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Falsche Verdächtigung bei nicht existierender Person: Erfundener Fahrer strafbar?

Um ein Bußgeld wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung abzuwenden, beging der Halter eine falsche Verdächtigung bei nicht existierender Person, indem er einen Fantasienamen nannte. Das bayerische Gericht musste nun entscheiden, ob eine Verdächtigung ins Leere laufen kann und welche Aufklärungspflicht die Justiz verletzt hatte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 203 StRR 93/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
  • Datum: 07.04.2025
  • Aktenzeichen: 203 StRR 93/25
  • Verfahren: Revision in einer Strafsache
  • Rechtsbereiche: Strafrecht, Falsche Verdächtigung, Beweiswürdigung

  • Das Problem: Ein Betroffener in einem Verfahren nannte als Fahrer seines Autos einen Bekannten. Später gab er an, diese benannte Person existiere gar nicht. Das Amtsgericht verurteilte ihn trotzdem wegen falscher Verdächtigung.
  • Die Rechtsfrage: Macht man sich strafbar, wenn man eine Person erfindet, um von sich selbst abzulenken? Muss das Gericht prüfen, ob diese benannte Person überhaupt existiert?
  • Die Antwort: Das vorherige Urteil wurde aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die strafbare falsche Verdächtigung setzt zwingend voraus, dass die belastete Person tatsächlich existiert. Das Gericht hatte diese Existenz nicht ausreichend aufgeklärt.
  • Die Bedeutung: Gerichte müssen vor einer Verurteilung wegen falscher Verdächtigung alle Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen. Es reicht nicht aus, wenn eine Behörde nur unnötigen Verwaltungsaufwand hatte oder das Gericht spekuliert.

Falsche Verdächtigung bei nicht existierender Person: Warum eine clevere Lüge nicht immer strafbar ist

Der Beschuldigte protokolliert die Behauptung. Prüft das Gericht die Existenz der erfundenen Person als Tatbestandsvoraussetzung?
BayObLG: Falsche Verdächtigung setzt die Existenz einer realen Person voraus. | Symbolbild: KI

Ein Mann teilt der Polizei mit, ein Bekannter namens „T.“ sei mit seinem Auto zu schnell gefahren. Später gibt er vor Gericht zu: Diesen Bekannten gibt es gar nicht. Ist das bereits eine strafbare falsche Verdächtigung, weil die Behörden unnötig ermitteln mussten? Oder schützt das Gesetz nur real existierende Personen vor falschen Anschuldigungen? In einer wegweisenden Entscheidung vom 7. April 2025 (Az. 203 StRR 93/25) musste das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) die genauen Grenzen dieses Straftatbestands ziehen und korrigierte damit ein Urteil der Vorinstanz fundamental.

Was war genau passiert?

Die Geschichte beginnt mit einem alltäglichen Ärgernis: einer Verkehrsordnungswidrigkeit. Der Halter eines Fahrzeugs wurde als Betroffener angehört. Um das Bußgeld von sich abzuwenden, griff er zu einer scheinbar einfachen Lösung. Am 14. November 2023 erklärte er gegenüber Polizeibeamten, nicht er selbst, sondern ein Bekannter namens „T.“ sei zur Tatzeit am Steuer gesessen. Um seiner Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, fügte er hinzu, dieser „T.“ halte sich regelmäßig einmal im Monat an seiner Wohnanschrift auf.

Diese Angabe setzte den behördlichen Apparat in Bewegung. Das Polizeiverwaltungsamt ordnete pflichtgemäß die Anhörung des benannten Fahrers an. Doch die Ermittlungen liefen ins Leere. Als der Fall schließlich vor dem Amtsgericht Schwabach verhandelt wurde, änderte der Fahrzeughalter seine Strategie. Anwaltlich vertreten erklärte er nun, die von ihm benannte Person „T.“ existiere überhaupt nicht.

Das Amtsgericht schenkte diesem Widerruf jedoch keinen Glauben. Die Richter werteten die neue Aussage als reine Schutzbehauptung, die nur auf Anraten des Anwalts zustande gekommen sei. Sie gingen davon aus, dass die ursprüngliche Aussage bei der Polizei die Wahrheit war und verurteilten den Mann am 10. Oktober 2024 wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte eine sogenannte Sprungrevision ein, ein Rechtsmittel, das direkt an das nächsthöhere Gericht geht und sich auf Rechtsfehler stützt.

