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Gebühr für Verfahrenseinstellung bei Schweigen: Anspruch des Pflichtverteidigers

Im Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim forderte ein Pflichtverteidiger die Gebühr für Verfahrenseinstellung bei Schweigen. Die entscheidende Frage: Gilt gezieltes Schweigen im Strafverfahren überhaupt als ausreichende anwaltliche Mitwirkung zur Gebührenbegründung?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Qs 61/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Mannheim
  • Datum: 22.10.2025
  • Aktenzeichen: 4 Qs 61/25
  • Verfahren: Beschwerde über die Festsetzung von Anwaltskosten
  • Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Anwaltsvergütungsrecht

  • Das Problem: Ein Pflichtverteidiger forderte eine zusätzliche Gebühr für seine Arbeit, nachdem das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Die Staatskasse weigerte sich zu zahlen, da die Einstellung hauptsächlich wegen einer bereits bestehenden Verurteilung erfolgte.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Staat diese zusätzliche Anwaltsgebühr zahlen, wenn der Anwalt dem Mandanten lediglich geraten hat zu schweigen und die Einstellung aus anderen Gründen erfolgte?
  • Die Antwort: Ja. Die Gebühr ist zu zahlen. Das Gericht entschied, dass der Rat des Anwalts zum Schweigen objektiv geeignet war, eine Hauptverhandlung zu verhindern.
  • Die Bedeutung: Anwälte erhalten diese Zusatzgebühr, wenn sie durch ihre Tätigkeit (wie das gezielte Schweigen des Mandanten) dazu beitragen, dass eine Verfahrenseinstellung möglich wird. Die offizielle Begründung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung spielt dabei keine Rolle.

Wann erhält ein Pflichtverteidiger die zusätzliche Verfahrensgebühr für Schweigen?

Einem Pflichtverteidiger in Mannheim gelang es, ein Strafverfahren für seinen Mandanten ohne eine belastende Hauptverhandlung zu beenden. Sein entscheidender Ratschlag war denkbar einfach: Schweigen. Als er jedoch dafür eine gesetzlich vorgesehene Zusatzgebühr abrechnen wollte, blockierte die Staatskasse.

Die Hand eines Anwalts presst den Zeigefinger vertraulich vor die Lippen, getrennt vom Mandanten durch eine dicke Scheibe.
Pflichtverteidiger streitet mit Staatskasse um Gebühr für erfolgreiches Schweigen des Mandanten. | Symbolbild: KI

Die Begründung: Nicht der Rat des Anwalts, sondern ganz andere Gründe hätten zur Einstellung des Verfahrens geführt. Dieser Konflikt landete vor dem Landgericht Mannheim, das am 22. Oktober 2025 in einem bemerkenswerten Beschluss (Az.: 4 Qs 61/25) klären musste, unter welchen Umständen anwaltliches Wirken honoriert werden muss – selbst wenn die Behörden behaupten, es habe keine Rolle gespielt.

Was war der genaue Auslöser des Rechtsstreits?

Die Geschichte beginnt mit einem Mann, der bereits wegen einer anderen Tat eine siebenmonatige Freiheitsstrafe verbüßte. Während seiner Inhaftierung leitete die Staatsanwaltschaft Mannheim ein neues Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Der Vorwurf war gravierend: Bandendiebstahl nach § 244 StGB, begangen am Mannheimer Hauptbahnhof. Wegen der Schwere des Vorwurfs und der Inhaftierung bestellte das Amtsgericht Mannheim ihm am 22. Mai 2025 einen Pflichtverteidiger.

Der bestellte Rechtsanwalt prüfte die Akten und riet seinem Mandanten zu einer klaren Strategie: umfassend von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Diesen Schritt teilte er der Staatsanwaltschaft Anfang Juni 2025 offiziell mit. Zwei Monate später, am 22. August 2025, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren tatsächlich ein.

Die Einstellung erfolgte nach § 154 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO). Dieser Paragraph erlaubt es der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung einer Straftat abzusehen, wenn die zu erwartende Strafe neben einer bereits rechtskräftigen Verurteilung nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Genau das war die offizielle Begründung der Behörde: Die mögliche Strafe für den Rucksackdiebstahl sei im Vergleich zur bereits verbüßten Haftstrafe unerheblich.

