf der Aussetzung erfolgen. Dies hat strafrechtliche Konsequenzen und kann zu einem Strafvollzug führen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall näher beleuchtet, der diese Aspekte des Jugendstrafrechts behandelt.

Der Fall vor Gericht


Schicksalhafte Medikamentenverweigerung: Bewährung nach Terror-Verurteilung widerrufen

Tisch mit halb leerer Medikamentenflasche, Cannabisjoint und abgenutztem Saarbahn-Ticket.
Widerruf der Bewährung wegen Medikamentenverweigerung | Symbolfoto: Ideogram gen.

Ein ehemaliger Terrorverdächtiger, der wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt wurde, muss nach einem Beschluss des Landgerichts Saarbrücken zurück in Haft. Der Mann hatte gegen Bewährungsauflagen verstoßen, indem er die Einnahme seiner psychiatrischen Medikamente verweigerte.

Psychiatrische Vorgeschichte und Bewährungsauflagen

Der an paranoider Schizophrenie leidende Verurteilte wurde im April 2020 vorzeitig aus der Haft entlassen. Das Amtsgericht Saarbrücken setzte die Reststrafe zur Bewährung aus und erteilte dabei mehrere Weisungen. Eine zentrale Auflage war die regelmäßige Einnahme ärztlich verordneter Medikamente zur Behandlung seiner psychiatrischen Erkrankung. Zudem wurde bei dem Mann ein schädlicher Gebrauch von Cannabinoiden und Amphetamin festgestellt.

Eskalation durch Medikamentenverweigerung

Trotz mehrfacher Ermahnungen und einer Anhörung im Dezember 2020 verweigerte der Verurteilte wiederholt die Medikamenteneinnahme. In der Folge kam es zu mehreren schwerwiegenden Vorfällen: Er bedrohte einen Mitarbeiter eines sozialen Projekts mit den Worten „Das bezahlst Du mit deinem Leben“ und demolierte eine Saarbahn durch Würfe mit verschiedenen Gegenständen. Nach weiteren Zwischenfällen, bei denen er randalierte und gegen Autos und eine Ampel trat, musste er mehrfach in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden.

Rechtliche Bewertung des Widerrufs

Das Landgericht Saarbrücken bestätigte den Widerruf der Bewährung durch das Amtsgericht. Die Richter stellten klar, dass die Weisung zur Medikamenteneinnahme rechtmäßig war und keiner Zustimmung des Verurteilten bedurfte. Im Jugendstrafrecht sei eine solche Einwilligung nur bei heilerzieherischen Behandlungen oder Entziehungskuren erforderlich. Die Weisung sei auch hinreichend bestimmt gewesen, da der Verurteilte unmissverständlich erkennen konnte, welches Verhalten von ihm erwartet wurde.

Neue Straftaten und Sicherungshaft

Aufgrund der Vielzahl neuer Ermittlungsverfahren und der Gefahr weiterer Straftaten erließ das Amtsgericht Saarbrücken im Juli 2021 einen Sicherungshaftbefehl. Der Verurteilte befindet sich seither in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz hatte zuvor den Widerruf der Bewährung beantragt, da der Mann durch sein Verhalten gezeigt habe, dass er erneut Straftaten begehen werde.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stellt klar, dass bei Jugendstrafen Weisungen zur Medikamenteneinnahme auch ohne explizite Einwilligung des Verurteilten angeordnet werden können. Dies unterscheidet sich von den Regelungen im Erwachsenenstrafrecht. Das Gericht betont damit die eigenständige und abschließende Regelung des Jugendgerichtsgesetzes bei Bewährungsweisungen. Die Entscheidung hat grundlegende Bedeutung für die medizinische Behandlung straffälliger Jugendlicher unter Bewährungsaufsicht.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie als Jugendlicher zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden, kann das Gericht Sie zur Einnahme ärztlich verordneter Medikamente verpflichten – auch ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung. Ein Verstoß gegen diese Weisung kann zum Widerruf der Bewährung führen. Dies gilt besonders, wenn die Medikamente für Ihre Gesundheit wichtig sind und ihr Nichtgebrauch zu Verhaltensauffälligkeiten oder neuen Straftaten führen könnte. Allerdings muss die Medikation ärztlich verordnet und für Ihre Behandlung notwendig sein. Die regelmäßige Einnahme muss der Bewährungshilfe nachgewiesen werden.