Welche Gesetze entscheiden über eine falsche Verdächtigung?

Im Zentrum dieses Falles steht ein einziger Paragraph aus dem Strafgesetzbuch: § 164 StGB, die falsche Verdächtigung. Dieses Gesetz soll zwei wichtige Güter schützen: Zum einen die Rechtspflege selbst, die nicht durch falsche Fährten und unnötige Ermittlungen fehlgeleitet werden soll. Zum anderen, und das ist für diesen Fall entscheidend, schützt es einzelne, unschuldige Personen davor, zu Unrecht behördlichen oder gerichtlichen Maßnahmen ausgesetzt zu werden.

Der Paragraph unterscheidet zwei Varianten:

  • § 164 Abs. 1 StGB bestraft die Verdächtigung einer anderen Person wegen einer rechtswidrigen Tat, also einer Straftat.
  • § 164 Abs. 2 StGB bestraft die Verdächtigung wegen einer sonstigen Pflichtverletzung, was insbesondere Ordnungswidrigkeiten wie einen Geschwindigkeitsverstoß erfasst.

Eine weitere entscheidende Vorschrift für das Verfahren war die Aufklärungspflicht des Gerichts nach § 244 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO). Sie verpflichtet ein Gericht, zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Ein Richter darf sich also nicht mit seiner persönlichen Überzeugung begnügen, wenn es noch offene Fragen oder verfügbare Ermittlungswege gibt.

Warum hob das Obergericht die Verurteilung auf?

Das BayObLG zerlegte die Entscheidung des Amtsgerichts Schwabach Punkt für Punkt und kam zu dem Schluss, dass sie weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Bestand haben konnte. Die Begründung der Richter stützt sich auf drei zentrale Säulen.

Der entscheidende Fehler: Eine Verdächtigung ins Leere ist nicht strafbar

Das Kernargument des BayObLG war eine klare juristische Grenzziehung: Der Straftatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 StGB setzt zwingend voraus, dass die Anschuldigung sich gegen eine bestimmte oder zumindest bestimmbare, existierende andere Person richtet. Die bloße Erfindung eines Phantoms, um die Behörden auf eine falsche Fährte zu locken, erfüllt diesen Tatbestand nicht.

Das Gericht stellte klar, dass diese Auslegung keine neue Rechtsfindung ist, sondern der einhelligen Meinung in der juristischen Literatur und der ständigen Rechtsprechung entspricht. Es verwies dabei explizit auf frühere Entscheidungen, unter anderem des Bundesgerichtshofs (BGH, U. v. 1.7.1959 – 2 StR 220/59). Die Argumentation des Amtsgerichts, es genüge bereits, dass die Behörden unnötigen Verwaltungsaufwand betreiben mussten, wies das BayObLG zurück. Der Schutz der staatlichen Ressourcen ist zwar ein Nebeneffekt des Gesetzes, aber nicht sein primärer Zweck. Im Vordergrund steht der Schutz eines konkreten Individuums. Findet sich kein solches Individuum, weil es erfunden wurde, läuft die Verdächtigung ins Leere und ist nach § 164 StGB nicht strafbar.

Die verpasste Ermittlungspflicht: Warum bloßer Glaube eines Richters nicht ausreicht

Selbst wenn die Rechtsfrage anders zu bewerten wäre, hätte das Urteil laut BayObLG keinen Bestand gehabt. Der Grund liegt in einem schweren Verfahrensfehler: Das Amtsgericht hatte seine Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO verletzt.

Die zentrale Frage des gesamten Prozesses war: Existiert „T.“ oder nicht? Das Amtsgericht hatte diese Frage einfach offengelassen. Es begnügte sich mit der Annahme, der Angeklagte habe gelogen, ohne dies durch Fakten zu untermauern. Das BayObLG machte deutlich, dass dies nicht ausreicht. Ein Gericht muss seine Überzeugung auf eine tragfähige und nachvollziehbare Tatsachengrundlage stützen.

