Um einer Strafe für einen Verkehrsverstoß zu entgehen, nannte ein Mann den Behörden den Namen eines angeblichen Fahrers. Obwohl der Betroffene später beteuerte, diese Person existiere gar nicht, verurteilte ihn ein Gericht wegen falscher Verdächtigung. So leiteten die Behörden Ermittlungen ein – gegen niemanden.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wichtigste Erkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Setzt der Straftatbestand der falschen Verdächtigung stets die Existenz der verdächtigten Person voraus?
- Welche Pflichten hat ein Gericht bei der Aufklärung des Sachverhalts in einem Verfahren?
- Wie bewerten Gerichte die Glaubwürdigkeit von Aussagen und Beweisen in einem Prozess?
- Welche rechtlichen Konsequenzen drohen, wenn man Behörden oder Gerichten falsche Angaben macht?
- Wozu dient ein Rechtsmittelverfahren wie eine Revision im deutschen Rechtssystem?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 203 StRR 93/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
- Datum: 07.04.2025
- Aktenzeichen: 203 StRR 93/25
- Verfahren: Sprungrevisionsverfahren
- Rechtsbereiche: Strafrecht, Strafprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Mann, der vom Amtsgericht wegen falscher Verdächtigung verurteilt worden war. Er legte Revision gegen diese Verurteilung ein, um eine Aufhebung zu erreichen.
- Beklagte: Die Generalstaatsanwaltschaft. Sie beantragte, die Revision des Angeklagten als unbegründet abzuweisen und die Verurteilung zu bestätigen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Der Angeklagte hatte bei einer Verkehrskontrolle angegeben, sein Fahrzeug sei von einer fiktiven Person gefahren worden. Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen falscher Verdächtigung, obwohl er später die Nichtexistenz der Person einräumte.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Kann man wegen falscher Verdächtigung bestraft werden, wenn die verdächtigte Person gar nicht existiert, und wie genau muss das Gericht die Existenz dieser Person prüfen?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Das Urteil des Amtsgerichts wurde aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
- Zentrale Begründung: Eine Falsche Verdächtigung setzt voraus, dass die verdächtigte Person tatsächlich existiert, und das Amtsgericht hatte dies nicht ausreichend geprüft.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Fall muss vor einem anderen Richter des Amtsgerichts neu verhandelt und entschieden werden.
Der Fall vor Gericht
Worum ging es in diesem Fall?
Ein Mann, der wegen eines Verstoßes im Straßenverkehr – einer sogenannten Ordnungswidrigkeit – zur Rechenschaft gezogen werden sollte, sah sich mit ernsthaften Problemen konfrontiert. Es ging darum, wer zur Tatzeit am Steuer seines Fahrzeugs gesessen hatte. Um sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen, gab der Betroffene gegenüber Polizeibeamten und später auch gegenüber der zuständigen Verwaltungsbehörde eine merkwürdige Erklärung ab: Angeblich sei zur fraglichen Zeit ein Bekannter namens „T.“ gefahren.

Dieser „T.“ halte sich angeblich regelmäßig an seiner Wohnadresse in einer bayerischen Gemeinde auf. Die Behörden nahmen die Angaben ernst und leiteten daraufhin Schritte ein, um diesen „T.“ anzuhören. Doch die Geschichte nahm eine unerwartete Wendung, als der Mann später vor Gericht aussagte, die von ihm benannte Person existiere in Wirklichkeit gar nicht.
Wie hatte das Amtsgericht in Schwabach entschieden?
Das Amtsgericht in Schwabach hatte den Mann am 10. Oktober 2024 wegen „falscher Verdächtigung“ verurteilt. Dies ist ein Straftatbestand, der greift, wenn jemand unwahre Angaben über eine andere Person macht, die dann einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verdächtigt wird. Das Gericht verhängte eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20 Euro. Die Richter am Amtsgericht waren davon überzeugt, dass der Mann die Unwahrheit gesagt hatte. Obwohl der Angeklagte in der Hauptverhandlung, beraten durch seinen Anwalt, plötzlich behauptete, die Person „T.“ gäbe es gar nicht, glaubte ihm das Gericht nicht. Es sah diese Einlassung vielmehr als eine sogenannte „Schutzbehauptung“ an, also als eine Aussage, die jemand nur zu seinem eigenen Vorteil macht, ohne dass sie der Wahrheit entsprechen muss – und die darauf zurückzuführen sei, dass der Mann von einem Anwalt beraten wurde.
