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E-Scooterfahrt – Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung bei Trunkenheitsfahrt

LG Oldenburg – Az.: 6 Qs 56/22 – Beschluss vom 24.10.2022

1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg, Az. 27 Gs 365 Js 27503/22 (404/22) vom 27.06.2022 aufgehoben.

2. Der Führerschein ist dem Angeklagten unverzüglich herauszugeben.

3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Zusammenfassung

Anklage wegen Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter zugelassen, Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat Anklage gegen einen Mann wegen des Vorwurfs der Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter erhoben. Der Mann soll am 19. März 2022 in …X öffentliche Straßen befahren haben, obwohl er infolge Alkoholeinwirkung nicht mehr fahrtüchtig gewesen sein soll. Der Blutalkoholgehalt soll bei mindestens 1,49 Promille gelegen haben. Das Amtsgericht Oldenburg hat die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

Bereits im Juni 2022 wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und der Führerschein beschlagnahmt. Der Mann hatte sich gegen diesen Beschluss mit anwaltlichem Schreiben gewandt, jedoch ohne Erfolg.

Die Kammer des Amtsgerichts Oldenburg hat nun entschieden, dass der endgültige Entzug der Fahrerlaubnis des Angeklagten derzeit nicht in hohem Maße wahrscheinlich ist. Ob der Angeklagte zur Tatzeit nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, sei derzeit noch fraglich. Es fehle an Feststellungen zur fahrzeugtechnischen Einordnung des verwendeten Elektrorollers, um den Grenzwert von 1,1 Promille heranzuziehen, der für alkoholisierte Kraftfahrer gilt. Die Fahrerlaubnis bleibt vorläufig entzogen.

Gründe

E-Scooterfahrt – Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung bei Trunkenheitsfahrt
(Symbolfoto: StrDr stock/Shutterstock.com)

I. Mit Anklageschrift vom 29.09.2022, Az. 365 Js 37503/22, legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, dass dieser am 19.03.2022 in …X gegen 03:30 Uhr mit einem E-Scooter öffentliche Straßen befahren habe, obwohl er infolge Alkoholeinwirkung mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,49 Promille (Blutentnahmezeitpunkt: 4.04 Uhr) nicht mehr fahrtüchtig gewesen sein soll. Zudem soll er dies zumindest billigend in Kauf genommen haben. Mit Beschluss vom 17.10.2022 hat das Amtsgericht Oldenburg diese Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.

Bereits zuvor im Ermittlungsverfahren ist dem Angeklagten mit Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 27.06.2022, Az. 27 Gs 365 Js 27503/22 (404/22) die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet worden.

In diesem Beschluss heißt es insbesondere: „Er ist dringend verdächtig, am 19.03.2022 um 03.30 Uhr in …X auf der … ein Fahrzeug, nämlich einen E-Scooter geführt zu haben, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen (Blutalkoholgehalt 1,49 g ‰, Blutentnahmezeitpunkt: 04.04 Uhr).“ Zur weiteren Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf den Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 20.09.2022, in welchem er beantragt, den zuvor genannten Beschluss aufzuheben. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird ebenfalls zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Der Führerschein wurde am 01.08.2022 beschlagnahmt.

Das Amtsgericht Oldenburg half der Beschwerde mit Beschluss vom 17.10.2022 nicht ab.

II. Das als statthafte Beschwerde auszulegende Schreiben des Angeklagten hat in der Sache Erfolg.

Nach § 111a StPO kann die Fahrerlaubnis vorläufig nur dann entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB endgültig entzogen wird. Dringende Gründe für den endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis liegen vor, wenn dies in hohem Maße wahrscheinlich ist (BVerfG, Beschluss vom 25.04.1995 – 2 BvR 1847/94).

Die Kammer hält nach derzeitigem Ermittlungsstand einen endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis zwar nicht für ausgeschlossen, gleichwohl aber nicht in hohem Maße für wahrscheinlich.

Der Beschuldigte ist zwar dringend verdächtig, einen E-Scooter, des Typs … mit dem Versicherungskennzeichen … und somit ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt zu haben.