Dazu hätte das Amtsgericht von sich aus Ermittlungen anstellen müssen. Die Richter des BayObLG zählten beispielhaft auf, was möglich gewesen wäre: eine Ausschreibung des benannten Zeugen zur Fahndung nach § 131a StPO, simple Nachforschungen im Inland oder, falls es Anhaltspunkte für einen Auslandsbezug gäbe, sogar ein internationales Rechtshilfeersuchen. Da das Gericht all diese naheliegenden Schritte unterließ, beruhte seine Verurteilung nicht auf Beweisen, sondern auf einer reinen Vermutung – und war damit rechtsfehlerhaft.

Die fehlerhafte Beweiswürdigung: Eine Schutzbehauptung ist nicht automatisch eine Lüge

Schließlich kritisierte das BayObLG die Logik, mit der das Amtsgericht die Glaubwürdigkeit des Angeklagten bewertet hatte. Das Amtsgericht argumentierte, die erste Aussage bei der Polizei sei glaubhafter, weil die spätere Aussage im Gericht – der Widerruf – unter anwaltlichem Einfluss gestanden habe und daher nur eine Schutzbehauptung sei.

Diese Schlussfolgerung bezeichnete das BayObLG als unbelegte Spekulation. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, der besagt, dass eine Aussage, die nach anwaltlicher Beratung gemacht wird, per se weniger glaubwürdig ist. Im Gegenteil, oft wird ein Beschuldigter erst durch einen Anwalt über seine Rechte und die Konsequenzen seiner Aussagen vollständig aufgeklärt. Die Bewertung des Amtsgerichts war daher willkürlich und nicht durch Fakten gestützt. Zudem hatte das Gericht alternative Motive, wie etwa das Ziel des Angeklagten, die Verjährung der Ordnungswidrigkeit herbeizuführen, gar nicht in Erwägung gezogen.

Aufgrund dieser gravierenden Mängel hob das BayObLG das Urteil vollständig auf und verwies den Fall zur neuen Verhandlung an einen anderen Richter am Amtsgericht Schwabach zurück. Dieser wird nun die versäumten Ermittlungen zur Existenz von „T.“ nachholen müssen, bevor er eine Entscheidung treffen kann.

Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?

Die Entscheidung des BayObLG schafft Klarheit an der Grenze zwischen einer straflosen Lüge und einer strafbaren falschen Verdächtigung. Sie zeigt, dass nicht jede Täuschung der Behörden automatisch den Tatbestand des § 164 StGB erfüllt. Die folgende Checkliste fasst die Kernaussagen des Urteils für die Praxis zusammen.

Checkliste: Wann eine falsche Anschuldigung strafbar ist

  • Existenz der beschuldigten Person: Die Strafbarkeit nach § 164 StGB setzt immer voraus, dass Sie eine real existierende Person beschuldigen. Die Erfindung eines fiktiven Täters, um von sich abzulenken, ist keine falsche Verdächtigung im Sinne dieses Gesetzes.
  • Bestimmbarkeit der Person: Es reicht aus, wenn die Person durch Ihre Angaben für die Behörden identifizierbar wird (z.B. durch Name, Anschrift, Kennzeichen). Eine vage Verdächtigung („irgendein Südländer war es“) ist in der Regel nicht ausreichend.
  • Wissen um die Unwahrheit: Sie müssen wider besseres Wissen handeln, also genau wissen, dass die von Ihnen beschuldigte Person unschuldig ist.
  • Absicht der Verfolgung: Sie müssen die Absicht haben, dass gegen diese Person behördliche Maßnahmen (Ermittlungsverfahren, Bußgeldverfahren etc.) eingeleitet werden.
  • Der Behördenaufwand allein genügt nicht: Die Tatsache, dass die Polizei oder die Staatsanwaltschaft durch Ihre Lüge Arbeit hatte, macht die Handlung allein noch nicht strafbar. Der Schutz des Gesetzes zielt auf die zu Unrecht beschuldigte Person, nicht primär auf die Verwaltung.
  • Gerichtliche Aufklärungspflicht: Gerichte dürfen eine Verurteilung nicht auf bloße Vermutungen stützen. Sie sind verpflichtet, entscheidende Tatsachen – wie die Existenz einer Person – von Amts wegen zu ermitteln, bevor sie ein Urteil fällen.

Die Urteilslogik

Die strafrechtliche Verfolgung einer falschen Verdächtigung scheitert, wenn der vermeintliche Täter nicht existiert, da das Gesetz primär das Individuum und nicht den Verwaltungsaufwand schützt.