Für das Amtsgericht reichte es für eine Verurteilung aus, dass die Behörden aufgrund der falschen Angaben des Mannes überhaupt aktiv geworden waren, etwa indem sie die Anhörung des angeblichen „T.“ anordneten. Nach Ansicht des Amtsgerichts spielte es keine Rolle, ob die verdächtigte Person tatsächlich existierte oder nicht. Es argumentierte, das Gesetz schütze auch davor, dass Behörden unnötige Arbeit hätten, wenn sie falschen Spuren nachgehen müssten. Gegen dieses Urteil legte der Mann, nun als Angeklagter bezeichnet, einen besonderen Rechtsbehelf ein, die sogenannte „Sprungrevision“. Damit überspringt man eine mögliche Zwischeninstanz und wendet sich direkt an das nächsthöhere Gericht, in diesem Fall das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG).
Was kritisierte der Angeklagte am Urteil des Amtsgerichts?
Der Angeklagte stützte seine Sprungrevision auf die sogenannte „Sachrüge„. Das bedeutet, er monierte, dass das Urteil des Amtsgerichts juristisch fehlerhaft sei. Im Kern seiner Argumentation stand die Frage, ob eine „falsche Verdächtigung“ überhaupt vorliegen kann, wenn die Person, die man verdächtigt, gar nicht existiert. Er beanstandete damit implizit auch die Art und Weise, wie das Amtsgericht die Beweise gewürdigt hatte – also wie es die Fakten bewertet und seine Schlüsse daraus gezogen hatte. Insbesondere hielt er es für falsch, dass das Amtsgericht seiner Einlassung, die Person „T.“ existiere nicht, keinen Glauben schenkte und dies vorschnell als bloße Schutzbehauptung abtat, ohne die Frage der Existenz weiter aufzuklären.
Die Generalstaatsanwaltschaft M., die in Revisionsverfahren die Anklage vertritt, sah das anders. Sie beantragte, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen. Damit schloss sie sich der Ansicht des Amtsgerichts an, dass das Urteil rechtlich Bestand haben sollte.
Wie beurteilte das höhere Gericht die Sache grundsätzlich?
Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) musste nun prüfen, ob die Rechtsauffassung und die Beweiswürdigung des Amtsgerichts korrekt waren. Es legte zunächst die grundlegenden rechtlichen Prinzipien dar, die für den Straftatbestand der „falschen Verdächtigung“ entscheidend sind. Das Gericht stellte klar:
- Existenz der Person: Eine falsche Verdächtigung im Sinne des Gesetzes (§ 164 Strafgesetzbuch) setzt voraus, dass die Person, die verdächtigt wird, tatsächlich existiert. Es muss sich um einen konkreten Menschen handeln. Die Verdächtigung einer erfundenen oder bereits verstorbenen Person erfüllt diesen Tatbestand nach einhelliger Meinung nicht. Der Grund dafür ist, dass das Gesetz sowohl die Rechtspflege als auch den Einzelnen vor unbegründeten Anschuldigungen schützen soll. Wenn die Person nicht existiert, kann sie auch nicht persönlich geschädigt werden. Der Aspekt des unnötigen Aufwands für Behörden ist nach dieser juristischen Ansicht nicht ausreichend, um eine Straftat anzunehmen, wenn die verdächtigte Person nicht existiert.
- Beweiswürdigung: Die Art und Weise, wie ein Gericht die Beweise bewertet, muss auf einer soliden Grundlage beruhen. Eine bloße persönliche Überzeugung des Richters reicht nicht aus. Das Gericht muss alle verfügbaren Beweismittel sorgfältig prüfen und seine Schlüsse nachvollziehbar darlegen.