Nach Abschluss des Falls reichte der Pflichtverteidiger seine Kostenrechnung bei der Staatskasse ein. Neben der Grundgebühr für die Einarbeitung und der allgemeinen Verfahrensgebühr forderte er auch eine sogenannte zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG). Diese Gebühr ist eine Art Prämie für Verteidiger, deren Mitwirkung dazu beiträgt, eine Hauptverhandlung zu vermeiden.

Doch die Bezirksrevisorin und der Rechtspfleger des Amtsgerichts lehnten die Zahlung dieser Zusatzgebühr in Höhe von 145,00 EUR ab. Ihre Argumentation war eindeutig: Die Einstellung des Verfahrens sei ausschließlich aus Opportunitätsgründen erfolgt, also wegen der bereits bestehenden Verurteilung. Das Schweigen des Beschuldigten habe darauf keinerlei Einfluss gehabt. Die anwaltliche Tätigkeit sei für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht ursächlich gewesen. Das Amtsgericht bestätigte diese Sichtweise und wies den Antrag des Anwalts zurück. Dieser legte daraufhin Beschwerde beim Landgericht Mannheim ein.

Welche rechtliche Logik steckt hinter der „Gebühr für Verfahrenseinstellung“?

Im Zentrum des Konflikts steht die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG. Diese Gebühr ist mehr als nur ein weiterer Posten auf der Anwaltsrechnung; sie verfolgt ein klares rechtspolitisches Ziel. Der Gesetzgeber möchte einen Anreiz schaffen, Strafverfahren effizient und ohne eine aufwendige sowie kostenintensive Hauptverhandlung zu beenden.

Die Gebühr entsteht, wenn durch die „Mitwirkung“ des Anwalts das Verfahren endgültig eingestellt und eine Hauptverhandlung dadurch entbehrlich wird. Der entscheidende und oft umstrittene Punkt ist, was genau unter dieser „Mitwirkung“ zu verstehen ist. Früher wurde hier oft eine strenge Kausalität verlangt: Die anwaltliche Tätigkeit musste die direkte und nachweisbare Ursache für die Einstellung sein.

Die moderne Rechtsprechung, auf die sich auch das Landgericht Mannheim stützt, hat diesen Maßstab jedoch gelockert. Heute genügt es, wenn die anwaltliche Tätigkeit objektiv geeignet war, die Einstellung des Verfahrens zu fördern. Es kommt also nicht mehr darauf an, ob die Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung tatsächlich auf die Handlung des Verteidigers gestützt hat. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: War die Handlung des Anwalts aus einer objektiven Perspektive heraus ein sinnvoller Beitrag, um eine Hauptverhandlung zu vermeiden?

Als eine solche anerkannte Mitwirkungshandlung gilt in der Rechtsprechung auch der fundierte Rat an den Mandanten, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Dies wird nicht als bloße Passivität oder Untätigkeit gewertet, sondern als eine aktive, strategische Verteidigungsmaßnahme, die den weiteren Verlauf des Verfahrens maßgeblich beeinflussen kann.

Warum gab das Landgericht dem Anwalt recht – und der Staatskasse nicht?

Das Landgericht Mannheim folgte der Argumentation des Pflichtverteidigers vollumfänglich und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Die Richter legten detailliert dar, warum dem Anwalt die zusätzliche Verfahrensgebühr zustand. Ihre Begründung lässt sich in vier Kernargumente unterteilen.

Das Schweigen als anerkannte anwaltliche Leistung

Zunächst bestätigte das Gericht die herrschende Meinung, dass der gezielte Rat zum Schweigen eine honorierungswürdige Mitwirkungshandlung darstellt. Der Verteidiger hat die Akte studiert, die Beweislage analysiert und auf dieser Basis eine strategische Entscheidung getroffen. Indem er seinem Mandanten empfahl zu schweigen, verhinderte er möglicherweise, dass dieser sich durch unüberlegte Aussagen selbst belastet und der Staatsanwaltschaft neue Ermittlungsansätze liefert. Dies ist eine klassische Verteidigeraufgabe, die aktiv zur Verfahrensgestaltung beiträgt.

Der entscheidende Maßstab: War die Handlung objektiv geeignet?

Das Herzstück der Entscheidung ist die Anwendung des Kriteriums der „objektiven Eignung“. Die Richter fragten nicht, warum die Staatsanwaltschaft das Verfahren tatsächlich eingestellt hat. Stattdessen prüften sie, ob der Rat zu schweigen eine vernünftige Strategie war, um eine Hauptverhandlung abzuwenden.

