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Erzwingungshaft bei geringer Geldbuße zu Lasten eines Sozialhilfeempfängers

AG Eilenburg – Az.: 8 OWi 147/20 – Beschluss vom 08.05.2020

Gegen die Betroffene … wird eine Erzwingungshaft von 2 Tagen angeordnet.

Gründe

Die Voraussetzungen von § 96 Abs. 1 OWiG, wonach das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde bei Nichtzahlung von Bußgeldern Erzwingungshaft anordnen kann, liegen vor. Die Betroffene hat die durch Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde – Stadtverwaltung … – vom 16.07.2019, Aktenzeichen: … rechtskräftig festgesetzte Geldbuße von 20,00 EUR nicht bezahlt und Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan. Sie ist entsprechend belehrt worden und es sind auch sonst keine Umstände bekannt, die ihre Zahlungsunfähigkeit ergeben würden.

An die Annahme von Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG i. V. m. § 66 Abs. 2 Nr. 2 b) OWiG sind aufgrund der Mitwirkungsobliegenheit eines Betroffenen besonders strenge Anforderungen zu stellen; sie steht nicht der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO gleich. Ein Betroffener muss selbst bei Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Vermögens- und Erwerbsquellen unter Einschränkung seiner Lebenshaltung außer Stande sein, die Geldbuße zahlen zu können. Da das Gesetz in § 66 Abs. 2 Nr. 2 b) OWiG auf die Zumutbarkeit der Zahlung abstellt, ist der Betroffene nicht schon dann zahlungsunfähig, wenn er nicht über genügend Zahlungsmittel verfügt, um die Geldbuße fristgerecht zu begleichen. Vielmehr kann eine Zahlungsunfähigkeit erst dann bejaht werden, wenn der Betroffene den Mangel an Zahlungsmitteln auch nicht unter zumutbaren Bedingungen beseitigen kann. Der Betroffene muss ihm zumutbare Möglichkeiten und erreichbare finanzielle Mittel heranzuziehen bzw. ausschöpfen, etwa durch Veräußerung oder Verpfändung von Gegenständen, Kreditaufnahme, Einsatz der Arbeitskraft oder Einschränkung der Lebenshaltung (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 03.09.1991 – 1 Ws 424/91 – NStZ 1992, 194; LG Arnsberg, Beschl. 02.02.2006 – 2 Qs 19/06 – NZV 2006, 446; LG Berlin, Beschl. v. 15.01.2007 – 504 Qs 7/07 -, NZV 2007, 373).

Die Betroffene hat die behauptete Zahlungsunfähigkeit nicht schlüssig dargelegt. Soweit sich die Betroffene auf den Rechtsstandpunkt stellt, dass sie als Hartz-IV-Empfängerin am Existenzminimum lebe und sie deshalb zahlungsunfähig sei und es daher nicht angehe, mit Zwangsmitteln zur Beitreibung von Geldbußen angehalten zu werden, verkennt sie, dass es insbesondere bei derart geringen Geldbußen von 20 Euro grundsätzlich auch Empfängern von Sozialleistungen und Personen, die an der Grenze zum wirtschaftlichen Existenzminimum leben, möglich ist, eine Zahlung zumindest in Form monatlicher Raten zu leisten. Denn auch einkommensschwachen und unpfändbaren Personen ist es grundsätzlich zuzumuten, eine derartige Geldbuße zu bezahlen, da sie sich ansonsten über bußgeldbewehrte Pflichten hinwegsetzen und risikolos Verkehrsverstöße begehen könnten (vgl. LG Münster, Beschl. v. 21.06.2005 – 2 Qs 47/05 -, juris; LG Arnsberg, a. a. O.; LG Berlin, a. a. O.). So liegt der Fall hier. Aus den Umständen, dass die Betroffene Arbeitslosengeld II bezieht und bei ihr bereits Pfändungen fruchtlos verlaufen sein sollen, ergibt sich nicht, dass es ihr unmöglich und unzumutbar wäre, die Geldbuße i. H. v. 20 Euro ggf. in 4 monatlichen Raten zu je 5 Euro unter Einschränkung ihrer Lebenshaltung bei voller Ausschöpfung aller ihrer Möglichkeiten zu begleichen, insbesondere auch weil anders als ihre übrigen Schulden, die sie behauptet zu haben, eine wegen einer Ordnungswidrigkeit festsetzte Geldbuße keine übliche Geldschuld ist. Sie soll nämlich den Betroffenen künftig zur Einhaltung der Rechtsordnung anhalten (vgl. Seitz/Bauer, in: Göhler, OWiG, 17. Aufl., 2017, § 96 Rn. 2).

Erzwingungshaft bei geringer Geldbuße zu Lasten eines Sozialhilfeempfängers
(Symbolfoto: Von Mizantroop/Shutterstock.com)

Die Höhe der Erzwingungshaft von 2 Tagen bei einer Geldbuße von 20 Euro ist nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung der derzeitigen persönlichen Verhältnisse der Betroffenen angemessen. Insbesondere wird es der Betroffenen möglich sein, sich um die Versorgung ihrer Haustiere für diese Zeit zu kümmern. Es handelt sich bei einer Geldbuße von 20 Euro auch nicht um eine derart geringe Geldbuße, bei der durch die Anordnung von Erzwingungshaft das Übermaßverbot verletzt wird (vgl. LG Arnsberg, a. a. O.), da anderenfalls insbesondere Parkverstöße sanktionslos bleiben würden.

Lediglich klarstellend weist das Gericht die Betroffene darauf hin, dass im Erzwingungshaftverfahren keine Nachprüfung des Schuldspruchs stattfindet; es also nicht darauf ankommt, ob sie den rechtskräftig festgestellten Parkverstoß begangen hat. Denn die Erzwingungshaft ist kein Übel für eine begangene Ordnungswidrigkeit. Mit ihr soll nur die rechtskräftig festgestellte Zahlungspflicht durchgesetzt werden (vgl. Seitz/Bauer, a. a. O., § 96 Rn. 5).

Der zu zahlende Gesamtbetrag zuzüglich der entstandenen Kosten und Auslagen für dieses Verfahren in Höhe von 34,76 EUR beträgt insgesamt 54,76 EUR.

Die Betroffene ist darüber belehrt worden, dass Erzwingungshaft angeordnet werden kann, wenn weder die Geldbuße spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft an die zuständige Kasse gezahlt noch der Vollstreckungsbehörde schriftlich oder zur Niederschrift die Zahlungsunfähigkeit dargelegt wird. Umstände, welche die Zahlungsunfähigkeit der Betroffenen ergeben, sind nicht bekannt.

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