- Amtsaufklärungspflicht: Das Gesetz verpflichtet das Gericht, den Sachverhalt von sich aus vollständig aufzuklären. Das bedeutet, das Gericht muss alle notwendigen Beweise erheben, um die Wahrheit herauszufinden, und darf sich nicht nur auf das verlassen, was die Parteien vorbringen.
Warum musste das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben werden?
Das BayObLG kam zu dem Schluss, dass das Urteil des Amtsgerichts nicht bestehen bleiben konnte. Es fand sowohl Fehler in der rechtlichen Beurteilung als auch in der Beweiswürdigung:
- Rechtsfehler: Das Amtsgericht hatte angenommen, dass es für die Erfüllung des Straftatbestands der falschen Verdächtigung ausreicht, wenn eine Behörde aufgrund der falschen Angaben aktiv wird, selbst wenn die verdächtigte Person nicht existiert. Diese Ansicht widersprach, wie das BayObLG betonte, der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur. Das oberste Landesgericht bekräftigte, dass die Existenz der verdächtigten Person eine notwendige Voraussetzung ist. Der vom Amtsgericht betonte unnötige Verwaltungsaufwand allein ist in diesem Kontext nicht entscheidend.
- Mängel in der Beweiswürdigung: Das Amtsgericht hatte die Einlassung des Angeklagten, die Person „T.“ existiere nicht, als „auf anwaltliche Beratung zurückzuführende Schutzbehauptung“ abgetan. Dies wertete das BayObLG als eine unzulässige Spekulation. Das Gericht hätte dieser Frage weiter nachgehen müssen und nicht einfach annehmen dürfen, dass eine von einem Anwalt beratene Aussage weniger glaubwürdig sei als eine spontan gemachte. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der dies belegt. Das Amtsgericht hätte auch in seine Überlegungen einbeziehen müssen, dass der Mann mit seinen Angaben möglicherweise die sogenannte Verfolgungsverjährung der ursprünglichen Verkehrsordnungswidrigkeit erreichen wollte, indem er die Ermittlungen in die Länge zog.
Das BayObLG stellte fest, dass das Amtsgericht seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hatte. Es war die Aufgabe des Amtsgerichts gewesen, von Amts wegen zu klären, ob die benannte Person tatsächlich existiert oder ob der Angeklagte eine rein fiktive Person belastet hatte. Dafür hätte das Amtsgericht verschiedene Möglichkeiten gehabt, wie beispielsweise Nachforschungen einzuleiten oder sogar ein Ersuchen um Rechtshilfe im Ausland zu stellen, falls „T.“ dort vermutet worden wäre. Das Gericht durfte nicht einfach über den Inhalt einer anwaltlichen Beratung spekulieren und dann eine der Aussagen des Angeklagten für glaubwürdiger halten als die andere, ohne dies ausreichend zu begründen.
Was bedeutet das für den Mann und den Fall?
Aufgrund dieser schwerwiegenden Fehler in der rechtlichen Bewertung und der unzureichenden Beweiswürdigung durch das Amtsgericht hob das Bayerische Oberste Landesgericht das Urteil vollständig auf. Das bedeutet, dass die Verurteilung des Angeklagten kassiert wurde. Der Fall wird nun an einen anderen Strafrichter des Amtsgerichts Schwabach zurückverwiesen. Dort muss der gesamte Fall neu verhandelt und entschieden werden, wobei die neuen Erkenntnisse und die Rechtsauffassung des BayObLG zu beachten sind. Dies schließt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ein.
Wichtigste Erkenntnisse
Eine falsche Verdächtigung liegt nur dann vor, wenn die beschuldigte Person tatsächlich existiert – wer eine fiktive Person beschuldigt, macht sich nicht nach § 164 StGB strafbar.
- Existenz der verdächtigten Person ist Tatbestandsmerkmal: Der Straftatbestand der falschen Verdächtigung schützt sowohl die Rechtspflege als auch konkrete Personen vor unbegründeten Anschuldigungen. Eine nicht existierende Person kann nicht persönlich geschädigt werden, weshalb der bloße Verwaltungsaufwand für Behörden nicht ausreicht, um eine Strafbarkeit zu begründen.