  • [Schutz gilt nur für Existierendes]: Das Gesetz zur falschen Verdächtigung schützt ausschließlich konkrete, existierende oder zumindest bestimmbare Individuen; die Anschuldigung eines Phantoms oder einer erfundenen Person läuft ins Leere und erfüllt den Straftatbestand des § 164 StGB nicht.
  • [Wahrheitsfindung ersetzt Vermutung]: Gerichte erfüllen ihre Aufklärungspflicht nur, indem sie alle entscheidungsrelevanten Tatsachen aktiv ermitteln; sie dürfen eine Verurteilung niemals auf bloße Vermutungen oder eine offengelassene Frage zur Existenz des Beschuldigten stützen.
  • [Anwaltliche Beratung stärkt die Glaubwürdigkeit]: Eine Aussage, die nach anwaltlicher Beratung erfolgt, gilt nicht automatisch als eine unglaubwürdige Schutzbehauptung, da erst die juristische Begleitung eine vollständige Aufklärung über Rechte und die Konsequenzen der Äußerungen ermöglicht.

Die genaue Einhaltung der gesetzlichen Definitionen und der gerichtlichen Aufklärungspflicht gewährleistet, dass die Justiz zwischen straflosen Täuschungen und dem notwendigen Schutz des Individuums sauber unterscheidet.


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Experten Kommentar

Wie oft hört man den Satz, man solle gegenüber den Behörden die Wahrheit sagen – dieses Urteil zeigt, dass die Qualität der Lüge entscheidend ist. Das BayObLG zieht eine klare rote Linie: Der Straftatbestand der falschen Verdächtigung schützt in erster Linie existierende, unschuldige Personen, nicht primär die Verwaltung vor unnötigem Aufwand. Wer als Beschuldigter einen komplett erfundenen Täter benennt, mag täuschen, erfüllt aber § 164 StGB nicht, weil die Anschuldigung ins Leere läuft. Juristisch gesehen ist die Erfindung eines Phantoms ein strategischer Schachzug, um die Strafbarkeit zu vermeiden. Zudem bekam das Amtsgericht eine deutliche Lektion erteilt: Richter dürfen sich bei der Frage nach der Existenz eines Menschen niemals auf bloße Vermutungen stützen.


Symbolische Grafik zu FAQ - Häufig gestellte Fragen aus dem Strafrecht" mit Waage der Gerechtigkeit und Gesetzbüchern im Hintergrund

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Mache ich mich strafbar, wenn ich einen fiktiven Fahrer für mein Bußgeld angebe?

Die Angabe eines fiktiven Fahrers zur Abwendung eines Bußgeldes erfüllt den Straftatbestand der Falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) in der Regel nicht. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) entschied, dass eine strafbare Verdächtigung immer gegen eine real existierende Person gerichtet sein muss. Die bloße Erfindung eines Phantoms, um die Behörden auf eine falsche Fährte zu locken, genügt für dieses spezifische Delikt nicht.

Der zentrale Schutzbereich des § 164 StGB ist das Recht eines unschuldigen Individuums, nicht Ziel ungerechtfertigter behördlicher Maßnahmen zu werden. Richtet sich die Anschuldigung gegen eine nicht-existierende Person, läuft die Verdächtigung juristisch „ins Leere“. Der Aufwand für Polizei oder Verwaltung, die Ermittlungen unnötig aufnehmen mussten, ist nur ein Nebenzweck des Gesetzes. Dieser Verwaltungsaufwand allein begründet die Strafbarkeit wegen Falscher Verdächtigung nicht.

Diese klare juristische Abgrenzung gilt allerdings nur, solange die verdächtigte Person nicht existiert und auch nicht bestimmbar ist. War das Phantom hingegen so konkret beschrieben, dass die Behörden eine real existierende Person für die Ermittlungen identifizieren konnten, kann der Tatbestand erfüllt sein. Obwohl die Falsche Verdächtigung entfällt, kann die Lüge andere strafrechtliche Konsequenzen haben: Wer absichtlich die eigene Bestrafung verhindern will, riskiert eine Strafbarkeit wegen versuchter Strafvereitelung (§ 258 StGB).

