OLG München – Az.: 4St RR 128/11 – Beschluss vom 07.10.2011
I. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Memmingen vom 17. Mai 2011 hinsichtlich der Angeklagten K. F. im Rechtsfolgenausspruch samt den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die weitergehende Revision der Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Memmingen vom 17. Mai 2011 in Ziffer I berichtigt wird und lautet: Die Angeklagte F. ist schuldig des Diebstahls.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Memmingen – Jugendgericht – zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht – Jugendgericht – Memmingen hat die Angeklagte wegen „gemeinschaftlichen Diebstahls“ schuldig gesprochen und ihr die Weisung erteilt, soziale Dienste von 40 Stunden binnen 6 Monaten nach Rechtskraft des Urteils nach näherer Weisung des Kreisjugendamts U. abzuleisten. Darüber hinaus hat es die Angeklagte verwarnt und gegen sie einen Dauerarrest von einer Woche verhängt.
Gegen dieses in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil wendet sich die Angeklagte mit der Revision, die mit der (ausgeführten Sachrüge) begründet wird.
Der Generalstaatsanwalt in München hat mit Vorlagebericht vom 20. Juli 2011 beantragt, die Revision der Angeklagten kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß §§ 333, 335 Abs. 1, 337, 341 Abs. 1, 344, 345 Abs. 1 StPO zulässige Revision erweist sich hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs als erfolgreich. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs aufgrund des Revisionsvorbringens hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO). Auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht vom 20. Juli 2011 wird Bezug genommen.
2. Aufgrund der Sachrüge prüft das Revisionsgericht, ob das materielle Strafrecht rechtsfehlerfrei auf den festgestellten Sachverhalt angewendet worden ist. Diese Nachprüfung ist, soweit es um die verhängten Rechtsfolgen geht, zwar eingeschränkt. Das Revisionsgericht hat die Erwägungen des Tatrichters, der aus seinem unmittelbaren, in der Hauptverhandlung geschöpften Eindruck von Tat und Täter die Folgen einer Straftat bemisst, grundsätzlich hinzunehmen. Eingreifen kann das Revisionsgericht in die Rechtsfolgenentscheidung des Tatrichters nur dann, wenn dieser von einem unzutreffenden Strafrahmen ausgegangen ist, rechtlich anerkannte Strafzwecke außer acht gelassen oder einzelnen Strafzumessungsgesichtspunkten ein zu hohes oder zu geringes Gewicht beigemessen hat oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (Fischer StGB 58. Aufl. § 46 Rdn. 148). Eine Verletzung des § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB liegt dann vor, wenn das Gericht ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu seinem Nachteil berücksichtigt. Im Rahmen zulässiger Verteidigung hält sich – auch bei Jugendlichen -, dass der Täter die Tat pauschal oder substantiiert bestreitet, seinen Tatbeitrag auch auf Kosten von Mittätern herunterspielt oder über das Leugnen seiner Tatbeteiligung hinaus alle Schuld auf Mitangeklagte abschiebt (Fischer aaO Rdn. 53).
So liegt der Fall hier jedoch. Das Amtsgericht hat zur Strafzumessung an hervorgehobener Stelle zu Lasten der Angeklagten gewertet (UA S. 5), dass diese die Tat nicht nur bestritten habe. Erheblich zu Lasten der Angeklagten ginge, dass diese in der Hauptverhandlung versucht habe, die (geständige [Anmerkung des Senats]) Mitangeklagte als Lügnerin dastehen zu lassen, ihr unterstellt habe, diese wolle sie nur mit hineinziehen. Zu Lasten der Angeklagten ginge auch, dass sie die Zeugin M., die Belastungszeugin, als Lügnerin habe darstellen wollen. Weitere, die Angeklagte belastende Umstände führt das Urteil nicht an.
Auch dem jugendlichen Angeklagten steht das Recht zu, sich effektiv zu verteidigen. Dazu gehört Uneinsichtigkeit ebenso wie das substantiierte Bestreiten des eigenen Tatbeitrags (BGH Beschluss vom 7. Oktober 2009 – Aktenzeichen: 2 StR 283/09 – Rdn. 2 – zit. nach juris). Die Grenzen unzulässiger Verteidigung sind jedenfalls nicht schon dann überschritten, wenn der Täter unter Leugnen des eigenen Tatbeitrags alle Schuld einem Mitangeklagten zuschiebt. Dass die Angeklagte die Belastungszeugin als Lügnerin hat darstellen wollen, hält sich ebenfalls noch in den Grenzen zulässiger Verteidigung, zumal, wenn sie die Tat selbst leugnet, sie keine andere Möglichkeit der Verteidigung hat, als die belastenden Aussagen eines Zeugen in ihrer Glaubhaftigkeit in Zweifel zu ziehen.
Diese Grundsätze hat das Jugendgericht vorliegend nach den Urteilsgründen, an die das Revisionsgericht auch in Hinsicht auf ihre Vollständigkeit gebunden ist, außer acht gelassen. Da das Verhalten der Angeklagten in der Hauptverhandlung im Rahmen ihres Nachtatverhaltens für die Bemessung der Rechtsfolgen für das Amtsgericht von wesentlicher Bedeutung war, beruht das Urteil insoweit auch auf der Verletzung des § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB und unterlag gemäß § 349 Abs. 4 StPO i. V. m. § 353 StPO der Aufhebung, die sich auch auf die zugrunde liegenden Feststellungen zu erstrecken hatte. Gemäß § 354 Abs. 2 StPO war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts – Jugendgerichts – Memmingen zurückzuverweisen.
3. Der in Rechtskraft erwachsene Schuldspruch des angegriffenen Urteils war zu berichtigen. Nach § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO sind die Formen der Täterschaft nicht, nur die Formen der Teilnahme in den Schuldspruch aufzunehmen. Die Fehlbezeichnung hatte der Senat zu berichtigen.