- Anwaltliche Beratung mindert nicht die Glaubwürdigkeit: Gerichte dürfen nicht spekulieren, dass Aussagen nach anwaltlicher Beratung weniger glaubwürdig sind als spontane Einlassungen. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der diese Annahme rechtfertigt.
- Amtsaufklärungspflicht verlangt aktive Sachverhaltsermittlung: Richter müssen von Amts wegen alle erforderlichen Beweise erheben, um die Wahrheit zu ermitteln. Sie dürfen zentrale Tatsachenfragen nicht unaufgeklärt lassen und ihre Beweiswürdigung allein auf Vermutungen stützen.
Gerichte verstoßen gegen ihre Aufklärungspflicht, wenn sie entscheidende Fragen ungeklärt lassen und stattdessen auf bloße Spekulationen über die Motivation der Beteiligten abstellen.
Benötigen Sie Hilfe?
Wurden Sie wegen einer falschen Verdächtigung einer nicht existierenden Person belangt? Lassen Sie die Rechtslage in einer unverbindlichen Ersteinschätzung prüfen.
Das Urteil in der Praxis
Was auf den ersten Blick wie ein kleiner Fall von nebenan wirkt, ist in Wahrheit ein Lehrstück über die fundamentalen Pflichten der Strafjustiz. Das Bayerische Oberste Landesgericht erteilt dem Amtsgericht eine deutliche Lektion: Eine „falsche Verdächtigung“ setzt zwingend die Existenz der verdächtigten Person voraus. Noch brisanter ist die Rüge, dass eine Aussage nicht einfach als „Schutzbehauptung“ abgetan werden darf, nur weil sie nach anwaltlicher Beratung erfolgt. Dieses Urteil ist eine unmissverständliche Mahnung an die Instanzgerichte, ihre Amtsaufklärungspflicht ernst zu nehmen und nicht auf bloße Spekulationen zu vertrauen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Setzt der Straftatbestand der falschen Verdächtigung stets die Existenz der verdächtigten Person voraus?
Ja, der Straftatbestand der falschen Verdächtigung setzt nach der vorherrschenden juristischen Ansicht stets voraus, dass die verdächtigte Person tatsächlich existiert. Es muss sich dabei um einen konkreten, lebenden Menschen handeln, nicht um eine fiktive oder bereits verstorbene Identität.
Stellen Sie sich vor, ein Schiedsrichter im Sport soll einen Spieler für ein Foul bestrafen. Er kann dies nur tun, wenn der Spieler auch wirklich auf dem Feld steht. Würde er versuchen, eine nicht existierende Person zu bestrafen, ginge seine Aktion ins Leere, auch wenn die Suche nach diesem fiktiven Spieler Aufwand verursachen würde.
Der Hintergrund dieser Anforderung ist, dass das Gesetz hinter der falschen Verdächtigung einem doppelten Zweck dient: Es soll die ordnungsgemäße Funktion der Rechtspflege vor unnötiger Belastung schützen und ebenso wichtig, den einzelnen Menschen vor unbegründeten Anschuldigungen bewahren. Wenn eine verdächtigte Person nicht existiert, kann sie auch nicht persönlich geschädigt werden. Die reine Belastung der Behörden durch das Nachgehen von falschen Spuren ist in diesem Kontext allein nicht ausreichend, um den Straftatbestand der falschen Verdächtigung zu erfüllen.
Diese Voraussetzung stellt sicher, dass der Schutz des Gesetzes konkret bei einer existierenden Person ankommt und die Verfolgung eines Verdachts sinnvoll ist.
Welche Pflichten hat ein Gericht bei der Aufklärung des Sachverhalts in einem Verfahren?
Ein Gericht ist gesetzlich dazu verpflichtet, einen Sachverhalt in einem Verfahren umfassend und von sich aus aufzuklären. Dies bedeutet, dass es nicht nur abwartet, was die beteiligten Parteien vorbringen, sondern aktiv alle nötigen Beweise ermittelt, um die Wahrheit festzustellen.