Prüfen Sie sofort, welche konkreten Formulierungen Sie gegenüber den Behörden verwendet haben, um festzustellen, ob Ihre Angaben eine dritte Person zumindest bestimmbar gemacht haben könnten.


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Muss die beschuldigte Person wirklich existieren, damit falsche Verdächtigung vorliegt?

Ja, die Existenz der beschuldigten Person ist ein absolutes und zwingendes Tatbestandsmerkmal der falschen Verdächtigung gemäß § 164 StGB. Ohne ein konkretes Individuum, das existiert und durch die gemachten Angaben identifizierbar ist, läuft die Anschuldigung juristisch gesehen ins Leere. Die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bayerischen Obersten Landesgerichts fordert zwingend eine bestimmbare Person.

Der Gesetzgeber schuf den Paragraphen primär, um das Recht unschuldiger Bürger zu schützen. Sie sollen nicht Ziel unnötiger behördlicher oder gerichtlicher Verfolgung werden. Das Gericht muss feststellen, dass ein unschuldiges Individuum durch die Anschuldigung konkret gefährdet wurde, damit die falsche Verdächtigung greift. Der Nebeneffekt, nämlich die Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands bei den Behörden, begründet die Strafbarkeit allein nicht.

Nehmen wir an, Sie nennen eine fiktive Person oder beschreiben jemanden so vage, dass die Ermittler diese nicht identifizieren können, etwa als „irgendein Bekannter aus dem Urlaub“. Wenn die Identität der Person weder bestimmt noch bestimmbar ist, liegt keine strafbare falsche Verdächtigung vor. Die Verteidigung kann dann rügen, dass der Tatbestand mangels Schutzobjekt objektiv nicht erfüllt ist.

Sammeln Sie Beweise des BayObLG-Falles (Az. 203 StRR 93/25), um diese als präjudizielle Argumentationsgrundlage für Ihre Verteidigung vorzubringen.


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Wie muss ein Gericht die Existenz des benannten Fahrers rechtlich prüfen?

Ein Gericht ist verpflichtet, die Existenz eines benannten Fahrers von Amts wegen zu prüfen. Es darf die Aussage des Angeklagten nicht einfach als unglaubwürdig abtun oder auf persönlichen Unglauben stützen. Die richterliche Überzeugung muss vielmehr auf einer tragfähigen und nachvollziehbaren Tatsachengrundlage beruhen. Verzichtet ein Gericht auf jegliche Beweiserhebung, liegt ein schwerwiegender Verfahrensfehler vor, der das spätere Urteil anfechtbar macht.

Diese Pflicht zur aktiven Sachverhaltsermittlung ergibt sich aus § 244 Abs. 2 StPO (Strafprozessordnung). Dieser Paragraph verlangt, dass die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken ist, die für die Urteilsfindung Bedeutung haben. Selbst wenn das Gericht die Aussage des Angeklagten für eine Schutzbehauptung hält, muss es naheliegende Schritte ergreifen, um die Existenz des Zeugen zu überprüfen. Das Gericht ist zur Erforschung der Wahrheit verpflichtet und muss alle verfügbaren Ermittlungswege nutzen.

Unterlässt das Gericht solche naheliegenden Maßnahmen, wie beispielsweise Meldeabfragen oder die Ausschreibung des benannten Zeugen zur Fahndung, verletzt es seine Aufklärungspflicht. Beruht das Urteil lediglich auf der reinen Vermutung, der Angeklagte lüge, so ist die Verurteilung rechtsfehlerhaft. Dadurch besteht die Möglichkeit, das Urteil in der nächsthöheren Instanz erfolgreich anzufechten, weil der Richter die entscheidende Frage der Existenz nicht durch Beweise geklärt hat.

Lassen Sie das Sitzungsprotokoll unbedingt durch Ihren Anwalt prüfen, um festzustellen, ob das Gericht die Ermittlung der Existenz des Fahrers gänzlich unterlassen und damit die Aufklärungspflicht verletzt hat.


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Bin ich wegen falscher Verdächtigung angeklagt, obwohl nur die Behörden getäuscht wurden?

Nein, der durch die Täuschung verursachte Aufwand bei Polizei oder Verwaltung reicht allein nicht für eine Verurteilung aus. Die Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG), betont, dass das zentrale Schutzgut der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) die unschuldige Person ist. Dieses Gesetz schützt nicht primär die staatlichen Ressourcen oder Abläufe.