Ihre Antwort war ein klares Ja. Dem Mandanten wurde Bandendiebstahl vorgeworfen, ein Verbrechen mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten. Angesichts einer bereits bestehenden Strafe von sieben Monaten war es keineswegs ausgemacht oder „offenkundig“, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 154 StPO einstellen würde. Eine Anklage und die Bildung einer neuen Gesamtstrafe waren eine realistische Möglichkeit. In dieser unklaren Lage war das Schweigen des Beschuldigten ein Mittel, um die Beweislage für die Anklage nicht weiter zu stärken und so die Wahrscheinlichkeit einer Einstellung zu erhöhen. Die Handlung war also objektiv geeignet, das Verfahren ohne Hauptverhandlung zu beenden.

Warum die Begründung der Staatsanwaltschaft irrelevant war

Das Landgericht wies das Hauptargument der Staatskasse entschieden zurück. Die nachträgliche Erklärung der Staatsanwaltschaft, die Einstellung sei allein aus Opportunitätsgründen erfolgt, sei für die gebührenrechtliche Frage unerheblich. Würde man der subjektiven Begründung der Behörde folgen, hätte diese es in der Hand, durch eine entsprechende Formulierung in der Einstellungsverfügung den Gebührenanspruch des Verteidigers systematisch auszuhebeln.

Dies würde dem Zweck der Nr. 4141 VV RVG widersprechen, der gerade darin besteht, anwaltliches Engagement für eine effiziente Verfahrensbeendigung zu belohnen. Maßgeblich ist daher nicht die innere Motivation des Staatsanwalts, sondern die äußere, objektive Nützlichkeit der Verteidigerhandlung.

Die klare Abgrenzung zu echten Ausnahmefällen

Schließlich grenzte das Gericht den vorliegenden Fall von Konstellationen ab, in denen die Gebühr tatsächlich nicht entsteht. Die Staatskasse hatte auf einen Fall verwiesen, in dem ein Verfahren wegen einer Gesetzesänderung eingestellt werden musste (Wegfall der Strafbarkeit). In einem solchen Szenario wäre der Rat zum Schweigen tatsächlich nicht geeignet, die Einstellung zu fördern, weil die Einstellung ohnehin rechtlich zwingend und unausweichlich ist.

Hier lag der Fall jedoch anders. Die Einstellung nach § 154 StPO ist eine Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft. Sie war möglich, aber keinesfalls von vornherein sicher. Da eine Anklageerhebung im Raum stand, war die Mitwirkung des Verteidigers auch potenziell entscheidend und damit gebührenrechtlich relevant.

Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis von Pflichtverteidigern?

Der Beschluss des Landgerichts Mannheim stärkt die Position von Verteidigern und schafft Klarheit bei der Abrechnung ihrer Gebühren. Er stellt sicher, dass strategische und prozessfördernde Tätigkeiten auch dann vergütet werden, wenn der Erfolg nicht monokausal auf sie zurückzuführen ist. Für die Praxis lassen sich daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten.

Checkliste: So sichern Sie die Zusätzliche Verfahrensgebühr (Nr. 4141 VV RVG)

  • Dokumentieren Sie Ihre Mitwirkung: Halten Sie Ihre strategischen Überlegungen und Ratschläge an den Mandanten schriftlich fest. Ein Aktenvermerk oder ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft, in dem Sie das Schweigen Ihres Mandanten anzeigen, dient als wichtiger Beleg für Ihre Tätigkeit.
  • Fokussieren Sie auf die „Objektive Eignung„: Machen Sie sich bei der Begründung Ihres Gebührenanspruchs nicht von der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft abhängig. Argumentieren Sie stattdessen, warum Ihre Handlung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme eine objektiv sinnvolle Maßnahme war, um eine Hauptverhandlung zu vermeiden.
  • Analysieren Sie die Ausgangslage: War die Einstellung des Verfahrens von Anfang an zwingend und offenkundig (z.B. wegen Verjährung oder einer Gesetzesänderung)? Falls ja, entsteht die Gebühr nicht. War die Einstellung jedoch eine von mehreren denkbaren Optionen, ist Ihre Mitwirkung in der Regel als objektiv geeignet anzusehen.
  • Lassen Sie sich nicht entmutigen: Rechnen Sie die Gebühr auch dann ab, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren aus Opportunitätsgründen nach § 154 oder § 153 StPO einstellt. Die Entscheidung des Landgerichts Mannheim zeigt, dass die subjektiven Motive der Behörde Ihren Anspruch nicht schmälern.
  • Kennen Sie die Rechtsprechung: Verweisen Sie im Streitfall auf die gefestigte Rechtsprechung, die den Maßstab der objektiven Eignung anlegt und den Rat zum Schweigen als honorierungswürdige anwaltliche Mitwirkung anerkennt.