Stellen Sie sich ein Gericht wie einen Detektiv vor, der nicht nur Zeugenaussagen anhört, sondern auch selbst aktiv Spuren sichert und alle Hinweise verfolgt, um ein vollständiges Bild der Geschehnisse zu erhalten.
Das Gericht darf Behauptungen nicht einfach als „Schutzbehauptungen“ abtun, ohne ihnen nachzugehen. Es muss selbstständig überprüfen, ob die vorgebrachten Tatsachen stimmen und alle relevanten Umstände berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hätte das Gericht beispielsweise aktiv klären müssen, ob die vom Angeklagten benannte Person tatsächlich existiert.
Eine Verurteilung darf nicht auf einem unvollständig ermittelten Sachverhalt beruhen. Werden diese Pflichten verletzt, kann ein Urteil von einem höheren Gericht aufgehoben und der Fall zur Neuverhandlung zurückverwiesen werden, um eine umfassende und korrekte Tatsachengrundlage zu schaffen.
Diese umfassende Aufklärungspflicht sichert die Fairness und die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen.
Wie bewerten Gerichte die Glaubwürdigkeit von Aussagen und Beweisen in einem Prozess?
Gerichte müssen die Glaubwürdigkeit von Aussagen und Beweisen in einem Prozess nach ihrer freien Überzeugung prüfen, aber diese Bewertung muss strengen Regeln folgen und darf niemals willkürlich sein. Es ist wichtig, dass diese Einschätzung nachvollziehbar begründet und auf einer soliden Tatsachengrundlage basiert.
Stellen Sie sich einen erfahrenen Gutachter vor, der nicht einfach ein Ergebnis aus dem Bauch heraus verkündet. Er muss seine Erkenntnisse Schritt für Schritt darlegen, alle Fakten berücksichtigen und genau erklären, wie er zu seiner Schlussfolgerung gelangt ist. Ein Gericht arbeitet ähnlich.
Ein Gericht muss alle verfügbaren Beweismittel sorgfältig prüfen. Es darf sich nicht auf bloße Vermutungen stützen oder Aussagen pauschal als unwahr abtun, nur weil sie von einer bestimmten Person oder nach einer Beratung gemacht wurden. Spekulationen, etwa über die Beweggründe für eine anwaltliche Beratung, sind dabei unzulässig. Die Bewertung der Beweise muss immer im Urteil nachvollziehbar dargelegt werden, damit alle Beteiligten die richterliche Gedankenführung verstehen können.
Diese strengen Anforderungen stellen sicher, dass Gerichtsverfahren fair und transparent sind und Entscheidungen auf Fakten und nicht auf Vorurteilen beruhen.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen, wenn man Behörden oder Gerichten falsche Angaben macht?
Wer Behörden oder Gerichten unwahre Angaben macht, riskiert ernsthafte rechtliche Konsequenzen, insbesondere eine Verurteilung wegen falscher Verdächtigung. Man kann sich das wie bei einem Spiel vorstellen, bei dem jemand bewusst einen Mitspieler zu Unrecht beschuldigt, um von eigenen Fehlern abzulenken. Dies lenkt nicht nur die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Geschehen ab, sondern führt auch dazu, dass die Spielleitung unnötig Ressourcen für eine falsche Spur aufwendet.
Eine falsche Verdächtigung ist gegeben, wenn unwahre Angaben über eine andere Person gemacht werden, die daraufhin einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verdächtigt wird. Dies ist ein Straftatbestand, der ernst genommen wird. Das Gesetz schützt dabei unter anderem die ordnungsgemäße Funktionsweise der Behörden und Gerichte, indem es verhindert, dass diese unnötig falschen Spuren nachgehen müssen. Selbst die bloße Aktivität der Behörden aufgrund der falschen Angaben kann für eine Verurteilung ausreichend sein. Solche Handlungen können zu empfindlichen Strafen führen, wie im konkreten Fall eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen.