Jugendstrafe und Medikamenteneinnahme?

Das Urteil zeigt, wie wichtig die korrekte Einhaltung von Bewährungsauflagen ist, besonders bei der Medikamenteneinnahme. Gerade im Jugendstrafrecht unterscheiden sich die rechtlichen Bestimmungen oft vom Erwachsenenstrafrecht. Unsicherheiten bezüglich Ihrer Rechte und Pflichten können schwerwiegende Folgen haben. Wir helfen Ihnen, die komplexen Anforderungen zu verstehen und Ihre Interessen zu wahren.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für einen Bewährungswiderruf?

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Bewährungswiderruf sind in § 56f des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kann erfolgen, wenn Sie während der Bewährungszeit bestimmte Bedingungen nicht erfüllen oder erneut straffällig werden.

Begehung einer neuen Straftat

Der häufigste Grund für einen Bewährungswiderruf ist die Begehung einer neuen Straftat während der Bewährungszeit. Wenn Sie in diesem Zeitraum eine weitere Straftat begehen, zeigen Sie damit, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Allerdings führt nicht jede neue Straftat automatisch zum Widerruf. Das Gericht hat hier einen Ermessensspielraum und berücksichtigt die Schwere der neuen Tat sowie ihren Zusammenhang mit der ursprünglichen Verurteilung.

Verstoß gegen Auflagen und Weisungen

Ein weiterer Widerrufsgrund liegt vor, wenn Sie gröblich oder beharrlich gegen Auflagen oder Weisungen verstoßen. Zu solchen Auflagen können beispielsweise die Zahlung einer Geldauflage, das Ableisten von Sozialstunden oder die regelmäßige Meldung beim Bewährungshelfer gehören. Ein einmaliger oder geringfügiger Verstoß reicht in der Regel nicht aus. Der Verstoß muss objektiv und subjektiv schwer wiegen.

Entzug der Aufsicht des Bewährungshelfers

Wenn Sie sich beharrlich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers entziehen, kann dies ebenfalls zu einem Widerruf führen. Dies ist der Fall, wenn Sie wiederholt Termine nicht wahrnehmen oder die Zusammenarbeit verweigern.

Zeitlicher Rahmen und Verfahren

Der Widerruf kann nur innerhalb der Bewährungszeit erfolgen. Straftaten oder Verstöße, die nach Ablauf der Bewährungszeit begangen werden, können nicht mehr zu einem Widerruf führen. Das Gericht muss vor einem Widerruf eine mündliche Anhörung durchführen und Ihnen rechtliches Gehör gewähren.

Ermessensspielraum des Gerichts

Wichtig ist, dass das Gericht nicht zwingend die Bewährung widerrufen muss, selbst wenn die Voraussetzungen vorliegen. Es hat einen Ermessensspielraum und kann stattdessen mildere Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören:

  • Die Verlängerung der Bewährungszeit
  • Die Erteilung neuer Auflagen
  • Die Anordnung zusätzlicher Weisungen

Wenn Sie beispielsweise eine Auflage nicht erfüllen konnten, weil Sie arbeitsunfähig oder ohne Einkommen waren, wird das Gericht dies bei seiner Entscheidung berücksichtigen.

Rechtsmittel gegen den Widerruf

Gegen einen Bewährungswiderruf können Sie sofortige Beschwerde einlegen. Diese muss innerhalb einer Woche nach Zustellung des Widerrufsbeschlusses erfolgen. Im Beschwerdeverfahren haben Sie die Möglichkeit, neue Tatsachen vorzubringen oder auf Fehler in der Prognoseentscheidung des Gerichts hinzuweisen.


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Welche Folgen hat die Verweigerung von Bewährungsauflagen?

Bei Verstößen gegen Bewährungsauflagen erfolgt eine gestufte Reaktion durch das Gericht. Die Konsequenzen richten sich nach der Schwere und Häufigkeit der Verstöße.

Leichte Verstöße

Bei einmaligen oder leichten Verstößen gegen Bewährungsauflagen ordnet das Gericht zunächst mildere Maßnahmen an. Dies können neue Auflagen, die Beiordnung eines Bewährungshelfers oder eine Verlängerung der Bewährungszeit sein.