Ob er infolge des Genusses alkoholischer Getränke jedoch nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen (§ 316 StGB), ist derzeit noch fraglich.

1) An der Fahrzeugqualität eines elektrisch angetriebenen Rollers (sog. E-Scooter) ist nicht zu zweifeln. Fahrzeug im Sinne dieser Norm sind nämliche Beförderungsmittel beliebiger Art zum Zweck der Fortbewegung im öffentlichen Verkehr. Unerheblich ist, ob sie durch Motorkraft angetrieben werden. Erfasst sind damit nicht nur sämtliche Kraftfahrzeuge, sondern z.B. auch reine Fahrräder, Segelboote oder Segelflugzeuge (vgl. nur Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 316, Rz. 4).

2) Der Angeklagte war – unter Zugrundelegung des Ermittlungsstandes – zur Tatzeit auch erheblich alkoholisiert. Ob aber auf Grund der anzunehmenden tatzeitlichen Blutalkoholkonzentration von (mindestens) 1,49 ‰ auch von einer absoluten Fahruntüchtigkeit des Angeklagten auszugehen ist, kann derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

Denn für die Heranziehung des Grenzwertes von 1,1 Promille, der für alkoholisierte Kraftfahrer gilt, fehlt es vorliegend in den Ermittlungen an Feststellungen zur fahrzeugtechnischen Einordnung des bei der Fahrt verwendeten Elektrorollers (vgl. BGH, Beschl. V. 02.03.2021 – 4 StR 366/20).

Ohne weitere Feststellung zum verwendeten Fahrzeug, dessen Parametern sowie insbesondere Geschwindigkeit ist derzeit ungeklärt, ob es sich bei diesem um ein Elektrokleinstfahrzeug im Sinne des § 1 eKFV gehandelt hat, also um ein Fahrzeug, dass gemäß § 1 Abs. 1 eKFV straßenverkehrsrechtlich zu den Kraftfahrzeugen im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG zählt.

Denn für bestimmte Elektrofahrzeuge wurde in § 1 Abs. 3 StVG explizit bestimmt, dass es sich insoweit nicht um Kraftfahrzeuge im Sinne des Gesetzes handelt. Hierdurch ist eine Abklärung durch nähere Bestimmung und Bezeichnung der technischen Parameter, insbesondere der Höchstgeschwindigkeit des verwendeten Elektro-Fahrzeuges erforderlich.

Zwar spricht für ein Kraftfahrzeug im Sinne von § 1 Abs.2 StVG die Eigenschaft des verwendeten Rollers als Mietfahrzeug im Straßenverkehr mit Versicherungskennzeichen, aber ist dies allein ohne nähere Feststellungen zum verwendeten Elektrofahrzeug noch nicht ausreichend, um zu Lasten des Angeklagten von einem Kraftfahrzeug auszugehen.

3) Sofern eine relative alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Angeklagten im Hinblick auf das Führen eines Fahrzeuges, das kein Kraftfahrzeug ist, in Betracht kommt, bedarf es zusätzlich Tatsachen, welche den Nachweis alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit erbringen können. (BGH, Urteil vom 22. April 1982 – 4 StR 43/82, BGHSt 31, 42 mwN).

Derartige Umstände haben weder das Gericht in seinem angegriffenen Beschluss noch die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift dargelegt. Soweit der Angeklagte nach der Sachverhaltsschilderung der Polizei an der Kreuzung …/… beim Überqueren der Kreuzung einen Rotlichtverstoß begangen haben soll, wurde bisher im Rahmen der Ermittlungen nicht geklärt, ob dies Folge seiner Alkoholisierung gewesen sein könnte. Die knappen polizeilichen Feststellungen hierzu in der Sachverhaltsaufnahme Bl. 3 d.A. erlauben es nicht nachzuvollziehen, ob ein solcher Fahrfehler dem Angeklagten in der konkreten Situation nicht auch ohne Alkoholeinfluss unterlaufen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 1968 – 4 StR 399/68, DAR 1969, 105).

Nach der derzeitigen Aktenlage liegt daher noch kein dringender Tatverdacht einer Trunkenheitsfahrt vor, so dass derzeit dem Angeklagten nicht die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden kann.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO analog.

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