Der Gesetzgeber schuf § 164 StGB, um Bürger davor zu bewahren, unberechtigt behördlicher oder gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt zu werden. Fehlt diese konkret existierende und bestimmbare Person, weil die Beschuldigung ins Leere läuft, ist das Hauptziel des Gesetzes nicht berührt. Eine falsche Verdächtigung muss demnach zwingend gegen ein konkretes Individuum gerichtet sein, damit der Tatbestand objektiv erfüllt wird.

Die Argumentation, der unnötige Ermittlungsaufwand begründe bereits die Strafbarkeit, wurde vom BayObLG explizit zurückgewiesen. Das Gericht stellte klar: Die Täuschung der Behörden durch das Legen einer falschen Fährte für sich genommen stellt keine falsche Verdächtigung dar, wenn dadurch kein existierender Mensch gefährdet wird. Konkret hob das Gericht ein Urteil auf, weil das Amtsgericht die objektive Voraussetzung des existierenden Opfers nicht ausreichend ermittelt hatte.

Lassen Sie Ihren Anwalt prüfen, ob die Anklage primär auf den Verwaltungsaufwand abstellt, um diesen Punkt gezielt mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzugreifen.


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Welche anderen Straftaten drohen mir, wenn ich die Ermittlungsbehörden täusche?

Die Erleichterung über den Wegfall der Falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) ist oft nur kurz. Obwohl die Angabe eines Phantoms nicht direkt den Schutz einer konkreten Person verletzt, bedeutet die Täuschung der Behörden keine allgemeine Straflosigkeit. Droht die Lüge dazu, die eigene Bestrafung abzuwenden, besteht die Gefahr einer Anklage wegen versuchter Strafvereitelung. Dieses Delikt betrifft Ihre Absicht, staatliche Sanktionen gegen sich selbst zu verhindern.

Der zentrale alternative Straftatbestand ist die Strafvereitelung nach § 258 StGB. Dieses Gesetz bestraft jene, die absichtlich verhindern, dass ein anderer — oder auch sie selbst — wegen einer rechtswidrigen Tat oder Ordnungswidrigkeit bestraft wird. Entscheidend ist hier die Absicht des Täters: Soll die Lüge die Verjährung der zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit herbeiführen, liegt ein strafrechtlich relevantes Motiv vor. Gerichte müssen diese alternative Motivation prüfen und dürfen sich nicht auf die bloße Vermutung stützen, der Angeklagte lüge.

Relevant für die Bewertung der Schuld ist auch, in welchem Stadium die Lüge stattfand. Erfolgt die unwahre Angabe lediglich gegenüber einem Polizeibeamten, handelt es sich meist um eine versuchte Strafvereitelung. Äußern Sie jedoch eine falsche uneidliche Aussage vor Gericht oder legen Zeugnis unter Eid ab, erfüllen Sie sofort einen schwerwiegenden, eigenständigen Straftatbestand. Wichtig ist, dass eine nachträgliche Korrektur der Angaben vor Gericht nicht automatisch als negatives Schuldeingeständnis gewertet werden darf.

Dokumentieren Sie sofort den exakten Zeitpunkt des ursprünglichen Verkehrsverstoßes, um die Frist der Verjährung der Ordnungswidrigkeit präzise berechnen zu können.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Aufklärungspflicht

Die Aufklärungspflicht, verankert in § 244 Abs. 2 StPO, schreibt dem Gericht zwingend vor, in einem Prozess zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel auszudehnen, die für die Entscheidung wichtig sind. Ein Richter darf sich nicht mit seiner persönlichen Überzeugung zufriedengeben, sondern muss alle verfügbaren und naheliegenden Ermittlungswege beschreiten, bevor er ein Urteil fällt.
Beispiel: Das Amtsgericht Schwabach verletzte seine Aufklärungspflicht, als es die entscheidende Frage, ob der benannte Fahrer „T.“ existiere, nicht durch simple Meldeabfragen oder Fahndungsmaßnahmen überprüfte.