Die Urteilslogik

Der Gesetzgeber honoriert strategische Verteidigungsarbeit, die dazu beiträgt, Strafverfahren ohne aufwendige Hauptverhandlung zu beenden, indem er die subjektiven Motive der Staatsanwaltschaft für die Einstellungsentscheidung ignoriert.

  • Strategisches Schweigen schafft Anspruch: Ein fundierter anwaltlicher Rat an den Beschuldigten, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, gilt als aktive, honorierungswürdige Mitwirkung im Sinne des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
  • Die objektive Eignung zählt: Für den Anspruch auf die zusätzliche Verfahrensgebühr ist allein maßgeblich, ob die anwaltliche Handlung objektiv geeignet war, die Einleitung der Hauptverhandlung zu verhindern; die tatsächliche, nachträgliche Begründung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung des Verfahrens ist unerheblich.
  • Opportunitätseinstellungen entbinden nicht: Die Staatskasse darf die Vergütung des Pflichtverteidigers nicht ablehnen, indem sie behauptet, die Einstellung nach § 154 StPO sei ohnehin nur aus Opportunitätsgründen erfolgt; dies würde den gesetzlichen Anreiz zur Verfahrensvereinfachung systematisch unterlaufen.

Die moderne Rechtsprechung stellt sicher, dass strategisches Anwaltsverhalten von der nachträglichen Bewertung durch die Behörden abgekoppelt wird, um die Effizienz und das Engagement in der Strafverteidigung zu fördern.


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Experten Kommentar

Viele Rechtsanwälte kennen den Frust: Man arbeitet strategisch, verhindert die Hauptverhandlung, und dann behauptet die Staatskasse, die eigene Mitwirkung hätte gar nichts bewirkt. Das Landgericht Mannheim zieht hier eine klare rote Linie und schützt die Vergütung des Pflichtverteidigers. Entscheidend für die zusätzliche Verfahrensgebühr ist demnach nicht, was die Staatsanwaltschaft im Nachhinein als Grund für die Einstellung nach § 154 StPO nennt. Es zählt allein die objektive Eignung der anwaltlichen Strategie – selbst wenn der wichtigste Rat nur „Schweigen“ war – um zu verhindern, dass die Behörden den Anspruch auf die Zusatzgebühr einfach aushebeln können.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann muss die Staatskasse die zusätzliche Verfahrensgebühr für meinen Pflichtverteidiger zahlen?

Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG steht Ihnen zu, sobald Ihre anwaltliche Tätigkeit objektiv dazu geeignet war, eine Hauptverhandlung abzuwenden. Die Staatskasse darf die Zahlung nicht verweigern, selbst wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren nachträglich aus reinen Opportunitätsgründen nach § 154 StPO eingestellt hat. Maßgeblich ist allein, ob Ihre anwaltliche Mitwirkung aus einer vernünftigen Perspektive sinnvoll war, um die Einstellung zu fördern.

Die Entstehung der Gebühr hängt nicht von der inneren Motivation des Staatsanwalts ab, das Verfahren einzustellen. Das Gesetz verlangt lediglich, dass die anwaltliche Tätigkeit objektiv zur Entbehrlichkeit einer Hauptverhandlung beiträgt. Dieser gelockerte Maßstab soll verhindern, dass die Behörden den Vergütungsanspruch des Verteidigers durch eine entsprechende Formulierung in der Einstellungsverfügung systematisch aushebeln. Deshalb ist die subjektive Begründung der Staatsanwaltschaft, die nur auf bereits verbüßte Haftstrafe verweist, für die gebührenrechtliche Frage unerheblich.

