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Jugendstrafrecht – rechtswidrige Anordnung der Erbringung von Arbeitsleistungen

LG Kaiserslautern – Az.: 8 Qs 13/14 – Beschluss vom 30.07.2014

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts – Jugendrichter – Rockenhausen vom 30.09.2013, Az.: VRJs 3/13, aufgehoben.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die diesbezüglichen notwendigen Auslagen des Verurteilten hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 13.12.2012 (Az.: 6114 Js 8973/11) hat das Amtsgericht – Jugendrichter – Rockenhausen den nunmehrigen Beschwerdeführer wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Schusswaffen verwarnt und ihm aufgegeben, bis spätestens 31.07.2013 nach Weisung des Kreisjugendamtes 6 Monate gemeinnützige Arbeit zu erbringen.

In der Folgezeit leistete der Verurteilte keine Arbeitsstunden.

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, gegen den Verurteilten Ungehorsamsarrest zu verhängen.

Mit Beschluss vom 30.09.2013 hat das Amtsgericht Rockenhausen gegen den Verurteilten einen Ungehorsamsarrest von 2 Wochen verhängt und zur Begründung ausgeführt, der Verurteilte sei der Arbeitsauflage nicht nachgekommen.

Gegen jenen ihm (erst) am 22.05.2014 zugestellten Beschluss hat der Verurteilte am 26.05.2014 beim Amtsgericht Rockenhausen sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beschluss des Amtsgerichts Rockenhausen war aufzuheben. Der Verurteilte hat zwar die mit Urteil des Amtsgerichts Rockenhausen erteilte Anordnung, bis spätestens 31.07.2013 nach Weisung des Kreisjugendamtes 6 Monate gemeinnützige Arbeit zu erbringen, nicht erfüllt. Jene Anordnung hält jedoch der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Nichtbefolgung einer rechtswidrigen bzw. unzumutbaren Anordnung stellt kein schuldhaftes Verhalten eines Verurteilten dar (vgl. Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 11, Rn. 16 f.). Eine Durchsetzung einer solchen Anordnung durch Verhängung eines Ungehorsamsarrests darf deshalb nicht erfolgen (vgl. LG Bielefeld StV 2001, 175).

Es kann zunächst dahinstehen, ob die Anordnung, gemeinnützige Arbeit zu erbringen, hier als Auflage nach § 15 JGG oder als Weisung gemäß § 10 JGG einzuordnen ist. Denn die hier in Rede stehende Anordnung ist sowohl als Auflage als auch als Weisung rechtswidrig.Die vorliegende Anordnung,6 Monate gemeinnützige Arbeit zu erbringen, überschreitet die sowohl bei Arbeitsweisungen im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG als auch bei Arbeitsauflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JGG zu beachtende zeitliche Begrenzung.

Verfassungsrechtliche Gründe (vgl. Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 GG und BVerfG, Beschlüsse vom 13.01.1987 – 2 BvR 209/84, Rn. 56 ff. und vom 14.11.1990 – 2 BvR 1462/87, Rn. 40 f., jeweils zitiert nach juris) sowie die Stellung von Weisungen und Auflagen als mildere Mittel im Gefüge des Sanktionensystems des JGG und die §§ 10 Abs. 1 S. 2, 15 Abs. 1 S. 2 JGG stehen einer länger dauernden Ausnutzung der Arbeitskraft Verurteilter durch Arbeitsweisungen im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG und Arbeitsauflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JGG entgegen.

Die Grenze für den maximalen zeitlichen Umfang von Arbeitsweisungen im Sinne des § 10   Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG und Arbeitsauflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JGG ist dabei aus der (bei Auflagen entsprechend geltenden) Regelung des § 11 Abs. 3 JGG über die Durchsetzung von Weisungen herzuleiten (vgl.Ostendorf, JGG, 7. Aufl., § 11, Rn. 3 m. w. N. und   § 15, Rn. 13). Ob aus dieser Vorschrift, wonach im Falle schuldhafter Nichtbefolgung von Anordnungen verhängter Jugendarrest insgesamt die Dauer von 4 Wochen nicht überschreiten darf, eine Höchstgrenze von (etwa) 140 (4 mal 35) Stunden für Arbeitsanordnungen folgt oder im Hinblick auf die geringere Belastung durch Arbeit im Vergleich zum Arrest ein maximaler Umfang einer Arbeitsanordnung von (etwa) 280 Stunden anzunehmen ist (zu dieser Frage vgl.Ostendorf, JGG, 7. Aufl., § 11, Rn. 3 m. w. N.), kann hier dahinstehen. Denn die mit Urteil des Amtsgerichts Rockenhausen vom 13.12.2012 erteilte Anordnung, 6 Monate gemeinnützige Arbeit zu erbringen, liefe auf die Ableistung von knapp 1000 Stunden hinaus.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kann offen bleiben, ob die Anordnung, „… 6 Monate gemeinnützige Arbeit … zu erbringen“, das Bestimmtheitsgebot verletzt und auch unter diesem Gesichtspunkt als Grundlage für die Verhängung eines Ungehorsamsarrests ausscheidet. Auflagen und Weisungen müssen klar, bestimmt sowie in ihrer Einhaltung überprüfbar sein, damit Verstöße einwandfrei festgestellt werden können und dem Betroffenen unmissverständlich vor Augen geführt wird, wann die Verhängung eines Jugendarrests droht. Zweifel hinsichtlich der Bestimmtheit ergeben sich hier aus der Bemessung des Arbeitsumfanges in Monaten. Dies wirft Fragen auf (Wie viele Stunden sind insgesamt abzuleisten? Wie viele Stunden sind in einer Woche bzw. in einem Monat zu erbringen? Muss die gemeinnützige Arbeit „am Stück“ erbracht werden? Zählen Krankheitstage als erbrachte Zeit mit? Zählen etwaige Betriebsferien der Einrichtung, bei der die gemeinnützige Arbeit erbracht wird, als erbrachte Zeit mit?), die zumindest aus der Sicht eines nach Jugendstrafrecht Verurteilten nicht einfach zu beantworten sind.

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