Schwere oder wiederholte Verstöße

Ein Widerruf der Strafaussetzung kommt in Betracht, wenn Sie:

  • gröblich oder beharrlich gegen Weisungen oder Auflagen verstoßen
  • sich der Aufsicht des Bewährungshelfers beharrlich entziehen
  • während der Bewährungszeit eine neue Straftat begehen

Besonderheiten bei Jugendlichen

Im Jugendstrafrecht gelten besondere Regelungen. Bei Auflagenverstößen kann zunächst ein Ungehorsamsarrest verhängt werden, bevor die Bewährung widerrufen wird. Die Bewährungszeit beträgt hier zwischen zwei und drei Jahren.

Widerruf als letzte Konsequenz

Der Widerruf der Bewährung stellt die härteste Sanktion dar. In diesem Fall muss die ursprünglich verhängte Freiheitsstrafe vollständig verbüßt werden. Bei einer neuen Straftat ist für den Widerruf grundsätzlich eine rechtskräftige Verurteilung erforderlich. Bereits erbrachte Leistungen, wie Geldzahlungen oder Sozialstunden, können auf die zu verbüßende Strafe angerechnet werden.


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Welche Rechtsmittel stehen gegen einen Bewährungswiderruf zur Verfügung?

Die sofortige Beschwerde ist das zentrale Rechtsmittel gegen einen Bewährungswiderruf. Wenn Sie einen Widerrufsbeschluss erhalten, müssen Sie innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Beschlusses die sofortige Beschwerde einlegen.

Einlegung der sofortigen Beschwerde

Der Widerrufsbeschluss wird in einem gelben Umschlag als Einwurf-Einschreiben zugestellt. Das Zustellungsdatum auf diesem Umschlag ist für den Fristbeginn maßgeblich. Die sofortige Beschwerde kann formlos eingelegt werden und muss nicht sofort begründet werden.

Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts

Das nächsthöhere Gericht überprüft bei der Beschwerde sowohl formelle als auch materielle Aspekte des Widerrufs. Zentrale Prüfungspunkte sind:

  • Die Zuständigkeit des widerrufenden Gerichts
  • Die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Bewährungsauflagen
  • Bei Widerruf wegen neuer Straftaten: Die Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Schwere der neuen Tat

Weitere Rechtsmittel

Nach einer erfolglosen sofortigen Beschwerde besteht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde, da der Strafvollzug einen Grundrechtseingriff darstellt. Als allerletzte Option steht ein Gnadengesuch zur Verfügung, wenn alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft sind.

Ein Widerruf setzt voraus, dass die neue Straftat innerhalb der Bewährungszeit begangen wurde. Nicht jede neue Straftat führt automatisch zum Widerruf. Das Gericht hat einen Ermessensspielraum und kann stattdessen die Bewährungszeit verlängern oder neue Auflagen erteilen.


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Wie unterscheiden sich Bewährungsauflagen im Jugendstrafrecht vom Erwachsenenstrafrecht?

Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke bei Bewährungsauflagen im Vordergrund, während das Erwachsenenstrafrecht primär auf Bestrafung und Abschreckung abzielt.

Zeitlicher Rahmen und Dauer

Die Bewährungszeit im Jugendstrafrecht beträgt mindestens zwei und höchstens drei Jahre, während sie im Erwachsenenstrafrecht zwischen zwei und fünf Jahren liegt. Diese kürzere Zeitspanne berücksichtigt, dass Zeit im Leben von Jugendlichen einen anderen Stellenwert hat als bei Erwachsenen.

Arten der Auflagen

Bewährungsauflagen im Jugendstrafrecht sind speziell auf die Entwicklung und Erziehung junger Menschen ausgerichtet. Typische Auflagen sind:

  • Sozialstunden (häufig 180 Stunden)
  • Teilnahme an Drogenscreenings
  • Regelmäßige Beratungsgespräche
  • Teilnahme an sozialen Trainingskursen

Besondere Merkmale

Eine Besonderheit des Jugendstrafrechts ist die Vorbewährung, die es im Erwachsenenstrafrecht nicht gibt. Bei dieser Form muss sich der Jugendliche die Bewährung erst „verdienen“, indem er in einer Probezeit bestimmte Auflagen erfüllt.

