OLG Karlsruhe – Az.: 7 W 8/11 – Beschluss vom 26.05.2011
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 02.05.2011 wird der Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 25. März 2011 – 3 O 25/11 – in der Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 04.05.2011 unter Aufrechterhaltung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe aus einem Streitwert in Höhe von 50.000,00 EUR bewilligt wird.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 50.000,00 EUR. Die Antragsgegner wurden durch Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 14.06.2010 (Beiakten, AS 897-935), bzgl. des Antragsgegners zu 1 rechtskräftig seit dem 22.06.2010 und bezüglich des Antragsgegners zu 2 seit dem 18.11.2010 nach Maßgabe des Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 18.11.2010 (Beiakten, AS 1149-1167) rechtskräftig wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung u.a. zum Nachteil des Antragstellers verurteilt. Zugleich stellte das Amtsgericht im Adhäsionsverfahren gem. §§ 403 ff. StPO fest, dass die Antragsgegner als Gesamtschuldner dem Grunde nach verpflichtet seien, dem Antragsteller Schadensersatz zu leisten und ihm ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Der Antragsteller wurde bei der Tat schwer verletzt, insbesondere konnte auch durch mehrere Operationen ein Sehverlust auf dem rechten Auge – allenfalls noch 8 % der normalen Sehschärfe – nicht vermieden werden und besteht die Gefahr einer Verschlechterung durch Überbeanspruchung des gesunden linken Auges. Den gelernten Beruf des Konstruktionsmechanikers kann er nicht mehr ausüben, seine gegenwärtige Tätigkeit als Maschinenbediener nur noch eingeschränkt. Er wird auf Grund des Vorfalls wegen schwerer Depressionen nervenärztlich behandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Heidelberg – 6 Ls 38 Js …. – verwiesen.
II.
Die statthafte und zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg bezüglich der beabsichtigten Schmerzensgeldklage aus einem Streitwert in Höhe von 50.000,00 EUR, § 114 ZPO.
1. Der Ansatz eines Mitverschuldens gem. § 254 BGB zu Lasten des Antragstellers kommt hier – worauf der Antragsteller der Sache nach zutreffend in seiner sofortigen Beschwerde hinweist – wegen der Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung des Strafgerichts im Adhäsionsverfahren gem. §§ 406 Abs. 3 S.1 StPO, 318 ZPO nicht in Betracht. Das Strafgericht hat dort ein Mitverschulden verneint. Ob dies zutrifft, unterliegt nicht mehr der Beurteilung der Zivilgerichte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob – wie nach Auffassung des Landgerichts – die konkreten Tatumstände ein Mitverschulden des Antragstellers begründen.
a) Nach § 406 Abs. 1 S. 2 ZPO kann das Gericht, vor dem im Strafverfahren ein aus der Tat erwachsener vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird (Adhäsionsverfahren), die Entscheidung auf den Grund des Anspruchs beschränken, also – wie im Zivilprozess (§ 304 ZPO) – ein Grundurteil erlassen. Das gilt ohne weiteres auch für Schmerzensgeldansprüche (BGH, NJW 2002, 3560 f., juris Tz. 4; NJW 1999, 437 f., juris Tz. 4).