Diese Regelungen dienen dem übergeordneten Ziel, die Wahrheitsfindung in Gerichtsverfahren und die Integrität der Rechtspflege zu gewährleisten.
Wozu dient ein Rechtsmittelverfahren wie eine Revision im deutschen Rechtssystem?
Ein Rechtsmittelverfahren wie die Revision dient dazu, gerichtliche Entscheidungen einer Überprüfung durch eine höhere Instanz zu unterziehen. Es ermöglicht die Korrektur von Fehlern, die in einem vorangegangenen Urteil gemacht wurden.
Man kann sich das wie im Sport vorstellen: Wenn ein Schiedsrichter eine wichtige Entscheidung trifft und ein Team diese für falsch hält, kann es Einspruch erheben. Ein übergeordneter Offizieller prüft dann anhand der Regeln, ob der Schiedsrichter die Spielregeln richtig angewendet hat, nicht ob die Spielsituation neu bewertet wird.
Eine Revision konzentriert sich primär auf Rechtsfehler oder Mängel in der Beweiswürdigung, die im ursprünglichen Urteil vorliegen. Das bedeutet, das höhere Gericht prüft, ob das erstinstanzliche Gericht das Gesetz richtig angewandt und alle Fakten korrekt bewertet und in seine Überlegungen einbezogen hat. Es geht nicht darum, den gesamten Fall mit allen Tatsachen von Grund auf neu zu verhandeln. So wurde im vorliegenden Fall geprüft, ob das Amtsgericht die rechtlichen Voraussetzungen für „falsche Verdächtigung“ korrekt beurteilt und die Einlassungen des Angeklagten richtig gewürdigt hatte.
Solche Rechtsmittel stellen sicher, dass die Rechtsprechung einheitlich bleibt, Fehlurteile korrigiert werden können und ein faires Verfahren für alle Beteiligten gewährleistet ist.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Amtsaufklärungspflicht
Die Amtsaufklärungspflicht bedeutet, dass ein Gericht von sich aus aktiv alle notwendigen Tatsachen und Beweise ermitteln muss, um den Sachverhalt vollständig und korrekt aufzuklären, und sich nicht allein auf das verlassen darf, was die Parteien vorbringen. Diese Pflicht stellt sicher, dass gerichtliche Entscheidungen auf einer umfassenden und wahrheitsgemäßen Grundlage beruhen. Sie dient dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Fairness des Verfahrens.
Beispiel: Das BayObLG stellte fest, dass das Amtsgericht seine „Amtsaufklärungspflicht“ verletzt hatte, indem es nicht selbstständig geklärt hatte, ob die vom Angeklagten benannte Person „T.“ tatsächlich existiert oder fiktiv war.
Beweiswürdigung
Beweiswürdigung bezeichnet den Prozess, in dem ein Gericht alle vorgelegten Beweise – wie Zeugenaussagen oder Dokumente – sorgfältig prüft, bewertet und daraus seine Überzeugung über den tatsächlichen Geschehensablauf bildet. Das Gericht muss dabei eine nachvollziehbare Begründung liefern, wie es zu seinen Schlüssen gelangt ist, und darf sich nicht auf bloße Vermutungen oder Vorurteile stützen. Ziel ist es, eine Entscheidung auf einer soliden und transparenten Faktenbasis zu treffen.
Beispiel: Das BayObLG rügte die „Beweiswürdigung“ des Amtsgerichts, weil es die Aussage des Angeklagten als „Schutzbehauptung“ abgetan hatte, ohne dies ausreichend zu begründen oder die Existenz der verdächtigten Person weiter aufzuklären.
Falsche Verdächtigung
Falsche Verdächtigung bezeichnet eine Straftat, bei der jemand vorsätzlich unwahre Behauptungen über eine andere Person aufstellt, um diese zu Unrecht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen. Das Gesetz schützt damit sowohl die Rechtspflege vor unnötigem Aufwand als auch den Einzelnen vor unbegründeten Anschuldigungen. Die Kernvoraussetzung ist dabei, dass die verdächtigte Person tatsächlich existiert, da sie sonst nicht persönlich geschädigt werden kann.