Betreuung und Kontrolle

Im Jugendstrafrecht erfolgt eine intensivere Betreuung durch Bewährungshelfer. Diese unterstützen den Jugendlichen aktiv bei der Integration in die Gesellschaft und überwachen die Einhaltung der Auflagen. Bei Verstößen gegen Bewährungsauflagen kann das Gericht zunächst weitere Auflagen erteilen oder die Bewährungszeit verlängern, bevor ein Widerruf in Betracht gezogen wird.


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Wann ist eine medizinische Behandlung als Bewährungsauflage zulässig?

Das Gericht kann medizinische Behandlungen als Bewährungsauflage anordnen, wobei das Selbstbestimmungsrecht des Verurteilten eine zentrale Rolle spielt.

Zulässige medizinische Weisungen

Grundsätzlich kann das Gericht folgende medizinische Weisungen aussprechen:

  • Eine Entziehungskur
  • Eine psychotherapeutische Behandlung
  • Die Aufnahme in einer therapeutischen Einrichtung

Einwilligungsvorbehalt

Bestimmte medizinische Maßnahmen erfordern zwingend die Zustimmung des Verurteilten. Dies gilt insbesondere für:

  • Entzugsbehandlungen
  • Heilbehandlungen mit körperlichen Eingriffen
  • Heim- oder Anstaltsaufenthalte

Verhältnismäßigkeit der Auflagen

Die therapeutischen Weisungen müssen verhältnismäßig sein. So ist es beispielsweise nicht zulässig, einem langjährig drogenabhängigen Straftäter eine absolute Abstinenzweisung aufzuerlegen, wenn bereits feststeht, dass er diese aufgrund seiner Suchterkrankung nicht erfüllen kann.

Folgen bei Verstößen

Wenn ein Verurteilter gegen therapeutische Weisungen verstößt, prüft das Gericht die individuellen Umstände. Bei der Entscheidung über einen möglichen Bewährungswiderruf werden besonders berücksichtigt:

  • Die persönliche Situation des Verurteilten
  • Eventuelle gesundheitliche Einschränkungen
  • Die Bestimmtheit der ursprünglichen Therapieweisung

Ein Abbruch oder eine nur oberflächliche Teilnahme an einer angeordneten Therapie kann zu einem Widerruf der Bewährung führen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bewährungsauflagen

Bewährungsauflagen sind vom Gericht angeordnete Bedingungen, die ein Verurteilter während seiner Bewährungszeit einhalten muss. Diese können nach §56b StGB und §10 JGG Weisungen für die Lebensführung, Therapien oder Schadenswiedergutmachung umfassen. Bei Verstößen droht der Widerruf der Bewährung. Im Jugendstrafrecht können die Auflagen besonders auf erzieherische Aspekte ausgerichtet sein. Beispiele sind regelmäßige Meldepflichten, Therapieteilnahmen oder wie im vorliegenden Fall die Einnahme von Medikamenten.


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Sicherungshaftbefehl

Ein richterlicher Beschluss zur Inhaftierung einer Person, wenn die Gefahr besteht, dass sie weitere Straftaten begehen könnte (§112a StPO). Anders als der normale Haftbefehl dient er nicht primär der Verfahrenssicherung, sondern dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Die Person muss dafür bereits wegen einer schweren Straftat verurteilt worden sein und es müssen konkrete Anhaltspunkte für neue Straftaten vorliegen.


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Bewährungswiderruf

Die Aufhebung einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe durch das Gericht nach §56f StGB. Dies führt dazu, dass die ursprünglich verhängte Strafe nun vollstreckt wird. Gründe können neue Straftaten oder schwerwiegende Verstöße gegen Bewährungsauflagen sein. Im Jugendstrafrecht (§26 JGG) wird dabei besonders geprüft, ob der Widerruf aus erzieherischen Gründen erforderlich ist.


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Mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung

Ein Straftatbestand nach §129a StGB, der die aktive Mitwirkung in einer Organisation bestraft, die terroristische Straftaten plant oder begeht. Die Beteiligung kann durch verschiedene Handlungen erfolgen, etwa durch logistische Unterstützung, Finanzierung oder Rekrutierung neuer Mitglieder. Die Strafandrohung beträgt bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe, bei mildernden Umständen 6 Monate bis 5 Jahre.