Konkret: Hat Ihr strategischer Rat zum Schweigen eine mögliche Selbstbelastung des Mandanten verhindert, liegt bereits eine honorierungswürdige Leistung vor. Im Fall eines Bandendiebstahls vor dem Landgericht Mannheim wurde die Gebühr bejaht, weil eine Anklageerhebung keineswegs ausgeschlossen war. In dieser unklaren Ausgangslage war die anwaltliche Strategie objektiv notwendig, um die Beweislage für die Anklage nicht weiter zu stärken.

Reichen Sie Ihre Kostenrechnung unter Berufung auf Nr. 4141 VV RVG ein und notieren Sie sofort im Aktenvermerk, wann Sie die Mitwirkungshandlung vorgenommen und der Staatsanwaltschaft mitgeteilt haben.


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Wird der Rat meines Anwalts zum Schweigen überhaupt als aktive Verteidigungsleistung vergütet?

Ja, der gezielte Rat zum Schweigen gilt als aktive und honorierungswürdige Verteidigungsleistung. Dies ist keine bloße Passivität, sondern eine strategische Maßnahme zur Verfahrensgestaltung. Damit der Rat vergütet wird, muss er allerdings auf einer fundierten Aktenanalyse beruhen. Diese Tätigkeit verhindert aktiv, dass Mandanten sich durch unüberlegte Aussagen selbst belasten.

Die Rechtsprechung erkennt den Schweigerat als honorierungspflichtige Mitwirkungshandlung an. Der Verteidiger analysiert die Beweislage und trifft auf dieser Basis eine strategische Entscheidung. Indem der Mandant schweigt, verhindert der Anwalt, dass unnötig neue Ermittlungsansätze entstehen oder die Beweislage gestärkt wird. Das Landgericht Mannheim bestätigte, dass diese gezielte Handlung objektiv zur Verfahrensbeendigung beiträgt.

Ein Schweigerat muss fundiert sein, um als vergütungspflichtige Leistung zu gelten. Liegt keine vorherige Akteneinsicht vor, werten Gerichte die Tätigkeit als bloße Untätigkeit, die keine zusätzliche Gebühr auslöst. War die Gefahr der Selbstbelastung jedoch hoch, erhöht der strategische Schweigerat die Wahrscheinlichkeit einer Verfahrenseinstellung deutlich. Der Erfolg liegt in der aktiven Vermeidung unnötiger Beweislast, was eine klassische Verteidigeraufgabe ist.

Sichern Sie Ihren Gebührenanspruch, indem Sie intern die Aktenlage und die strategische Notwendigkeit des Schweigerats schriftlich festhalten.


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Wie weise ich nach, dass meine anwaltliche Tätigkeit zur Einstellung des Verfahrens beigetragen hat?

Die Sorge, dass die Staatsanwaltschaft die ursächliche Verbindung zwischen Ihrer Arbeit und der Verfahrenseinstellung nicht anerkennt, ist unbegründet. Sie müssen keine direkte Kausalität nachweisen. Die Rechtsprechung verlangt lediglich die sogenannte objektive Eignung Ihrer Handlung. Entscheidend ist, ob Ihr Beitrag zum Zeitpunkt der Vornahme eine vernünftige Strategie darstellte, um die Eröffnung einer Hauptverhandlung abzuwenden.

Der Nachweis gelingt, indem Sie die Ungewissheit der Ausgangslage betonen. Solange eine Anklageerhebung eine realistische Möglichkeit war, galt Ihre Mitwirkung als objektiv notwendig. Die Maßnahme, etwa der fundierte Rat zum Schweigen, muss aus sachlicher Sicht heraus geeignet gewesen sein, die Einstellung des Verfahrens zu fördern. Die nachträgliche, subjektive Beurteilung des Staatsanwalts über seine Motive ist irrelevant. Die Behörde kann Ihren Gebührenanspruch nicht durch eine einfache Erklärung untergraben.

Konkret: Konzentrieren Sie sich auf die Gefährlichkeit des ursprünglichen Vorwurfs, beispielsweise Bandendiebstahl. Wenn die Einstellung keineswegs offenkundig oder rechtlich zwingend war, war Ihre Strategie objektiv notwendig, um die Beweislage nicht unnötig zu stärken. Vermeiden Sie es, umfangreiche Dokumente zur Beweisführung direkter Kausalität einzureichen. Legen Sie stattdessen eine kurze Begründung vor, die die Notwendigkeit Ihrer Verteidigungsstrategie angesichts der drohenden Hauptverhandlung explizit herausstellt.