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Bestimmbare Person

Juristen legen fest, dass eine Verdächtigung nach § 164 StGB nur strafbar ist, wenn sie sich gegen eine konkret existierende und identifizierbare andere Person richtet. Dieses Erfordernis der Bestimmbarkeit schützt unschuldige Individuen davor, zu Unrecht in behördliche Verfahren verwickelt zu werden. Läuft die Anschuldigung mangels existierendem Opfer ins Leere, greift der zentrale Schutzzweck des Gesetzes nicht.
Beispiel: Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte klar, dass die Angabe des fiktiven Fahrers „T.“ keine strafbare Falsche Verdächtigung darstellte, weil es keine bestimmbare Person gab, gegen die eine behördliche Verfolgung hätte eingeleitet werden können.

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Falsche Verdächtigung

Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) begeht, wer einen anderen wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder einer Pflichtverletzung bezichtigt, um ein behördliches Verfahren gegen diese Person herbeizuführen. Der Gesetzgeber schützt mit diesem Straftatbestand die staatliche Rechtspflege vor irreführenden Ermittlungen und die Unschuld der zu Unrecht beschuldigten Bürger.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft klagte den Fahrzeughalter wegen Falscher Verdächtigung an, da er der Polizei vorsätzlich mitgeteilt hatte, der Bekannte „T.“ sei für die Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortlich gewesen.

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Ordnungswidrigkeit

Als Ordnungswidrigkeit bezeichnen Juristen eine geringfügige Verletzung der Rechtsordnung, die zwar nicht strafbar ist, aber typischerweise mit einem Bußgeld geahndet wird. Das Gesetz trennt bewusst schwere Straftaten von diesen minderschweren Pflichtverletzungen, um die Gerichte zu entlasten und schnellere, verwaltungsrechtliche Sanktionen zu ermöglichen.
Beispiel: Im vorliegenden Fall versuchte der Halter, sich durch die Angabe eines Phantoms der Verantwortung für die ursprünglich begangene Verkehrsordnungswidrigkeit, nämlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung, zu entziehen.

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Schutzbehauptung

Im Strafprozess ist eine Schutzbehauptung die Aussage eines Angeklagten, die darauf abzielt, die eigene Verurteilung abzuwenden, wobei die Wahrhaftigkeit der Aussage für das Gericht zunächst offenbleibt. Dieses juristische Konzept hilft dem Gericht bei der Beweiswürdigung, indem es Aussagen des Beschuldigten, die offensichtlich auf taktischen Motiven beruhen, kritisch hinterfragt.
Beispiel: Das BayObLG kritisierte, dass das Amtsgericht die spätere Aussage des Angeklagten ohne stichhaltige Begründung als reine Schutzbehauptung abtat, nur weil sie unter anwaltlichem Einfluss zustande gekommen war.

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Sprungrevision

Die Sprungrevision ist ein besonderes Rechtsmittel im Strafverfahren, das es dem Angeklagten ermöglicht, ein Urteil des Amtsgerichts direkt vom nächsthöheren Gericht auf Rechtsfehler überprüfen zu lassen. Dieses Verfahren überspringt die übliche Berufungsinstanz und dient der Verfahrensbeschleunigung, setzt aber voraus, dass ausschließlich Rechtsfragen und keine neuen Tatsachen geklärt werden müssen.
Beispiel: Der Angeklagte legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwabach Sprungrevision ein, um schnell eine Klärung der grundsätzlichen juristischen Frage nach der Strafbarkeit der Verdächtigung ins Leere zu erreichen.

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Strafvereitelung

Wer absichtlich verhindert, dass eine Person – sei es ein anderer oder er selbst – wegen einer rechtswidrigen Tat oder Ordnungswidrigkeit bestraft wird, macht sich der Strafvereitelung nach § 258 StGB schuldig. Dieser Paragraph soll verhindern, dass rechtskräftige Sanktionen vereitelt oder die Verfolgung von Tätern behindert wird, um so die staatliche Autorität und die Durchsetzung der Rechtsordnung zu schützen.
Beispiel: Auch wenn die Falsche Verdächtigung ausscheidet, könnte dem Angeklagten der Vorwurf der versuchten Strafvereitelung gemacht werden, falls seine Lüge bezweckte, die Verjährung der zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit herbeizuführen.

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Das vorliegende Urteil


BayObLG – Az.: 203 StRR 93/25 – Beschluss vom 07.04.2025


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