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Jugendstrafe

Die schwerste Sanktion im Jugendstrafrecht nach §17 JGG, die nur verhängt wird, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen oder schwere Schuld vorliegt. Sie dient primär der Erziehung und kann zwischen 6 Monaten und 5 Jahren, bei bestimmten Verbrechen bis zu 10 Jahren betragen. Anders als im Erwachsenenstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Beispielsweise werden spezielle Jugendstrafanstalten und besondere Resozialisierungsprogramme genutzt.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 10 Abs. 1 JGG (Jugendgerichtsgesetz): Das Jugendgerichtsgesetz ermöglicht die Erteilung von Weisungen an Jugendliche, die als flexible und präventive Maßnahmen der Erziehung und Resozialisierung dienen. Dabei ist der Katalog in § 10 Abs. 1 JGG nicht abschließend, sodass auch andere Weisungen möglich sind, die nicht ausdrücklich aufgeführt werden. Die Weisung muss jedoch eindeutig, zumutbar und kontrollierbar sein.
    Die im vorliegenden Fall angeordnete regelmäßige Medikamenteneinnahme basiert auf dieser Regelung. Sie dient der Behandlung der psychischen Erkrankung des Verurteilten, um das Risiko weiterer Straftaten zu minimieren und seine Integration zu fördern.
  • § 10 Abs. 2 JGG (Jugendgerichtsgesetz): Diese Vorschrift regelt die Zustimmungserfordernisse für besondere Weisungen, wie eine heilerzieherische Behandlung oder eine Entziehungskur. Solche Maßnahmen bedürfen der Einwilligung des Betroffenen, um deren Eingriffsintensität und die Wahrung der Grundrechte sicherzustellen.
    Im Fall des Verurteilten greift diese Regelung nicht, da die angeordnete Medikamenteneinnahme weder eine psychotherapeutische Intervention noch eine Entziehungskur darstellt, sondern eine unterstützende Maßnahme zur Stabilisierung seiner psychischen Gesundheit.
  • § 56c Abs. 3 Nr. 1 StGB (Strafgesetzbuch): Heilbehandlungen, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, setzen nach allgemeinem Strafrecht die Zustimmung des Verurteilten voraus. Dieser Schutz der körperlichen Unversehrtheit soll die Selbstbestimmung des Einzelnen sichern.
    Im Kontext des Falles wurde geprüft, ob die Medikamenteneinnahme unter diesen Zustimmungsvorbehalt fällt. Da die Anordnung keine invasive Behandlung darstellt und sich auf die Einnahme verordneter Medikamente beschränkt, ist keine Zustimmung erforderlich.
  • § 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JGG (Jugendgerichtsgesetz): Diese Vorschrift erlaubt den Widerruf einer Bewährung, wenn der Verurteilte Weisungen beharrlich missachtet. „Beharrlich“ bedeutet, dass ein Verstoß aus Gleichgültigkeit oder bewusster Missachtung mehrfach erfolgt.
    Im Fall des Verurteilten liegt ein solcher beharrlicher Verstoß vor, da er wiederholt die Medikamenteneinnahme verweigerte, trotz Belehrungen und Ermahnungen. Dies führte zu gefährdendem Verhalten und psychotischen Schüben, wodurch die Fortsetzung der Bewährung als untragbar angesehen wurde.
  • § 58 Abs. 1 S. 3 und § 88 Abs. 6 S. 3 JGG (Jugendgerichtsgesetz): Diese Vorschriften stellen sicher, dass der Verurteilte vor einer Entscheidung über den Bewährungswiderruf mündlich angehört wird. Ziel ist es, ihm Gehör zu verschaffen und die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensprinzipien zu gewährleisten.
    Im vorliegenden Fall wurde dieser Vorgang ordnungsgemäß durchgeführt. Der Verurteilte wurde zu den Gründen der Bewährungswiderrufsanordnung befragt, um seine Position darzulegen und die Sachlage umfassend zu würdigen.

Das vorliegende Urteil


LG Saarbrücken – Az.: 3 Qs 35/21 – Beschluss vom 27.08.2021


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