Prüfen Sie stets, ob die Einstellung von vornherein zwingend gewesen wäre; war dies nicht der Fall, machen Sie Ihre Gebühr unter Verweis auf die objektive Eignung geltend.


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Was tun, wenn die Staatsanwaltschaft meine Gebühr wegen „Opportunitätseinstellung“ ablehnt?

Die Ablehnung der zusätzlichen Verfahrensgebühr durch den Rechtspfleger oder die Bezirksrevisorin sollten Sie nicht akzeptieren. Legen Sie gegen diesen ablehnenden Bescheid zügig sofortige Beschwerde beim zuständigen Landgericht ein. Die Begründung der Staatsanwaltschaft, die Einstellung sei allein aus Opportunitätsgründen nach § 154 StPO erfolgt, ist für Ihren Gebührenanspruch irrelevant.

Der Rechtsgrundsatz besagt: Die nachträgliche Erklärung der Staatsanwaltschaft über ihre inneren Motive kann den Anspruch aus Nr. 4141 VV RVG nicht aushebeln. Würde man dieser subjektiven Begründung folgen, könnte die Behörde den Vergütungsanspruch des Verteidigers systematisch unterlaufen. Da die Einstellung nach § 154 StPO eine Ermessensentscheidung ist, war sie keinesfalls zwingend oder offenkundig.

Der Zweck der zusätzlichen Verfahrensgebühr liegt in der Belohnung prozessfördernden Engagements. Entscheidend ist allein der Maßstab der objektiven Eignung Ihrer anwaltlichen Mitwirkung, um die Hauptverhandlung zu vermeiden. Verweisen Sie in Ihrer Beschwerde auf die Rechtsprechung des LG Mannheim, welche feststellt, dass die Tätigkeit des Anwalts (z. B. der strategische Rat zum Schweigen) in der unklaren Ausgangslage objektiv geeignet war, die Einstellung zu begünstigen.

Formulieren Sie die sofortige Beschwerde und legen das Kernargument dar, dass die subjektive Opportunitätsbegründung der Staatsanwaltschaft unbeachtlich ist.


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Gibt es Fälle, in denen der Rat zum Schweigen keine zusätzliche Verfahrensgebühr auslöst?

Ja, diese Ausnahmefälle existieren. Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG entfällt immer dann, wenn die Einstellung des Verfahrens rechtlich zwingend und offenkundig war. In solchen Situationen kann die anwaltliche Mitwirkung – selbst ein strategischer Rat zum Schweigen – die Beendigung des Verfahrens nicht objektiv fördern. Hier fehlt es an der notwendigen Eignung, das Verfahren aktiv zu beeinflussen.

Die Gebühr soll prozessförderndes Engagement belohnen, das eine aufwendige Hauptverhandlung abwendet. War die Einstellung jedoch ohnehin unumgänglich, ist die Verteidigerhandlung nicht objektiv geeignet, den Prozess zu beschleunigen. Klassische Beispiele für diese zwingenden Verfahrenshindernisse sind der Tod des Beschuldigten, die bereits eingetretene Verjährung der Tat oder der Wegfall der Strafbarkeit durch eine Gesetzesänderung. In diesen Fällen spielt es keine Rolle, ob der Beschuldigte schweigt oder aktive Beweisanträge gestellt werden.

Der entscheidende Unterschied liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Die gängige Einstellung nach § 154 StPO (Opportunität) stellt keinen zwingenden Ausnahmefall dar. Obwohl die Behörde hier von der Verfolgung absieht, war eine Anklageerhebung immerhin eine realistische Option. Deshalb gilt die Strategie des Anwalts als objektiv geeignet, die Einstellung zu fördern. Nur wenn ein absolutes und offenkundiges Hindernis vorliegt, entfällt der Anspruch; ein Anwalt darf die Gebühr nicht abrechnen, wenn die Verjährung bereits vor Erteilung des Schweigerats abgeschlossen war.

Prüfen Sie vor Geltendmachung der Gebühr stets, ob absolute Verfahrenshindernisse wie die Verjährung bereits vor Ihrer Beauftragung bestanden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bezirksrevisorin

Die Bezirksrevisorin ist eine speziell geschulte Beamtin, die bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften angesiedelt ist und deren Hauptaufgabe die Überprüfung sämtlicher Kostenrechnungen und Gebührenansprüche der Anwälte ist. Diese Person handelt im Auftrag der Staatskasse und stellt sicher, dass alle geltend gemachten Vergütungen, insbesondere nach dem RVG, korrekt und rechtmäßig sind.
Beispiel: Im konkreten Fall lehnte die Bezirksrevisorin die Zahlung der zusätzlichen Verfahrensgebühr ab, weil sie die anwaltliche Tätigkeit für die Einstellung des Verfahrens nicht als ursächlich ansah.