Beispiel: Im Artikel wurde der Mann wegen „falscher Verdächtigung“ verurteilt, weil er behauptete, ein Bekannter namens „T.“ sei gefahren, um sich selbst zu entlasten, obwohl diese Person später angeblich gar nicht existierte.
Sachrüge
Eine Sachrüge ist ein Rechtsmittelgrund in der Revision, mit dem der Kläger beanstandet, dass das vorinstanzliche Urteil juristisch fehlerhaft ist, also das Gesetz falsch angewendet wurde. Sie dient dazu, die richtige Anwendung des materiellen Rechts sicherzustellen und ermöglicht dem Revisionsgericht, das Urteil auf Rechtsfehler zu überprüfen, ohne den Sachverhalt neu zu ermitteln. Es geht um die „richtige“ Rechtsauffassung.
Beispiel: Der Angeklagte stützte seine Sprungrevision auf die sogenannte „Sachrüge“, um zu kritisieren, dass das Amtsgericht die Voraussetzungen der „falschen Verdächtigung“ falsch ausgelegt hatte, insbesondere hinsichtlich der Existenz der verdächtigten Person.
Schutzbehauptung
Eine Schutzbehauptung ist eine Aussage, die jemand in einem Verfahren tätigt, um sich selbst zu entlasten oder einem Nachteil zu entgehen, auch wenn sie nicht der Wahrheit entspricht. Gerichte müssen solche Behauptungen auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen, dürfen sie aber nicht pauschal als unwahr abtun, nur weil sie eigennützig erscheinen oder auf rechtlicher Beratung beruhen. Das Recht gewährt jedem Angeklagten das Recht, sich zu verteidigen.
Beispiel: Das Amtsgericht hatte die nachträgliche Aussage des Mannes, die Person „T.“ gäbe es gar nicht, als bloße „Schutzbehauptung“ gewertet und diese damit als unglaubwürdig eingestuft, ohne die Existenz von „T.“ weiter zu prüfen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Falsche Verdächtigung (§ 164 Strafgesetzbuch)Diese Regelung verbietet, unwahre Angaben über eine andere Person zu machen, die daraufhin einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verdächtigt wird.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Entscheidend ist hier, dass eine Verurteilung wegen falscher Verdächtigung voraussetzt, dass die verdächtigte Person tatsächlich existiert; die Verdächtigung einer erfundenen Person ist für diesen Straftatbestand nicht ausreichend.
- Amtsaufklärungspflicht (z.B. § 244 Abs. 2 Strafprozessordnung)Ein Gericht ist verpflichtet, von sich aus den Sachverhalt vollständig aufzuklären und alle notwendigen Beweise zu erheben, um die Wahrheit herauszufinden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht hat diese Pflicht verletzt, indem es nicht selbstständig geklärt hat, ob die von dem Angeklagten benannte Person „T.“ überhaupt existiert, und stattdessen nur spekuliert hat.
- Beweiswürdigung (z.B. § 261 Strafprozessordnung)Ein Gericht muss die im Verfahren erhobenen Beweise sorgfältig und nachvollziehbar bewerten und seine Schlussfolgerungen klar begründen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht hat hier fehlerhaft gehandelt, indem es die Aussage des Angeklagten als bloße „Schutzbehauptung“ abtat, ohne dies ausreichend zu begründen oder die Glaubwürdigkeit einer anwaltlich beratenen Aussage pauschal anzuzweifeln.
- Sachrüge (Revision im Strafverfahren)Dies ist ein Rechtsmittel, mit dem überprüft wird, ob ein Gericht das Recht in seinem Urteil korrekt angewendet und seine Begründung fehlerfrei ist.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Angeklagte nutzte die Sachrüge, um die rechtliche Fehlinterpretation des Straftatbestands der falschen Verdächtigung und die unzureichende Beweiswürdigung des Amtsgerichts durch das höhere Gericht überprüfen zu lassen.
Das vorliegende Urteil
BayObLG – Az.: 203 StRR 93/25 – Beschluss vom 07.04.2025
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