Das Schmerzensgeld ist grundsätzlich nach Billigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen. Nach der hierfür maßgeblichen Regelung des § 253 Abs. 2 BGB, ist grundsätzlich im Rahmen der Entschädigungsfestsetzung ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten zu berücksichtigen. Eine Quotierung hat dabei grundsätzlich nicht zu erfolgen, weil der Aspekt eines etwaigen Mitverschuldens lediglich als ein Gesichtspunkt in die umfassende Billigkeitsabwägung einfließt. Eine Ausnahme wird jedoch dann zugelassen, wenn durch Grundurteil entschieden wird. Insbesondere bei der Entscheidung über einen unbezifferten Feststellungsantrag durch Grundurteil darf die Festlegung des Mitverursachungsanteils nicht dem für das Betragsverfahren zuständigen Zivilgericht übertragen werden. Dies gilt namentlich für den Schmerzensgeldanspruch, der in seiner Höhe ganz wesentlich durch die Vorgeschichte der Verletzungshandlung und die Persönlichkeitsstruktur der an der Auseinandersetzung beteiligten Personen beeinflusst wird. Schon aus Gründen der Prozessökonomie wird deshalb die für das Grundurteil notwendige Aufklärung des Tathergangs auch zu einer Bewertung der Verantwortlichkeitsbereiche führen müssen. Die eingehende Untersuchung der Tat durch das Strafgericht bietet dafür eine optimale Tatsachengrundlage. Eine Verteilung von Verschuldens- und Mitverschuldensanteilen kann deshalb am sinnvollsten hier wahrgenommen werden. Sie in das zivilgerichtliche Betragsverfahren zu verlagern, wäre in hohem Maße unpraktisch. Auch im Adhäsionsverfahren ist für die Bestimmung des Mitverschuldens allerdings Voraussetzung, dass hierbei alle in Betracht kommenden Bemessungselemente in die Quotenbestimmung eingestellt sind (BGH, NJW 2002, 3560 f., juris Tz. 10/11; vgl. Jäger, VersR 2003, 1372 ff., unter VI. a.E.). Allerdings soll – jedenfalls im Zivilverfahren – es nicht grundsätzlich versagt sein, die Prüfung des Mitverschuldenseinwands dem Betragsverfahren vorzubehalten. Dies ist zulässig, wenn das mitwirkende Verschulden des Geschädigten nach der Meinung des Tatrichters zweifellos zu einer Minderung, nicht aber zu einer Beseitigung der Schadenshaftung führen kann (BGH, NJW 1997, 3176, 3177 m.w.N.). Der Einwand des Mitverschuldens muss indes im Tenor oder zumindest in den Entscheidungsgründen für das Betragsverfahren regelmäßig ausdrücklich, jedenfalls aber mit hinreichender Deutlichkeit vorbehalten werden (BGH, NJW 1999, 2440, 2441; NJW-RR 1996, 700, 701; NJW 1990, 1106, 1108; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 304 Rn. 18). Geht das Gericht auf die Frage eines mitwirkenden Verschuldens im rechtskräftigen Grundurteil überhaupt nicht ein, ist es nach § 318 ZPO gehindert, es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits zu berücksichtigen (BGH, NJW 1999, 2440, 2441/2442; NJW 1990, a.a.O.; MünchKomm/Oetker, BGB, 5. Aufl., § 254 Rn. 146).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Landgericht gehindert, ein Mitverschulden in dem bei ihm ausschließlich anhängigen Betragsverfahren zu berücksichtigen. Der Ausspruch des Strafgerichts im Adhäsionsverfahren ist rechtskräftig. Die Entscheidung über den Antrag steht gem. §§ 406 Abs. 3 S. 1 StPO, 304 ZPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Grundurteil gleich. Die Entscheidung enthält keine Hinweise darauf, dass das Strafgericht bei seinem Ausspruch von einem Mitverschulden ausgegangen ist. Das Gericht hat nicht etwa ausgesprochen, dass der Anspruch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Allein die vom Landgericht bei der teilweisen Versagung der PKH zur Begründung eines Mitverschuldens aufgegriffenen Feststellungen im Strafurteil zu den Tatumständen lassen dies in keiner Weise erkennen. Die Entscheidung des Strafgerichts unterliegt insoweit gem. §§ 406 Abs. 1 S. 1 StPO, 318 ZPO der Bindungswirkung. Es kommt danach nicht mehr darauf an, ob das Amtsgericht den Einwand des Mitverschuldens überhaupt geprüft und alle Bemessungselemente angemessen berücksichtigt hat. Die Entscheidungsgründe verhalten sich dazu nicht näher. Das Urteil enthält auch weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen Hinweise darauf, dass eine Prüfung des Einwands dem Betragsverfahren vor den Zivilgerichten vorbehalten bleiben sollte. Dessen Prüfung und Berücksichtigung dort ist danach unzulässig.
2. Zu Recht hält auch das Landgericht bei fehlender Mitverursachung einen Betrag von 50.000,00 EUR der Höhe nach für noch angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller hier offensichtlich nicht etwa eine sog. offene Schmerzensgeldteilklage beabsichtigt, bei der sich die Bemessung des Schmerzensgeldes nach den bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung bekannten Auswirkungen des Schadens richtet, sondern eine sog. uneingeschränkte Schmerzensgeldklage. Bei dieser werden durch den zuerkannten Betrag alle Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhersehbar ist und die deshalb bei der Entscheidung bereits mit berücksichtigt werden können (vgl. BGH, NJW 2004, 1243, 1244; Senat, VersR 2010, 924 f.; Terbille, VersR 2005, 37 ff. m.w.N.). Danach ist hier auch die Möglichkeit der vom Kläger vorgetragenen zukünftigen gravierenden Folgen mit zu berücksichtigen.
3. …
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.