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Einstellung nach § 154 StPO

Eine Einstellung nach § 154 StPO bezeichnet die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ein laufendes Strafverfahren abzuschließen, wenn die Strafe, die zu erwarten wäre, neben einer bereits bestehenden Verurteilung nicht mehr beträchtlich ins Gewicht fällt. Juristen sprechen hier von einem reinen Opportunitätsgrundsatz, da der Gesetzgeber unnötigen Aufwand für geringfügige Fälle vermeiden möchte.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft Mannheim stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten nach § 154 StPO ein, da die mögliche Strafe für den Bandendiebstahl im Vergleich zur bereits verbüßten Haftstrafe als unerheblich galt.

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Mitwirkungshandlung

Als Mitwirkungshandlung bezeichnen Juristen jede aktive, prozessfördernde Tätigkeit des Verteidigers, die objektiv geeignet ist, die Eröffnung einer Hauptverhandlung zu verhindern und das Verfahren effektiv zu beenden. Durch die Honorierung solcher Handlungen schafft der Gesetzgeber einen Anreiz dafür, dass Anwälte frühzeitig auf eine effiziente Verfahrensbeendigung hinwirken.
Beispiel: Der strategische Rat des Pflichtverteidigers an seinen Mandanten, vom Schweigerecht Gebrauch zu machen, galt laut Landgericht Mannheim als honorierungswürdige Mitwirkungshandlung.

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Objektive Eignung

Die objektive Eignung ist der moderne, gelockerte Maßstab der Rechtsprechung zur Beurteilung einer anwaltlichen Leistung; es genügt, wenn die Handlung aus einer vernünftigen Perspektive förderlich war, um die Einstellung des Verfahrens zu erreichen, ganz gleich, was die Staatsanwaltschaft subjektiv als Motiv angab. Dieses Kriterium schützt den Anwalt davor, dass Behörden seinen Vergütungsanspruch durch eine nachträgliche, subjektive Begründung wie „Opportunität“ systematisch aushebeln.
Beispiel: Die Richter fragten nicht, warum die Staatsanwaltschaft das Verfahren tatsächlich einstellte, sondern prüften, ob der Schweigerat des Anwalts objektiv geeignet war, die Wahrscheinlichkeit einer Einstellung zu erhöhen.

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Pflichtverteidiger

Ein Pflichtverteidiger wird einem Beschuldigten in Deutschland vom Gericht offiziell beigeordnet und vom Staat bezahlt, falls dieser sich in einer strafrechtlich komplexen Situation befindet, in der eine Verteidigung aufgrund der Schwere des Vorwurfs oder einer Inhaftierung zwingend erforderlich ist. Diese Bestellung dient der Gewährleistung eines fairen Verfahrens und stellt sicher, dass jeder Beschuldigte angemessene juristische Vertretung erhält, um seine Rechte wahrzunehmen.
Beispiel: Das Amtsgericht Mannheim bestellte dem Mann wegen des gravierenden Vorwurfs des Bandendiebstahls und seiner Inhaftierung einen Pflichtverteidiger.

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Zusätzliche Verfahrensgebühr (Nr. 4141 VV RVG)

Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist eine Art Prämie für den Strafverteidiger, die entsteht, wenn seine Mitwirkung dazu beiträgt, dass das Verfahren endgültig ohne die Durchführung einer Hauptverhandlung eingestellt werden kann. Der Gesetzgeber belohnt mit dieser Gebühr die prozessökonomische Effizienz des Verteidigers, da er dem Justizsystem Zeit und Kosten erspart.
Beispiel: Das Landgericht Mannheim entschied, dass dem Pflichtverteidiger die zusätzliche Verfahrensgebühr zusteht, da er durch seinen Schweigerat aktiv zur Vermeidung einer aufwendigen Hauptverhandlung beigetragen hatte.

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Das vorliegende Urteil


LG Mannheim – Az.: 4 Qs 61/25 – Beschluss vom 22.10.2025


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